Noah Berg, dieser Dorn in Marxens Auge, war durch ein paar gedruckte Absätze zu Manns stellvertretendem Fürsprecher geworden. Er konnte seine Sätze fast auswendig, so oft hatte er sie gelesen.
Es liegt eine gewisse Ironie in der gesuchten Anonymität des Autors dieses hervorragenden neuen Romans. "D. Mann" betritt die Szene mit wenig mehr als eben dieser kryptischen Verfasserzeile und einem exzellenten Buch. Die Ironie liegt darin, dass der Protagonist des Romans, ein gewisser Nicholas Kahnweiler, ein Egoist größten Ausmaßes ist. Dazwischen ist in der Tat eine Studie über den Egoismus und die Art und Weise, wie das ausschließlich mit sich selbst beschäftigte Genie das Gefühl bekommt, dass die Welt es gewissermaßen in seinem innersten Kern trifft. Kahnweiler, ein Wissenschaftler mit ausgeprägten Skrupeln, ist unabsichtlicherweise durch die Rüstungsindustrie reich geworden und verfügt somit über die Mittel, alle Facetten seiner eigenen Neigungen und seiner Persönlichkeit zu erkunden. Sein Reichtum verstärkt darüber hinaus den manipulativen Aspekt seines Charakters, da er ihm alle Waffen zur Verfügung stellt, die mit Geld zu kaufen sind, um sie in dem fundamentalsten Krieg überhaupt, dem zwischen Männern und Frauen, einzusetzen. Wenn Kahnweiler die Geschichte zu erzählen beginnt, die den Roman bildet (und Manns Methode, diesem Egoisten seine Geschichte zu entlocken, ist ungekünstelt und unaufdringlich), ist er bereits ein Veteran dieser Kriege, der ihre Ursachen zu verstehen sucht oder zumindest einen Waffenstillstand anstrebt.
(S. 77)
© 2004, Haymon, Innsbruck, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.