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Stefan Zweig: Schachnovelle

Christoph Maria Herbst liest Stefan Zweig
Schachnovelle
2 CDs
Ungekürzte Lesung
Gesamtlaufzeit 146 Minuten
ISBN 978-3-86610-534-8
Argon Verlag, 2009

 

Stefan Zweig
Schachnovelle
Hörspielbearbeitung
von Klaus L. Graeupner 1959
1 CD, Laufzeit ca. 65 Minuten
ISBN 978-3-86717-612-5
der Hörverlag, 2010

 

Kaum vergleichen lassen sich die beiden sehr unterschiedlichen Hörfassungen der berühmten "Schachnovelle" von Stefan Zweig. Ein Mal handelt es sich um die ungekürzte Lesung des Originals (Argon Verlag), das andere Mal um eine Hörspielbearbeitung von Klaus L. Graeupner aus dem Jahr 1959 (der Hörverlag). Die spannungsvolle Dichte vermittelt sich in beiden Fällen - den Unterschied macht die sprachliche Differenziertheit des Autors, die in der dramatisierten Version mehr oder weniger verloren geht.

Die 1942 im Jahr seines Todes erschienene Novelle wird vom Hörverlag auf dem CD-Cover in zwei Sätzen zusammengefasst: "Von der Gestapo verhaftet und in ein Hotelzimmer gesperrt, flüchtet Dr. Blatt (Anm.: in der Novelle im Original Dr. B.) in die abstrakte Welt des Schachspiels, um sich so seine geistige Widerstandskraft zu erhalten. Nach seiner Entlassung spielt er seine erste Partie auf einem Atlantikdampfer gegen den Schachweltmeister Mirko Czentovic und droht erneut, einem Nervenfieber zu verfallen." Die Novelle erscheint als Vermächtnis des Autors, das die Zerbrechlichkeit der menschlichen Seele im Spannungsfeld politischer Machtspiele zeigt. Dr. B., als geistig und kulturell hochgebildeter Mensch, gerät in die Fänge eines grausamen Systems und entkommt diesem nur aus schicksalshaftem Zufall. Das Motiv der Erpressung ist in Zweigs psychologisch orientiertem Werk auch in anderen Erzählungen gegenwärtig. Wie schon in der frühen Novelle "Angst" gibt es eine Lösung, jedoch keine Rettung. Zweig selbst wählte den Freitod noch bevor die "Schachnovelle" erstmals in Buenos Aires, fern seiner Heimat erscheinen konnte.

Die Hörspielfassung nützt die ungebrochene Publikumswirksamkeit der Novelle, die als die meist Gelesene gilt, für sich. Halb so lang wie das Hörbuch im Original konzentriert man sich hier auf spannungsvolle Dialoge. Der beliebte Hörfunksprecher Gert Westphal interpretiert in seiner jovial-deutschen Art den Zweig'schen Erzähler vielleicht etwas zu unbeschwert und kraftvoll, als den man sich den zwar selbstbewussten aber doch feineren Ton des Weltbürgers vorgestellt hätte. Willy Trenk-Trebitsch - der mit seiner Rolle als Mackie Messer in der Uraufführung der "Dreigroschenoper" bekannt wurde - trifft dagegen als Dr. Blatt mit dem sich stark von den anderen (deutschen) Sprechern abhebenden österreichischen Akzent und der leise gepressten Stimme hervorragend die Psyche des von den Nazis verfolgten Juden.

Das Hörspiel jongliert geschickt zwischen dem Originaltext Zweigs und "zeitgenössischer" Redensart - insofern wirkt die Produktion trotz ihrer 51 Jahre noch nicht antiquiert. Die "Kultiviertheit" der Sprache wird in dem Maße belassen, wo der Eindruck einer großbürgerlichen weltoffenen Gesellschaft entstehen soll, oder aber durch Umgangssprache ersetzt, wenn es um Nebensächlichkeiten geht. Graeupner ist so weit als möglich werkgetreu geblieben und bot mit seiner Bearbeitung die leichtere "Lesart" an, zu einer Zeit als das Medium "Hörbuch" noch weitgehend unbekannt war. Dass die dramatisierte Version des Erzähltextes nicht das leisten kann, was bei Stefan Zweig zwischen den Dialogen steht, versteht sich von selbst. Die Ankündigung des Verlags, dass Gert Westphal "die Schachnovelle unvergesslich werden lässt", erscheint also trotz dessen Charmes übertrieben - immer noch ist es die Originalsprache von Stefan Zweig, die das Werk unvergesslich macht.

Insofern hat die "Schachnovelle" in der Reihe "argon klassiker" des Argon Verlags ihren richtigen Platz. Spartanisch sind auch hier die Auskünfte über Inhalt und Werk des Autors. Sein Lebenslauf wird in drei Zeilen komprimiert: "Stefan Zweig 1881 Wien - 1942 Petrópolis, Brasilien, über Salzburg nach England und Brasilien, episches Werk, historische Miniaturen, biographisches Werk" sind die Schlagworte und genügen für den großen Dichter. Auf 2 CDs liest der deutsche Schauspieler Christoph Maria Herbst in "vielschichtiger" und "einfühlsamer" Interpretation. Dem ist nichts entgegenzusetzen. Herbst gelingt es, während 146 Minuten die Spannung langsam aufzubauen und zu halten bis die Schachpartie nahe am Rande des Wahnsinns vorbeischrammt. Nur in schnellen Sequenzen unterlaufen Herbst selten aber doch ein paar Fehler beim Lesen, die wahrscheinlich niemandem auffallen, außer einem Schachexperten. So macht er einmal aus dem siebenunddreißigsten den siebzehnten Zug oder die aufgeregt geflüsterte Anweisung von Dr. B. wird zu einem "parieren Sie mit Turm C3-D5" (statt wie im Original: C8-C4). Da allerdings auch der Autor selbst kein Schachexperte war und die Schachzüge keine wirkliche Bedeutung haben, ist dies dem Sprecher leicht zu verzeihen. Dennoch hätte der Verlag vielleicht einem österreichischen Schauspieler den Vorzug geben können, der jenen Ton einbringt, den man mit Zweigs Werk im Allgemeinen verbindet.

Optisch gefällig bieten sich beide Werke in klassischem Schwarz-Weiß an. Die Anlehnung an die Farben des Schachspiels drängt sich auf. Auf welche Art man sich der Meisternovelle auch nähert: in jedem Fall wird deutlich, wie der deutsche Nationalsozialismus eine ganze Generation von Menschen beinahe weltweit geistig vergiftete.

Silvia Sand
23. September 2010

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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