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Leseprobe 3-Alraunen

ANTIQUERRA-SAGA
DIE FARBE DER DUNKELHEIT

Angela Mackert
Roman / Fantasy

Selbstverlegt

ANTIQUERRA-SAGA: Band 1
Taschenbuch, 264 Seiten
ISBN: 978-3739219929

Jan. 2016, 9.99 EUR
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Zwei, drei Sekunden lang geschah nichts. Lena wollte schon ihre Hand zurückziehen. Doch plötzlich kam Wind auf. Er fühlte sich auf ihrer Haut zuerst warm und sanft an, steigerte sich aber schnell zu einem heftigen Sturm. Ein Licht brach aus dem Baum hervor und hüllte Lena ein. Die Erde vor ihren Augen drehte sich, löste sich auf, und sie wurde in einem rasanten Wirbel hochgerissen. Lena schrie. Dunkelheit umfing sie. Kurz darauf spürte sie wieder Boden unter ihren Füßen. Vor sich sah sie ihren ausgestreckten Arm. Ihre Hand lag nicht mehr auf der Eiche, sondern auf einem Felsen.
»Beruhige dich, das ist ein Traum!«, sagte sie zu sich selbst.
Aber es war kein Traum.
Ein donnerndes Geräusch dröhnte ringsum. Wassertropfen spritzten auf ihre Hand. Lena sah am Felsen entlang nach oben und ließ von da den Blick nach links schweifen. Ein Wasserfall rauschte seitlich in die Tiefe und speiste ein Becken, das in einen fröhlich dahinplätschernden Bach mündete. Etwas kitzelte ihre Wade. Sie sah an sich herunter. Eine Mar-gerite reckte ihren Blütenkopf seitlich neben ihrem linken Fuß in die Höhe. Rechts von ihr, direkt am Fels wuchsen Unmen-gen einer wilden Spinatart, die Lena unter dem Namen »Guter Heinrich« kannte.
Sie löste ihre Hand vom Stein und drehte sich um. Eine sommerbunte Wiese, wie sie es noch nie gesehen hatte, lag vor ihr. Lena schnupperte. Ein würziger Duft von Wildkräutern lag in der Luft. Die bescheidenen Blüten dieser Pflanzen mischten sich mit den leuchtenden Farben der Feldblumen, die das hohe Gras mit roten, blauen, gelben und weißen Farbtupfen auflockerten.
Lena wandte sich wieder um und ging ein paar Schritte nach links. An der Böschung vor dem Wasserfall wuchsen dicht beisammen drei Birken. Sie hielt sich an einer fest und streckte die Hand an dem Felsmassiv vorbei unter den Wasserstrahl. Gierig trank sie das kühle Nass aus der hohlen Hand. Es schmeckte herrlich erfrischend.
Als Lena ihren Durst gestillt hatte, blickte sie sich um. Die Wiese stieg leicht bergan. Sie erstreckte sich über Hunderte von Schritten, und danach kam eine freie Fläche mit Baumstümpfen und kleineren Büschen. Hier schien Wald gerodet worden zu sein. Dahinter lag eine Ebene. Auf der rechten Seite stand dort ein Turmgebäude, das von hohen Tannen umgeben war. Hinter der Lichtung, bergan steigend, schloss sich noch ein Birkenwäldchen an. Vom Felsen aus, vor dem sie stand, zog sich links am Rand der Wiese ein Gebirge hoch, während es auf der rechten Seite hinunter in ein Tal ging, in das Dörfer mit hübschen weißen Häusern eingebettet waren.
Der Weg zur nächstliegenden Häuseransammlung in diesem Tal schien für einen kurzen Ausflug zu weit. Lena wollte bald zurück. Außerdem war der Himmel hinter den Dörfern verdunkelt, als wenn ein Gewitter aufziehen würde. Der Turm vor dem Birkenwäldchen lag näher. Vielleicht fand sie dort einen Hinweis darauf, wo sie sich befand.
Zielstrebig ging Lena die Wiese hinauf. Sie brauchte länger als erwartet, bis sie die gerodete Fläche erreichte. Kahl und karg sah es hier aus. Zwischen wenigen jungen Sträuchern und kleineren Felsbrocken verteilten sich die Baumstümpfe. Ihre Wurzeln hingen über der Erde. Die Stammreste wurden von Efeu, Moosen und Pilzen überwuchert. Nicht üppig. Aber immerhin. Wenigstens konnten die Aushöhlungen des Erdreiches unter diesen Wurzeln den Waldtieren eine ge-schützte Behausung bieten. Sofern diese nicht abgewandert waren. Lena sah nur wenige Tiere. Ein paar Käfer. Eine junge Maus, die unter einen Blätterhaufen huschte. Dann stutzte Lena plötzlich. Bei einigen Steinbrocken fand sie künstlerische Ornamente eingemeißelt. Unter den Baumwurzeln, die wie ein kleines Dach mehr als einen Meter über dem Boden ragten, führten Treppen ins Innere der Erde.
Vor lauter Schauen wäre Lena beinahe über einen Zweig gestürzt. Sie ruderte um ihr Gleichgewicht. Ihr linker Fuß sackte ab und trat auf etwas Weiches. Es verhinderte, dass sie weiter abrutschte.
»Au, kannst du nicht aufpassen«, schrie eine zornige Stimme. »Ruinierst mir mein Hausdach und zerquetschst mit deinem Trampelfuß meine arme Nase.«
Lena erschrak. Fast wäre sie doch noch gestürzt, als sie hastig ein Stück beiseite trat. Unter der Baumwurzel stand ein Wesen, dessen Gesicht einer zerfurchten Rübe glich. Der Kleine hielt sich mit einer Hand die knollige Nase. Sein Bart zitterte vor Empörung.
»Entschuldige bitte.« Lena hockte sich vor der Behausung des seltsamen Wesens nieder. »Es tut mir sehr leid. Da war plötzlich ein Zweig und hat mich aus dem Gleichgewicht gebracht.«
»Ausrede!« Das Rübengesicht versteckte schnell den Ast hinter seinem Rücken, den es in der Hand hielt.
Lena sah es. »Du! Du hast mir ein Bein gestellt!«
»Na und? Das ist meine Natur. Kein Grund mir die Nase platt zu treten.« Das kleine Wesen warf den Ast beiseite und trat mit ein paar gelenkigen Bewegungen nach vorne. Es war kaum so groß wie ein vierjähriges Kind. Der Kleine plusterte sich vor Lena auf und stemmte die Ärmchen in die Seite. Die knollenartige Nase leuchtete rot in seinem blassgelben, von braunen Furchen durchzogenen Gesicht. Er betrachtete Lena missmutig von Kopf bis Fuß. »Ich kenne dich nicht!«
»Nein. Du bist ein Alraun, nicht wahr?«
»Wie scharfsinnig sie ist«, spottete das Wesen. »Was soll ich denn sonst sein, hä? Eine Ameise vielleicht?«
»Bitte entschuldige, aber ich habe jemanden wie dich noch nie gesehen. Ich kenne Wesen wie dich nur aus den Erzählungen meiner Mutter.«
»Entschuldige, entschuldige … hat jemand wie mich noch nie gesehen … kannst du auch noch was anderes? Was willst du überhaupt hier?«
Lena deutete auf das Birkenwäldchen. »Ich will zum Turm.«
»Warum?«
»Na ja, ich hoffte … aber sicher kannst du mir auch sagen, wo ich hier bin.« Lena sah den Alraun an und erschrak über den finsteren Ausdruck in seinem Gesicht.
»Will zum Turm, hä? Und weiß nicht, wo sie ist, hä? Erzähle das, wem du willst! Geh und sag deiner machtgierigen Herrin, dass Meister Kieran niemals aufgeben wird und wenn sie ganz Antiquerra in Dunkelheit hüllt.«
Der Alraun stieß Lena heftig von sich weg. Aus den umliegenden Baumstümpfen krochen weitere Wesen seiner Art und bewegten sich drohend auf Lena zu. Sie sah Stein-schleudern in ihren Händen. Die Alraunen zielten auf sie. Erschrocken stolperte Lena rückwärts von ihnen weg, drehte sich um und rannte zurück in die Wiese. Sie schluchzte auf. Warum waren die Alraunen so garstig zu ihr? Sie hatte ihnen doch nichts getan, wollte nur wissen wie dieses magische Land hier hieß, das noch immer im Sonnenlicht seinen Zauber verströmte.
Lena rannte so schnell sie konnte über die Wiese und schaute dabei immer wieder über ihre Schulter zurück. Die Alraunen blieben am Rand der Rodung stehen und beobachteten sie. Einer von ihnen stieg zur Lichtung hinauf. Er nahm den Weg zum Turm. Was wollte der Alraun dort? Die Bewohner gegen sie aufhetzen? Das kleine Wesen kam schneller vorwärts als sie selbst. Lena kämpfte ihre Angst nieder und konzentrierte sich auf das Rauschen des Wasser-falls, das immer lauter wurde. Ihre Füße flogen nur so über den Boden. Gleich hatte sie es geschafft und dann konnte sie von hier weg.
Lenas Atem ging keuchend und sie bekam so heftiges Seitenstechen, dass sie es nicht mehr aushielt. Vornüber gebeugt blieb sie einen Augenblick stehen und rieb sich die Taille. Wenigstens machte keiner der Alraunen Anstalten ihr zu folgen. Sie standen noch oben bei ihren Behausungen. Nur noch etwa fünfhundert Meter, dann hatte sie das Felsmassiv erreicht. Während Lena versuchte, den Schmerz zu beruhigen und zu Atem zu kommen, wanderte ihr Blick über das Tal. Sie erschrak. Der dunkle Streifen am fernen Himmel, den sie bei ihrer Ankunft hier wahrgenommen hatte, wuchs bedrohlich. Hier ging bald etwas Schlimmeres als ein Gewitter nieder. Noch schien die Abendsonne, doch es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie von der wütenden Wolkenformation verschluckt wurde. Lena zwang sich weiterzugehen und hielt nicht inne, bis sie den Fels erreicht hatte.
Sie legte ihre Hand auf den Stein. »Terra Antiquerra!«
Nichts geschah.
»Terra Antiquerra!«, rief sie noch einmal.
Es rührte sich nichts. Immer wieder sprach sie die Worte, doch es öffnete sich kein Tor.
Die Dunkelheit lag bereits wie eine schwere Decke über dem Tal mit den weißen Häusern. Die dunkelgrauen Wolken kamen rasch näher und verschluckten das Sonnenlicht fast vollständig. Es machte Lena solche Angst, dass ihr Herz rasend schnell klopfte. Verzweifelt hämmerte sie auf den Felsen, sprach die Worte, beschwor den Stein sie von hier wegzubringen, zurück in ihre Welt, zurück zu ihrem Vater. Ohne Erfolg. Kein Wind trug sie fort. Lena saß hier fest. Mutlos sank sie auf dem Boden nieder.
Wäre sie doch nur nicht in den Stadtpark gegangen. Hätte sie sich nur nicht an die Worte erinnert. Jetzt war Lena in einer fremden Welt gefangen, in der man sie nicht dulden wollte. Noch einmal raffte sie sich auf und berührte den Felsen an allen möglichen Stellen. Sie sprach die Worte, flehte, bettelte, forderte. Das Tor öffnete sich nicht.
Die Nacht brach noch schneller herein, als Lena es erwartete. Sie legte sich tief über das Land. Doch wenigstens der Gewittersturm blieb aus und die Alraunen schienen sich zurückgezogen zu haben. Sie hoffte, dass deren Augen zumindest auch nicht weiter in die Dunkelheit blicken konnten als ihre eigenen.
Ein leise nagendes Empfinden in ihrem Magen erinnerte Lena daran, dass sie schon lange nichts mehr gegessen hatte. Ihr Hunger verstärkte das Gefühl der Einsamkeit. Sie war allein, ohne Freunde, auch hier. Lenas Augen brannten, als sie daran dachte, und ihr Mund wurde trocken. Sie ging so nahe sie es wagen konnte an den Wasserfall heran, beugte sich vorsichtig über den Abgrund und trank. Dann suchte sie sich einen geschützten Platz zwischen den Büschen am Felsmassiv, wo sie die Nacht verbringen konnte. Schlafen! Vielleicht war der Albtraum dann morgen vorbei.
 

Szenentrenner

 
Als der Morgen dämmerte, erwachte Lena. Ihre Glieder taten weh. Sie rieb sich über Arme und Beine, um die spitzen Steinchen loszuwerden, die sich in ihre Haut gedrückt hatten. Wieso lag sie hier zwischen Felsen und Sträuchern? Nur allzu schnell fiel ihr alles wieder ein. Ein Druck, schwer wie Blei, legte sich über ihre Brust. Sie versuchte, ihre Kraft zu sammeln. Vielleicht hatte sie gestern in ihrer Aufregung etwas verkehrt gemacht. Sie musste gleich noch einmal zu der Stelle am Fels gehen und die Worte sagen, die sie nach Hause brachten.
Lena wollte sich gerade vom Boden erheben, da hörte sie plötzlich in der Nähe flüsternde Stimmen. Erschrocken duckte sie sich unter die Büsche. Eine der Stimmen schien ihr bekannt. Sie klang seltsam knirschend, als wenn Sand zwischen den Zähnen wäre. Der Alraun, der sie gestern verjagt hatte! Lena wurde es ganz heiß. Er durfte sie nicht entdecken. Vorsichtig tastete Lena über den Boden und griff mit klopfendem Herzen nach einer Handvoll Schotter. Die Stimmen kamen näher. Schritte raschelten im Gras. Der schwankende Lichtschein einer Laterne huschte über Lenas Gesicht. Gleich darauf beugte sich ein weißbärtiger Mann zu ihr herunter. Die Kapuze seines knöchellangen Umhangs verhüllte seinen Kopf. Außer dem Bart sah sie kaum etwas von seinem Gesicht.
Er schwenkte die Lampe. »Hier ist sie!«
Lena hob einen Arm, um sich vor dem blendenden Licht der Lampe zu schützen und duckte sich noch mehr ins Gebüsch. Ihre Faust, auf der sie sich abstützte, umklammerte die Steinchen. »Lasst mich in Ruhe, ich habe euch nichts getan!«
»Steh auf!«
Lena zuckte zusammen. Die Worte des jungen Mannes neben dem Bärtigen zischten auf sie nieder wie ein Peitschenhieb. Sie konnte seine Gestalt im Licht der Laterne gut erkennen. Auch er war in einen Umhang gekleidet. Darunter blitzten ein helles Hemd und seine Kniehose hervor. Vermutlich war er nicht einmal viel älter als Lena. Sein Gesicht erschien ihr kantig. Aus blauen Augen schaute er finster auf sie herunter. Lenas Lippen begannen zu zittern.
»Verschwindet und lasst mich in Ruhe«, schrie sie so wild heraus, dass sie selbst erschrak. Der junge Mann machte einen Schritt auf sie zu, aber Lena streckte ihm abwehrend einen Arm entgegen. »Ich kann alleine aufstehen.«
»Ruhig Blut!« Der Mann mit der Laterne hielt den Jüngeren zurück.
Lena rappelte sich vom Boden auf. Den Schotter behielt sie in der Faust, verborgen hinter ihrem Rücken. Sie heftete den Blick fest auf die beiden Männer. Keiner durfte sehen, dass sie vor Angst fast umkam.
»Wie heißt du?«, fragte der Ältere.
»Achtung, die versteckt was hinter ihrem Rücken«, knirschte die Stimme des Alraun. Lena sah voll Abscheu zu ihm hinunter.
»Sag uns deinen Namen«, wiederholte der Bärtige noch einmal seine Frage. Den Alraun schien er im Augenblick gar nicht zu beachten.
»Lena Siever«, gab sie widerwillig Auskunft. Lena sah sein Gesicht jetzt besser. Der Ausdruck darin wirkte interessiert, aber nicht bedrohlich. Trotzdem blieb sie vorsichtig, zumal der Junge neben ihm nicht gerade milde schien. Er beobachtete Lena genau.
»Sie scheint zu den Korria zu gehören«, sagte er zu seinen Begleitern und wandte sich dann wieder heftig an Lena. »Wie kannst du es fertig bringen und dich Tahereh anschließen. Hat Alyssa nicht gerade euch Feen immer in ihrem Licht erstrahlen lassen?«
»Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst«, erwiderte Lena genauso heftig und registrierte erst dann, dass er sie eine Fee genannt hatte.
Es verwirrte sie. War das als Spott gemeint, wie bei den Jungs aus ihrer Schule, die sie einen vampirgesichtigen Rauschgoldengel genannt hatten? Es klang so, als ob er an-nahm, dass Lena tatsächlich eine Fee sei. Eine, die sich etwas hatte zuschulden kommen lassen.
Es machte sie wütend. »Ich bin keine Fee, wie auch immer du das meinst, und was auch immer ihr mir unterstellen wollt, es ist nicht wahr! Also lasst mich in Ruhe, damit ich nach Hause kann. Wenn ich hier weg bin, werde ich garantiert keinen Fuß mehr hierher setzen. Ich will zur Eiche zurück und dann werde ich die Worte vergessen.«
»Eiche?« Der Ältere hob überrascht die Augenbrauen.
»Eiche, ha!«, sagte der Jüngere. »Die sind in den Nebeln verschwunden.«
Lena antwortete nicht. Sie war zu aufgewühlt, und weil sie immer noch nichts gegessen hatte, knickten ihr jetzt in einem Schwächeanfall die Beine weg. Der Schotter rieselte aus ihrer einen Hand, und als sie sich mit der anderen an den Büschen festhalten wollte, griff sie ins Leere. Lena bekam mit, wie der Junge sie auffing und das passte ihr gar nicht. Der Alraun mischte sich auch noch ein.
»Sie hatte Steine«, knarrte er triumphierend.
»Wir gehen mit ihr zum Turm.« Der ältere Mann sagte das in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Wir essen gemeinsam und dann reden wir in Ruhe.« Er wandte sich an Lena, die noch kraftlos in den Armen des jungen Mannes hing. »Ich bin übrigens Meister Kieran, der Junge da ist Finley und unser aufmerksamer Alraun hier heißt Gustav.«
»Die wollte uns erschlagen.«
»Gustav, mach deine Augen auf«, rügte Meister Kieran.
Lena mühte sich, ihre Schwäche zu überwinden und die Stütze des jungen Mannes loszuwerden. Er war ihr durch seine Hilfe nicht sympathischer geworden.
»Lass mich los«, sagte sie mit seltsam leerer Stimme.
Finley legte Zeige- und Mittelfinger auf Lenas Nasenwurzel und sie spürte einen Energiestrom durch ihren Körper fließen. Es stärkte sie, aber es machte sie auch erst recht misstrauisch. Dann ließ Finley sie so plötzlich los, dass sie fast wieder ge-strauchelt wäre.
»Bitte«, sagte er.
Meister Kieran wandte sich ab, um anzudeuten, dass sie aufbrechen sollten.
Lena trat einen Schritt zurück. »Ich gehe nicht mit!«
»Wir tun dir nichts. Wir sind friedliche Leute«, sagte Kieran, »und du brauchst etwas zu essen.«
»Ich will nach Hause!«
»Hä, und wo ist dein Zuhause?«, schnarrte Gustav. Meister Kieran warf ihm einen warnenden Blick zu.
»Nicht hier.«
Finley sah Lena mit zusammengekniffenen Augen an. »Wo dann?«
Lena schüttelte den Kopf. »Ihr glaubt mir ja doch nicht.«
»Versuchs!«
Lena stieß einen Seufzer aus. Sie deutete mit dem Daumen auf den Fels und hoffte, dass ihre Stimme überzeugend klang. »Hier ist das Tor in meine Welt. Es wird sich öffnen, wenn ich die Worte sage.«
Finley lachte kalt. »Eine bessere Ausrede ist dir nicht ein-gefallen? Das Tor im Berg hat sich seit vielen Jahren nicht mehr geöffnet. Niemand kann hinein und niemand heraus. Sag lieber die Wahrheit.»
»Ich sage die Wahrheit. Ach, lass mich doch in Ruhe, ich geh jetzt nach Hause!« Lena stieß ihn weg und ging zu dem Felsen.
Finley lief ihr hinterher. »Das Tor öffnet sich nicht und wenn du tausendmal die Worte sagst. Glaubst du, wir würden nicht gerne in die Welt der Menschen gehen? Ich hab sie noch nie gesehen … und wenn ich und wir alle hier nicht durch das Tor kommen, dann kannst du es auch nicht. Keiner kann es, verdammt noch mal.«
Seiner Stimme war anzuhören, dass er wütend war. Nicht nur auf Lena, sondern auch darauf, dass ihm der Weg zur Welt der Menschen versperrt war.
»Ich bin durch das Tor gekommen. Ich habe die Worte gesagt, die es geöffnet haben.« Lena legte ihre Hand auf den Fels, genauso wie gestern und betete, dass es diesmal klappen möge. Die anderen beobachteten sie. »Terra Antiquerra!« Es passierte nichts. Kein Wind wehte, kein Licht strahlte auf. In Lenas Hals bildete sich ein Kloß. »Terra Antiquerra! … Terra Antiquerra!« Sie schrie die Worte fast.
Finley schüttelte den Kopf. »So wird das erst recht nix. Du bist ja schon hier. Wenn schon, dann …«
»Finley!« Die Stimme von Meister Kieran klang scharf. »Denk nach! Sie ist durch das Tor gekommen.«
Finleys Augen wurden auf einmal groß und rund. »Du meinst, sie ist …«
Kieran nickte. »Wer von uns würde sich vor den Berg stellen und diese Worte sagen?« Seine Stimme war plötzlich nur noch ein Flüstern.
Gustav, der Alraun, hob langsam beide Hände vor den Mund. Er stammelte. »Eine Fata, sie ist eine Fata!«
Lena starrte ihn an. Eine Schockwelle lief durch ihren Körper. Woher wussten die, wie ihre Mutter sie genannt hatte? Kieran trat unvermittelt hinter sie, umfasste ihre Schultern und zog sie vom Felsen weg.
»Komm Lena, wir gehen zum Turm. Dort können wir reden.«
»Nein! Ich will nach Hause.«
»Lena, wir glauben dir!« Kieran drehte Lena um, sodass er ihr in die Augen sehen konnte. »Du hast das Tor geöffnet. Aber du kannst nicht zurück. Tahereh würde es merken.«
Lena riss sich mit einer heftigen Drehung ihres Körpers los. »Niemals bleibe ich bei euch!«
»Die Worte, die du sagst, werden das Tor nicht öffnen. Also sei vernünftig und komm mit uns.«
Kieran griff ihre Hand, doch Lena stemmte die Füße in den Boden und streckte sich nach dem Felsen aus, um ihn zu berühren. »Terra Antiquerra! … Terra Antiquerra! … Hilfe!«
Lena wand sich in seinem Arm, wehrte sich mit aller Kraft. Er ließ sie los, doch Finley stand schon an seiner Stelle bereit. Er packte Lena, zerrte sie vom Felsen weg und schob sie die Wiese hinauf.

Weitere Leseproben

Leseprobe 1- Prolog
Leseprobe 2- Magische Worte
Leseprobe 4-Der Turm

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