Aus: Wie es ist
die nacht, die sich ums haus schlingt, ist anthrazitfarben und nur ein leises fispern.
he, sagt sie, setzt sich ans bettende, sie zieht die decke über ihre füße, ihre zehen sind kalt.
he du. ich mache das licht an, es sticht in meine augen; sie blinzelt, es ist vier uhr morgens.
was ist? Meine stimme klingt nach birkenrinde, rau; wenn ich sie schäle, klingt es nach: geh.
sie haben gesagt, ich soll mich bewerben, weißt du, sie haben gesagt, ich könnt’s schaffen, haben sie wirklich gesagt, da hab ich mich beworben, gestern schon.
sie streicht sich die haare hinters ohr zurück, ihre worte klingen dumpf, sie schleifen die luft, bis sie so dünn ist, dass ich durch den mund atmen muss.
so, sage ich, weil mir nichts anderes einfällt. so, und dann geh schlafen. sie lacht, sie steht auf, ihre schritte auf dem parkettboden sind klein und leise, ich stelle mir vor: die schritte einer taube. im türrahmen dreht sie sich noch einmal um, lächelt ein entschuldigendes lächeln, so eines, das sie im publikum verteilt, wenn sie sich nach einer aufführung verbeugt; was meinst du? ich zucke die schultern, drehe mich zur wand.
die tür fällt leise in die angel, nur ein leises klicken, ich sage natürlich werden sie dich nehmen. was ich nicht sage, ist: ich möchte nicht, dass sie dich nehmen.
ich habe meine schwester zweimal auf der bühne gesehen. ein erstes mal und ein letztes mal. das erste mal, das war mit meiner mutter zusammen, sie hat die lippen gekräuselt, als meine schwester sich am ende verbeugt hat, sie hat nicht geklatscht, sie hatte auch keine blumen mitgebracht, keine schokolade, keine karte, auf der vielleicht hätte stehen sollen: ich bin sehr stolz auf dich. meine mutter ist keine stolze frau. meine schwester nennt sie herrisch, verbittert und einfach.
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Aus: schwebeteilchen
ich wache auf, als ich linas schritte auf dem parkettboden höre. ich rufe nach ihr; sie steckt den kopf zur tür herein, formt einen kussmund und wirft mir einen luftkuss zu. schlaf weiter, sagt sie und als ich frage, wie spät ist es, sagt sie, sechs. sie legt sich zu mir, sie riecht nach rauch und alkohol und nach aftershave.
glücklich sein mit lina fühlt sich so an, wie ich mir australien vorstelle, so, als gäbe es nur licht. helles licht mit diesen schwebeteilchen im auge, durch die man meistens einfach hindurchsehen kann.
ich habe heute ein mädchen geküsst, sage ich. lina umarmt mich, sie wuschelt mir durchs haar.
fühlt sich das immer so an wie gummi.
sie lacht.
(Seite 57)
© 2011 Skarabaeus Verlag, Innsbruck.