Ruth Aspöcks Textmontage zu ihren Tagebüchern, die vor kurzem bei Löcker erschienen sind, verfolge ich schon seit der Donau Rad Karawane, die 2007, von Wien nach Bamberg gezogen ist und mit der sie ihren literarischen Verlag „Die Donau hinunter“ in die Pension verabschiedet hat. Die 1947, in Salzburg geborene, in Linz aufgewachsene und schon lange in Wien lebende Autorin, ist eine eifrige Tageuchschreiberin, so daß eine ganze Menge Schreibücher, die man auch auf ihrer Homepage sehen kann, entstanden sind.
Ab 2006 oder so hat sie angefangen, die Bücher zu ordnen und in ein Buchprojekt zusammenzufassen und so liegt jetzt „Die langweilige Blindschleiche“, das heißt fünfhundert kleingeschriebene Seiten vor mir, beziehungsweise habe ich mich in den letzten Tagen durch das Leben Ruth Aspöcks gelesen und das war sehr interessant.
Kenne ich sie ja schon sehr lange, ich weiß gar nicht, wann und wo ich sie kennengelernt habe. Beim Arbeitskreis schreibender Frauen, meiner literarischen Sozilisation war sie nicht dabei, aber damals hat sich auch der Wiener Frauenverlag gegründet, den es ja leider leider nicht mehr gibt und da ist 1982 „Und der ganze Zauber nennt sich Wissenschaft“ von ihr erschienen. Sie war oder ist auch AUF-Aktivistin. Wahrscheinlich habe ich ihren Namen da gehört. Persönlich werde ich sie durch die GAV kennen, da bin ich, 1987 aufgenommen worden und 1991 habe ich sie zu meiner ersten Frauenlesung nach St. Pölten eingeladen, da hängt das Einladungsblatt immer noch am Klo in Harland.
Wir haben also ein schönes Stück gemeinsamer Literaturgeschichte und so war das dicke Buch auch sehr spannend zu lesen, obwohl ich, als sie es mir bei der letzten Poet Night übergab und sich ein wenig für die Dicke entschuldigt hat, gar nicht daran gedacht habe, daß ich darin vorkommen werde. So war das Wiedererkennen ganz interessant, obwohl das für Außenstehende gar nicht so leicht ist, denn Ruth Aspöck verwendet, wie auf den ersten Seiten steht, bei vielen Personen, um ihre Privatsphäre zu schützen, andere Namen.
Bei manchen nicht, so kommt Johann Barth beispielsweise namentlich vor, während sich Rolf Schwendter hinter einem Helmut Janko versteckt und SusiLeo mit der ersteren geht Ruth regelmäßig schwimmen und durchquerte sogar den Attersee, werden einmal von Günter Vallaster begleitet. Soll ich jetzt das literarische Geheimnis aufdecken? Tue ich nicht, wird meinem Literaturgeflüster ja von manchen Geschwätzigkeit vorgeworfen.
Ich heiße in dem Buch und das darf ich sagen, Maria und habe mich an meinen Geburtstagsfesten erkannt, bei der „Freiheit des Wortes“ und noch an einigen anderen Stellen.
Ruth Aspöck hat, wie erwähnt sehr lang an ihren Tagebücher gearbeitet, die sie danach, wie ich glaube, vernichtet hat. In der vorliegenden Textmontage, gibt es zwanzig Kapitel, die wie auf der Buchrückseite steht „eine Welt von Ernsthaftigkeit, Spannung, Humor und Selbstkritik eröffnen.“
Ich denke, es ist ein wichtiges Stück Geschichte eines Frauenlebens. Ein bißchen schwer wird man sich beim Lesen vielleicht tun, weil die zwanzig Kaptiel, die von „Anfang und“, zu „Sonntag und Werktag“ „Sprechen und Schweigen“ „Träume und Schäume“ „Blut und Tränen“ „Poesie und Brotberuf“ „Leben und Tod“ bis zu „Ende nie“ gehen, immer in den Sechzigerjahren beginnen und da kurz das Kind bzw. das pubertierende Mädchen, über die Studentin bis zu 2006, wo die Tagebücher enden, beschreiben.
Also zwanzig Mal dieselbe Geschichte und manches bleibt trotzdem angedeutdet und geheimnisvoll. So z.B. die Namen der Liebhaber, manches wird durch die Wiederholung besonders klar. Vieles habe ich nicht gewußt, obwohl ich Ruth Aspöck gut kenne und auch etliche ihrer Bücher gelesen habe.
Beginnen tut es mit dem jungen Mädchen das zur Schule geht, das, wie Kinder das so tun, über Gott und die Welt resumiert. Ruth Aspöck scheint einmal sehr religiös gewesen zu sein. Spannungen und Schwierigkeiten mit den Eltern und der Schwester tauchen auf. Dann kommt die Begegnung mit Franz, das ist der erste Freund, den sie heiraten wollte, was, wenn ich es richtig verstanden habe, durch eine psychische Krankheit verhindert wurde.
Ruth Aspöck hat dann bald ihren Sohn geboren, der nicht Christoph heißt und in Wien, glaube ich, Theaterwissenschaft studiert. Spanisch wird sie wahrscheinlich auch gelernt haben, ist sie jedenfalls in den Sechzigerjahren nach Madrid gegangen und hat über dieses Franco-Spanien das Buch „Ausnahmezustand für Anna“ geschrieben. Sie hat, glaube ich, auch in einer SPÖ nahen Institution gearbeitet. War das die Arbeiterkammer? Sich habilitieren wollen, was aber mißlang, was, wie man nachlesen kann, sehr schmerzte und bedauert wurde.
Ungerechtigkeiten, Mißgunst und Gewalt der Männerbünde werden ihre Rolle gespielt haben. Dann folgten einige Aufenthalte in Kuba, auch darüber gibt es ein Buch „Tremendo swing“ und wenn ich es richtig verstanden habe, eine Liebe, die mißglückte, weil die kubanischen oder auch österreichischen Behörden, das zu verhindern wußten, so ist Ruth Aspöck in den Neunzigerjahren nach Österreich zurückgekommen und hat ihre „Edition die Donau hinunter“ gegründet.
Da kann ich mich erinnern, daß ich mit einigen der Arbeitskreisfrauen, mit denen ich mich noch jahrelang getroffen habe, im Cafe Jelinek in der Otto Bauergasse gesessen bin und Elfriede Haslehner erzählte mir davon.
„Da können wir unsere Bücher machen!“
So habe ich auch meine Texte immer wieder hingeschickt oder ihr übergeben, wie das auch eine „Margret“ und wahrscheinlich viele andere hoffnungsvolle Autoren machten. Ruth Aspöck hat einige genommen, andere nicht und, wie in den zwanzig Kapitel sehr eindrucksvoll nachzulesen ist, immer sehr unter ihrer Armut und ihrer Erfolgslosigkeit gelitten und auch darunter, vom Hauptverband des Buchhandels und anderen nicht richtig ernst genommen zu werden.
Dabei sind eine Menge sehr schöne Bücher in dieser Edition entstanden. Begonnen hat es, glaube ich, mit einem „Theaterband“, dem „Donaugeschichtenbuch“ und „Ganz schön fremd“.
Dann hat sie Brunngrabers „Zucker aus Cuba“ wiederaufgelegt, einen Band über das „Wiener Lesetheater“ hinausgegeben und einen über „Polids Galeriecafe“, Irene Wondratschs Romane verlegt, Doris Kloimsteins „Kleine Zehen“, Johann Barths Scheidungsgeschichte und natürlich auch sich selbst. Das gibts zum Beispiel die zwei erwähnten Bücher über Kuba und Madrid, einen Gedichtband, einen Esseyband „Wo die Armut wohnt“, Das „Muttersöhnchenmärchen“,“(S)trickspiel“ „Kannitverstan“,“Snaitheim“, aber auch Anthologien, wie das „Flüssebuch“ ect.
Wenn sie 1992 damit angefangen und bis 2007 durchgehalten hat, ist das eine sehr lange Zeit und es sind sehr viele Bücher entstanden, die sie alleine bzw. mit Hilfe ihres Sohnes, der eine Zeitlang bei ihr angestellt war, herausgegeben hat und ist bewundernswert rührig dabei gewesen. Kann ich mich doch an einige Buchwochen oder Buchmessen in Leipzig und Frankfurt erinnern, wo sie allein oder mit Sohn und Schwiegertochter in ihrem kleinen Stand gesessen ist. An die Feste im Literaturhaus oder auch bei der Poldi auf der Lerchenfelderstraße. Dabei habe ich auch beobachten können, wie die erfolglosen Autoren zu ihr gekommen sind und ihr ihre Bücher angetragen haben. Im Buch kann man nachlesen, wie sie sich durch den Verlag verschuldet hat, oft die Sozialversicherung und die Honorare nicht bezahlen konnte oder zum Buffet ein paar Kekse und Auschnittbrote mitgebracht hat, weil nicht mehr Geld da war und sich freute, wenn sie ein oder zwei Bücher verkaufte.
2007 wurde das Verlagsfest sogar ausgelassen, weil sie für die Autoren, „Die zu geizig sind, ihr ein Buch abzukaufen“, keinen Wein hinstellen wollte.
Wie schwer diese Zeit für sie gewesen sein muß, kommt in dem Buch so richtig heraus und man lernt auch viel über das alternative und das literarische Leben der letzten vierzig Jahren und natürlich spielt auch die Beschäftigung mit dem eigenen Schreiben eine große Rolle. Das Ringen darum, aber auch die politsche Auseinandersetzung, die Schwiergkeiten einer alleinerziehenden Mutter, die Auseinandersetzung mit ihren Körper und dem Älterwerden. So gibt es zum Beispiel, ein Kapitiel das sich mit ihrer Menstruation beschäftigt und immer wieder sehr schöne Sätze, wie „Ich habe einen Linseneintopf gemacht, mit Appetit gegessen mit Zahnschmerzen bezahlt“ oder „Gestern Abend war ich bei Maria und Heinz eingeladen. Weißwein. Heinz hat gekocht. Gebratene Sardinen. Lugenbraten mit Rotweinsauce und Scharlotten darin gedünstet. Ein herrlicher Weißwein. Solch eine Einladung ist eine feine Unterbrechung meines Alltags.“
Diese leisen, stillen Sätze fallen immer wieder auf und machen, glaube ich, die literarische Qualität aus, so daß ich, die ich das ja mit dem Literaturgeflüster auch versuche, das Buch für ein sehr wertvolles literarisches Zeugnis und ein wichtiges Stück Zeitgeschichte halte.
Ich weiß zwar nicht, wie es auf jemanden wirkt, der vom Wiener Literaturleben keine Ahnung hat und Ruth Aspöck nicht persönlich kennt, denke aber, daß der Kampf mit dem Alltag, der Wunsch mit dem Schreiben berühmt zu werden und es „trotzdem nicht in die erste Reihe zu schaffen“, auch da beeindrucken wird.
Einige Jahre hat Ruth Aspöck, wie erwähnt an ihrem Tagebuchprojekt gearbeitet und sich, das ist mein persönlicher Eindruck, seit sie mit ihren Verlag in Pension gegangen ist, ein wenig erholt. Schreibt sie jetzt ja an einem Buch über Grillparzer, wo sie ihm an die Orte, wo er Reisen unternahm, nachgereist ist und sie hat auf der Donau Rad Karawane in Robert Eglhofer auch einen neuen Lebenspartner gefunden.
Was sie mit den „tausenden unverkauften Büchern“, machte, die sie in ihren Tagebüchern so sehr belasten, weiß ich nicht oder doch, ein paar trägt sie immer in den offenen Bücherschrank in die Zieglergasse.
Es ist also ein sehr interessantes Frauenleben und ein wertvolles Stück Literaturgeschichte, daß da beschrieben wird.
Ruth Aspöck tut das trotz aller Distanzierung, sehr ehrlich und sehr offen, so daß ich dem Buch, das nächste Woche, wie ich glaube, auch bei den IG-Autoren in Frankfurt vorgestellt wird, alles Gute und viele Leser wünsche und in ihr auch eine großartige Schreiberin entdeckte, was mir bisher nicht so bewußt war.
2011-10-09
Nichts als eine langweilige Blindschleiche
3 Kommentare »
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Danke für das sorgfältige Lesen meines Buches. „Nichts als eine langweilige Blindschleiche“. Ich sehe, dass das für Frauen, vielleicht auch für Männer, die selbst einen künstlerischen/literarischen Beruf haben, verständlich ist. Unser Leben ist spannend, auch wenn wir nicht auf Hochglanzseiten wichtig gemacht werden. Ich denke, dass das auch eine politische Grundhaltung ist, wie wir leben und unser Leben, so weit wir können, gestalten.
Ich bin neugierig, wie das Echo von Personen sein wird, die mit Literatur nichts zu tun haben und mich nicht kennen.
In Frankfurt kann ich am 14. Oktober das Buch vorstellen, in Wien auf der Messe Buch Wien am 10. November 2011.
In Freundschaft!
Ruth Aspöck
Kommentar von Ruth — 2011-10-10 @ 16:15 |
Eine Textmontage von 46 Jahren! Ich fand den Clou des Textes in der Löcker Verlag Zusammenfassung nicht. (wohl aber die Seitenanzahl von einigen hundert) Weiß jedoch, dass die Blindschleiche eine Kulturfolgerin ist, viell. wie die Autorin;-) Sie hat auch viele Fressfeinde- viell. den Debütroman einer jungen Autorin, Christina Maria Landerl: Verlass die Stadt. Erzählt in 52 kurzen Erzählsequenzen aus der Stadt Wien, auch eine Art Montage, hält vieles wohltuend offen, ein dichtes Stück Prosa in 134 Seiten.Im erfolgreichen Stil des Deutschen Literatur-Institutes, deren Studentin sie war…ich habe es sehr gerne gelesen und lasse es als Empfehlung hier, ehe ich in ein bücherloses Wochendende:-))
Kommentar von JuSophie — 2011-10-14 @ 15:53 |
Das Buch wurde gerade auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt, kann man, glaube ich, im litradio nachhören und da wurde auch gefragt, wie die Autorin zu dem doch sehr ungewöhnlichen Titel kam?
Sie hat, glaube ich, geantwortet, daß sie damit einerseits auf die Alltäglichkeit des Tagebuchschreibens aufmerksam, andererseits neugierig machen und auch zeigen wollte, daß man sich selber nicht so wichtig nehmen soll.
Ich kann das Buch wirklich nur empfehlen, vor allem, wenn man etwas über den vielleicht doch nicht so bekannten Teil des Wiener Literaturlebens erfahren will, ist es sicher interessant.
Aber es gibt natürlich viele Autoren, die sich mit dem Schreiben beschäftigen und auch viele Autobiographien darüber.
Ich habe das Buch in ca zehn Tagen gelesen, wenn man keine Ahnung hat, worum es darin geht und die Autorin nicht kennt, braucht man vielleicht ein bißchen länger, aber Sie werden vielleicht auch einiges erkennen und dann ist es sehr interessant, zu sehen, wo man sich vielleicht finden kann?
Die Textmontage bezieht sich jedenfalls auf die vielen Tagebücher, die in den sechsundvierzig Jahren entstanden und jetzt gekürzt und überarbeitet worden sind.
Wenn Sie eine Alternative zum „bücherlosen Wochenende“ wollen, kann ich Ihnen das Frankfurter Buchmessensurfen sehr empfehlen, ich werde mich jedenfalls noch bis Sonntag sehr damit beschäftigen.
Kommentar von jancak — 2011-10-14 @ 16:04 |