Am Arm ihres Gönners schwebte die Moravec über die Treppe hinunter ins Vestibül. Leicht irritiert bemerkte sie, dass sich dort eine Gruppe Offiziere versammelt hatte. Leider kannte sie mehrere von ihnen. Und zwar besser, als ihr lieb war. Vor allem der Hauptmann Korenyi starrte sie unverschämt aus seinen von übermäßigem Alkoholgenuss geröteten Augen an. Als sie grußlos an ihm vorbeischritt, sah sie aus den Augenwinkeln, wie sich Korenyis Mund spöttisch verzog. Lauthals sagte er zu seinen Kameraden: „Da schau her, die kleine Moravec aus dem Sperl...Die hat sich doch glatt einen Markgrafen geangelt. Die muss ja ganz erstaunliche Qualitäten haben.“
Diese Bemerkung mündete in schallendem Gelächter. Steffi Moravec wurde knallrot und zog schamhaft den Kopf ein. Ihr Begleiter löste sich mit einem Ruck von ihr. Verblüfft sah sie, wie er am Absatz kehrtmachte, auf die Offiziersgruppe zutrat und Korenyi anherrschte: „Was erlauben Sie sich, meine Begleiterin öffentlich zu desavouieren?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, gab er dem Hauptmann eine schallende Ohrfeige. Danach zog er eine Visitenkarte aus dem Frack und sprach mit lauter Stimme in die Stille, die sich plötzlich im Vestibül ausbreitete: „Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Herr Hauptmann!“
Darauf wandte sich Graf Nikolaus Collredi ab, bot der betreten dreinschauenden Steffi seinen Arm an und verließ Seite an Seite mit ihr das Theater an der Wien.
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