Nach drei veranstaltungslosen Wochen, die erste Lesung im neuen Jahr. Robert Menasse liest in der alten Schmiede aus „Ich kann jeder sagen“, hat Emily Walton vor ein paar Tagen in ihren Blog geschrieben, ich hatte es im Programm angestrichen und mich darauf gefreut. Robert Menasse ist sehr interessant, wenn auch ein bißchen zynisch. So habe ich mich einmal bei einer Generalversammlung der GAV mit ihm angelegt, als er zuerst gegen Arthur West und dann gegen Walter Baco scheinbar aus heiterem Himmel hergefahren ist und ihm gesagt, daß ich nicht will, daß er andere beschimpft. Dann ist er mit Robert Schindel einmal aus dem PEN-Club ausgetreten, weil der sehr reaktionäre Mitglieder hätte, aber eigentlich hätten beide dort gar nicht Mitglieder sein dürfen, gibt es ja diesen Ausschließungsparagraphen. Da habe ich ihm einen Brief geschrieben, das ist schon lange her und bevor sein „Don Juan“ erschienen ist, war ich bei einer Lesung in der alten Schmiede. Da hat er Paul Jandl, der die Lesung moderierte, ziemlich fertig gemacht. Das mag ich nicht so sehr, hab aber nichts gesagt. Jetzt gibt es den Erzählzyklus „Ich kann jeder sagen“, der schon im Herbst erschienen ist. Auf der Buch Wien bin ich in eine Diskussion hineingekommen und da hat mir sehr imponiert, wie der wortgewaltige Menasse sich für die Studentenbesetzung eingesetzt hat und zu der Bildungsmisere, die wir derzeit haben, eine ähnliche Meinung, wie ich hat.
Es war wieder etwas schwierig pünktlich hinzukommen, weil um sechs noch eine Stunde und ich wußte nicht genau, wie voll die alte Schmiede ist. Dann ist der Klient früher gekommen, so daß ich zu Fuß gehen konnte und habe auf der Wiedner Hauptstraße, die Trude Kloiber getroffen, die spazieren gehen wollte. Ich habe sie schon einmal in dem Durchhaus, wo sie wohnt, getroffen, als ich zum Daniel Glattauer ins Thalia wollte, da ist sie mitgegangen und auch diesmal hat sie sich mir angeschlossen. Das finde ich sehr imponierend. Es war gar nicht so voll und wir haben einen Platz bekommen. Vor mir ist der Dr. Mosca gesessen, der mich heute angerufen hat, weil er die Termine meiner nächsten Lesungen wissen wollte, hinter mir der Norbert Leser. Sonst gar nicht so viele Bekannte und Kurt Neumann hat sehr schön eingeleitet. Den Erzählband mit dem Untertitel „Vom Ende der Nachkriegsordnung“, ein Zyklus von vierzehn Ich-Erzählungen, die alle mit verstörenden Pointen arbeiten und gleichzeitig unterhaltend, als auch irritierend sind. Alle vierzehn Erzählerstimmen sind Männer, der zeitliche Rahmen geht von 1989 aus. Es gibt einen Prolog von einem der nicht anfangen kann und einen Epilog vom nicht aufhören können, dazwischen alle Erzählformen bis zum Essay.
Zwei dieser Geschichten hat Robert Menasse gelesen „Lange nicht gesehen“ und „Romantische Irrtümer“ und sie waren wirklich gut erzählt. Jeweils mit dem schweren Hintergrund einer verstörenden Vergangenheit. Im Fernsehen läuft die Dokumentation des Mauerfalls und dem Ende der DDR und zwei ehemalige Musterschüler treffen sich und gehen eine ungewöhnliche Liebesbeziehung ein, die durch eine Sachwaltergeschichte eines nichtblinden Mannes endet, der die öffentliche Ordnung stört, weil er die Augen vor der Gegenwart verschließt, daher alle anrempelt und trotzdem nicht entmüdigt werden kann.
Sehr kompliziert, wie auch die Geschichte mit der verstörenden Pointe des Erzählers, der in Weimar und in Dresden ißt und kotzt und sich doch nicht in die Elbe stürzt, weil er einem faden Geschäftsmann auf die Frage, wie er den Nachmittag verbringen wird, zur Antwort gibt, sie in Buchenwald totzuschlagen. Dann schaut er sich im Fernsehen die Bombarderung Dresdens an und stellt sich an die Elbe, um von einer Frau gerettet zu werden, obwohl er gar nicht springen wollte, um am nächsten Tag nichts mehr zu erzählen zu haben. Wieder sehr raffiniert erzählt, offenbar ist Robert Menasse doch ein hervorragender Erzähler und hat im Gespräch mit Kurt Neumann noch erzählt, wie dieser Romanzyklus, wo die Männer um fünfzig um einen großen Tisch sitzen und einen Tag aus ihrem Leben erzählen „Als John F. Kennedy ermordet wurde, war ich so richtig glücklich“ entstanden ist.
Eine Geschichte aus dem Zyklus wollte nicht so richtig gelingen, die wurde dann der „Don Juan“. Dann kam noch eine Theaterarbeit, da schimpfte Robert Menasse wieder ein bißchen über die Schauspieler und die Regisseure und einer Dame, die eine Frage stellte, hat er auch eine ganz andere Antwort gegeben, aber erzählt, daß er nach einer Lesung, einem jungen Mädchen ein Buch signierte, das sie ihrem Papa schenken wollte, weil sie ihn erst durch die Lesung verstanden hat. Da fällt mir die Anna ein, die ja von Robert Menasse sehr begeistert ist und ein paar junge Leute waren auch im Publikum.
Ich bin mit der Trude Kloiber nach Hause gegangen und haben noch über die Lesung gesprochen, wobei Trude die These aufstellte, daß Menasses Zynismus vielleicht von seinem Lampenfieber kommt, ich weiß aber nicht, ob das stimmt. Das Buch haben wir nicht gekauft, ich habe aber heute sehr viele geschenkt bekommen. War doch die Irmgard Gelter am Nachmittag bei mir und hat mir nicht nur Khalid Gibrans „Der Prophet“, mitgebracht, sondern auch noch einen Stoß Bücher übers Stottern und zur Sprachentwicklung aus den Siebzigerjahren. Eine Erinnerung an unsere Arbeit an der II. HNO Klinik/ Sprachambulanz. Ich hab sie in mein Praxiszimmer eingeräumt. Meine zwei Stottererbücher sind ja auch ein Teil meiner Biografie.
Die Weisheiten des berühmten Dichterphilosophen werde ich lesen und von Robert Menasses Nachkriegsgeschichten habe ich mir auch sehr viel gemerkt.
2010-01-07
Menasse-Lesung
2010-01-05
Etcetera-Interwiew und mit Sprache unterwegs
Mein erster Erwerbsarbeitstag in neuen Jahrzehnt hat mit einer literarischen Begegnung begonnen, ist doch zu Mittag Robert Eglhofer mit seinem Aufnahmegerät gekommen und hat mir vorher die entsprechenden Fragen durchgegeben.
Wie ich zu St. Pölten und der literarischen Gesellschaft stehe? Was es über meine Bücher und das Literaturgeflüster zu sagen gibt? Zu den Zukunftsaussichten sind wir dann nicht mehr gekommen. Da stand schon die nächste Klientin im Wartezimmer, was aber nichts machte, denn über Zukunftsaussichten läßt sich nur bedingt Auskunft geben.
Von meiner Seite ist es zwar einfach. Ich werde schreiben, solange ich kann und mir was einfällt, von der anderen ist es schwieriger.
Denn da gibt es entsprechende Prognosen, daß nie etwas daraus werden wird und wenn ich noch so viel um mich schlage….
Warten wir ab, im nächsten oder übernächsten etcetera soll das Interview erscheinen und das ist schon etwas, obwohl der „Schokoladewettbewerb“ ist im etcetera 2/99, noch unter Doris Kloimstein erschienen und Robert Eglhofer hat auch eine schöne Rezension zum Wiener Stadtoman „Wie süß schmeckt Schokolade?“, die Titelähnlichkeit ist Zufall, es geht um ganz andere Sachen, geschrieben.
Bei drei Osterspaziergängen der literarischen Gesellschaft bin ich mitgegangen und die Kurzgeschichte „Harland-Stadt“ habe ich vor Jahren für eine St. Pölten-Anthologie, die Alois Eder machen wollte, geschrieben. Jetzt ist sie in den „Best of II“ Geschichten drinnen und ich habe vor langer langer Zeit einmal in der literarischen Gesellschaft gelesen.
Mit Manfred Wieninger hätte es sein sollen, aber der hat wegen seiner Plagiatsgeschichte kurzfristig abgesagt, er wollte sich damals nie mehr literarisch betätigen. So hatte ich nur wenige Zuhörer und die beiden Urgesteine des St. Pöltner literarischen Lebens, Günther Stingl und Alois Eder treffe ich manchmal auch.
So weit die Kurzzusammenfassung meiner St. Pöltner Literaturgeschichte. Genaueres wird man im etcetera lesen können und als meine Nachmittagsklienten gegangen sind, habe ich zu googlen angefangen und bin bei Christiane Zintzen fündig geworden, denn der ihr in/ad/ae/qu/at/ betreut ein neues Pojekt.
„Mit Sprache unterwegs“ heißt es. Zwar sollen da, wenn ich es richtig verstanden habe, zehn auserwählte Autoren und Autorinnen nämlich Christoph W. Bauer, Eugenie Kain, Radek Knapp, Martin Pollack, Sabine Scholl, Clemens Berger, Anna Kim, Lydia Mischkulnig, Peter Rosei und Doron Rabinovici, den Spuren Joseph Roths nachreisen und literarische Reportagen machen, die man unter http://www.mit-sprache.net oder bei Christiane Zintzen nachlesen kann.
„Ein tolles Projekt!“, habe ich gedacht.
„Leider bin ich nicht dabei!“ und „Macht ja nichts! Wofür gibt es das Literaturgeflüster!“
Ich habe zwar mit dem reiselustigen Alfred abgesprochen, daß ich 2010 nicht so viele Reisen machen will, aber nach Leipzig zur Messe, noch einmal in die hohe Tatra und natürlich nach Harland in die Sommerfrische soll es schon gehen und da werde ich, wie soll es anders sein, mit Sprache unterwegs sein und im Literaturgeflüster darüber schreiben!
Das ist ja das Tolle an den literarischen Blogs und ich habe Robert Eglhofer gestern auch erzählt, was man dabei alles erleben kann! Stammleser wissen es und etwas habe ich vergessen, nämlich, daß ich schon einmal ein neues Jahr mit einem literarischen Interview begonnen habe und zwar hat mich 2003 oder 2004, genauer weiß ich es nicht mehr, Anita C. Schaub für ihr Buchprojekt „FrauenSchreiben“ interviewt und das ist ein sehr schönes Buch geworden mit siebzehn oder achtzehn Interviews von schreibenden Frauen aus Österreich, beginnend mit Elfriede Jelinek, Friederike Mayröcker, Elfriede Gerstl, Barbara Frischmuth, bis zu Elfriede Haslehner, Barbara Neuwirth, Hilde Langthaler, Hilde Schmölzer, Eva Jancak und wem es interessiert, Christa Nebenführ ist auch dabei.
Vielleicht wird es wirklich ein tolles literarisches Jahr, eine Hiobsbotschaft, habe ich bei http://www.literaturcafe.de aber auch gefunden. Elke Heidenreich stellt ihre Internetsendung „Lesen!“ ein, weil sie, wie man dort sehen kann, zu wenige Zugriffe hatte, nämlich nur ein paar tausend.
Mein Literaturgeflüster hat fünfzig bis hundert pro Tag und ich bin sehr zufrieden. Da sieht man, wie verschieden man eine Sache betrachten kann und daß ich 2010 mehr über Gelesenes schreiben will, habe ich mir schon vorgenommen. Ein Buch pro Woche schaffe ich wahrscheinlich auch. Wer also einen Ersatz für seine Leseempfehlungen sucht, dem biete ich meine Besprechungen an. Ich lese allerdings, muß ich gleich warnen, meine SUBs herunter, also manchmal ganz alte, unbekannte Sachen. Aber das hat Elke Heidenreich auch getan. Ich erinnere nur an „Schau heimwärts, Engel“ und das war ein sehr gutes Buch.
Apropos Lesevorsätze, da habe ich meinen Wiener Badezimmerstapel neu geordnet und mit „Architektur einer Liebe“ von Evelyn Schlag begonnen und in Harland habe ich wieder eine Überraschung entdeckt, nämlich „Die Schopenhauer-Kur“ von Irvin D.Yalom. Das muß ich entweder aus einer Thalia Abverkaufskiste gezogen oder bei diesen Sprazener Kirchenflohmarkt gefunden und Robert Eglhofer abgekauft haben. Ich sage ja, SUBs sind für Überraschungen gut.
2010-01-04
Lektionen des Verborgenen
„Lektionen des Verborgenen“, dtv, 2001, ist eine Mutter-Tochter-Geschichte, die Identitätssuche, der 1964 in München geborenen, seit 1983 in Italien lebenden Helena Janeczek und beginnt ähnlich, wie bei Lily Brett, mit dem Essen oder dem Hungern, dem Stückchen Brot, das vom Boden aufgehoben wurde und der disziplinierten Siebzigjährigen, die ihrer Tochter vorwirft, zu fett zu sein und sich selbst die größten Vorwürfe macht, weil sie mit zwanzig das Ghetto von Zawiercie, die Eltern und den Bruder Jerzy mit zwei Groschen in der Tasche verließ, weil sie nicht in den Öfen verbrennen wollte, wie das die Familie später tat.
Fünfzig Jahre später reist Jelena mit ihrer Mutter nach Warschau, Krakau, Auschwitz, Zawiercie, um all diese Orte kennenzulernen und ein Buch darüber zu schreiben.
Sie denkt auch über ihr Leben nach, das in Deutschland begann, weil es ihre Eltern, der Vater lungenkrank mit einem falschen Paß, der ihm die Lager ersparte, die Mutter Auschwitz überlebend, zufällig dorthin verschlug. Die der Tochter nicht viel von ihrer Jugend erzählten, so daß diese, wieder ähnlich, wie bei Lily Brett, die Traumatisierungen der Mutter und ihre eigenen Ängste schildert.
Da der kranke Vater nicht als Arzt arbeiten kann, steigt die Mutter in den italienischen Schuhhandel ein, die Tochter wird von einem deutschen Kindermädchen aufgezogen, lernt in der Schule Jesus lieben, bevor sie in die jüdische Gemeinde München kommt und sich dort als schlechte Jüdin fühlt.
Es gibt aber auch eine starke Gemeinsamkeit zu der Mutter mit der sie Holocaustbücher liest. Das der Ruth Klüger gefällt der Mutter nicht, während sich Mutter und Tochter über den Film vom Hitlerjungen Salomon so empören, daß sie schimpfend das Kino verlassen und vermuten, nun für antisemitisch gehalten zu werden.
Die Tochter geht nach dem Tod des Vaters nach Italien, studiert und heiratet, das Studium bringt sie lange nicht zu Ende, was der Mutter große Sorgen macht. Hat Schwierigkeiten mit den Ämtern und der Aufenthaltsgenehmigung, obwohl ihr die als EU-Bürgerin zusteht. Identitätsverwirrungen auch mit den jüdischen Tanten und Onkeln und Großeltern, die Helena nie gesehen hat, aber trotzdem in ihr Gebet einbezieht, wie sie auch ihre drei Vornamen von ihnen hat und es drei Sprachen in ihrem Leben gibt. Das Polnisch der Eltern, das sie nicht kann und doch versteht, das Deutsch in dem sie sozialisiert wurde und das, wie ihr Paß, doch nicht das ihre ist, so daß sie Italienisch lernte und inzwischen akzentfrei spricht.
Langsam und zögernd tastet sich Helena Janeczek an die Vergangenheit der Mutter heran. Der Erzählton bleibt immer dokumentierend sachlich, während Lily Brett, als sie mit ihrem Vater Auschwitz und Krakau bereiste, von Gespenstern verfolgt wurde.
Zum Schluß findet Helena zu ihrem deutschen Kindermädchen zurück und schreibt das Buch über die Vergangenheit der Mutter auf Italienisch, von Moshe Kahn ins Deutsche übersetzt.
Gefunden habe ich es vor fast einem Jahr, als ich mich zu den „Haus“-Recherchen auf die Baumgartner Höhe machte und dabei über die Ein-Euro-Buchlandungskiste auf der Mariahilferstraße stolperte.
Jetzt habe ich es gelesen und es war, wie im Klappentext steht, ein beeindruckendes Zeugnis im Umgang von Erinnern und Vergessen.
2010-01-02
Helden der Kunst, Helden der Liebe
In diesem bei Sonderzahl erschienenen Roman von Gustav Ernst fahren zwei ältere Autoren mit dem Auto von Wien nach Frankfurt, um an einer Lesung bzw. Diskussionsveranstaltung teilzunehmen, wofür sie siebenhundert bzw. neunhundert Euro Honorar bekommen sollen. Während der Fahrt machen sie Halt an verschiedenen Autobahnraststätten, trinken Kaffee, Wein, Bier, eßen gemischten Salat, vor allem aber reden sie über ihre Prostatabeschwerden, ihre Frauenbeziehungen, ihre Romane, die zu Bestsellern oder nicht dazu wurden. Über die letzten dreißig Jahre ihres Literaturlebens halt, an das sie sich erinnern oder nicht erinnern können. Dabei geraten sie in Streit, betrinken sich und werden vom Kellner aus dem Lokal geworfen. Am Schluß scheinen sie sich noch verfahren zu haben, so daß sie vielleicht gar nicht ankommen werden.
Dazwischen finden immer wieder literarische Gesellschaften statt. Die erste beginnt im Hotel Intercont in Berlin, in der ein italienischer Autor seine Wiener Übersetzerin anruft und sie bittet ihr den Beipackzettel seines Schlafmittels zu übersetzen. In den anderen, die sich vom Cafe Prückel am Vormittag bis zum Cafe Engländer nach Mitternacht durch sieben Wiener Cafes ziehen, treffen Dichter und Dichterinnen aufeinander, halten Monologe und Dialoge, in denen sie so alles über den Literaturbetrieb und die Leiden und die Freuden, die man damit hat, von sich geben.
So tritt ein Dichter auf, der zwar noch nichts geschrieben hat, aber mit dem Roman, den er schreiben würde, wenn er die nötige Zeit hätte, durchaus Erfolg haben könnte. Oder sie schimpfen über den Literaturliebhaber, der gar kein echter Autor ist. Der Dichter Kieninger soll einen mit zehntausend Euro dotierten Literaturpreis an junge Autoren vergeben und wird dabei von der Mutter eines jungen Autors und Gattin eines wohlhabenden Rechtsanwaltes, die ihn dazu egagierte, beschimpft, während die Dichterin Barbara in einem Vorzimmer sitzt und das Gesamtwerk Maria Ebner von Eschenbach für einen Katalog kurzfassen soll, um den Vorschuß abzuarbeiten, den ihr der Verlag für ein Buch bezahlt hat, das sie nach Ausbruch ihrer Psychose nicht mehr schreiben kann. Es wird von Schriftstellern erzählt, die von Kollegen angerufen werden, die gehört haben, daß sie in einer Jury sitzen und wollen, daß man sich bei der Preisvergabe für sie einzusetzen soll, während sich andere über die Langweiler, Dampfplauderer, Sprücheklopfer, ect. ärgern, die den Wildgans, Bachmann oder Toleranzpreis bekommen haben und und und.
„Ernst durchleuchtet das literarische Leben mit satirischer Verve und schwungvollen drive“, steht auf der Buchrückseite und es ist ein Buch, daß ich vor dreißig Jahren mit Begeisterung und Neugier etwas über den Literaturbetrieb zu erfahren, verschlungen hätte. Inzwischen weiß ich einiges davon und habe auch schon viel darüber geschrieben.
Gelesen habe ich es trotzdem mit Interesse. Suchtcharakter war kaum mehr da. Ich habe mich auch nicht besonders angestrengt, ob ich Vera, Elfi, Kaltenegger, Kovac, Kieninger, Gerry, Friedrich, Luc, ect. erkennen könnte. Habe schon an reine Kunstfiguren gedacht, bis Brigitte Schwaiger nicht zu verkennen war und die Wiener Übersetzerin wird wohl Karin Fleischanderl sein, sonst könnte ich keine Zuordnungen treffen und es liest sich natürlich mit Wehmut, was da alles an mir vorbeigegangen ist…..
Interessant und spannend war es doch, ein angenehmes Literaturvergnügen und ich habe das Buch auch schon in der Hand gehabt, weil es im letzten Jahr auf der Liste der Buchprämienbücher stand. Ob es eine bekommen hat und ich es vorgeschlagen habe, weiß ich nicht mehr, aber, daß mir beim Durchblättern auf der Buch Wien oder sonstwo, die Stelle mit dem Literaturliebhaber, der kein richtiger Autor ist, aufgefallen ist, no na.
Ansonsten kenne ich den Dichter und Literaturvermittler sehr lang und habe auch schon über ihn geflüstert.
Wahrscheinlich durch die Wespennester in den Siebzigerjahren, da habe ich ja meine Texte hingeschickt. Als ich 1980 in der alten Schmiede im Literatureck gelesen habe, war er mit Marie Therese Kerschbaumer eingeladen, darüber was zu sagen und ich sehe ihn auch immer bei Literaturveranstalten.
Inzwischen macht er das Kolik, da habe ich anfangs auch hingeschickt, jetzt schicke ich nichts mehr aus. War aber vor einigen Jahren bei einer Lesung in der alten Schmiede, wo er und Helmut Eisendle ihre neuen Bücher vorgestellt haben. Da ist es auch um alternde Dichter gegangen, die über ihren Sex und ihre Krankheiten geschrieben haben. Das habe ich, kann ich mich erinnern, in der Diskussion angemerkt, wie die Bücher geheißen haben, weiß ich nicht mehr. Helmut Eisendle ist 2003 an Krebs verstorben, im Literaturhaus wird demnächst ein Buch über ihn vorgestellt.
Von Gustav Ernst habe ich „Einsame Klasse“ vor langer Zeit gelesen und eines seiner Stücke im Volkstheater gesehen. Er ist ja auch Dramatiker und „Herzgruft“ habe ich mir vor kurzem bei Buchlandung um einen Euro gekauft. Dann ist er, das habe ich auch schon mehrmals geschrieben, mit Robert Schindel soetwas, wie Hans Weigel und Hermann Hakel von heute, in der Leondinger Akademie und bei Studium der Sprachkunst tätig und 2008 ist dieser Roman über den österreichischen Literaturbetrieb erschienen.
Wem es interessiert, ist er sicher zu empfehlen. Der Bernhardsche Schimpfton taucht manchmal auf, Werner Kofler hat, glaube ich, auch in dieser Art geschrieben und Norbert Gstrein einmal eine solche Novelle.
2010-01-01
Ins neue Jahr
Ins neue Jahrzehnt, in dem ich sechzig werde, was mich nicht besonders aufregt und literarisch einiges bringen kann. Es soll ja einige Männer und auch Frauen geben, die dann vom Literaturhaus oder sonstwo ein schönes Fest bekommen, aber das mache ich mir seit 1987 ohnehin selber, an die zwanzig schöne Bücher habe ich ebenfalls selbstgemacht und seit eineinhalb Jahren das Literaturgeflüster, also warten wir ab und lassen uns ins neue Lebensjahrzehnt gleiten.
Ein besonderer Silvestertyp war ich nie. Wenns nach mir ginge, verbrächte ich den letzten Tag im Jahr nicht anders, wie die anderen. Schreibend, lesend, korrigierend oder bei einer Literaturveranstaltung. Da das nicht geht, waren wir diesmal bei Ruth Aspöck eingeladen und das war auch ein bißchen literarisch. Bei einer ebenfalls sehr bemühten, schreibender, verlegender und feministischer Frau, die ich schon lang kenne und eine gute Freundin ist. Dann haben wir diesmal, was wir nicht oft tun, den Silvester in Wien verbracht.
Zwar waren wir in den letzten Jahren einige Male bei Hilde Schmölzer in Hütteldorf eingeladen, aber die wohnt fast an der Autobahn, so daß wir jedesmal nach Harland zurückgefahren sind. Diesmal sind wir schon am Nachmittag nach Wien. Vorher waren wir in St. Pölten am Markt, um ein paar Glücksbringer zu kaufen und bei einem wunderschönen Frühjahrswetter auf der Rudolfshöhe essen. Dann nach Wien, weil nicht klar war, wann das Fest beginnt und ob wir nicht vorher mit Robert Eglhofer auf den Silvesterpfad gehen sollen. Der ging dort dann alleine hin und soll mich für das Etcetera interviewen, wofür er ein Gerät bei sich hatte, es kam aber nicht dazu.
Dafür hat Ruth Aspöck viel gekocht und stolz die Menükarte präsentiert, zuerst vier Gänge leicht und fein, mit gefüllter Tomate und Hühnerragout mit Wildreis, aber auch sehr üppig mit selbstgemachten Frittaten in der Suppe und Birne Helene mit Schlagobers, Eis und Schokoladesauce und dann noch ein Mitternachtsbuffet mit mehreren Salaten und Käse, worüber Hilde Schmölzer, die disziplinierte, frauenbewegte sehr stöhnte, es war aber toll und fein.
Das Radio ist um Mitternacht zwar eingegangen, so daß kein Donauwalzer ins neue Jahrzehnt begleitete, aber das versäumt man sowieso nicht und auch in einem Innenstadthinterhof lassen sich Raketen sehen und hören tut mans auch. Sieben Personen, in denen zwei in diesen Jahrzehnt sechzig, vier siebzig und eine achtzig werden und schöne literarische Gespräche.
Beim Heimgehen ließ sich noch die Jugend beobachten, die ihre Bierdosen in der Hand hielten und mehr oder weniger lärmten. In der Neubaugasse vor der Bushaltestelle auf den Nachtbus gewartet, der nicht gekommen ist, drei ältere Damen haben uns dabei Gesellschaft geleistet. Jetzt müssen wir nach Harland fahren, um dort noch ein Wochenende zu verbringen, bevor das Feiern vorbei und alles wieder normal werden wird.
Bei Lillyberry habe ich diese Tage den Rückblick auf die gelesenen Bücher gefunden und das führt zu den Neujahrsvorsätzen, die dieses Jahr weniger großartig sind, als im vorigen, wo ich meine Patientenverfügung machte und mich in diese Organtransplantationswiderspruchsliste eintragen ließ.
Diesmal geht es ums Lesen und ums Schreiben und da hat mich Leselustfrust angeregt, ein wenig bewußter zu lesen und zwar nicht Monat für Monat meine Lesestatistik der Welt bekannt geben, das nicht. Ich will aber selber wissen, wieviele Bücher ich im Jahr lese.
Ich werde das demnächst für 2009 abzählen, da ich fast jedes Buch besprochen habe, läßt sich das relativ einfach machen und fürs nächste Jahr werde ich mir die Monatszahl merken. Fünfzig bis sechzig sind es 2009 gewesen, würde ich so schätzen. Als ich es im Kopf nachzuzählen versuchte, bin ich auf zweiundvierzig gekommen. Mal sehen, was ich vergessen habe.
Interessant, ich kann keine Highlights angeben, denn ich habe schon lange nicht mehr das Lieblingsbuch. Früher war es einmal „Onkel Toms Hütte“, als Studentin war ich eine Zeiltlang von „Don Carlos“ sehr fasziniert, dann war es der Leonhard Kakabsa in Doderers „Dämonen“, die psychologisch Versierten, werden jetzt Aussagen über das Psychogramm meiner Seele machen, aber auch Thomas Bernhard hat mich vor zehn bis fünfzehn Jahren eine Weile fasziniert. Inzwischen ist er mir zu negativ und ein Lieblingsbuch und einen Lieblingsautor habe ich schon lang nicht mehr.
Dazu bin ich zu vielseitig interessiert. Ich lese auch sehr aufmerksam und wertfrei, kritisiere wenig, bin aber auch selten so begeistert, daß ich denke, der oder die kann mehr als ich.
Das letzte Mal ist mir das beim Bachmannpreistext von Uwe Tellkamp passiert, als der entsprechende Roman erschienen ist, war ich nicht mehr so begeistert, obwohl ich ihn ausgelesen habe.
So könnte ich auch das Lieblingsbuch von 2009 nicht angeben. „Atemschaukel“ war sicher ein wichtiges Leseerlebnis, die Bücher der Cornelia Travnicek auch und der Bachmann-Celan Biefwechsel ebenfalls sehr interessant.
Ja doch, da gibt es eine Stelle, die ich mehrmals gelesen habe und das war aus „Drehschluss“ von Claudia Rossbacher, nämlich die, wo Clara am Galgen hängt, ihr Lover liegt mit abgeschnittener Hand am Boden und der Polizist kommt gerade noch im letzten Moment dazu. Psychologisch auch sehr interessant und offenbar sehr gut geschrieben.
Ich will 2010 ein wenig bewußter lesen, vielleicht findet sich ein Lieblingsbuch und jedes Buch besprechen. Das habe ich durch das Literaturgeflüster auch gelernt und da bin ich besser geworden, denn am Anfang habe ich einige Bücher ausgelassen oder habe über sie hinweggeschrieben. Jetzt kann ich, glaube ich, jedes besprechen und das ist vielleicht ein Beinahefehler, auf den noch keiner meiner Leser gekommen ist, ich bespreche sehr offen. Im Internet habe ich da etwas gefunden, was Spoilerwarnung heißt, nämlich, daß es unhöflich wäre, den Täter zu verraten, aber für mich sind meine Buchbesprechungen Erinnerungspunkte. Ich will mich an das Buch erinnern können, deshalb schreibe ich sehr genau und natürlich subjektiv.
Richtig, Judith Gruber-Rizy hat einmal gesagt, da braucht mans gar nicht mehr lesen. Doch, natürlich, denn eine Seite kann nur ein persönlicher Eindruck sein und wie Frau Heidegger anmerkte, auch manchmal unverständlich. Also selber lesen. Nörgeln will ich nicht so sehr und das muß nicht sein. Auch das habe ich im letzten Jahr herausgefunden. Man kann über jedes Buch wertfrei schreiben und trotzdem ist es keine Gefälligkeitsrezension, denn ich bin immer ehrlich.
Also 2010 nach den Lieblingsbüchern suchen und was das Schreiben betrifft, da soll wieder der große Roman entstehen, mit dem es vielleicht einmal ein Fest im Literaturhaus geben wird, mal sehen ob und wie mir das gelingt?