Der Literaturpreis für Menschen mit Lernschwierigkeiten bzw. intellektueller Behinderung wurde heute im Museumsquartier zum vierten Mal vergeben. Ich bin seit Beginn in der Jury und wie immer ist das Lesen der an die hundertvierzig Texte interessant gewesen. Die Jury besteht außerdem aus Kurt Palm, Heinz Janisch, Barbara Rett, Andrea Stift und Ludwig Laher, die beiden letzten sind neu, Felix Mitterer hat den Ehrenschutz und der Ohrenschmaus wurde von Franz Joseph Huainigg zu seinem vierzigsten Geburtstag ins Leben gerufen.
Es gibt drei Preise in den Kategorien Lyrik, Prosa, Lebensbericht und die Preisverleihung war sehr eindrucksvoll. Vor allem sehr voll, inzwischen beginnt sich auch das literarische Stammpublikum hineinzumischen. So hat mich die ältere Dame, die immer Friederike Mayröcker in die Alte Schmiede begleitet, begrüßt, der Josef und der Lehrer, den ich von der Auge-Weihnachtsfeier kenne, waren ebenfalls da.
Johannes Kaup hat wieder moderiert, Frank Hoffmann die Ohrenschmaus-Schmankerl vorgelesen. So gab es ja sehr viele schöne Texte z.B., den von „der fliegenden Waschmaschine“ von Hedwig Dinges, die hoch in die Luft abhebt und alle Busenhalter, Höschen etc. ablädt, so daß sich die Menschen wundern, wo die viele Wäschen auf einmal herkommt oder den von Herbert Kastner „Grüß dich, Herr Mozart“: „Er hat mich besucht, der österreichische Komponist Wolfgang Amadeus Mozart. Er hat mit „Nannerl“, Weber Konstanze, auch mit seinem Vater Leopold Mozart und mit den Kindern, einen Staatsbesuch nach Gallneukirchen gemacht, mit der Pferdekutsche.“
Dann wurden die Frau Minister, die ebenfalls seit drei Jahren an der Preisverleihung teilnimmt und das Siegergedicht verliest und Felix Mitterer zu dem Preis befragt.
Es gab es eine Stepptanzeinlage mit Clara Horvath und Mike Brozek, anschließend wurde der Prosapreisträger David Sylvester Marek und sein Text „Baustelle beim Madlehner Haus an der Silvretta Hochalpenstraße“ vorgestellt. Ludwig Laher hielt eine wirklich schöne Laudatio und es ist auch ein sehr schöner Text, für den ich ebenfalls gestimmt habe. Eigentlich ein Dialog zwischen einem Herrn Ludwig Sucher und einem Herrn Karl Hetzer, die sich über die Reperaturen und Kraftwerkanlagen mokieren und von Unfällen erzählen, wo Kohlenhändler in die Laster mit Weinflaschen hineinfahren oder umgekehrt. Einen Textdialog von einer „geheimnisvollen Gletscherspaltenputzfrau im Ochsental“ zwischen Ludwig Sucher und Karl Hetzer gab es auch noch.
Der Lebensbericht „Aufsatz vom Wochenende“: „Am Samstag aufgestanden, Klo gehen, dann gut abwischen, gut anziehen, dann mit dem Autobus bis zur Albrechtskreithgasse und weitergehen, bis zum Hof hinunter, dann warten, Pause machen, aufs Klo gehen, Mund abwischen, Hände abwischen, 1/2 3 aufkehren, zusammenkehren, Mistausleeren, 3 Uhr fertigmachen“ ect, stammt von dem 1964 in Wien geborenen Reinhard Buchmann.
Die Laudatio stammte von Andrea Stift, die krank war und ihren Text verlesen ließ.
Ich hielt die Laudatio für den Lyriktext von Stefan Mann aus Gallneukirchen, der einige Text einreichte. Das Siegergedicht, das man auch in der Zotter Schokolade, die es wieder gab, finden kann, heißt
Wie ich in die Welt kam
Schon längere Zeit war ich als Affe dort oben
Ich war froh, daß mein Stern gekommen ist. Ich bin darauf geklettert.
Es war finster im Weltall.
Früher war ich im schwarzen Loch. Ich hab mich gewehrt, mit allen meinen Kräften, das mich das schwarze Loch nicht schluckt.
Eine Verwandlung kam vom Affen zum Menschen.
Ich bin gehüpft, wie ein Mann mit einem Ball. Dann war ich im Raumschiff.
Meine Mutter wurde 1931 mit mir schwanger. Ich flog runter.
Es war eine große Last für meine Mutter. Es war noch immer finster und kalt.
Wenn sie ihre Hände auf den Bauch legte, wurde es warm
Dann wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert.
Aus dem Stern wurde ich. Ein wertvolles Kind
„Stefan Manns Texte sind merkwürdig bizarr und verstehen das Leben in schrillen, farbenfrohen Bildern, in einer sehr lebendigen Sprache zu schildern… Schreiben ist gebündelte Phantasie und die kann helfen mit der Wirklichkeit zu recht zu kommen und sie dadurch besser zu verstehen“, habe ich in meiner Laudatio geschrieben.
Dann gabs Live-Musik von Ronny Pfennigbauer, der auch in den früheren Jahren schon aufgetreten ist. Die Ehrenliste mit den zwölf außerdem noch ausgezeichneten Texten wurde vorgelesen und einen ganz besonders originellen, den ich mir auch sehr angestrichen habe, gab es, ebenfalls von Reinhard Buchmann, auch noch, den las Felix Mitterer vor.
„Früher war Vindobona geheißen, so ist Wien groß und christlich geworden, früher war die Ritterzeit, heute ist Österreich und Europa katholisch geworden, früher war der Bezirk von Chirurgen und Internisten bewohnt, heute ist der Bezirk groß und psychiatrisch und gesundheitlich geworden, früher war die Mörderhand, heute ist Österreich und Europa katholisch geworden“ und so weiter und so fort. Thomas Bernhard läßt grüßen, könnte man sagen und ganz am Schluß, bevor die Schokolade angebissen, das Abschlußfoto gemacht und das Buffet eröffnet wurde, wurde noch ein Film nach dem Siegertext des ersten Ohrenschmauses 2007 „Der böse Gerhard“ von Renate Gradwohl gezeigt.
Wer sich für die gesamte Textauswahl interessiert, auf www.ohrenschmaus.net wird sie bald zu finden sein. Meine Berichte von 2008 und 2009 gibt es hier zu lesen und ein Literaturcafe Ohrenschmaus bei facebook gibt es inzwischen auch.