Therapiegespräch im Jänner 1990
Dr. Z. und Alexander Sommer
Ich habe mir eine Traumwelt aufgebaut. Ich habe ständig vor mich hin geträumt, während der Arbeit und eigentlich immer.
Ich habe von meinem Leben danach geträumt, von meinem Besuch bei meiner Mutter in Neuseeland. Wie wir gemeinsam am Strand spazieren gehen und gemeinsam Figuren töpfern und Bücher schreiben. Ich werde ein berühmter Künstler und treffe eine wunderschöne Frau. Manchmal bin ich kein Künstler gewesen, sondern ein Held, der vielen Menschen das Leben rettet, dann wieder ein berühmter Forscher und Wissenschaftler oder ein reicher Unternehmer. Lauter so Blödsinn eben.
Dann habe ich auch andere Sachen vor mich hin geträumt. Wie es gewesen wäre, wenn sie nicht ausgewandert und ich bei ihr in der Stadt aufgewachsen wäre, den ganzen Tagesablauf habe ich mir mit ihr vorgestellt, als kleiner Volksschulbub. Wie meine Kindheit verlaufen hätte können, das habe ich mir immer wieder vorgestellt, und wie ich dann geworden wäre. Wäre ich anders als ich jetzt bin? Das habe ich mich so oft gefragt.
Ich habe mir jede Szene so genau vorgestellt, ich habe sie in meinen Gedanken immer wieder durchgespielt. Dass sie mich zur Schule bringt und wieder abholt und dabei jedes Mal umarmt und küsst. Sie macht mit mir die Hausübung, wir spielen miteinander, wir gehen spazieren, wir fahren zusammen mit dem Fahrrad. Später geh ich ins Gymnasium und bin Klassenbester und wir diskutieren über Bücher und wir gehen ins Theater. Ich bin immer gut angezogen, cool und selbstbewusst, alle mögen mich. Ich lerne ein hübsches Mädchen kennen und meine Mutter ist zu ihr sehr freundlich. Ich weiß, es ist kindisch.
Ein Vater ist nie in meinen Träumen vorgekommen. Ich weiß nicht wieso.
(S. 98–99)
© 2011 Picus Verlag, Wien.