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Leseprobe 1 aus FARBLOS
Langsam nahm Elias die Hände hoch. Ein Gefühl griff nach ihm, das ihn wie mit einer Klammer fest umschließen wollte, doch er ließ es nicht zu noch nicht.
Er wusste, die Frau hieß Jörnson. Aber wie war ihr Vorname gewesen? Ihr Blut klebte an seinen Handschuhen und er konnte sich nicht einmal an ihren Vornamen erinnern! Die nervtötenden Warngeräusche der Geräte verstummten endlich.
Dr. Nilsson?, wisperte die Schwester ihm zu.
Elias riss sich zusammen. Todeszeitpunkt
, er sah auf die Uhr im Operationsraum,
16:47 Uhr. Bitte machen Sie sie zu, Dr. Kars. Ich werde die Familie benachrichtigen.
Rasch streifte Elias seine Handschuhe ab, warf sie in den Eimer und flüchtete förmlich aus dem OP-Saal. Er hatte sie einfach nicht retten können. Mit leerem Blick befreite er sich von dem blutverschmierten Kittel.
Du weißt, dass ihre Chancen nach diesem Unfall minimal waren, bemerkte der Chefarzt, der im Vorraum auf ihn wartete.
Das macht die Sache nicht besser.
Du hast übrigens Besuch. Draußen wartet ein Professor Dr. Grant und will dich sprechen.
Verwundert schaute Elias seinen Vorgesetzten an. Ich kenne keinen Professor Dr. Grant.
Nun, er scheint dich aber zu kennen.
Ich muss erst mit der Familie reden!
Geh zu ihm, er wartet schon eine Stunde. Und er wirkt so
wichtig. Ich werde das mit der Familie übernehmen.
Elias seufzte genervt auf. Was wollte dieser Fremde von ihm?
Gib mir nur einen Augenblick, bat er.
Ohne eine Antwort abzuwarten, stahl sich Elias davon und verbarg sich in einem der Wäscheräume der großen Klinik. Dieser Dr. Grant konnte noch ein wenig warten.
Mit einer fahrigen Bewegung fuhr sich Elias durch das dunkle Haar. Eine gläserne Tür spiegelte sein Gesicht und er starrte sich einen Augenblick resigniert an.
Obwohl Elias wusste, dass er an dem Tod der Frau keine Schuld trug, kam er sich vor, als ob sein Leben in tausend Scherben zerbrochen am Boden läge. Sein Herz fror unter dem Leid, das er fast täglich in der Notaufnahme sah. Er selbst ließ es erfrieren, um all das ertragen zu können. Jeden Tag aufs Neue kämpfte er mit seinem Mitgefühl für die Patienten. Ein Arzt sollte derartige Empfindungen nicht zulassen! Doch er verlor fast jeden Kampf dagegen.
Elias verdrängte seine Gedanken, öffnete die Tür und machte sich missmutig auf die Suche nach diesem Dr. Grant.
Der Fremde harrte im Büro einer der Chefärzte aus und blickte abwartend auf, als Elias eintrat. Dr. Grant trug einen förmlichen Anzug, sein ergrautes Haar war akkurat geschnitten und der Blick aus seinen stechenden Augen ließ Elias frösteln.
Mein Name ist Dr. Elias Nilsson. Was kann ich für Sie tun?
Dr. William Grant. Angenehm. Setzen wir uns doch. Man sagte mir, wir können dieses Büro kurz nutzen.
Nutzen wofür?, fragte Elias skeptisch.
Dr. Grant betrachtete ihn mit scharfem Blick. Es geht Ihnen nicht sonderlich gut, wie ich sehe.
Sah man es ihm so sehr an?
Ich habe gerade eine schwere Operation hinter mir und die Frau starb mir unter den Händen weg. Ich denke, niemand würde da wirklich gut aussehen.
Was wollte der Mann von ihm?
Nun ja, ich habe mich ein wenig über Sie erkundigt. Und es scheint Ihnen hier generell nicht besonders gut zu gehen. Nicht wahr, Dr. Nilsson?
Elias fühlte sich derart überrumpelt, dass er sprachlos Platz nahm.
Auch hörte ich, dass Sie ein Einzelgänger sind und keine Probleme mit einsamen Gegenden haben.
Elias runzelte die Stirn, erwiderte noch nichts. Er wollte hören, was dieser Mann noch über ihn wusste.
All das ist jedoch nur am Rande interessant, fuhr Grant fort und setzte sich. Viel mehr interessiert mich Ihre Forschungsarbeit während des Studiums und Ihr erstklassiger Abschluss.
Sie wollen mir eine Stelle anbieten?
So kann man sagen. Vielleicht ist es an der Zeit, Ihre Segel neu auszurichten.
Worum geht es, Dr. Grant? Elias wurde langsam ungeduldig.
Vor dreißig Jahren entdeckte man im Skandengebirge seltsame Phänomene am Himmel, die man ursprünglich für Polarlichter hielt. Wissenschaftler kamen dahinter, dass sie einen völlig anderen Ursprung hatten und setzten sich dafür ein, dass die Erscheinungen untersucht werden mussten. Es wurde eine Forschungsstation errichtet, die vorrangig die naturkundlichen Phänomene dort untersuchen sollte.
Dr. Grant machte eine Pause, in der er ihn beobachtete. Elias hatte längst Feuer gefangen und hoffte, dass er dies nicht zu sichtbar zur Schau trug. Die Skanden! Er liebte dieses Gebirge. Jede freie Minute fuhr er in den Westen von Schweden, um dort zu wandern und Zeit zu verbringen.
Und was wollen Sie mir anbieten, Dr. Grant?
Wir benötigen einen
Arzt für die Station.
Wieso?, fragte Elias neugierig.
Die Dinge haben sich so entwickelt, dass einer vonnöten ist, antwortete Grant vage und schob ihm einige Unterlagen zu. Hier wären die Arbeitsbedingungen.
Als Elias das veranschlagte Gehalt sah, stockte ihm fast der Atem.
Sie werden dort oben zur Ruhe kommen, glauben Sie mir. Grant lächelte. Und Sie mögen doch dieses Gebirge, oder nicht?
Konsterniert starrte Elias sein Gegenüber an und lehnte sich zurück. Wieso wissen Sie so viel über mich?
Dr. Grant atmete tief durch. Nun, sagen wir mal so. Die Station ist wichtig, der Regierung unterstellt und
geheim. Ich hatte meine Quellen.
Das ließ Elias hellhörig werden. Eine Art Area 51?
William Grant lachte verhalten. So würde ich es nicht bezeichnen. Lesen Sie sich alles durch und sagen Sie mir, ob Interesse besteht.
Jetzt?!
Jetzt. Ein zweites Gespräch gibt es nur, wenn ich eine Unterschrift von Ihnen bekomme.
Das kann nicht Ihr Ernst sein?
Sehen Sie sich die Arbeitsbedingungen und das Gehalt an.
Das habe ich.
Der Umzug nach Östersund wird ebenfalls von uns finanziell unterstützt. Und Sie verpflichten sich immer nur für zwei Jahre.
Das ist eine lange Zeit.
Die Sie in Ruhe und Frieden im Gebirge verbringen werden. In der Sie die Lappalien der Wissenschaftler behandeln werden und niemand auf dem OP-Tisch stirbt. Wo Sie interessante Phänomene erkunden können.
Elias blinzelte. Geben Sie mir einen Moment.
Nur zu
Aufgewühlt verließ Elias den Raum, schloss die Tür und lehnte sich dagegen.
Das war verrückt! Völlig wahnsinnig! Er konnte doch so eine Entscheidung nicht in fünf Minuten fällen.
Oder doch?
Was hielt ihn denn noch hier? Silva hatte ihn aus der gemeinsamen Wohnung geworfen und er hauste nun in einem kärglichen Loch. Die Arbeit brachte ihn emotional um und seine Familie scherte sich nicht um ihn.
Silva
Wut flackerte in ihm auf, als er an ihren Trennungsgrund dachte. Zu wenig Zeit hätte er angeblich für sie! Dabei wusste er, dass sie sich längst anderweitig orientiert hatte.
Elias kämpfte mit sich. Er würde untergehen, wenn sein Leben so weiterverlief. Es war
farblos. Ja, das erschien ihm das richtige Wort. Eine innere Stimme sagte ihm, dass dies eine neue Chance war. Dass dies die Flamme in ihm wieder entzünden könnte!
Er schöpfte hörbar Atem und öffnete die Tür.
Wo ist der Vertrag?
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