Denn der Geschlechtsverkehr ist doch sowieso nur eine Variante der Masturbation. Für Sie doch auch, gnädige Frau, oder? Der Versuch, die Phantasien, die man sich für die Masturbation bereitgestellt hat, mit etwas Wirklichkeit anzureichern. Das phantasierte Fleisch und sein Verhalten ein bisschen mit wirklichem Fleisch und wirklichem Verhalten aufzufrischen. Hab ich nicht recht? Die Phantasie etwas wirklicher zu haben und die Wirklichkeit endlich etwas phantastischer. Ist doch wahr, oder? Mit der bloßen Wirklichkeit ist doch nichts anzufangen. Mit ihr ist es doch immer schon unmöglich gewesen, ein brauchbares Geschlechtsleben zu haben. Die Frau allein reicht doch nie aus. Weder vorher noch mittendrin, schon gar nicht hinterher. Was man sich doch nicht alles sofort hineinphantasiert in die Frau, an Phantasien! Oder? Die die Auserwählte nur besser zu entfachen imstande ist als die anderen. Und die sie auch beim Geschlechtsverkehr besser entfacht halten kann. Eine Frau ist ja nur so viel, als sie an Phantasien zu entfachen fähig ist. Das ist die Wahrheit, gnädige Frau. Und ob das die Wahrheit ist! Es sind doch immer nur die eigenen Phantasien interessant an einer Frau. Mit der Wirklichkeit sind doch keine Höhepunkte zu erwirtschaften. Im Gegenteil. Die Wirklichkeit vernichtet sie doch nur. Die Phantasie allein erwirtschaftet sie. Und sie muss immer wieder die Wirklichkeit vernichten, um sie erwirtschaften zu können. So ist das doch, oder? Aber das wissen sie doch selbst, gnädige Frau, dass das so ist, oder? Und ob Sie das wissen! Das müssen Sie doch wissen!
(S. 66)
© 2004, Deuticke, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.