Literaturrezensionen sowie Kunst und Kultur eigener Art
“In ihren Augen” (El secreto de sus ojos)
Diesen Film von Juan José Campanella habe ich gerade erst auf arte gesehen und bin immer noch sehr berührt davon. Ich fand es ausgezeichnet, wie er unglaublich elegant kriminalistische Elemente mit einer Liebesgeschichte und den argentinischen, politischen Verhältnissen kurz vor der 1976 beginnenden Militärdiktatur verbindet. Neben dem Drehbuch und der Romanvorlage von Eduardo Sacheri haben mir vor allem Kamera und Bildregie gefallen. Die nicht chronologische Erzählweise mit ihren Zeitsprüngen, die Schauspieler, die dennoch im Altersunterschied glaubwürdig bleiben, und die Einbettung der Geschichte in den Versuch des Justizermittlers und Protagonisten, aus der Erinnerung einen Roman mit diesem Stoff zu schreiben, also eine Art Metaebene, die sich selbst reflektiert und hinterfragt, waren schlicht beeindruckend. Ich kann diesen Film also nur empfehlen. Allein die Abschiedsszene am Zug und eine Kamerafahrt über ein Fußballstadion hinweg ist grandios umgesetzt. Die am meisten beklemmend wirkende Szene findet in einer kurzen Fahrstuhlsequenz statt. Auf arte+7 läuft er noch, hier, das Buch ist bereits oben verlinkt und ich will ihn hier nur kurz weiterempfehlen. Unbedingt anschauen!
Den habe ich gestern auch erstmals gesehen und war ebenso beeindruckt und berührt wie Sie. Mir sind zahlose kleine Szenen im Kopf, es gibt auch Witz darin und Tragik. Die Figur des Pablo Sandoval, so ein liebenswerter, trauriger Mensch und wie er am Ende im Freundschaftsbeweis über sich hinauswächst. Überhaupt sind die Charaktere sehr gut herausgearbeitet, originell, unübertrieben, glaubhaft. Ein sehr liebevoller, kluger Film. Ihrer Empfehlung schließe ich mich an.
Ich habe schon nach der Abschiedsszene am Zug lachen müssen, weil sie in der anschließenden Jetztzeit als fiktiver Teil eines Romans inszeniert wird, den der Autor schreiben will, also autobiographische Verarbeitung in der doppelten Fiktionsebene. Als er die Stelle auf seinem Schreibheft, weil wohl zu romantisch und etwas klischeehaft, durchstreicht, ironisiert der Regisseur auf diese Weise natürlich auch seinen eigenen Film, obwohl er so ein absolut ernstes Thema wie die Verschleierung der argentinischen Militätdiktatur von Vergewaltigungen und Morden hat, wenn die Täter sich als politisch nützlich erweisen konnten. Mit welcher Melancholie die Liebe zur Richterin, die irgendwie Unerreichbare und auch in einer anderen Gesellschaftsklasse Lebende, ganz langsam deutlich wird und am Ende auch seine eigene Mitschuld offenbart, sie nicht verwirklicht zu haben. Ganz großes Kino! Auch mit der tragischen Figur seines Freundes und Trinkers haben sie recht. Der Film ist klug inszeniert, spannend, gefühlvoll ohne Pathos und in der Kamerabewegung und den inszenierten Ausschnitten wirklich gut gemacht. Vielleicht lese ich auch mal das Buch zum Vergleich der unterschiedlichen Medien. Danke für Ihren Kommentar! Manchmal kommt es mir so vor, als wären die wirklich guten Filme gleichzeitig Literatur, meist sind sie ja, wie diese, auch deren Verfilmung.
Kleiner Nachtrag: Beim Lesen, falls man das überhaupt Lesen nennen kann, meiner „Funkzeitung“ fand ich eine Wiederholung des Films zu nächtlicher Stunde auf arte, nämlich Montag, 30.9. 1.25 Uhr. Und wenn ich schon mal beim oberflächlichen Medium Fernsehen bin, heute abend schaue ich „Gerhard Richter Painting“ (nicht zu verwechseln mit dem Hans-Werner) auf WDR um 23.15 Uhr an. Zeitgleich ist allerdings auch Clemens Meyer um 23.45 Uhr als Gast bei „lesenswert“ eingeladen. Wenn ich das steinerne Buch auch noch nicht kenne, muss ich mir doch wenigstens die Tätowierungen mal anschauen. Im Spiegel gab es vor kurzem gar eine Art Duell zwischen den literarischen Antagonisten Meyer und Kehlmann. Ich schweife ab…
„Manchmal kommt es mir so vor, als wären die wirklich guten Filme gleichzeitig Literatur, meist sind sie ja, wie diese, auch deren Verfilmung.“
Vielleicht liegt die Ähnlichkeit von Film und Literatur im Erzählen. Ich mag gute, gut erzählte Geschichten. Da spielt es für mich (fast) keine Rolle, ob sie als Buch oder Film daherkommen, oder auch direkt von einem anderen Menschen erzählt werden. Letzteres als die ursprünglichste Form.
Ich habe nichts gegen das Fernsehen, so wenig wie ich etwas gegen Kino, E-Reader und Papier habe, solange sie neben allem Banalen, Ärgerlichen, Verlogenen, Überflüssigen auch so Schönes transportieren wie z.B. den gestrigen Film. (der übrigens auf DVD erhältlich ist, ich hab ihn gleich bestellt)
Oder den Roman „Das Leben natürlich“ von Elizabeth Strout (http://www.randomhouse.de/Buch/Das-Leben-natuerlich-Roman/Elizabeth-Strout/e331036.rhd), der mich gerade sehr begeistert hat.
Clemens Meyer interessiert mich momentan nicht so sehr, mein nächstes Buch wird „Moor“ von Gunther Geltinger sein (http://www.suhrkamp.de/buecher/moor-gunther_geltinger_42393.html).
Es gibt so viel …
Das ist doch gut, sich gegenseitig mit der Literatur anzustecken oder den Dingen, die einen oder eine interessieren. Von Strout und Geltinger habe ich noch nichts gelesen, aber gerade mal die vorhandenen Leseproben überflogen. Bei mir geht viel über die Sprache und da scheint mir der amerikanische Familienroman doch eine ganze Spur konventioneller erzählt, aber das soll kein Werturteil sein. Mich würde der Geltinger eben mehr ansprechen. Man muss ja auch nicht gleich alles lesen oder sehen, was einem empfohlen wird. Es geht doch erst einmal schlicht um die Anregung an sich. Was dann jemand daraus macht, ob er oder sie sofort den Schleier des Vergessens über das eine zieht oder sich mit dem ein oder anderen näher befasst, ist eine individuelle Entscheidung. Unser Leben ist ein Konglomerat aus Zufällen, aber keine beliebigen, denn an den meisten wirken wir eben durch unsere obligatorische Auswahl dennoch immer selbst mit.
Was die Medienarten insgesamt betrifft, gewinnt man manchmal den Eindruck eines gewissen Ausschließlichkeitseffekts, beinahe so wie bei den Religionen. Bei manchen Literaten gehört es dann schon zum elitären Image, sich von den eher als Unterhaltungsmedien eingeschätzten unterschwellig zu distanzieren. Ich finde das alles Blödsinn. Wir leben nun mal in einer multimedialen Welt und mittlerweile durchdringt sich quasi interdisziplinär sowieso alles. Der Erzählbegriff ist sicher so vielfältig wie die Welt an sich.
Den habe ich gestern auch erstmals gesehen und war ebenso beeindruckt und berührt wie Sie. Mir sind zahlose kleine Szenen im Kopf, es gibt auch Witz darin und Tragik. Die Figur des Pablo Sandoval, so ein liebenswerter, trauriger Mensch und wie er am Ende im Freundschaftsbeweis über sich hinauswächst. Überhaupt sind die Charaktere sehr gut herausgearbeitet, originell, unübertrieben, glaubhaft. Ein sehr liebevoller, kluger Film. Ihrer Empfehlung schließe ich mich an.
Ich habe schon nach der Abschiedsszene am Zug lachen müssen, weil sie in der anschließenden Jetztzeit als fiktiver Teil eines Romans inszeniert wird, den der Autor schreiben will, also autobiographische Verarbeitung in der doppelten Fiktionsebene. Als er die Stelle auf seinem Schreibheft, weil wohl zu romantisch und etwas klischeehaft, durchstreicht, ironisiert der Regisseur auf diese Weise natürlich auch seinen eigenen Film, obwohl er so ein absolut ernstes Thema wie die Verschleierung der argentinischen Militätdiktatur von Vergewaltigungen und Morden hat, wenn die Täter sich als politisch nützlich erweisen konnten. Mit welcher Melancholie die Liebe zur Richterin, die irgendwie Unerreichbare und auch in einer anderen Gesellschaftsklasse Lebende, ganz langsam deutlich wird und am Ende auch seine eigene Mitschuld offenbart, sie nicht verwirklicht zu haben. Ganz großes Kino! Auch mit der tragischen Figur seines Freundes und Trinkers haben sie recht. Der Film ist klug inszeniert, spannend, gefühlvoll ohne Pathos und in der Kamerabewegung und den inszenierten Ausschnitten wirklich gut gemacht. Vielleicht lese ich auch mal das Buch zum Vergleich der unterschiedlichen Medien. Danke für Ihren Kommentar! Manchmal kommt es mir so vor, als wären die wirklich guten Filme gleichzeitig Literatur, meist sind sie ja, wie diese, auch deren Verfilmung.
Kleiner Nachtrag: Beim Lesen, falls man das überhaupt Lesen nennen kann, meiner „Funkzeitung“ fand ich eine Wiederholung des Films zu nächtlicher Stunde auf arte, nämlich Montag, 30.9. 1.25 Uhr. Und wenn ich schon mal beim oberflächlichen Medium Fernsehen bin, heute abend schaue ich „Gerhard Richter Painting“ (nicht zu verwechseln mit dem Hans-Werner) auf WDR um 23.15 Uhr an. Zeitgleich ist allerdings auch Clemens Meyer um 23.45 Uhr als Gast bei „lesenswert“ eingeladen. Wenn ich das steinerne Buch auch noch nicht kenne, muss ich mir doch wenigstens die Tätowierungen mal anschauen. Im Spiegel gab es vor kurzem gar eine Art Duell zwischen den literarischen Antagonisten Meyer und Kehlmann. Ich schweife ab…
„Manchmal kommt es mir so vor, als wären die wirklich guten Filme gleichzeitig Literatur, meist sind sie ja, wie diese, auch deren Verfilmung.“
Vielleicht liegt die Ähnlichkeit von Film und Literatur im Erzählen. Ich mag gute, gut erzählte Geschichten. Da spielt es für mich (fast) keine Rolle, ob sie als Buch oder Film daherkommen, oder auch direkt von einem anderen Menschen erzählt werden. Letzteres als die ursprünglichste Form.
Ich habe nichts gegen das Fernsehen, so wenig wie ich etwas gegen Kino, E-Reader und Papier habe, solange sie neben allem Banalen, Ärgerlichen, Verlogenen, Überflüssigen auch so Schönes transportieren wie z.B. den gestrigen Film. (der übrigens auf DVD erhältlich ist, ich hab ihn gleich bestellt)
Oder den Roman „Das Leben natürlich“ von Elizabeth Strout (http://www.randomhouse.de/Buch/Das-Leben-natuerlich-Roman/Elizabeth-Strout/e331036.rhd), der mich gerade sehr begeistert hat.
Clemens Meyer interessiert mich momentan nicht so sehr, mein nächstes Buch wird „Moor“ von Gunther Geltinger sein (http://www.suhrkamp.de/buecher/moor-gunther_geltinger_42393.html).
Es gibt so viel …
Ihr Abschweifen ist ansteckend. :-)
Das ist doch gut, sich gegenseitig mit der Literatur anzustecken oder den Dingen, die einen oder eine interessieren. Von Strout und Geltinger habe ich noch nichts gelesen, aber gerade mal die vorhandenen Leseproben überflogen. Bei mir geht viel über die Sprache und da scheint mir der amerikanische Familienroman doch eine ganze Spur konventioneller erzählt, aber das soll kein Werturteil sein. Mich würde der Geltinger eben mehr ansprechen. Man muss ja auch nicht gleich alles lesen oder sehen, was einem empfohlen wird. Es geht doch erst einmal schlicht um die Anregung an sich. Was dann jemand daraus macht, ob er oder sie sofort den Schleier des Vergessens über das eine zieht oder sich mit dem ein oder anderen näher befasst, ist eine individuelle Entscheidung. Unser Leben ist ein Konglomerat aus Zufällen, aber keine beliebigen, denn an den meisten wirken wir eben durch unsere obligatorische Auswahl dennoch immer selbst mit.
Was die Medienarten insgesamt betrifft, gewinnt man manchmal den Eindruck eines gewissen Ausschließlichkeitseffekts, beinahe so wie bei den Religionen. Bei manchen Literaten gehört es dann schon zum elitären Image, sich von den eher als Unterhaltungsmedien eingeschätzten unterschwellig zu distanzieren. Ich finde das alles Blödsinn. Wir leben nun mal in einer multimedialen Welt und mittlerweile durchdringt sich quasi interdisziplinär sowieso alles. Der Erzählbegriff ist sicher so vielfältig wie die Welt an sich.