Versteht man Wührs Poesie und die ihr entsprechende Poetik als Versuch, das Philosophisch-Theoretische in die Schranken seiner Form zu weisen, dann können diese Poesie und Poetik auch als Kritik des Philosophischen verstanden werden. Konsequenterweise wäre es eine Kritik, die nicht oder (im Fall der Poetik) nicht ausschließlich auf philosophischen Argumenten beruht, die ja ihrerseits den Bedingungen und damit der Form des Theoretischen unterworfen bleiben müßten. Es wäre also auch eine Kritik durch einen bestimmten Umgang mit dem Philosophischen, eine Kritik, die zugleich nahelegte, daß ein Denken, das sich ausschließlich den Bedingungen für das philosophisch-theoretische Denken unterwirft, die Philosophie und deren Erkenntnisanspruch nicht überzeugend kritisieren könne.
Es wäre aber einseitig und vereinfachend, Wührs Poesie ausschließlich als Einschränkung des Geltungsbereichs des Philosophisch-Theoretischen zu sehen und in diesem Sinn als dessen Kritik. Denn mit demselben Recht, mit dem man jene Einschränkung geltend macht, kann man auch behaupten: Wührs Poesie ist eine Weise, das Philosophisch-Theoretische erst zu sich kommen zu lassen; dann würde sich das Philosophieren oder Theoretisieren erst in einer solchen Poesie, unter solchen poetischen Bedingungen selbst durchsichtig, so daß jene Einschränkung oder Schranke erst deutlich und damit überwindbar würde; und dann könnte die Poesie sogar als die angemessene Form verstanden werden, das Philosophisch-Theoretische zu inszenieren oder gar zu feiern. (S. 72f.)
© 1999, Droschl, Graz, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.