Sukkot
Sukkot (hebräisch סֻכּוֹת, unpunktierte Schreibweise סוכות, Plural von סֻכָּה Sukka, deutsch ‚Laubhütte‘, jiddisch Sukkes oder Sikkes) oder Laubhüttenfest gehört zu den jüdischen Festen. Das Fest wird im Herbst, fünf Tage nach dem Versöhnungstag, im September oder Oktober gefeiert und dauert sieben Tage, vom 15. bis 21. Tischri, dem ersten Monat des bürgerlichen jüdischen Kalenders. In Israel und im Liberalen Judentum ist nur der erste Tag ein voller Feiertag, in orthodoxen und konservativen Gemeinden der Diaspora dagegen die ersten zwei Tage, während die darauffolgenden Tage Halbfeiertage (חול המועד Chol HaMoed) sind. Der letzte Tag von Sukkot wird הושענא רבה Hoschana Rabba genannt und gilt als der letzte Tag, bis zu dem die göttlichen Urteilssprüche für das Jahr noch geändert werden können. Unmittelbar an das Laubhüttenfest schließen שְּׁמִינִי עֲצֶרֶת Schmini Azeret, „der Achte Tag der Versammlung“, und שִׂמְחַת תּוֹרָה Simchat Tora, „das Torafreudenfest“, an.
Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das in der Tora mehrfach erwähnte Fest ist wie die beiden anderen jüdischen Wallfahrtsfeste Pessach und Schawuot bäuerlichen und wahrscheinlich kanaanitischen Ursprungs und hat mit ihnen den historisch-landwirtschaftlichen Doppelcharakter gemeinsam.[1] Das Fest hat sich schon in der Antike während Jahrhunderten stark verändert, was sich in den biblischen und nachbiblischen Texten widerspiegelt. Im 2. Buch Mose wird es als „Fest des Einsammelns“ (Chag ha’Assif, Ex 23,16-19 GNB und Ex 34,22 GNB) bezeichnet und erst im 3. Buch Mose als „Laubhüttenfest“ (Chag ha’Sukkot, Lev 23,34 GNB) mit siebentägiger Dauer: „Wenn nicht nur die Getreide-, sondern auch die Weinernte eingebracht ist, sollt ihr sieben Tage lang das Laubhüttenfest feiern. Begeht es als Freudenfest mit euren Söhnen und Töchtern, euren Sklaven und Sklavinnen und mit den Leviten in eurer Stadt, den Fremden, die bei euch leben, den Waisen und Witwen.“ (Dtn 16,13-17 GNB) Mit den Laubhütten dürften hier die Schatten spendenden Unterstände auf den Feldern gemeint sein (Jona 4,5 GNB), wie sie auch heute im Vorderen Orient zur Zeit der Ernte noch gebräuchlich sind. Erst nach dem Babylonischen Exil wird das Datum auf den 15. des siebten Monats festgelegt und Sukkot zu einem historischen Fest, das mit der Wüstenwanderung nach dem Auszug aus Ägypten begründet wird und das Wohnen in Laubhütten während der Festzeit vorschreibt (Lev 23,33-43 GNB). Der Überlieferung nach soll König Salomon den Tempel in Jerusalem zu Sukkot eingeweiht haben (1 Kön 8,2 GNB), und im messianischen Zeitalter wird, so der Prophet Sacharja (Sach 14,16-19 GNB), Sukkot ein universelles, mit Regen assoziiertes Fest sein, zu dem alle benachbarten Nationen nach Jerusalem pilgern werden.[2]
Zur Zeit des Herodianischen Tempels[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Mischnatraktat Sukka sind die Zeremonien zur Zeit des zweiten Tempels aufgeführt, insbesondere die Wasserschöpfzeremonie, die ebenso wie die Prozessionen mit Früchten und Baum- und Palmzweigen, den „Vier Arten“ von Pflanzen (hebräisch אַרְבָּעָה מִינִים Arba'a minim), bei denen Psalmen gesungen wurden, mit Regen in Verbindung gebracht werden.
Im Johannesevangelium ruft Jesus am letzten Tag des Laubhüttenfestes (Joh 7,2 GNB) diejenigen, die Durst haben, zu sich (Joh 7,37 GNB), was im Zusammenhang mit einer zu dieser Zeit vom ersten bis letzten Tag des Festes üblichen Wasserschöpfzeremonie interpretiert wird.[3]
Der Historiker Flavius Josephus beschreibt das Fest als achttägige Feier, während der in Hütten gewohnt und im Tempel geopfert wird, bei Philo von Alexandria steht es als siebentägiges Erntedankfest, dem ein achter Tag als Krönung beigefügt wird, im Zeichen von Gleichheit und Gerechtigkeit.[2]
Nach der Zerstörung des Tempels geblieben sind: das siebentägige Fest Sukkot, der Azeret am achten Tag, die Sukka, die Arba'a minim und das Hallel-Gebet sowie die Bitte um Regen am achten Tag.
Sukkot heute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das siebentägige Sukkotfest ist heute, besonders außerhalb Israels, vor allem für observante Juden von Bedeutung. Dagegen erfreut sich das auf das Laubhüttenfest folgende Torafreudenfest vor allem bei Familien mit Kindern großer Beliebtheit. Als Chol HaMoed (hebräisch חול המועד) bezeichnet man die „Zwischen“-Feiertage von Sukkot (und Pessach). Diese Tage vermischen die Merkmale eines חול „chol“ (Wochentags) und eines מועד „moed“ (Festtages). An Sukkot besteht Chol HaMoed aus dem zweiten bis siebten Tag (dritter bis siebter in der Diaspora). Obwohl Hoschana Rabba, der siebte Tag von Sukkot, einen eigenen Namen hat, ist er ebenfalls ein Teil von Chol HaMoed.{
Sukka[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In Erinnerung an den Auszug aus Ägypten, als die Israeliten in provisorischen Behausungen wohnten, wird jedes Jahr zu Sukkot dort, wo sich Platz dafür bietet – im Garten, im Hof, auf dem Parkplatz, Balkon oder Dach – die Sukka gebaut, eine mit Ästen, Stroh oder Laub gedeckte Hütte, die unter freiem Himmel stehen muss. In ihr werden, wenn es das Wetter erlaubt, die Mahlzeiten während der siebentägigen Dauer des Festes eingenommen; besonders gesetzestreue Juden übernachten sogar in der Laubhütte. Jüdische Gemeinden erstellen in der Regel eine Gemeindesukka, in der der Kiddusch nach dem Gottesdienst und andere Empfänge während des Sukkotfestes stattfinden.
Gottesdienst[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Es beginnt mit dem Segen Schehechejanu. In Anlehnung an das antike Erntedankfest und die mit Regen und Fruchtbarkeit assoziierten Zeremonien werden während Sukkot zu den Gottesdiensten in der Synagoge die Arba'a minim getragen. Mit der hebräischen Bezeichnung Arba'a minim „vier Arten“ sind die vier Pflanzenarten des Feststraußes gemeint. So finden sich in dem Feststrauß:
- ein gebundener Palmzweig (Lulav), der dem Strauß den Namen gibt,
- drei Myrtenzweige (Hadassim)
- und zwei Bachweidenzweigen (Arawot), die in der rechten Hand getragen werden,
- sowie der Etrog, eine Sorte der Zitronatzitrone, der in der linken Hand gehalten wird.
Die Arba'a minim werden während des Hallel-Gebets in sechs Richtungen gewendet, zuerst nach Osten, danach nach Süden, nach Westen, nach Norden, nach Oben und schließlich nach Unten. Gegen Ende des Gottesdienstes findet ein Umzug (hebräisch Hakkafot) statt, bei dem eine oder mehrere Torarollen um das Lesepult getragen werden und die Anwesenden, in orthodoxen Gemeinden nur die Männer, mit den Arba'a minim folgen, in Erinnerung an die im Talmud überlieferten Prozessionen um den Altar im Tempel zu Jerusalem. Am siebten, letzten Tag, Hoschana Rabba „das große Hoschana“ (deutsch Hosiana, hilf doch!), findet nicht nur ein Umzug, sondern sieben statt, während um eine gute Ernte gebetet wird. Danach werden fünf zusammengebundene Bachweidenzweige fünf Mal abgeklopft, ebenfalls in Erinnerung an die Überlieferungen der Prozessionen zur Zeit des zweiten Tempels, gemäß denen an diesem Tag Bachweidenzweige in einer Prozession sieben Mal um den Altar getragen wurden. Erst seit posttalmudischer Zeit gilt Hoschana Rabba als der Tag, an dem die jährlichen von Gott am Versöhnungstag für das Individuum erlassenen Urteilssprüche bindend werden.[3]
Sukkot als Ortsname[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In der hebräischen Bibel taucht Sukkot verschiedentlich auch als Ortsname auf. So wird die erste Ortschaft, die die Israeliten beim Auszug aus Ägypten erreichen, als Sukkot bezeichnet (Ex 12,37 GNB). Sie lag, so wird vermutet, im Nildelta. Ein anderer Sukkot genannter Ort befand sich in der Nähe des Jordans im Gebiet des Stammes Gad (Jos 13,27 GNB).
Sukkot-Termine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Sukkot wird an folgenden Daten (Schmini Azeret eingeschlossen) gefeiert:
Jüdisches Jahr | Gregorianisches Jahr |
---|---|
5781 | 3. – 10. Oktober 2020 |
5782 | 21. – 28. September 2021 |
5783 | 10. – 17. Oktober 2022 |
5784 | 30. September – 7. Oktober 2023 |
5785 | 17. – 24. Oktober 2024 |
Anmerkung: Der Tag des jüdischen Kalenders beginnt am Vorabend mit dem Einbruch der Dunkelheit und endet am Abend des Tages – demnach dauert er nicht von 0 bis 24 Uhr. Der Sabbat beginnt deshalb am Freitagabend und endet am Samstagabend bei Einbruch der Dunkelheit. Genauso verhält es sich auch bei allen anderen jüdischen Feiertagen.[4]
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Pikuach Nefesch
- Wagner-Bürckel-Aktion, Deportation von Juden zum Laubhüttenfest 1940
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Cyrus Adler, Lewis N. Dembitz: Hosha'na Rabbah. In: Isidore Singer (Hrsg.): Jewish Encyclopedia. Funk and Wagnalls, New York 1901–1906.
- Gebote und Traditionen. In: de.chabad.org. Abgerufen am 21. Dezember 2018.
- Joseph Jacobs, H. G. Friedmann: Feast of Tabernacles. In: Isidore Singer (Hrsg.): Jewish Encyclopedia. Funk and Wagnalls, New York 1901–1906.
- Alfred J. Kolatch: Sukkot, Schemini Azeret und Simchat Tora. In: Jüdische Welt verstehen 600 Fragen und Antworten. Marix, Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-043-9 (Aus dem Amerikanischen).
- Corinna Körting: Laubhüttenfest (AT). In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff.
- Ernst Kutch, Louis Jacobs, Abram Kanof: Sukkot. In: Michael Berenbaum, Fred Skolnik (Hrsg.): Encyclopaedia Judaica. Band 19. 2. Auflage. Macmillan Reference USA, Detroit 2007, S. 299–302. Online (englisch)
- Sukkot. In: talmud.de. Abgerufen am 21. Dezember 2018.
- Haakan Ulfgard: The story of Sukkot: the setting, shaping, and sequel of the biblical feast of tabernacles. (Beiträge zur Geschichte der biblischen Exegese, Band 34). Verlag Mohr Siebeck, 1998, ISBN 3-16-147017-6. Auszugsweise online (englisch)
- Sukkot – das Laubhüttenfest. Zentralrat der Juden in Deutschland, abgerufen am 21. Dezember 2018.
- Sukkot – סוכות. Das Laubhüttenfest. In: embassies.gov.il. Botschaft des Staates Israel in Berlin, abgerufen am 21. Dezember 2018.
- Ari Lipinski: Sukkot. Das Laubhüttenfest. In: AriLipinski.de. 3. Oktober 2014, abgerufen am 21. Dezember 2018.
- Jenny Vorpahl: Sukkot (Fest). In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff.
- Konstantin Pal: Sukkot – Aus Gottes Hand. In: a-r-k.de. Allgemeine Rabbinerkonferenz, 14. Oktober 2017, abgerufen am 28. April 2018.
- Walter Rothschild: Sukkot – Chol Hamoed. Gog und Magog. In: a-r-k.de. Allgemeine Rabbinerkonferenz, 27. September 2013, abgerufen am 28. April 2018.
- Walter Rothschild: Sukkot – Chol Hamoed. Kurz vor dem Burn-Out. In: a-r-k.de. Allgemeine Rabbinerkonferenz, 28. Oktober 2016, abgerufen am 28. April 2018.
- Andrew Aryeh Steiman: Sukkot – Freude in den Hütten? In: a-r-k.de. Allgemeine Rabbinerkonferenz, 5. Oktober 2018, abgerufen am 21. Dezember 2018.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Corinna Körting: Laubhüttenfest (AT). In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff.
- ↑ a b Joseph Jacobs, H. G. Friedmann: Feast of Tabernacles. In: Isidore Singer (Hrsg.): Jewish Encyclopedia. Funk and Wagnalls, New York 1901–1906.
- ↑ a b Ernst Kutch, Louis Jacobs, Abram Kanof: Sukkot. Artikel in: Encyclopaedia Judaica. Hrsg. Michael Berenbaum und Fred Skolnik. Band 19, 2. Auflage. Macmillan Reference USA, Detroit 2007, S. 299–302. Online (englisch); abgerufen 28. Oktober 2010.
- ↑ Der jüdische Kalender, in: BR Online vom 5. Juli 2011, abgerufen am 30. April 2019.