Literaturgefluester

2012-07-28

Sommer am Wasser

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:50

„Ja!“, dachte sie und hatte sich aufs Rad gesetzt. Sommer und Wasser das kann schön sein. Liebe, Waschtrog, Sommerfrische und das Mädchen im knappen Bikini, das dabei ist, in den See zu springen, kennen wir aus dem Werbeprospekt. Im Fremdenverkehrsmuseum gibt es eine Ausstellung der alten Plakate.
„Ich hab das Fräulein Helen, baden sehen, das war schön, da kann man Waden sehen, beim Badegehen, knapp und schön!“, haben damals doch die alten Herren im gestreiften Tricot gesungen. Theo Lingen und Konsorten. Mit verdrehten Augen auf die Waden und den Busen starren. Das ist vorbei, das Freibad längst in Mode, die Herren dürfen mit den Damen baden und brauchen nicht mit dem Feldstecher durch das Loch im Zaun hindurchblinzeln und sie ist mit dem Rad zum See unterwegs. Im Korb liegen Badetuch, Buch und Wasserflasche. Ein Vöslauer Mineralwasser ist es nicht, stattdessen ein Soda Zitrone, der Haustrunk der früheren Zeiten und das Wetter ist auch nicht so besonders schön. Zum Glück hat es aber zu regnen aufgehört, so kann sie ihre tägliche Radfahrt machen. Aber sie ist sowieso nicht so empfindlich und hat als Kind in der Schule gelernt, daß man bei jeden Wind und Wetter hinausgehen soll. Also das Rad genommen, so wie sie das täglich in ihrer Sommerfrische, auch so ein altmodisches Wort von vorgestern, praktiziert und ein Stück die Traisen entlangfahren. Wenn man von Harland kommend nach St. Pölten fährt, hat man gar keine andere Chance als an den Seen vorbeizukommen. Freizeitpark hat es eine Freundlin einmal genannt. Das Erholungsgebiet zwischem den Ratzersdorfer und den Viehofner Seen, die seit einigen Jahren durch eine Brücke verbunden sind, die überdacht und im dunklen Braun gehalten, ein bißchen an die japanische Gartenwelt erinnert. An den Ratzersdorfer See ist sie schon früher gern gefahren, damals als sie noch täglich von St. Pölten nach Wien pendelte, um ihren Vater zu betreuen. Da hat sie sich manchmal in der Bäckerei ein Baguette gekauft und ist mit ihrer Wasserflasche direkt an den See gefahren. Ein Buch und einen Block zum Schreiben hatte sie auch in der Handtasche. Selber nur die Zehen in den See gesteckt, ist sie doch bißchen wasserscheu, den anderen aber beim Schwimmen zugeschaut, den Gesprächen der Badenden gelauscht, sich inspirieren lassen. Manchmal war die kleine Tochter dabei und als einmal der Frans aus Holland auf Besuch gekommen ist, sind sie an den Erlaufsee gefahren und er ist durch den ganzen See geschwommen. An der Traisen kann man auch das Wasser genießen und manchmal sogar ein Paddelboot bewundern. Ansonsten baden dort die Hunde und sie fährt am See entlang, wo gerade die Bühne für das große Event am Abend aufgebaut wird. Leider ist das Wetter doch nicht ganz so schön geworden, daß sie ihr Badetuch am Wasser ausbreiten kann. Also am FKK Gelände vorbei über die Brücke an die andere Seite gefahren, wo inzwischen zwei schöne Seen die Bevölkerung zur Erholung lockt. Früher gabs dort ein NS-Zwangslager, wie der Historiker Manfred Wieninger zu enthüllen wußte und man jetzt auf Tafeln nachlesen kann. Auf der einen Seite gibts die „Seedose“, die die Zeitschrift „News“ schon einmal zum besten Restaurant der Gegend kürte. Kann man da ja auf der Terrasse sitzen und bei einem Gläschen Prosecco aufs Wasser schauen. Ein kleines Küßchen darf zur Steigerung der Gefühle auch dabei sein oder eine Tasse Schokolade mit oder ohne Schlagobers trinken, wie sie es gerne mag. Sie ist aber weitergefahren. Am Parkplatz, wo man in Richtung Traisenpark, dem Einkaufscenter, wo sie sich manchmal in der Schokothek Katzenzungen kauft, abbiegen kann, vorbei, das Weglein neben der Bahn eingeschlagen und bis zur Abzweigung entlanggestrampelt, wo man an den anderen See gelangt. Dort gibt es eine Aussichtswarte. Hundert oder so Stufen hinaufgelaufen, das Fahrrad an den großen Abfallskübel gelehnt und von oben die Wasserwelt betrachten. Ein älterer Herr hat das schon vor ihr getan und läuft mit seiner kleinen Enkeltochter um die Wette am Plateau herum. Die Kleine quietscht vor Vergnügen. Die Oma liegt unten im Bikini auf dem Badetuch und schaut ehrfurchtsvoll hinauf. Ein wenig schwankt die Aussichtswarte von den schnellen Schritten, auf die beiden Seen, Dom und Klangturm, die Sehenswürdigkeiten von St. Pölten läßt es sich trotzdem schauen und zu regnen hat es auch angefangen. Also Badetuch, Buch und Wasser ganz umsonst eingepackt. Die Regenpelerine wäre passender gewesen.
„Husch, husch!“, kreischt die Oma unten und kommt mit der langen Hose und der Regenjacke hinaufgestürmt. Der Opa hat die Kleine aber schon auf die Schulter genommen, um hinabzusteigen.
„Sommer im Regen, Sommer am Wasser ist schön!“, denkt sie noch einmal, als sie langsamer die hundert oder so Stufen hinuntergestiegen ist und sich auf ihr Rad setzt, um die Rückfahrt nach Harland an der Traisen anzutreten.

2 Kommentare »

  1. Zu obigen Text wurde ich durch den Textwettbewerb „Sommer am Wasser“ angeregt, den das „Schaufenster“ und „Vöslauer“ ausgeschrieben hat. Durch Emily Waltons Blog, die auch zu den zehn Finalisten zählt, wurde ich darauf aufmerksam. bis 31. Juli kann man noch abstimmen, welcher Text am besten gefällt.

    Kommentar von Eva Jancak — 2012-07-26 @ 08:24 | Antworten

  2. […] Sommer am Wasser […]

    Pingback von Eva Jancak: Best of Literaturgeflüster…. | summerau.96 — 2013-06-14 @ 19:29 | Antworten


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