Hopper, Rilke und Plato
Edward Hopper: Excursion Into Philosophy (1959)
EINSAMKEIT
Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.
Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:
dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen…
(Rilke, Einsamkeit)
„Nämlich in tiefes Nachdenken über irgend einen Gegenstand versenkt, blieb er von frühmorgens an auf demselben Flecke stehen und wich, da er das Gesuchte nicht finden konnte, nicht von der Stelle, sondern verharrte in unablässigem Nachsinnen. Inzwischen war es bereits mittags geworden, als die Leute es merkten und staunend einander darauf aufmerksam machten, dass Sokrates nun schon vom frühen Morgen her im Nachforschen über irgend einen Gegenstand begriffen dastände. Endlich aber, als es schon Abend war, brachten einige Ionier, nachdem sie zu Abend gegessen, ihre Matratzen heraus, teils um im Kühlen zu schlafen, denn es geschah dies im Sommer, teils aber auch um ihn zu beobachten, ob er auch wohl in der Nacht dort stehenbleiben würde. Er aber blieb wirklich stehen, bis der Morgen graute und die Sonne aufging; dann aber ging er von dannen, nachdem er zuvor noch sein Morgengebet an die Sonne verrichtet hatte.“
(Plato, Sonnengleichnis)
hmmm… trifft gerade auf eine aehnliche stimmung.
rilke und hopper passen wie die faust aufs auge.
Liebe Irisnebel,
meine ursprüngliche Assoziation war auch lediglich das Gedicht von Rilke und das Bild von Hopper. Ein wenig ärgere ich mich, dass ich es nicht dabei belassen habe, denn der Plato ist eher ein intellektueller Zugang über den Titel. Irgendwo las ich, das abgebildete Buch könne von Plato sein, weil Hopper sich zu der Zeit wohl viel mit Philosophie beschäftigte. Poetisch passend aber bleiben die Zeilen von Rilke, speziell „und wenn die Leiber, welche nichts gefunden, enttäuscht und traurig von einander lassen“. Andererseits spielt das Licht und das Nachdenken, also quasi das „Morgengebet an die Sonne“ ästhetisch eine große Rolle. Ein „Meister des Lichts“ könnte man sagen, das anders als bei Vermeer nicht von links oben, sondern hier von rechts einfällt und über Fußspitze und Gesicht des Mannes, über die Wade der Frau seine Rechtecke auf Boden und Wand wirft. Darin steckt nicht nur das Sonnengleichnis sondern vermutlich auch das Höhlengleichnis Platos. Das im Schatten alle Haare dunkel sind, las ich eben bei Aléa und mit Plato sind unsere Erkenntnisse eben nur ein Widerschein, eine Projektion auf der Rückwand einer Höhle. Danke für Ihren Eindruck und ich hoffe, dass Ihre Stimmung dazu nicht anhält.
Herzlich
Der Buecherblogger