Literaturgefluester

2012-07-24

Lebenslügen und nicht Warten können

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:51

Im Album des Wochenendstandards ist ein Artikel des 1925 geborenen „Sprachpapstes“ Wolf Schneider über die „Liebe zur Lüge“ erschienen, der ein Buch darüber geschrieben hat, das im Juli bei Rowohlt erscheint. Er beginnt bei Nietzsche, der gesagt haben soll „Die gewöhnlichste Lüge ist die, mit der man sich selbst belügt!“ und geht zu Ibsen weiter, der in seiner „Wildente“, im vorvorigen Jahrhundert, den Ausdruck „Lebenslüge“ prägte, da es dort den „lebensuntüchtigen“ Hljamar Ekdahl gibt, der immer eine Erfindung machen will, sie aber nicht macht und auch gar nicht beschreiben kann, was er erfinden will. Dann kommt ein Arzt daher und warnt den Sohn, den Vater aus den schönen Träumen zu reißen, denn „Nehmen Sie dem Durchschnittsmenschen seine Lebenslüge, und Sie nehmen ihm sein Glück!“
Da habe ich mich, als ich das Samstag gelesen habe, sofort betroffen gefühlt und überlegt, ob mein erfolgloses Schreiben, mit dieser Art von Lebenslüge vergleichbar ist?
„Ja!“, habe ich vorauseilend gedacht, denn wenn man keinen Verlag findet, seine Bücher selber macht, sieht man ja was passiert, wenn man sie im Literaturhaus oder anderswo jemanden zeigt oder sie im Wikipedia bekanntmachen will und mich unbehaglich gefühlt.
„Nein!“, habe ich gedacht und den Artikel eines sehr alten Mannes, der möglicherweise so denkt, genauer gelesen.
„Nein!“, denn ich sage ja nicht, daß ich dreißig Bücher schreiben will, sondern habe sie geschrieben und weil ich sie nicht im stillen Kämmerlein liegen lassen will, gebe ich sie seit 2000 selbst heraus und habe mich bisher gedreht und gewunden, wenn mich jemand fragte „Welcher Verlag?“ oder „Ist das im Eigenverlag!“, wenn ich es ihm zeigte.
Seit ca einem Jahr, wo das Selfpublishing modern wird und immer mehr Leute ihre Bücher als E-Books bei Amazon erscheinen lassen und angeblich sehr erfolgreich dabei sind, gilt das zwar nicht mehr so ganz, allerdings ist das, glaube ich, zu den Krtiker, Rezensenten, Literatur- und Sprachpäpsten noch nicht so durchgedrungen. Die halten eine, die schreibt und keinen Verlag findet, vielleicht immer noch für eine „lebensuntüchtige“ Person und ich bin, als ich 2000 mit meinem ersten selbstgemachten Buch, den „Wiener Verhältnissen“ dagestanden bin, über die Reaktionen erstaunt gewesen, die ich bekommen habe.
„Das können wir nicht rezensieren, da kannst du nicht bei uns lesen, denn Eigenverlag wollen wir nicht!“
Es gibt Ausnahmen und hat sie schon damals gegeben, aber mit einem selbstgemachten Buch ist oder war man weg vom Fenster und keine Chance bemerkt zu werden. Etwas an dem ich nage und was mich ärgert, daß ich ein Jahr oder so an einem Buch arbeite, bis es erschienen ist, dann habe ich die fünfzig schönen Exemplare, zeige sie her, schicke mein Belegexemplar an die NB, die das auch einfordert und das war es dann.
Also habe ich eine Weile gebraucht bis ich die Argumente gefunden haben, warum das nicht so ist.
Denn ich würde zwar gerne einen kleineren oder größeren Preis gewinnen, behaupte aber nicht, daß ich ihn bekommen habe und ich komme, abgesehen, daß ich an meiner Erfolglosigkeit leide, auch ganz gut mit dem Schreiben und dem Leben zurecht.
Verstehe nur nicht recht, warum nur die schreiben dürfen, die einen Verlag finden und auch nicht, warum dann alle auf den Gipfel streben, der eng und sehr beschränkt ist, wo nicht alle Platz finden, die schreiben wollen, sondern möglicherweise nur die, die die schärfesten Ellbogen haben.
Es ist also keine Lebenslüge zu schreiben, wenn man keinen Verlag hat, natürlich nicht, lustig ist es trotzdem nicht, wie meine Leser wissen, die an meinen Jammereien teilhaben.
Durch die Möglichkeiten des Internets und des Selfpublishing aber viel besser geworden und deshalb schreibe ich auch so viel darüber. Ich bin ja eine, die mit dem Konsumverzicht an sich gut zurechtkommt. Also eigentlich gar nicht so reich mit meinen Büchern werden will und auch nicht erpicht darauf, daß sie soviele Leute lesen. Nur die, die es wollen und sich dafür interessieren, sollen es tun.
Ich will mich aber präsentieren, denn ein Buch ist ein Buch und mit fünfzig Exemplaren, die auf meiner Website und auf meiner Publikationsliste stehen, habe ich das getan.
Die Schreibberichte finde ich auch sehr gut, die kompensieren vielleicht, das was mir an literarischer Öffentlichkeit fehlt.
Der Lebenslüge könnte man nun wieder ein bißchen näher kommen, wenn man glaubt, daß das Netz wirklich eine Öffentlichkeit ist. Ist sie nicht, jedenfalls nicht bei mir. Ich habe derzeit, auch Sommerloch bedingt, knapp hundert tägliche Leser und eine Handvoll Abonnenten wahrscheinlich, die mich regelmäßig konsumieren. Soll so sein. Ein bißchen Anerkennung will aber ich für mein Schreiben, da wurde ich ja vor fast vierzig Jahren von meinen zwei Freunden geschockt, die mir so unverblümt ins Gesicht sagten „Du schreibst nicht gut!“
Ich habe mich aber schon damals gefragt, ob ich das jemanden so sagen könnte, ohne, daß er beleidigt ist. Kann ich nicht, bin ich daraufgekommen. Also muß es auch bei mir nicht sein. Denn wer sagt denn, daß nur der schreiben darf, der den Nobelpreis bekommt und alle anderen geraten in die Ecke der Lebenslüge, wenn sie es trotzdem tun? Wenn man das denkt, lügt man sich schon was vor, denn die Leute lesen zwar weniger, schreiben aber immer mehr und ich finde gut, daß sie es tun und habe, glaube ich, schon immer, jeden von dort abgeholt, wo er steht und ermutigt weiterzumachen.
Das wird jetzt durch das Internet und die Möglichkeit des Selfpublishing ein wenig besser, es ist aber trotzdem zu befürchten, daß wir dann das Zwei-Klassenschreiben haben, die einen, die die Preise bekommen und die anderen, die die Schreibseminare besuchen, sozusagen. Aber das kann ich nicht verändern, kann nur versuchen mich so selbstbewußtwie möglich zu fühlen und mir die Anerkennung, die ich brauche, selbst zu geben, dann werde ich auch weniger jammern!
Allerdings habe ich auch schon traumatisierende Dinge erlebt, so glaube ich mich zu erinnern, Andre Heller einmal sagen gehört zu haben, daß man nicht schreiben soll, weil man den großen Goethe damit beleidigt und für die B. war es ein Problem mit mir in der „Autorensolidarität“ abgebildet zu sein, als dort mein Portrait in der „Eigenverlag“ – Serie erschienen ist. Dabei ist sie, als ich ihr die „Wiener Verhältnisse“ zeigte, sofort zu Digi/Melzer gegangen und hat es auch so gemacht.
Vor zehn fünfzehn Jahren habe ich mich noch sehr gewundert, daß alle so erpicht auf einen Verlagsnamen waren. Klar, damit kommt man wenigstens auf die Liste für die Buchprämie, auch wenn man sie dann nicht bekommt. Eigentlich ist das dumm, habe ich mir damals gedacht. Es scheint sich aber jetzt erst in dieser Richtung etwas zu verändern und ich war meiner Zeit offenbar voraus.
Da sind wir schon beim zweiten Tagesthema der Ungeduld und dem nicht Warten können und das ist etwas, was mich sehr betrifft, weil ich es nicht kann und trotzdem ununderbrochen muß. Paul Jaeg hat mir ja angeboten ihm meine Manuskripte zu schicken, er tut sie in die Mappe für das übernächste Jahr. Das habe ich bei der „Sophie Hungers“ nicht zusammenbgebracht, bzw. das Manuskript sowohl an ihn, als auch den Digitaldruck geschickt und der hat den Vorteil, daß es sehr sehr schnell geht. Nach ein paar Tagen hat man das Buch und wenn ich nicht so ehrlich und so sparsam wäre, würde ich mir auch eine Nummer kaufen und Eva-Verlag daraufschreiben, wie das die etwas geschickten Kollegen tun.
So habe ich mich selber in die Nesseln gesetzt und wundere mich, daß sie stechen und jetzt jammere ich ein bißchen darüber, daß ich vier Projekte habe, die aufs Fertigwerden warten und im Moment nicht viel weiter geht. Obwohl es ja egal ist, denn sobald ich das Buch habe, schicke ich es an die NB, an die Alte Schmiede, an das Literaturhaus und noch an ein paar andere Orte, stecke zwei in die Tasche und bin frustriert, wenn der Erste dem ichs zeige, sagt „Schön!“ und nicht hineinschaut.
Aber es ist, wie es ist, viele Leute schreiben und der Digitalsdruck und das Internet ermöglichen viel, man kann sich gut präsentieren und zu meinem „Glück“, um wieder zum Themea zurückzukommen, fehlt mir ein bißchen die Anerkennung, gerade jetzt im Sommerloch ist sie auch auf Sommerfrische, aber vielleicht kommt das noch, habe ich schon 2002 für Ruth Aspöcks Veranstaltung „Poesie und Brotberuf“, bei der Poldi geschrieben.
Meine Belegexemplare der Volksstime-Anthologie „Frauen texten Frauen lesen“ sind inzwischen übrigens gekommen.

2 Kommentare »

  1. Das ist ein wirklich guter Artikel! Für weitere Informationen zu diesem Thema kann ich http://www.frieling.de/autor-werden
    sehr empfehlen ein Bekannter von mir hatte dort bereits Erfolg

    Kommentar von Sandra — 2012-07-24 @ 11:21 | Antworten

  2. Hilft wahrscheinlich auch nicht wirklich, denn das ist ja einer dieser sogenannten Zuschußverlage von denen die Literaturwelt so gar nichts hält und die, was mich daran stören würde, höchstwahrscheinlich auch viel Geld verlangen, ohne daß man eine Rezension in einer guten Zeitung, einen Preis, etc dafür bekommt. Da ist es wahrscheinlich mit dem Selbermachen einfacher und was mir da noch fehlt ist die Anerkennung, aber da müßen wir uns alle an der Nase nehmen und uns auch für die Literatur jenseits vom Tellerrand interessieren und im Prinzip stimmt es wahrscheinlich, daß ein Verlag dem Autor zahlt und nicht umgekehrt

    Kommentar von Eva Jancak — 2012-07-24 @ 13:18 | Antworten


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