Kaffee, Zigaretten, natürlich, die gehören auch dazu, und wenn du mehr die Bukowski-Schiene bedienst, dann solltest du dir auch noch eine kleine Alkoholsucht zulegen. Aber du solltest nicht zu stark saufen, weil dich das am Ende vom Schreiben ablenkt und umbringt. Auf der anderen Seite, irgendetwas wird dich am Ende sowieso umbringen. Todsicher.
Wenn man Autor ist, wacht man mit diesen Gedanken auf. Man schlägt die Augen auf, starrt ins Dunkel der Nacht, man hört seine Partnerin neben sich schlafen und denkt an den Tod. Krebs. Ein Autounfall.
Vor allem werde ich viel zu jung sterben, denkst du.
Du horchst in den Raum hinein, hörst sie neben dir Schnarchen, stellst dir vor, wie du im Krankenhaus liegst und wie sie sich weinend zu dir herüber beugt.
„Du musst dich um meine Manuskripte kümmern.“
So etwas wirst du sagen. Bestimmt. Du bist Autor. Es geht dir nur um die Literatur. Du solltest dir ein paar Sätze überlegen. Einen kleinen Skandal ausknobeln. Du solltest als Legende sterben. Du denkst an Hart Crane. An Miller. Hemingway gab schon immer ein gutes Vorbild ab. Leider wohnst du in der hessischen Provinz. Da läuft es mit der Hemingway-Nummer nicht so gut.
Du schiebst die Decke zur Seite, setzt dich auf, greifst nach T-Shirt und Hose und ziehst dich an. Ein Blinder würde das nicht besser können. Du drückst dich langsam vom Bett nach oben. Jetzt dirigierst du dich zur Tür. Öffnest sie. Du schlüpfst nach draußen, rüber in die Küche, Kaffeemaschine anschalten, rüber zum Computer, einschalten, dann auf den Balkon, eine Zigarette rauchen. Du bist zwar Künstler und völlig antibürgerlich eingestellt, aber wenn du in der Wohnung rauchen würdest, wie soll man das sagen, es liegt dir einiges an deiner Gesundheit und an deiner Partnerin … Also lässt du es sein.
Du rauchst deine Zigarette. Unten ist schon jemand unterwegs. Die Zeitungsfrau. Eine wirklich fette Frau.
Über die habe ich noch nicht geschrieben, denkst du.
Ja, du wirst dir eine Geschichte für sie überlegen. Die Geschichten sind doch überall. Dir kann keiner etwas vormachen. Du träumst die Dinger sogar.
Du drückst die Zigarette aus. Der Kaffee ist fast durch. Du schüttest dir einen Becher randvoll, balancierst das Teil an deinen Schreibtisch.
Mails abrufen.
Du hoffst jeden Tag. Dieses Mal muss doch etwas dabei sein. Du hast Geschichten bei Wettbewerben eingereicht. Die müssen dein Talent doch erkennen.
Also rufst du deine Facebook-Seite auf. Hm. Gut, die hier hebt meistens den Daumen bei deinen Links. Gute Frau, die versteht mit Sicherheit was von Literatur. Du bist verdammt beliebt. Immerhin hast du nahezu siebenhundert Facebook-Freunde, die du überhaupt nicht kennst. Gerade kommt wieder eine Anfrage rein. Du nimmst auch diesen Freund an, auch wenn er dich an den Sprengmeister eines iranischen Todeskommandos erinnert und seine Seite voller arabischer Schriftzeichen ist. Da wird schon nichts wirklich Böses stehen, denkst du und nimmst einen Schluck von deinem Kaffee. Zeit, wieder mal die Mails abzurufen. Machst du. Nichts. Komisch.
Als nächste rufst du deine eigene Seite auf. Du hast dir im Netz etwas eingerichtet, um die Welt nun vollends mit deinen Texten vollzuscheißen. Du führst auch ein öffentliches Tagebuch. Ja, so ein Tagebuch muss sein. Da schreibt man gleich auf Augenhöhe mit Thomas Mann und Max Frisch. Du nennst sie Thomas und Max, weil ihr euch schon lange kennt und weil du dich als echter Autor fühlst. Immerhin hast du einen Verlag gefunden, keinen dieser Bezahlverlage, sondern einen echten wahren Verlag, der noch an dich glaubt und eine Menge Geld in dich gesteckt hat, das nach Abfrage der neusten Zahlen wohl im Arsch ist.
Das wird noch, hast du deinem Verleger erklärt. Du hast ihm die Situation klar gemacht. Er muss sich als Unseld sehen. Du bist Bernhard. Dann kann er mit deinen Schimpftiraden auch besser umgehen.
Die Zugriffe auf deiner Seite waren hoch. Okay. Die meisten hast du selbst produziert, aber ein paar Leutchen haben sich schon verirrt.
Du rufst kurz deine Mails ab und öffnest dann die Word-Datei, in der sich dein Tagebuch versteckt. Du tippst das Datum ein. Titel kommt später. Oh, du bist ein wahrer Meister in der Betitelung von Geschichten.
Dann schreibst du die Worte Kaffee, Zigarette. Mit diesen Worten fängst du jeden Morgen an. Das hat einen gewissen Wiedererkennungswert. Ja, du hast es schon faustdick hinter den Ohren.
Du nimmst einen Schluck von deinem Kaffee, überlegst, rufst Mails ab. Noch immer nichts. Um dich abzulenken, spielst du Gott und löscht wahllos ein paar deiner Freunde bei Facebook. Danach fühlst du dich besser.
Was war gestern? Was wird heute sein? Darüber musst du schreiben.
Heute kommen deine Kinder aus erster Ehe. Du hast drei Kinder. Das ist in Ordnung. Eine Scheidung macht sich in jeder Autorenbiografie gut. Die Anzahl der Kinder sagt etwas über deine Lebenslust aus.
Ja, du könntest darüber schreiben.
Nein, gibst du mir zur Antwort. Das interessiert doch keine Sau.
Also tippst du etwas über den Autor aus Berlin, der dich angeschrieben hat. Ja, das kommt gut an, denkst du. Zwar liegen die besten Zeiten des Berliner Autors ein paar Jahre zurück, aber einige deiner Leser könnten ihn kennen.
Du machst eine Pause, weil du Mails abrufen und eine Zigarette rauchen willst.
Mails sind keine da. Die Zigarette rauchst du auf dem Balkon. Inzwischen ist es hell geworden. Die Sonne suchst du vergebens. Dafür sind eine Menge Wolken am Himmel.
Scheiße, denkst du.
Du setzt dich nach der Zigarette wieder hin und plötzlich hast du eine Idee. Du fängst an zu schreiben.
Kaffee, Zigaretten, natürlich, die gehören auch dazu, und wenn du mehr die Bukowski-Schiene bedienst, dann solltest du dir auch noch eine kleine Alkoholsucht zulegen. Aber nicht zu stark saufen, weil dich das am Ende vom Schreiben ablenkt und umbringt. Auf der anderen Seite, irgendetwas wird dich am Ende sowieso umbringen. Todsicher.
Du liest dir das eben Geschriebene noch mal durch. Nur der Titel fehlt noch. Der muss die Leute zum Weiterlesen reizen. Du überlegst. Gestern kam doch jemand über einen seltsamen Suchbegriff auf deine Seite. Du siehst noch mal rasch im Administratorenbereich nach. Das Wort gefällt dir. Du liebst das Wort Administratorenbereich. Da ist die Suchanfrage. Vom Pferd gefickt. Na, wenn das kein Titel ist, denkst du und gibst ihn ein. Dann stellst du den Titel auf deine Seite. Du lehnst dich zurück. Schweißüberströmt.
Es ist gar nicht so einfach, jeden Morgen Weltliteratur zu produzieren. Aber du hast es wieder mal geschafft.
Du bist glücklich.
Plötzlich kommt eine Mail rein.
Endlich, denkst du und lachst auf.
Jemand hat deine Freundschaftsanfrage bei Facebook angenommen.
Mist! Aber du gibst die Hoffnung nicht auf. Irgendwann wird auch eine Mail dabei sein, die wirklich wichtig ist.
Du wirst jetzt noch einen Kaffee trinken, eine Zigarette rauchen und dann …
Hallo Herr Autor,
Ich bin bei dir.
das war koestlich… und ich gebs zu, war erst mal nur wegen des geilen titels hier… hihi
Na, dann will ich mal hoffen, dass Sie sich zukünftig auch mal wegen der Texte in die Pathologie verirren.
och, ich war schon des oefteren hier… heut hats mich mal in den fingern gejuckt, hier zu antworten. aber Ihre texte loesen schon nen gewaltigen juckreitz aus. muss mich noch in Ihren stil einlesen.
Dann viel Spaß beim „Kratzen“ und „Einlesen“.
danke.
koestlicher humor 😉
der tag ist gerettet!
p.s.: hast du zufaellig den film „1900“ gesehen?
dazu wuerde deine ueberschrift auch passen…
Nein. Jetzt sollte ich ihn mir aber wohl mal ansehen.
sehr zu empfehlen. einer der nachhaltigsten, schonungslosesten, ehrlichsten, fiesesten, geilsten filme, den ich je gesehen habe. ich weiss nicht, ob das ganze ausmass auf nem kleinen bildschirm so rueberkommt- im kino war er damals unfassbar.
Unsere Wohnung läuft mit Filmen über, die wir noch nicht gesehen haben, aber ich werde ihn mir besorgen, bestimmt sogar. Ich liebe die Filme Lars von Triers, Fassbinders, Godards, Bunuels, die Filme von Peckinpah und vor allem die von Gaspar Noe.
ja, kann ich mich anschliessen.
in besagtem film spielen ja auch meine faves mit- Gérard Depardieu und Robert De Niro. und wie jung sie da noch sind 😉 spielen auch genial.
was frappierend ist, fuer mich ist seit diesem film Donald Sutherland so untrennbar mit seiner schweinefiesen filmrolle verbunden, dass ich ihm grundsaetzlich ablehnend gegenueber stehe… da kann er spielen, was er will und im realen leben mensch sein, wie er will- er hat die rolle dermassen ausgefuellt, dass ich ihn nur durch diese brille sehen kann.
Dann hat er als Schauspieler ja alles richtig gemacht. Lieblingsschauspieler habe ich eigentlich keine, denn das wechselt beständig mit den Filmen. Mal mag ich Javier Bardem, mal Jeff Bridges, dann wieder Vincent Cassel, um im nächsten Moment Fernando Rey auf den Thron zu heben. Dort sitzt er dann und wartet auf meine nächste Revolution, die ganz bestimmt seinen Kopf rollen lassen wird.