Vergnügliches für den besonderen Leser.
Regie und Sprecher: Martin Falk
Spielzeit: 73:50 Min.
auditorium maximum. Der Hörbuchverlag der WBG
ISBN: 978-3-534-60166-0
Darmstadt: WBG 2010
Seit die Lesekultur in die Zwickmühle der sogenannten Neuen Medien geraten ist, häufen sich essayistische Hommagen an das Buch. Mittlerweile haben sich zum Thema auch eine Reihe von eher unbefriedigenden Titeln angesammelt, bloße Kompilationen von Glossen und tagesaktuellen Texten oder lesbar allzu rasch Zusammengegoogeltes. Hektor Haarkötters „Der Bücherwurm“ ist hingegen eine tatsächlich vergnügliche Entdecklungsreise rund um den Bücherwurm, nicht nur als Metapher verstanden sondern auch als Forschungsgegenstand der Entomologie. Aus den Beziehungsproblemen Buch – Buchschädling – Mensch entwickelt Haarkötter, angereichert mit einer Fülle von originellen Zitaten und Fundstücken, auch ein Stück Wissenschaftsgeschichte. Schließlich mussten erst entsprechende optische Gerätschaften zur Hand sein, um die oft mikroskopisch kleinen Lebewesen zu identifizieren – ihre Artenvielfalt ist bis heute erst in Ansätzen erforscht.
Dass der Verlag nun eine Hörversion vorlegt, ist prinzipiell begrüßenswert, die Umsetzung allerdings macht nicht recht glücklich. Das beginnt schon damit, dass der Hörer mit einem Werbetext des Verlages begrüßt wird. Fast schon überflüssig zu sagen, dass sich am Cover – Booklet ist nicht vorhanden – keine Erwähnung findet, wer wieviel gekürzt hat. Das ist bei Hörbüchern schon schlechte Gewohnheit, bei einem Text zum Thema Buchkultur aber beinahe sträflich. Leicht nachvollziehbar ist anhand der Track-Liste, dass zwei Kapitel (5 und 10) weggefallen sind. Beim genaueren Hineinhören wird rasch klar, dass zwar alle den Kapiteln vorangestellten Motti gelesen werden, die Kürzungen in den verbliebenen 8 Kapiteln aber sonst ziemlich radikal ausgefallen sind und zum Teil auch sinnstörende Folgen haben.
Zwar sind einige der kleinen Striche auch Verbesserungen im Text – hier hätte ein sorgfältiges Lektorat der Druckversion manches schnell hingeschriebene Füllsel oder Adjektiv ersparen können, aber vieles empfindet man doch als verunstaltenden Eingriff. Da Martin Falk den Text mit gleichbleibender Rasanz liest, erschweren auch falsche Anschlüsse das Hörverständnis ganz erheblich, etwa wenn auf eine Beschreibung von Giuseppe Arcimboldos „Bibliothekar“ der Hörtext mit „er“ fortsetzt, aber Arcimboldo meint. Und was ein Hörer versteht, wenn hartnäckig von BARTESS gesprochen wird, wo (Roland) Barthes gemeint ist, lässt sich nur vermuten. Insgesamt wirkt die Sprecherstimme mitunter so, als vermöchte sie dem Text inhaltlich nicht immer genau zu folgen, vor Fremdwörtern und lateinischen Termini vermeint man ein „Scheuen“ des Leseflusses zu hören, manchmal ist die Phantasie der Hörer gefragt, um etwa aus einem Istituto di „Patolodscha“ del Libro das gemeinte patologia herauszuhören. Besonders übel aber ergeht es der Buchvorlage dort, wo durch die Streichung langer Passagen die vom Autor entwickelten Gedankengänge nicht mehr nachvollziehbar sind (besonders folgenreich etwa S. 84ff.), und im Hören – nicht im Lesen – der Eindruck eines beliebigen Sammelsuriums entsteht. Dagegen fallen die oft unvermittelt mitten im Kapitel hörbaren stimmlichen Neuansätze kaum ins Gewicht.
Evelyne Polt-Heinzl
14. Oktober 2010
Originalbeitrag
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