Main Logo
LITERRA - Die Welt der Literatur
Home Autoren und ihre Werke Übersicht
Neu hinzugefügt
Serien / Reihen
Genres
Leseproben
Bücher suchen
Signierte Bücher Künstler und ihre Werke Hörbücher / Hörspiele Neuerscheinungen Vorschau Musik Filme Kurzgeschichten Magazine Verlage Specials Rezensionen Interviews Kolumnen Artikel Partner Das Team
PDF
Startseite > Bücher > Phantastische Erzählungen > Fabylon > Alisha Bionda > SAD ROSES > Leseproben > Ausschnitt aus DIE ROSEN DER AFARIS von Katja Brandis
emperor-miniature

Ausschnitt aus DIE ROSEN DER AFARIS von Katja Brandis

SAD ROSES
SAD ROSES

Alisha Bionda (Hrsg.)
Anthologie / Phantastische Erzählungen

Fabylon

ARS LITTERAE: Band 4
Broschiert, 204 Seiten
ISBN: 978-392707144-5

Okt. 2009, 14.90 EUR
Bestellen: Jetzt bestellen

Elissja war an der Reihe vorzutanzen. Doch weil ihre Beine vom Üben am Vortag schmerzten, gelang es ihr nicht, so graziös auf die Füße zu kommen wie Meister Pihar das gerne sah. Sie musste sich sogar beim Aufstehen am Boden abstützen. Elissja spürte, wie ihr vor Verlegenheit das Blut ins Gesicht schoss. Mitfühlend, kritisch oder schadenfroh schauten die anderen Schülerinnen zu. Elissja wandte sich von ihnen ab, versuchte sie alle zu vergessen. Das Gefühl, beobachtet zu werden hatte sie nie gemocht – und der stechende Blick, mit dem Meister Tero Pihar jede Bewegung registrierte, hätte wahrscheinlich auch eine erfahrene Tempeltänzerin unruhig gemacht.
„Musik!“, befahl er kurz.
Einen Moment lauschte Elissja mit geschlossenen Augen der Melodie, die der alte Gerom-Spieler seinem Instrument entlockte, und versuchte ruhig zu atmen. Dann wippte sie kurz auf den Zehenspitzen und warf sich in den Kal´dharan-Tanz, der eine uralte Geschichte von Liebe und Tod erzählte. Jetzt zahlte es sich aus, dass sie fast die ganze Nacht geübt hatte – die Bewegungen waren ihr so vertraut, dass sie nicht mehr darüber nachdenken musste. Verbissen konzentrierte sie sich darauf, die Finger und Hände exakt so zu halten, wie das Zeremoniell es vorschrieb.
Ein kurzes Fingerschnippen von Meister Tero Pihar belohnte sie. „Besser als das letzte Mal“, brummte er. „Jetzt musst du nur noch begreifen, worum es im Kal´dharan eigentlich geht. Nichts wisst ihr vom Tod, ihr Mädchen, nichts, und man merkt es!“
Ohne auf eine Antwort zu warten nickte er Jawila zu, einer der anderen Schülerinnen. Sie erhob sich so leichtfüßig wie ein Blütenblatt, das von einem warmen Wind nach oben getragen wird.
Elissja schaute ihrer Darbietung zu, und langsam beruhigte sich ihr Herzschlag. Doch seltsam, das Gefühl beobachtet zu werden, blieb. Es wurde sogar stärker. Nervös blickte sie sich um, doch niemand sah sie an, alle folgten aufmerksam Jawilas Bewegungen. Nur Elissja nicht. Sie beobachtete die Schatten, die auf Wänden und Decke einen eigenen, grotesken Tanz aufführten. Auf einmal fröstelte sie. Elissja versuchte sich einzureden, dass es an ihren verschwitzten Tanzkleidern lag.
Sie war froh, als der Unterricht endlich beendet war und sie heimgehen konnte. Wie immer schlenderte sie erst einmal über den Markt, um dort ihre Mutter zu begrüßen. Der Duft nach Gewürzen, frischen Früchten und Bergländer-Wurst stieg ihr in die Nase, als sie sich mit schnellen Schritten einen Weg durch die Menge suchte. Neben dem Stand ihrer Mutter machte ein Tuchhändler seine Geschäfte, und auf der anderen Seite bot eine alte Frau Süßwaren aller Art feil, vom Berghonig bis zum Gelee aus Koriba-Saft. Elissja warf einen begehrlichen Blick auf das mit Nüssen bestreute Süßbrot. Vergiss es, ermahnte sie sich. Das Zeug kostet fünf Fina, und die Alte rückt nie einen Bissen zum Probieren heraus.
Elissja wartete geduldig, bis ihre Mutter mit einer Frau aus Ufardi um einen Kupferkessel gefeilscht hatte, dann erst konnten sie sich begrüßen. „Na, hattest du einen guten Tag?“, fragte ihre Mutter, lächelte sie an und band sich die aschblonden Haare zurück, damit sie ihr nicht ins Gesicht fielen. „Du siehst müde aus.“
„Du auch“, sagte Elissja. Sie wollte ihrer Mutter von Meister Pihars zwiespältigem Lob erzählen, doch dann fragte ein Mann nach gusseisernen Pfannen, und sofort wandte sich ihre Mutter ihm zu. Elissja wartete eine Weile, aber es war zuviel los, und es bot sich keine Chance, sich zu unterhalten. Na ja, Hauptsache, die Geschäfte gingen gut.
„Ich muss nachher noch was erledigen, ich komme ein bisschen später heim“, konnte ihre Mutter ihr nur schnell zumurmeln. „Übrigens – es gibt gute Nachrichten. Jantek hat geschrieben, er kommt bald zu Besuch.“
Elissja strahlte. Ihr älterer Bruder war auf die Insel Hendez gezogen, um dort in der berühmten Herberge Zum silbernen Einhorn die Kochkunst zu lernen. Leider war sein Meister noch strenger als Tero Pihar. Wenn Jantek mal frei bekam, war das ein großes Ereignis. „Wie schön. Wann denn?“
„In ein paar Tagen, er wusste noch nichts Genaues.“
Ein Kunde schwenkte ungeduldig eine Handvoll Münzen, und Elissja zog sich zurück, damit sie ihm nicht im Weg war. Mit einem kurzen Winken verabschiedete sie sich von ihrer Mutter und machte sich auf den Heimweg.
Das Gefühl, beobachtet zu werden, quälte sie noch immer, doch sie schob es aus ihren Gedanken.

Szenentrenner


Farcuhar Kendran kniete vor dem Altar der Göttin, die jetzt schon seit vier Jahren seine Göttin war, und beugte den Kopf vor Afaris. Heute waren schon viele Gläubige hier gewesen, die Auffangrinne um die Statue war randvoll. Es war ein warmer Tag, und das Blut verströmte einen fauligen Geruch. Fliegen surrten um Afaris-Statue, ließen sich immer wieder auf ihrer schwärzlichroten Kruste nieder. Farcuhar versuchte, der Göttin all seine Gedanken zu widmen, und es fiel ihm leicht. Gedanken an den Tod strömten in seinen Kopf, füllten ihn aus wie eine mächtige Flut. Und wenn er die Augen schloss, sah er eine lebende Afaris vor sich, die Stirn mit einem Perlengehänge geschmückt, ihr Lächeln, dieses feine, grausame Lächeln, das auch die Statue im Tempel trug.
Sie wird bald wieder das größte Opfer fordern, dachte Farcuhar, als er sich erhob. Er horchte in sich hinein, versuchte festzustellen, ob ihm das etwas ausmachte, und stieß nur auf eine große Leere. Manchmal erschreckte ihn diese. Er versuchte sich zu erinnern, ob es anders gewesen war in seinem früheren Leben. Nein. Auch damals hatte er schon getötet, nur eben nicht in Afaris’ Namen, sondern in dem seines Regenten, in Gefechten mit dem Feind. Kein großer Unterschied.
Ein monotoner Gongschlag hallte durch den Tempel, rief ihn zu einem Gläubigen. Aus dem Augenwinkel bemerkte Farcuhar, dass sich eine Frau durch den Seiteneingang geschlichen hatte. Sie trug ein schlichtes, braunes Stoffkleid und flache Sandalen, die Haare hatte sie sich zurückgebunden. Als Farcuhar sah, dass sie nur ein halbes Dutzend gelbe Rosen trug, beachtete er sie nicht länger. Das war nur eine mindere Opfergabe, mit der er sich nicht befassen musste.
Die Dämmerung brach herein, und das war immer die Zeit, in der die meisten Gläubigen kamen. Unerkannt schlüpften sie aus ihrer gemütlichen Wohnstatt, opferten der Göttin und hasteten zurück. Farcuhar verachtete ihre Feigheit. Beneiden? Nein, sie um ihr Leben zu beneiden kam ihm nie in den Sinn.

Szenentrenner


Als Elissja heimkam, sah sie, dass auf dem Esstisch eine gelbe Rose stand. Wieder einmal. Elissja konnte die Dinger nicht ausstehen – sie dufteten nicht süßlich wie andere Blumen, sondern rochen herb, fast unangenehm. Warum kaufte ihre Mutter sie so oft? Gut, es war eine alte Familientradition, aber verdammt, für den gleichen Preis hätte sie bestimmt ein halbes Pfund Süßbrot bekommen, das wäre doch mal eine schöne Abwechslung gewesen.
Elissja begann, Wasser zu erhitzen und die Schmutzwäsche darin einzuweichen. Es war eine harte Arbeit, und sie hasste es, wie aufgesprungen und rau sich ihre Hände danach anfühlten. Wenn sie erst einmal ausgebildete Tänzerin war und eine Anstellung gefunden hatte, konnten sie sich hoffentlich leisten, das ganze Zeug zu einer Wäscherin zu geben, so wie die Familie ihrer Freundin Khona. Wenigstens konnte sie sich heute mit Gedanken an Jantek ablenken. Wenn er da war, schien alles so leicht, dann war das Leben für einige Tage ein Spiel, ein Fest, ein Tanz. Sie würden zusammen lachen, eigenartige Rezepte seines Meisters nachkochen, sich über Tero Pihar lustig machen, den Marktstand ihrer Mutter heimsuchen und mit Jonglierkunststückchen Kundschaft anlocken. Schon jetzt musste Elissja lächeln, wenn sie daran dachte.
Es war dunkel geworden, und sie zündete eine Laterne an, um den schmucklosen Bade- und Waschraum zu erhellen. Schatten begannen an der Wand zu tanzen, und als Elissja von der Wäsche aufblickte, erschrak sie. Einen Moment glaubte sie, dass sie aus der Dunkelheit ein Gesicht anblickte, das einer schönen Frau mit mandelförmigen Augen und vollen Lippen. Aus dunklen Augen – ausdruckslos wie die eines Reptils – beobachtete sie Elissja, dann streckte sie die Hände aus und spreizte dabei die Finger. Unnatürlich lange, spitze Finger. Klingenfinger!
Elissja blinzelte, und von einem Moment auf den anderen war die Erscheinung verschwunden. Nur ein Trugbild, den Göttern sei Dank. Sie setzte sich, damit ihr rasendes Herz zur Ruhe kommen konnte, und drehte den Docht der Lampe höher.
Sie war froh, als sie den vertrauten Klang der Schritte ihrer Mutter im Flur hörte. Mit einem leisen Quietschen öffnete sich die Tür des Waschraums. „Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat“, sagte ihre Mutter, seufzte und strich Elissja zärtlich über die Schulter. „Immerhin, ich habe noch ein paar große Töpfe verkauft. Wenn der Tag morgen auch so gut wird, können wir uns zur Einkehr einen Braten leisten.“
Elissja versuchte zu lächeln und schaffte es nicht. „Schön“, sagte sie mechanisch, und dann brach es plötzlich aus ihr heraus. „Eben hatte ich so eine Art Vision. Es war eine Frau, eine furchtbare Frau …“
„Was für eine Frau?“ Die Stimme ihrer Mutter klang heiser.
„Es sah aus, als hätte sie Nadeln oder Klingen auf den Fingern.“ Nervös lachte Elissja. „Das sah gruselig aus, ich habe mich ganz schön erschreckt, aber ich glaube, es war nur mein eigener Schatten.“
Doch als sie den Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Mutter sah, verstummte sie – und begriff. Nein, es war kein Schatten gewesen und auch kein Trugbild. Vielleicht nicht einmal eine gewöhnliche Vision. Sondern etwas sehr viel Schlimmeres.

Gaby Hylla
Gaby Hylla
© http://www.gabyhylla-3d.de

Weitere Leseproben

Ausschnitt aus "Euphoria" von Ascan von Bargen
Ausschnitt aus AMELIE von Desirée und Frank Hoese
Ausschnitt aus DIE GESCHICHTE DES ANDOR ROSE von Sabine Ludwigs
Ausschnitt aus ROSENBLUT von Erik Hauser

[Zurück zum Buch]

Manuskripte

BITTE KEINE MANUS­KRIP­TE EIN­SENDEN!
Auf unverlangt ein­ge­sandte Texte erfolgt keine Antwort.

Über LITERRA

News-Archiv

Special Info

Batmans ewiger Kampf gegen den Joker erreicht eine neue Dimension. Gezeichnet im düsteren Noir-Stil erzählt Enrico Marini in cineastischen Bildern eine Geschichte voller Action und Dramatik. BATMAN: DER DUNKLE PRINZ ist ein Muss für alle Fans des Dunklen Ritters.

LITERRA - Die Welt der Literatur Facebook-Profil
Signierte Bücher
Die neueste Rattus Libri-Ausgabe
Home | Impressum | News-Archiv | RSS-Feeds Alle RSS-Feeds | Facebook-Seite Facebook LITERRA Literaturportal
Copyright © 2007 - 2018 literra.info