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Ecke 57th Street

DIE LETZTE FAHRT DER ENORA TIME

Andreas Gruber
Roman / Kurzgeschichtenband

Shayol-Verlag

Taschenbuch, 187 Seiten
ISBN: 978-392612623-8

Okt. 2003, 2. Auflage, 12.90 EUR
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»Margarit Jenan?« Der Portier stützte sich mit den Ellbogen am Pult auf und blinzelte mich aus misstrauisch zusammengekniffenen Augen an. Seine Stirn erstarrte zu einer Fassade aus tiefen Furchen, als wäre ihm das Muster ins Gesicht gemeißelt worden. Mit einem stummen Kopfnicken deutete er zum Lift.
»Die wohnt im einundzwanzigsten Stock, Zimmer 2163«, nuschelte er. Es fehlte noch, dass er sein Kauderwelsch mit dem obligatorischen Yeah! beendete, doch diesen Gefallen tat er mir nicht. Er justierte sein Steckmikro im Ohr und nestelte an dem Kabel, das an seinem Hals entlang verlief und unter dem Kragen der dunkelblauen Uniform verschwand.
»Ist sie zu Hause?«, fragte ich in Englisch. Falls sie arbeiten ging, müsste sie zu dieser Zeit eigentlich schon daheim sein.
Der Portier warf einen Blick auf die Digitalanzeige über dem Halleneingang, 17.35 Uhr zeigte das Display. Er zuckte mit den Achseln und lächelte nachsichtig, als läge ihm der Satz auf den Lippen: Woher - soll - ich - das - wissen - Bursche - sehe - ich - aus - wie - der - liebe - Gott? Geringschätzig blickte er über den Rand des Pults und musterte mein Bill geht´s-T-Shirt, die Ray Ban Sonnenbrille, die im Ausschnitt steckte, die Bauchtasche, meine Schnürschuhe und die über den Knien abgeschnittenen Jeans.
»Name?«, murrte er.
Verständnislos starrte ich ihn an. »Margarit Jenan«, wiederholte ich automatisch.
Er blähte seine Nasenflügel und sog die Luft scharf ein, sodass sich sein Brustkorb hob. Als redete er mit einem Schwachsinnigen, verdrehte er die Augen. »Nein, dein Name, Junge!«
»Markus Breitler«, antwortete ich.
Wie ein Habicht fixierte er mich. »Yeah!«, murrte er schließlich und klapperte mit den Fingern auf der Tastatur des Laptops, ohne den Blick von mir zu nehmen.
Arrogantes Arschloch, dachte ich. Er konnte wahrscheinlich nicht einmal meinen Namen richtig schreiben und würde statt dessen eine amerikanische Version, wie Marcus Brightler, erfinden. Neugierig spähte ich auf den Flachbildschirm. Markus Breitler stand in dunkelblauen Lettern auf dem Crystaldisplay des Monitors zu lesen.
»Aha!« Ich betrachtete ihn überrascht. Merkwürdig, wie konnte er den Namen korrekt schreiben? Schließlich fügte ich ein zynisches »Vielen Dank« hinzu, stemmte meinen Tramper-Rucksack hoch, schwang den Riemen über die Schulter und stapfte zur Liftanlage. Meine Schuhsohlen quietschten über die blau gesprenkelten Marmorplatten der Eingangshalle. Aus dem Rucksack baumelten noch immer die Handtücher, die ich heute Morgen klitschnass hinein gestopft hatte, als ich die Jugendherberge verließ. Mittlerweile jedoch hatte die Sonne sie zu zwei trockenen Fetzen ausgebleicht.
Der Zeiger des Fahrstuhls pendelte zwischen dem achten und dem neunten Stockwerk. Ich drückte den Sensor und wartete. Auf der blankpolierten Messingverkleidung der Kabinentür bemerkte ich die verzerrten Umrisse des Portiers, der seinen Oberkörper wie eine Marionette über das Pult beugte und mir ein Loch in den Rücken starrte. Amerikaner, dachte ich geringschätzig, beinahe hätte ich es laut ausgespien. Neugierig, bespitzelnd und denunzierend!
Aus Angewohnheit wischte ich mir den erkalteten Schweiß aus dem Nacken und rieb die Handfläche an den Jeans trocken. Zum Glück war der Wohnblock klimatisiert. Auf der Straße knallte die Nachmittagssonne auf den Asphalt und vermischte sich mit dem Smog, der wie eine zähe Brühe zwischen den Häuserschluchten hing; typisch für New York gegen Ende August. Doch nach Quebec, Montreal und Boston war hier ohnehin mein letzter Stop in Nordamerika, wo mein fünfwöchiger Urlaub zu Ende ging, den mir das Personalbüro der Siemens AG erstmalig genehmigt hatte.
Die weite Einsamkeit Kanadas war ein Traum gewesen, die Staaten dagegen ein Alptraum! Mit einem Bus gondelte ich während der Rushhour durch die halbe Stadt, von Staten Island nach Manhattan, und erfuhr aus dem zerknautschten Gebrabbel des Busfahrers mehr über den Big Apple, als ich bei einer Sightseeing-Tour hätte lernen können. In der Nähe des Central Parks kletterte ich aus dem Bus, an der Kreuzung Broadway und West 57th Street, zwischen Millionen von Menschen, hupenden und stinkenden Yellow Cabs, flackernden Neonreklamen, verdreckten Hochhäusern mit Backsteinfassaden und Türmen aus Beton und schmierigem Spiegelglas. Mir stockte der Atem; die Menschenmasse stand annähernd still und drängte sich wie ein zäher Lavastrom an mir vorüber. Noch fünf Tage, dann hatte ich es hinter mich gebracht, und die zweistöckige Boeing 747 der KLM würde mich zurück nach Wien, Schwechat, fliegen.
Margarit lebte also im einundzwanzigsten Stock. Vielleicht wusste sie eine günstige Unterkunft oder würde mir sogar anbieten, die paar Tage in ihrer Wohnung zu übernachten, dann ersparte ich mir die Dollars für eine Jugendherberge. Margarit war zwar nie besonders gütig und hilfsbereit gewesen, doch würde sie mir bestimmt weiterhelfen, denn für eine grobe Abfuhr kannten wir uns schon zu lange ...

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