Neuerscheinung aus dem Nachlass Bolaños
Ich schaute heute kurz bei den Wilden-Lesern vorbei, wo sich bisher seit geraumer Zeit nicht allzu viel tat. Jetzt wird dort aber in frisch gelungenem Design auf einen neuen Roman Roberto Bolaños hingewiesen: “Die Nöte des wahren Polizisten”, ebenfalls aus dem Nachlass wie schon “Das Dritte Reich”. Er soll daran seit 1980 geschrieben haben, wie “2666” blieb jedoch auch dieser Roman unvollendet. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Vorläufer zu seinem letzten Hauptwerk, denn Thematik und Personen erinnern stark an den zweiten Teil “Der Teil von Amalfitano” aus “2666”. Man wird also vermutlich ähnliche Passagen erkennen, wie auch aus dem früheren Roman “Die wilden Detektive”. Mich stört das jedoch erst einmal nicht, denn jede Neuerscheinung Bolaños ist eine Entdeckung wert, auch wenn sie sich als Materialsammlung herausstellt, die mit anderen Veröffentlichungen bereits verschmolzen ist. Der Hanser Verlag kündigt den Band mit dem Erscheinungstermin 25. Februar 2013 auf seiner Bolaño-Seite www.roberto-bolano.de mit dem folgenden Text an:
“Amalfitano, ein linker Literaturwissenschaftler aus Chile, lebt nach dem Tod seiner Frau mit Tochter Rosa in Barcelona. Sein spätes Coming-Out und Liaisons mit Studenten sorgen an der Universität für einen Skandal, sodass Vater und Tochter nach Mexiko auswandern, ins Nirgendwo der Grenzstadt Santa Teresa. Hier liest Amalfitano die „imaginären Romane“ des Schriftstellers J.G. Arcimboldi und verliebt sich in den Kunstfälscher Castillo, während Polizeichef Negrete ihn und Rosa längst scheinbar grundlos beschattet. In seinem letzten unvollendeten Roman erkundet Bolaño wie in seinem Jahrhundertwerk „2666“ literarisches Neuland – ein Feuerwerk aus Humor, Fantasie und abgründigem Witz.”
Kuriose Klassifikationen was Literaturformen betrifft waren schon immer eine Spezialität Bolaños und so beginnt dieses Werk auch mit sexuellen Vergleichen, die natürlich alles andere als ernst zu nehmen sind:
“Padilla zufolge, erinnerte sich Amalfitano, könnte die ganze Literatur in eine heterosexuelle, homosexuelle oder bisexuelle unterteilt werden. Romane seien gewöhnlich heterosexuell, Poesie dagegen absolut homosexuell. Innerhalb des gewaltigen Ozeans der Poesie unterschied er verschiedene Dichtervarianten: echte Schwule, Tunten, Schwuchteln, Verrückte, Tatterschwuchteln, Schmetterlinge, Milchfaune und hellenistische Zwergtunten.”
Schon einmal vor zwei Jahren wurde diese Unterteilung an anderer Stelle hervorgehoben, denn sie ist mit einer Stelle aus “Die wilden Detektive” beinahe identisch. Dort wird diese Äußerung allerdings dem homosexuellen Ernesto San Epifanio in den Mund gelegt. Folgerichtig ist nun in dem neuen Band dieses mal Amalfitano selbst schwul. Wie auch immer, meiner Neugierde tut all dies keinen Abbruch.
Die englische Ausgabe “Woes of the True Policeman” erschien gerade erst diesen Monat übersetzt wie immer von Natasha Wimmer. Eine englische Rezension gibt es zum Beispiel hier.
Am Schluss noch ein kurzer Hinweis für alle die Sonntagmorgen schon Literatur im Fernsehen konsumieren. Auf 3sat laufen ab 9 Uhr Beiträge mit Péter Nádas, danach Literatur im Foyer mit den Gästen Sybille Berg und Denis Scheck, sowie der Literaturclub mit interessanten Buchbesprechungen. Morgen erscheint hier wie angekündigt das zweite “Büchersixpack”