Gipfeltreffen in Frankfurt
Aléa war aus Marbach wieder nach Berlin Prenzlauer Berg zurückgekehrt. Sie war nur ein Wochenende in Marbach bei ihrer Freundin Teresa geblieben. Zusammen fuhren sie am Sonntag in Tübingen auf einen Umbrisch-Provenzalischen Markt, kauften Unmengen an Pecorino, wozu Teresa später den passenden italienischen Rotwein kredenzte. Sie hatten, wie schon ein anderer, „schwimmende Hölderlintürme“ gesehen,
„… wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng“
Das passte zu der schleichenden Traurigkeit, die sich Aléas bemächtigte. Bei ihrem kurzen Urlaub in Rumänien hatte sie sich von einem Gefährten ihrer Kindheit für immer verabschieden müssen. Sie liebte das kleine Pferd ihrer Eltern, ein Nutztier, das sie selbst einmal „Kleiner Onkel“ getauft hatte. Nun war es zu alt geworden, um noch wirklich nützlich zu sein und der nächste Sommer sollte nicht mehr für ihn gemacht sein.
„Nur einen Sommer gönnt, Ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättigt, dann mir sterbe.“
Die Liebe entsteht, wenn wir dem Objekt unseres Blickes ein menschliches Gesicht geben. Das hatte sie auch mit diesem Tier getan und der streichelnde Abschied lastete schwer auf ihrer Seele. Jetzt saß sie wie mit gebrochenen Flügeln in ihrer Berliner Wohnung. Der Kopf kroch mit seiner Logik auf der Erde herum, ihre Gefühle aber wollten zum Himmel fliegen.
Da die Seele und der Körper zwei Dinge sind, die sich im Spiegel immer gegenseitig betrachten, wurde sie plötzlich krank. Aus einem Land der langsamen Zeit zurückgekehrt, fühlte sie sich jetzt fremd in dieser westlichen Kulturhauptstadt des Marktes und der Massen. Selbst ihre Sprache, die immer ihre wahre Heimat sein würde, geriet ins Stocken.
Es gab aber auch Licht im September, nicht nur im August. Bücher sind Balsam für die Seele, sagte ein banaler Spruch, und so erinnerte sie sich an die kommende Frankfurter Buchmesse vom 6. – 10. Oktober. Da fuhr auch Melusine hin, da las auch ANH aus Azreds Buch, da tanzte man Tango.
Sie beschloss, ein Wochenende nach Frankfurt zu fahren. Vielleicht ließen sich dort einige Kontakte knüpfen, die sie im Literaturbetrieb noch bekannter machen würden. Zumindest traf sie dort schreibende Menschen, wollte Teresa nicht auch kommen?
Ein Guido Rohm las dort, vielleicht konnte man mit ihm für 5 Euro zwei Cappuccino trinken gehen, vielleicht kam auch Iris Nebel und diskutierte mit Syra Stein über die Äpfel von Magritte.
Dann brauchte sie nicht immer nur obsessiv in die virtuelle Welt ihres Laptops starren, obwohl man sie in diesem eckigen Kunststoffkasten schnell alle zusammen in ein Literaturcafé in Frankfurt setzen konnte, wo sie endlos debattieren würden wie im „Club de la Serpiente“ in Paris.
Möglicherweise traf sie hier den gutaussehenden Ulrich wieder, der ihr erzählen würde, dass schon vor mehr als zweihundert Jahren in dieser Stadt ein aus Tübingen Stammender seine Diotima gefunden hatte und dass auch sein eigener Erfinder noch von dieser weiblichen Figur geträumt hatte. Neben ihr sitzend würde er ihr leise ins Ohr flüstern:
„Was bleibet aber stiften die Dichter.“
(Literarische Begegnungen der dritten Art. 5)
Lieber Bücherblogger, ich habe versucht, mir die Reise Melusines nach Frankfurt (eine kurze Zugfahrt nur, die sie häufig unternimmt) vorzustellen. Doch wäre es unter diesen Umständen dennoch eine besondere Fahrt für sie, zweifellos. Sie nähme sich zu so einem Treffen Unterstützung mit, denke ich, ihre morgenländische Prinzessin, die jedes Eis zu brechen im Stande wäre. :-) Schauen Sie hier: http://gleisbauarbeiten.blogspot.com/2010/09/heute-morgen-uberraschte-mich-der.html
Lieber Bücherblogger,
ich danke Ihnen sehr für Ihren Initiativ-Vorschlag, unser nächstes Gipfeltreffen auf die Frankfurter Buchmesse zu verlegen, wenn nicht dort, wo dann [!?] wären Büchermenschen, Schreibende, Lesende, Nachdenkende, Sinnierende, Worte Genießende, sich aus den Realitäten des [banal harten] Alltags Wegträumende gut aufgehoben!?
Vielleicht gelingt es mir, Cortazárs Alter Ego, Horacio Oliveira, zur Rückkehr nach Europa zu bewegen. Allerdings bin ich diesbezüglich nicht sehr hoffnungsfroh, denn Oliveira ist von der argentinischen Melancholie befallen. Die Aussichten auf seine Rückkehr nach Europa, noch dazu ins kalte Deutschland, stehen schlecht, zumal in Argentinien die ersten Knospen zu sprießen beginnen, während in unseren Breitengraden die Bäume ihre ersten Blätter verlieren. Da könnte ich es gut verstehen, wenn Horacio und Julio am Rio de la Plata bleiben wollen…
Ich selbst muss mich noch darum kümmern, meinen Rückflug aus Buenos Aires direkt auf den Frankfurter Flughafen umzubuchen, da ich eigentlich am siebten Oktober abends in der bayerischen Landeshauptstadt landen wollte. Insofern hätte ich dann am achten Oktober morgens ab München den Sprinter nach Frankfurt zu nehmen, um pünktlich da zu sein, wenn am dritten Messetag die Tore zu den Bücherhallen sich öffnen. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht irgendwo Stuttgart 21 bedingt Gleisbauarbeiten sind oder Demonstranten die Bahnstrecke blockieren… mal schau`n, wie Melusine die Lage einschätzt…
Seien Sie mir herzlich gegrüßt und vergessen Sie nicht, viel Salbeitee zu trinken, um die Erkältungsbakterien weg zu spülen,
gute Besserung
Teresa