Eines Morgens fand man Eva im Hausflur von Muldenstraße 42 mit eingeschlagenem Schädel; gleich neben dem Kellereingang fand man sie. Eva war keine Liebe von mir. Ich hätte Eva, hätte ich Eva geliebt in einer Art und Weise – vielleicht Hals über Kopf, oder mit heftiger, kurzer Inbrunst, oder von ganzem Herzen im äußersten Fall – ich hätte Eva nicht mit anderen geteilt; eher hätte ich ihr den Schädel eingeschlagen.
(S. 51)
Es ist das Ziel, sagte Vater, das letztendlich die Auswahl der Bomben bestimmt. Man hatte die Bombe über dem Werk abwerfen wollen. Eigentlich. Sie war in der Muldenstraße eingeschlagen. Die Amerikaner, sagte Siegfried, seien schlechte Flieger und schlechte Schützen dazu. Vieles von dem, was uns damals erzählt wurde, war nicht ganz so, wie wir es erzählt bekamen, vieles fiel dem unwiderstehlichen Drang zum Fabulieren zum Opfer; vielleicht ist eine erfundene Geschichte leichter zu ertragen als die Wirklichkeit.
(S. 139)
Ein schwarzer Turm stand neben dem anderen, nicht nahe genug, um einen gemeinsamen Schatten zu werfen, nicht weit genug für einen weiteren Turm dazwischen. Die Türme standen zueinander versetzt, der Morgensonne wegen, glaube ich, wurden berechnet für alle möglichen Winde, nur für Windstille nicht, wie heute, wo ein Blau das andere ergab. Die Türme gaben sich ruhig nach außen hin, die Donau hinter den nördlichen Vorstädten lag glatt vor den Ausläufern der böhmischen Masse; vielleicht glatter als sonst, schien sie nicht zu fließen, auch nicht gemächlich, wie man es von einem Fluss dieser Größe erwarten könnte, nein, sie bewegte sich nicht, nicht wirklich und nicht in der glatten Nordfassade über mir.
(S. 219)
© 2012 Kyrene Literaturverlag, Innsbruck-Wien.