Der Andere: Was in einem Kunstwerk erkannt werden soll, also sein Gegenstand, ist das eigene Erleben. Wenn man nun annimmt, daß man das eigene erleben überhaupt zum Gegenstand machen und erkennen kann, dann haben Kunstwerke keine andere Art von Gegenständlichkeit als eine Wissenschaft, in diesem Fall eine Wissenschaft des Erlebens, sagen wir eine Bewußtseinswissenschaft.
Der Eine: Und was nennst Du dann das Ästhetische, ob nun im Fall des Kunstwerks oder im Fall einer Wissenschaft?
Der Andere: Das Ästhetische besteht in der Wahrnehmung von Zusammenhängen; etwa von Regelmäßigkeiten oder Unregelmäßigkeiten und häufig auch in ihrer Verallgemeinerung und Übertragung auf unvorhergesehene Bereiche.
Der Eine: Und worin bestünde dann der Unterschied zwischen der Dichtung und einer solchen Wissenschaft?
Der Andere: In der Form, in der die Erkenntnis dargestellt wird. Eine Dichtung versucht auf ihre eigene Weise, die Wirklichkeit zu erkennen, die auch in einer Wissenschaft des erlebens erkannt werden soll.
(aus: Dichtung und Wissenschaft, S. 5)
© 2002, Literaturverlg Droschl, Graz, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.