Rosch ha-Schana

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Arthur Szyk, Illustration von Rosch ha-Schana, aus The Holiday Series, 1948
Grußpostkarte, Wiener Werkstätte, 1910

Rosch ha-Schana (hebräisch רֹאֹשׁ הַשָּׁנָה ‚Haupt des Jahres, Anfang des Jahres‘, auch Rosch haSchana, in aschkenasischer Aussprache Rausch ha-Schono oder Roisch ha-Schono oder volkstümlich auf jiddisch Roscheschone, Roscheschune genannt) ist der jüdische Neujahrstag. Die Mischna, die wichtigste Sammlung religiöser Überlieferungen des rabbinischen Judentums, legt dieses Fest als Jahresbeginn fest und daraus resultiert die Berechnung der Kalenderjahre.

Der Neujahrsgruß ist שנה טובה schana tova bzw. aschkenasisch (le)schono tauwo ‚ein gutes Jahr‘ oder auch
שנה טובה ומתוקה schana tova u'metuka bzw. aschkenasisch schono tauwo u'messuko ‚ein gutes und süßes Jahr‘. Ein traditioneller aschkenasischer Neujahrsgruß ist auch leschono tauwo tikossëiw ‚zu einem guten Jahr mögest du (in das Buch des Lebens) eingeschrieben sein‘, der oft durch wessechosëim ‚und besiegelt‘ ergänzt wird.[1]

Religiöse Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rosch ha-Schana ist laut Talmud Beginn und in der Folge Jahrestag der Weltschöpfung, steht aber auch für den Jahrestag der Erschaffung Adams. Es ist der Tag der Forderung, Bilanz zu ziehen über das moralische und religiöse Verhalten im abgelaufenen Jahr, und man tritt mit Gebeten für eine gute Zukunft vor Gott.

An Rosch ha-Schana beginnen die Zehn ehrfurchtsvollen Tage (ימים נוראים Jamim Noraim), die mit dem Versöhnungsfest Jom Kippur enden. Die rabbinische Literatur beschreibt diesen Tag als einen Tag des Gerichts. Einige Beschreibungen schildern, dass vor Gott geöffnete Bücher mit den Taten aller Menschen liegen.

Zeitpunkt und Einbettung in den jüdischen Kalender[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Fest Rosch ha-Schana ist biblisch in Levitikus 23,24–25 EU, Numeri 29,1–6 EU und in Grundzügen in Ez 40,1 EU bezeugt. Es beginnt im Herbst, am Tagesende nach dem 29. Tag des jüdischen Monats Elul. Daneben kennt die Tora allerdings auch einen Frühlingstermin, den 1. Nisan, als Anfang des neuen Jahres Ex 12,2 EU.

Rosch ha-Schana fällt nach dem jüdischen Kalender auf den 1. Tischri, der nach dem gregorianischen Kalender in den September oder in die erste Hälfte des Oktobers fällt. Das genaue Datum im gregorianischen Kalender wechselt von Jahr zu Jahr, weil der jüdische Kalender mit zwölf Mondmonaten von 29 bis 30 Tagen rechnet (Synodischer Monat 29,53 Tage). Um die 354 oder 355 Tage mit dem Sonnenjahr in Einklang zu bringen, wird etwa alle drei Jahre ein ganzer Schaltmonat eingefügt.

Das Fest dauert im orthodoxen Judentum und im konservativen Judentum zwei Tage und somit bis zum Tagesende des zweiten Tages des Monats Tischri (auch in Israel, wo ansonsten die meisten Feiertage nur einen Tag lang sind). Der zweite Tag wurde später hinzugefügt. Das Reformjudentum feiert generell nur den ersten Tag des Festes. Es gibt Hinweise darauf, dass Rosch ha-Schana bis ins 13. Jahrhundert in Jerusalem nur einen Tag lang gefeiert wurde.

Rosch ha-Schana findet 163 Tage nach dem ersten Tag des Pessachfestes statt. Unter dem derzeit gültigen gregorianischen Kalender kann Rosch ha-Schana nicht vor dem 5. September stattfinden, wie zum Beispiel in den Jahren 1899 und wieder 2013. Nach dem Jahr 2089 werden die Differenzen zwischen jüdischem Kalender und dem gregorianischen Kalender dazu führen, dass Rosch ha-Schana nicht vor dem 6. September liegen kann. Rosch ha-Schana kann nicht später als am 5. Oktober liegen, wie z. B. im Jahr 1967 und wieder im Jahr 2043. Der jüdische Kalender ist so aufgebaut, dass der erste Tag von Rosch ha-Schana niemals auf einen Mittwoch, Freitag oder Sonntag fällt.[2]

Rosch ha-Schana beginnt am Sonnenuntergang des Abends vor dem in der folgenden Tabelle angeführten Tag, da der jüdische Tag immer am Abend beginnt. „Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.“ Gen 1,5 EU

Termine von Rosch ha-Schana[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beginn jeweils am Vorabend
Jüdisches Jahr Gregorianisches Datum
5781 19. bis 20. September 2020
5782 7. bis 8. September 2021
5783 26. bis 27. September 2022
5784 16. bis 17. September 2023
5785 3. bis 4. Oktober 2024

Die Samaritaner feiern Rosch ha-Schana dagegen im Frühling, zum Beginn des Monats Abib (entspricht dem Monat Nisan). Manche Forscher halten das für den ursprünglichen gesamtisraelitischen Brauch. Die Auseinandersetzungen über den Zeitpunkt von Rosch ha-Schana gehen auf talmudische Zeiten zurück (Mischnatraktat-Rosch ha-Schana).

Brauchtum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kleiner Schofar im aschkenasischen Stil
Ein Mann bläst das Schofarhorn

Rosch ha-Schana ist kein Trauertag, sondern ein Fest, an dem sich die Juden – wegen Gottes Erbarmen – freuen sollen. Außer dem Hallel, das an Neujahr ausgelassen wird, gleicht es in seinen feierlichen Merkmalen allen anderen Festen: Kleidung, Waschen, Haareschneiden, innere Vorbereitung und festliche Mahlzeiten.

Rosch ha-Schana ist auch יום הדין Jom haDin, „Tag des Gerichts“: Am Neujahrsfest werden laut Talmud (Traktat Rosch Haschana 16b) drei Bücher geöffnet. Ins erste werden die ganz „Gerechten“ eingetragen, die sofort das „Siegel des Lebens erhalten“. Ins zweite Buch werden die ganz „Bösen“ eingetragen, die das „Siegel des Todes“ erhalten. Und das dritte Buch ist für die „Mittelmäßigen“ bestimmt, die sowohl Sünden wie Verdienste vorweisen können. Das endgültige Urteil bleibt in der Zeit vom Neujahrstag bis zum Versöhnungstag offen. Durch Einkehr und Umkehr ist es möglich, das Siegel des Lebens zu erhalten.

Rosch ha-Schana ist ein Tag des Schofar-Blasens. In der Tora wird dieser Tag auch Tag des Schofars genannt (Lev 23,23–25 EU). Man nennt ihn auch „Tag des Lärmblasens“. Der Schofar erklingt nach in Tora und Talmud festgelegten Mitzwot zum Morgengebet beim Neujahrsfest, sofern es nicht auf einen Schabbat fällt.

Die Ordnung von Gebeten, Schofarblasen, Kiddusch und Mahlzeiten, die für den ersten Neujahrstag gültig ist, gilt auch für den zweiten Neujahrstag. Es ist aber kein „zweiter Feiertag“, wie er in der Diaspora bei den anderen Feiertagen üblich ist. Beide Tage zusammen bezeichnet der Talmud als einen 48 Stunden dauernden Feiertag. Wegen dieser Vorschrift besteht die Befürchtung, dass man möglicherweise „unnötige Segenssprüche“ beim Schehechejanu, Kerzenanzünden und dem Kaddisch am zweiten Tag sagt. Um diese Zweifel aus dem Weg zu räumen, zieht man am zweiten Neujahrstag im Allgemeinen ein neues Kleidungsstück an und stellt eine Schale auf den Tisch, die Früchte enthält, die man zu dieser Jahreszeit noch nicht gegessen hat. Die Segenssprüche bezieht man nun darauf.

Am Nachmittag des ersten Tages gibt es den Taschlich-Brauch, nach einem Gebet zur Vergebung von Sünden diese symbolisch durch Werfen von Steinen oder Brotkrumen ins Wasser abzustreifen.

Die Synagoge ist zu Rosch ha-Schana ebenso wie der Vorbeter überwiegend in Weiß gehalten. Das soll die Reinheit symbolisieren und geht auf den Vers zurück: „Unsere Sünden sollen so weiß wie Schnee gemacht werden.“ (Jeshajahu 1:18)

Der Segensspruch nach dem Gottesdienst ist leschana towa tikatewu bzw. aschkenasisch leschono tauwo tikossejwu, „Ihr möget zu einem guten Jahr eingeschrieben werden“. Manche Gruppierungen haben den Brauch entwickelt, vor Rosch ha-Schana Gräber Angehöriger und „Gerechter“ zu besuchen, um sich durch die Erinnerung an deren Leben für das kommende Jahr inspirieren zu lassen. Am Morgen vor dem Neujahrsfest findet nach dem Morgengebet das „Entbinden von Gelübden“ statt (vor drei geeigneten halachischen Juden, die für diesen Zweck ein „Gericht“ gebildet haben).

An Rosch ha-Schana werden besondere Speisesitten gepflegt. Genuss von Honigkuchen (honek-lejkech), Zimmes, Weintrauben, süßem Wein und in Honig getauchten Apfel- (oder auch Challa-)scheiben drücken die Hoffnung auf ein gutes, süßes Jahr aus. Ebenfalls wird zuweilen ein symbolisches Stück von einem Fisch- oder Schafskopf mit den Worten „Möge es dein Wille sein, dass wir zum Kopf und nicht zum Schwanz werden“ gegessen. Ein weiterer Brauch ist das Essen von Granatäpfeln, die viele Kerne enthalten. Dazu sagt man: „Möge es dein Wille sein, dass unsere Rechte sich wie der Granatapfel mehren.“ In jiddischsprechenden Gemeinden werden Augenbohnen (rubiya, Wortspiel mit rov „viele“) und jiddisch mern, „Möhren“ mit den Worten „Möge es dein Wille sein, dass sich unsere Rechte mehren“ gegessen. Manchmal werden auch Datteln gegessen, wobei gesagt wird: „Möge es dein Wille sein, dass unsere Verleumder und Ankläger zugrunde gehen.“

Wünsche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

So wie man sich zu Rosch haSchana Schana Towa, „ein gutes Jahr“, gewünscht hat, so wünscht man sich in der Zeit nach Rosch haSchana, (ab dem 3. Tischri) bis einschließlich Jom Kippur, hebräisch חתימה טובה chatima towa – „eine gute Einschreibung“ [in das Buch des Lebens]. In der Zeit zwischen Jom Kippur und bis einschließlich dem letzten Tag von Sukkot, (Hoschana Rabba) wünscht man sich gegenseitig hebräisch גמר חתימה טובה gmar chatima tova, deutsch ‚möge deine Einschreibung (in das Buch des Lebens) gut abgeschlossen werden‘. „Gmar“ bedeutet endgültig, womit man eine endgültige, gute Besiegelung wünscht. Diese Zeit gibt noch eine letzte Chance bis zum Schluss von Sukkot, sich zum Positiven zu ändern.

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schüler an Grund- und weiterführenden Schulen werden auf Antrag an jüdischen Feiertagen vom Unterricht freigestellt. Auch in der Arbeitswelt besteht keine Gefährdung des eigenen Jobs. Die durch Gebete versäumte Arbeitszeit kann problemlos nachgeholt werden.[3]

Ukraine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der jüdische Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, hat 2020 Rosch ha-Schana zum nationalen Feiertag erklären lassen. Traditionell reisen vor allem ultraorthodoxe Männer – Zehntausende von ihnen – jedes Jahr zum jüdischen Neujahr nach Uman, um am Grab des Rabbi Nachman (1772–1810) zu beten. Er ist der Urenkel des Israel ben Elieser, genannt Baal Schem Tov, des Gründers der chassidischen Bewegung. Rabbi Nachman trug seinen Anhängern auf, jedes Jahr an seinem Grab Gebete zu sprechen, was jedoch 2020 wegen der COVID-19-Pandemie ausfällt.[4]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Efrat Gal-Ed: Das Buch der jüdischen Jahresfeste. Insel, Frankfurt am Main 2001, ISBN 978-3-458-34297-7.
  • Susanne Galley: Das jüdische Jahr: Feste, Gedenk- und Feiertage. Beck, München 2003, ISBN 3-406-49442-0.
  • Heinrich Simon: Jüdische Feiertage: Festtage im jüdischen Kalender (= Jüdische Miniaturen. Band 7) Stiftung Neue Synagoge Berlin, Centrum Judaicum. Hentrich und Hentrich, Teetz 2003, ISBN 3-933471-56-7; russisch 2004, ISBN 3-933471-77-X (= Jüdische Miniaturen. Band 22).
  • Heinrich Simon: Leben im Judentum: persönliche Feste und denkwürdige Tage. Mit einem Essay Sinn und Ziel des menschlichen Lebens in jüdischer Sicht vom Heinrich Simon (= Jüdische Miniaturen. Band 8). Stiftung Neue Synagoge Berlin, Centrum Judaicum. Hentrich und Hentrich, Teetz 2004, ISBN 978-3-933471-66-6.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Rosch ha-Schana – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Rosch ha-Schana – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Werner Weinberg: Lexikon zum religiösen Wortschatz und Brauchtum der deutschen Juden. Hrsg.: Walter Röll. fromman-holzboog, Stuttgart / Bad Cannstatt 1994, ISBN 3-7728-1621-5, S. 166.
  2. Bei den jüdischen Grabsteinen aus Zoar verstoßen mehrere Daten gegen diese Regel. Offenbar galt sie zu dieser Zeit noch nicht bzw. hatte sich noch nicht durchsetzen können.
  3. Beispielsweise: Amtsblatt der Bayerischen Staatsministerien für Unterricht und Kultus und für Wissenschaft und Kunst (KWMBl), vom 7. Juli 2015, S. 117 – FeiertagsKMBek
  4. Ukraine erklärt Rosch Haschana zum nationalen Feiertag, 19. August 2020. Abgerufen am 23. August 2020.