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Mieze Medusa, Markus Köhle: Doppelter Textpresso.

Buch mit Audio-CD.
Wien: Milena Verlag 2009.
136 S., Klappenbroschur, Euro 14,90.
ISBN 978 3 85286 182 1.

Link zur Leseprobe

"Mahlen – brühen – schlucken", so heißen die drei Kapitel und das ist ungefähr das, was Mieze Medusa und Markus Köhle mit Sprache und Text machen; nachzulesen ist das in ihrem jüngsten Best of Poetry-Slam-Bändchen "Doppelter Textpresso". Klein und stark, ristretto, so muss es sein. Und was sagt uns der Kaffeesud?
Wir finden Alltagsrituale, Tagesaktuelles, Intertextuelles und Zeitloses wie die Liebe und das Leben. Auf mehreren Ebenen sind Ernst, Spaß und Spiel miteinander verlinkt, der Wechsel von einer Ebene auf die andere, von einem Thema zum anderen erfolgt oft plötzlich, in irrwitzigem Schwenk, kaum ist eine Erwartungshaltung da, slammt sie einem auch schon wieder auf der Nase herum. Und das Lachen dabei kommt nicht nur davon, dass es kitzelt.

King & Queen der Wiener Poetry-Slam-Szene äußern sich abwechselnd über Liebeskummer, Bankenpleiten, Wirtschafts- und Beziehungskrisen, die Programmgestaltung des ORF oder ganz Banales wie das Gassi-gegangen-Werden mit und von einem Hund; aber auch übers Schreiben und Slammen, über das Lampenfieber vor dem Auftritt und den Genuss dabei, den Nervenkitzel und die Stimmung im Saal. Sprache tritt auf im Rock- und Rap- und Textkonzert, wird zum Rhythmusinstrument. Es fällt schwer, für diese Texte den Terminus "Gedicht" zu verwenden, sind sie doch alles das nicht, was (immer noch) landläufig mit Gedichten assoziiert wird. Die Worte schweben nicht im Raum, sie werden auf den Tisch geknallt. Basta. Ristretto.

Stark ist die Sprache – auch wenn sie einiges mitgemacht hat, aber das macht sie wohl auch erst so unverwüstlich. In dieser Sprache, die sich nicht gerne festlegen lässt, haben Austriazismen ebenso ihren Platz wie Germanismen, Anglizismen oder Slang- und Dialektausdrücke. Diese Sprache speist sich aus Spielchen und Assoziationen, aus Absurditäten und Genialitäten, sie ist rhythmisch und musikalisch, poetisch bis hin zur Karikatur und wieder zurück. Wie belieben. Und ziemlich gerieben. Es ist eine Sprache, "die zwar recht flott aufmarschiert, aber doch auch Substanz mit sich führt" (Köhle).

In dieser Sprache kommen die beiden zuweilen vom Hundersten ins Tausendste; so kann es in einem Gedicht von Mieze Medusa durchaus abwechselnd und gleichzeitig um die Obama-Wahl, gesellschaftliche "Verpflichtungen" angesichts der demographischen Entwicklung in der westlichen Welt, Umweltschutz und persönliche Befindlichkeiten gehen; gespickt mit erkenntniskritischen Anspielungen auf den guten alten Doktor Faust.
Frau hat keine Lust auf political correctness, man(n) auch nicht, auch wenn es durchaus mal zeit- und gesellschaftskritisch sein darf in Ö ö ö ö Österreich (der "Gedächtnislücke mit System"), rund um konservative Neuauflagen und Waldheimsümpfe. Zimperlich- oder Betulichkeiten haben hier keinen Platz – allenfalls einmal als Zitat und sofort ironisiert. Eher pointiert als differenziert, aber doch hintergründig bei aller Plauderei und zuweilen sogar Blödelei, launig, intellektuell und intertextuell, "individuell und aktuell" – so frech und laut kann Poesie sein.

Mieze Medusa und Markus Köhle legen mit "Doppelter Textpresso" nicht die erste gemeinsame Publikation vor: 2007 ist im Klagenfurter Sisyphus Verlag bereits die CD "Sprechknoten. Spoken Word, Performance und Slam Poetry" erschienen. Und auch der "Doppelte Textpresso" wird mit CD serviert, einer Aufnahme live aus dem Literaturhaus Wien. Denn Poetry Slam ist nicht zuletzt Literatur zum Hören (und zuweilen auch Sehen und Fühlen). Erst in der Performance entfalten sich die Texte zu voller Bandbreite. Das hartnäckige Vorurteil, Autor/innen könnten ihre eigenen Texte nicht vortragen, wird wieder einmal unerhört eindrucksvoll widerlegt. Egal ob Markus Köhle "Mögliche Spielarten modernen Minnesangs" zelebriert oder Mieze Medusa an manchen Stellen tatsächlich zu tanzen und zu singen beginnt – die Interaktion mit dem Publikum haucht den Texten erst ihr Slammer-Leben ein, bringt die Vielschichtigkeit der Ebenen zum Klingen und die mehrfache Brechung zwischen Witz und Ernst, Ich und Welt, dem Hundertsten und Tausendsten erst so richtig zur Geltung.

Sabine Dengscherz
24. November 2009

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

 

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