„Stellenweise Glatteis“ von Max von der Grün, das nächste Buch von meiner hundert Bücher Liste und auch ein Fund aus dem Bücherschrank, handelt zufälligerweise auch von Weihnachten, zumindest beginnt der Roman, der in den Siebzigerjahren von einem Betriebsrat eines Dortmunderbetriebes, der von einem Hauptvertreter der Literatur der Arbeitswelt geschrieben wurde, handelt im Advent und der Höhepunkt der Handlung spielt auch auf der Weihnachtsfeier in der Kantine, wo die Belegschaft am 24. Dezember zwangsweise verpflichtet wird und von der Geschäftsleitung, einen Kalender, Schnaps und zwei Packerln Zigaretten geschenkt bekommt.
Das waren noch Zeiten, wo ein Betriebsrat die Hauptrolle in einem Roman spielt, der, wie im Klappentext steht, nach einem authenitischen Fall, geschrieben wurde.
Karl Maiwald gelernter Schlosser und dann Fahrer in einem Dortmunder Betrieb, hat, wie soviele andere Arbeiter, seine Gesundheit für die Firma ruiniert. Jetzt leidet er an den Bandscheiben und wurde deswegen zum Fahrzeugwarten degradiert. Er ist verheiratet, hat eine Tochter, die sich als Kindergärtnerin für die Arbeit mit Behinderten ausbilden läßt und lebt in einem Reihenhaus in einer Straße, wo auf der anderen Seiten, die Villen der Zahnärzte, Rechtsanwälte etc der Stadt leben.
Klassenkampf pur also, waren das noch Zeiten, wo der Betriebsrat das Sagen hatte, Karl hat aber auch eine Erfindung gemacht und wird deshalb zum Chef bestellt, um sich dort hundert Mark und eine Belobigung abzuholen. Dort muß er warten, drückt zufällig auf den Knopf eines Kästchens und kann plötzlich hören, was seine Kollegen so erzählen.
Denn die Gegensprechanlage, die vor einiger Zeit installiert wurde, ist in Wahrheit ein Abhöranlage, Karl entlockt der Sekretärin Fräulein Schindler das Geheimnis, daß die Akten, die sie von den Tonbändern angelegt hat, in einem Tresor lagern, so bricht Karl in der Nacht mit einem Kollegen dort ein, holt die Akten und lagert sie im Partykeller des Freundes seiner Tochter. Eine steckt er in die Jackentasche und nimmt sie mit zur Weihnachtsfeier, wo dann ein Christbaum brennt. Vorerst geschieht aber nichts anderes, die Gewerkschaft vertröstet, der Betriebsleiter wird ausgewechselt und Karl fristlos entlassen. Das kann zwar durch einen Streik rückgängig gemacht werden, die Gewerkschaftszeitung berichtet aber trotzdem nicht von den Akten, die weiter im Partykeller bzw. bei Karl lagern, weil sie niemand haben will, wird doch der Betrieb von der Gewerkschaftsbank aufgekauft, so daß sich Karl schließlich an einen Kommunisten wendet, der ihm Flugblätter druckt, die er mit Hilfe der italienischen Gastarbeiter, die in einigen Baracken hausen, in den Betrieben verteilt.
In anderen Baracken werden Türken angesiedelt, aber weil die niemand haben will, werden sie angezündet, wobei Karls Tochter ein Auge verliert und Karl, der das eigentlich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr darf und schon wieder entlassen wurde, weil er die Akten schließlich am Betriebsgelände verbrennt, fährt einen hochexplosiven Laster und erleidet einen Unfall, am Schluß verteidigt ihn ein bekannter Industrieanwalt von der anderen Straßenseite umsonst und Karl erhält einen neuen Job bei seinem „Fast-Schwiegervater“ traut der Sache aber trotzdem nicht so recht und denkt im letzten Kapitel ständig „Ich hätte zufrieden sein müßen. War es aber nicht.“
Stellenweise Glatteis also. Soweit der Roman des 1926 in Beireuth geborenen und 2005 in Dortmund gestorbenen Schriftstellers, einem wichtigen Vertreters des Werkkreises der Literatur der Arbeitswelt, den ich, wenn schon nicht persönlich, dann doch vom oberösterreichischen Max von der Grün Preis der Arbeitswelt kenne, zu dem ich in den Achtigerjahren regelmäßig meine Texte eingeschickte, aber nie etwas gewonnen habe. Einmal bin ich mit der „Slavica“ zwar, wie mir einer der Juroren sagte, in die nähere Auswahl gekommen und zu einer Art Schreibwerkstatt wurde ich 1987 auch nach Linz eingeladen, für einen Preis gereicht hat es aber nicht. Inzwischen ist der Preis auch eingestellt worden und der sogenannte Buchpreis, der Nachfolger, nimmt keine selbstgemachten Bücher, obwohl ich es zweimal versuchte und sowohl die „Globalisierungsnovelle“ als auch „Tauben füttern“ hinschickte. Die Literatur der Arbeitswelt ist inzwischen auch nicht mehr so modern, obwohl es den Werkkreis unter Gerald Grassl etc immer noch gibt, der sich bei der KriLit im November auch exclusiv vorstellte und der duftende Doppelpunkt unter Petra Öllinger, hat im Frühjahr ja auch eine Anthologie zu Arbeitswelt herausgebracht und in einem mehrteiligen Gewinnspiel auch an die Literatur der Arbeitswelt und an Max von der Grün erinnert und ich lese als realistische Autorin solche Romane auch gern, literaturkritisch läßt sich vielleicht sagen, daß die Handlung nicht ganz ausgefeilt und gestrafft ist. So könnte man natürlich nach dem Sinn fragen, den es hat, gestohlene Akten monatelang in einem Partykeller zu lagern und dann demonstrativ aber heimlich im Werksgelände zu verbrennen? Die Themen sind aber sehr interessant und in Zeiten, wie diesen, in denen wir leben, könnte man auch neidisch werden, von einer so starken Gewerkschaft zu lesen, obwohl die natürlich auch angeprangert und ihr Versagen genau beschrieben wird.
Im Bücherschrank findet man gelegentlich solche Bücher, so habe ich noch „Wenn der tote Rabe vom Baum fällt“ in meinem neuen Bücherregal stehen und „Flächenbrand“ in Harland, das schon früher zu mir gekommen ist.
2011-12-07
Stellenweise Glatteis
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