Literaturgefluester

2011-01-26

Souveränes Jonglieren

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:01

In der Alten Schmiede gings gleich weiter mit einer Bestandsaufnahme in die gültigen Register der Literatur und zwar wurde als souveräner Jongleur literarischer Muster Alfred Paul Schmidt vorgestellt und der 1941 in Wien als Alfred Schmidt geborene und in Graz lebende, begleitet mich seit der Zeit, seit der ich mich für Literatur interessiere, als einer im Schatten der Grazer Szene stehender, so hat es sich zumindest bei mir eingeprägt.
Hin und wieder habe ich etwas über ihn gehört, aber nicht wirklich viel gelesen, obwohl ich in Harland, das 1982 bei Hannibal erschienene „Doppelte Totgeburt“ habe und ich habe auch zugegriffen, als ich im Bücherschrank, den im Europaverlag erschienenen Roman „Fünf Finger im Wind“ sah, das Buch ist Reinhard Urbach gewidmet und der hat den Schriftsteller in der Alten Schmiede auch portraitiert. Eingeleitet hat Kurt Neumann und davon gesprochen, daß sich Alfred Paul Schmidt im kollektiven literarischen Unterbewußtsein befinden würde und als ich gerade dachte, daß das auch bei mir zutrifft, hat er dazu erklärt, daß Alfred Paul Schmidt zwanzig oder dreißig Drehbücher für Fernsehserien geschrieben hat. Aber die habe ich als Nichtfernseherin wahrscheinlich nicht gesehen, also ist er in meinem Unterbewußtsein immer noch der neben Gerhard Roth stehende experimentelle Grazer Autor, obwohl er, wie Reinhard Urbach erklärte, das nicht mehr ist, weil er seine Stile als Jogleur inzwischen souverän gewechselt hat. Aber angefangen als Sprachkritiker, denn das hat man in den frühen Siebzigerjahren, das hat der Handke, die Barbara Frischmuth und der Gert Jonke, das haben alle, die der von den Nationalsozialisten besetzten Sprache nicht mehr trauten und so ist Alfred Paul Schmidts erstes Buch „Bester jagt Spengler“ 1971 bei Suhrkamp erschienen, allerdings noch unter dem Namen Alfred Schmidt. Zu einem Paul hat ihn erst Reinhard Urbach gemacht, der ihn in die Gesellschaft für Literatur zu einer Lesung eingeladen hat. Dort sind die Bücher eines anderen Alfred Schmidts gelegen, so ist aus dem Alfred ein Alfred Paul geworden, aber eigentlich würden ihn seine Freunde ohnehin nur Goofy nennen.
Reinhard Urbach hat Alfred Paul Schmidt auch 1975 in die Alte Schmiede eingeladen. Es sind dann nach und nach zwanzig Bücher erschienen, die alle irgendwie mit der Sprache spielen, beziehungsweise sich ihr vorsichtig annähern, so heißt das zweite auch „Als die Sprache noch stumm war“.
Reinhard Urbach zog souverän immer die jeweiligen Exemplare aus seiner Jackentasche, alle lachten und ich dachte, wie wird er das bei zwanzig Bücher machen? Das sieht man ihm gar nicht an, daß er in seinem Anzug zwanzig Bücher versteckt. Dann kamen schon die Krimis und die Entwicklungsromane.
„Fünf Finger im Wind“ ist, weiß ich nun, ein solcher und handelt von gescheiterten Studenten, die in einer WG landen und die Krimis sind irgendwie auch experimentell, so verliebt sich die Kommissarin beispielsweise in den Mörder und verrät ihn dann nicht oder einer mordet, um bedeutend zu werden, aber keiner merkt es, so daß er den Kommissar zum Mörder machen muß. Ein Theaterstück im Akademietheater, das zu der Zeit aufgeführt wurde, als Reinhard Urbach Dramaturg im Burgtheater war, gab es auch und die Krimidrehbücher für die Serien „Tatort“, „Soko Kitzbühel“, „Stockinger“ etc. Auch da war Alfred Paul Schmidt, erklärte Reinhard Urbach immer experimentell und ließ seine Protagnonisten zum Teil in Aphorismen reden oder teilte ihnen besonders schöne Sätze zu. Außerdem hatte er immer Texte in den „Manuskripten“ und in den letzten zwanzig Jahren jede Woche Aphorismen für die Kleine Zeitung in Graz geschrieben.
Jetzt gibts ein neues Buch, das 2010 erschienene „Das andere Gestern“, bzw. zwei, aus denen der Autor las, die anderen, kam in der Diskussion heraus, sind vergriffen und es wird auch nicht daran gedacht, sie wieder aufzulegen.
Nur im Antiquariat bedauerte der Autor kann man sie bekommen und Reinhard Urbach, der ja einige aus seinen Taschen zog, ist einer der wenigen, der alle besitzt.
Und im Bücherschrank, füge ich hinzu und habe die „Fünf Finger“ inzwischen zu meinem Badezimmerstapel gelegt. Das Buch aus dem der Autor las, ist auch ein aphoristischer Roman und zwar geht es da, um einen Drehbuchautor der zwanzig Jahre Fernsehkrimis geschrieben hat und sich als gescheiterter Schriftsteller sieht, die Autobiografie ist nah, der vor einem Schaufenster eine Frau kennenlernt, sie anspricht und mit ihr, obwohl sie mit einem anderen Mann verabredet ist, ein Glas Wein trinken geht. Das andere Buch ist ein Hundekrimi, heißt „Die Spur der Sonne“ und ist aus ein Roman, der sich aus drei Kurzgeschichten zusammensetzt. Held ist ein Hund namens Alessandro, der einmal Polizeispürhund war, jetzt einer Frau namens Andrea gehört und mit ihrer Hilfe einen bzw. drei Fälle aufklärt. Der Hund kann auch sprechen, schreiben und lesen. Er kommuniziert im Dialog mit dem Leser, verspricht ihm auch zu erklären, wieso er das kann und bezeichnet sich als verwunschener Prinz. Löst sein Versprechen aber dann nicht ein, was zur Spurenverwischung des Autors gehört.
Ein interessanter Abend über einen fast Vergessenen. Irgendwie wird es ja viele Autoren geben, die ein Buch bei Suhrkamp haben, mehrere Preise bekamen und dann irgendwie verschwinden. Es ist bei der Lesung bzw. dem Gespräch auch herausgekommen, daß Alfred Paul Schmidt darunter leidet und eine solche Diskussion habe ich in den letzten Tagen auch mit einer meiner Leserinnen geführt, die sich auf meinen Artikel über das Symposium zur Sprachkunst gemeldet hat. Und während es hier und dort um das übersehene Schreiben geht, wird in Bremen einer der bedeutensten Literaturpreise an Friederike Mayröcker und Andrea Grill vergeben. An Friederike Myröcker allerdings so spät, daß sie ihn nicht mehr persönlich abholen kann, was ja auch sehr schade ist.

4 Kommentare »

  1. Zum Thema experimentelles Schreiben kann ich Ihnen einen Buchtipp dalassen:
    „Pfeile und Bogen“ (Hrsg) Jürgen Thaler im Libelle Verlag.
    In diesem schmalen Büchlein kommen 4 junge AutorInnen zu Wort, mit einem Text und einer Reflexion dazu. Schön zu lesen Amrei Wittwer (Etwas Lebendiges). Sie verfasst eine Texttriologie ähnlich den Standardübungen aus Schreibwerkstätten. Dabei geht es um eine Sicht aus drei verschiedenen Perspektiven (diesmal handelnde Personen) die eine Fortsetzung erfährt. In ihrer Reflexion setzt sie sich wissenschaftlich mit Sprache und Schmerzverarbeitung (das Thema in ihrem Text) auseinander. Noch recht realistisch. Verena Roßbacher ( Lesende des Bachmannpreises 2010) schreibt im nächsten Beitrag des Buches schon experimenteller. Vor allem was die Sprachstruktur angeht. Andrea Grill und Wolfgang Bleier (der übrigens Buchhändler in Wien ist) schreiben in zwar gewohnter Syntax, setzen jedoch den Text experimentell aus Sätzen zusammen.Ich mag diese 2009 herausgegebene Übersicht von der Möglichkeit der Durchlässigkeit von Texten und den sehr verschiedenem Umgang damit. Jedenfalls experimenteller als ihre vorgeschlagene ProtagonistInnen die Aphorismen zitieren-)

    Kommentar von JuSophie — 2011-01-26 @ 13:39 | Antworten

  2. Bitte die Tippfehler zu entschuldigen, bin gerade zwischen 2 Terminen gewesen.

    Kommentar von JuSophie — 2011-01-26 @ 13:40 | Antworten

  3. Vielen Dank, das klingt interessant. Von dem Buch habe ich noch nichts gehört und ich würde Andrea Grill und Verena Rossbacher auch nicht als experimentelle Autoren einordnen, die beiden anderen kenne ich nicht. Aber ich dachte mir während dieser Diskussion ohnehin öfter, daß wir vielleicht von einem unterschiedlichen Begriff, was experimentelle oder realistische Literatur ist, ausgehen.
    Ich habe von meinem Mann zum vorigen Geburtstag ein Buch aus dem Autorenhaus-Verlag bekommen. Manfred Hagel „Die eigene literarische Stimme finden“, interessant habe ich zuerst gedacht, dann waren aber Übungen drinnen, wie man, wie James Joyce etc schreiben kann. Ich habe es durchgeblättert, die Übungen nicht gemacht und das Buch auch nicht besonders besprochen, weil ich so nicht schreiben will.
    Kommen Sie am Freitag zu der Lesung der Studierenden der Sprachkunst ins Literaturhaus, da könnten wir uns kennenlernen und vielleicht genauer diskutieren, wie wir das Schreiben verstehen?

    Kommentar von jancak — 2011-01-26 @ 14:38 | Antworten

  4. Gerne, komme. Nach ANHÖRUNG der Singübungen der bald flüggen Jungspatzen setzen wir Alten uns z u s a m m e n s i n d w i r i n S u m m e m e h r* als die Einzelglieder, ergibt das einen anderen Reflektionskörper, ich reflektiere (du reflektierst, er sie es reflektiert, wir reflektieren) sie reflektieren NICHT. Ihr hört uns [zu].

    Schreibübungen haben reflexiven Charakter, verlangen keine Kopie eines Stils, brechen auf, so jemand input/Anregung und /oder Veränderung möchte – egal in welche Richtung ODER verstärken den Widerstand;-)

    Von Alfred Paul Schmidt habe ich den Entwicklungs- und Schelmenroman „Der Sonntagsvogel“ gelesen, der sprachlich pointiert reines Lesevergnügen war und den Anschein erweckte, dass das eigene Lebensvergnügen des Autors ins Buch gedru(e)ckt wurde, trotz Beschreibung einer Aussenseiterkarriere. Der Residenzverlag fand es verlegenswert, ich lesenswert.
    Also bis freitags, mfg
    *sollte kursiv sein

    Kommentar von JuSophie — 2011-01-26 @ 16:37 | Antworten


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