Literaturgefluester

2013-04-26

Hasenherz

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:11

John Updike, 1932-2009, ist einer der großen Amerika, der wie Philip Roth ewig auf der Nobelpreisliste stand, von den wir sehr viel lernen sollen und sehr viel von ihm hören. Ich glaube bei „Thalia“, gab es einmal ein Büchlein mit Textauszügen, wo von seinem „Rabbit“, etwas drinnen stand, das ich genommen habe und auf meinen ewigen Regalreihen verkommen ließ, in den Bücherschachteln, die einmal in Ediths Broczas Eingang standen, waren zwei Englische Updike- Romane, „Golf dreams“ und „Gertrude and Claudius“, für die ich jetzt eine 2019 Leseliste eröffnet habe und im vorvorigen Jahr hat es „Hasenherz“, wahrscheinlich im „Wortschatz“ gegeben und das 1960 erschienene Buch, das das Kleinstadtleben Amerikas der Fünfzigerjahre schildert, ist wirklich höchst beeindruckend.
In Wikipedia habe ich gelesen, Updike hat es bezüglich seiner Sexstellen überprüfen lassen, heute müßte er das wahrscheinlich bezüglich des Alkohol- und Nikotinkonsums tun und da würde der Rotstift darüber fahren, aber wahrscheinlich geht es in manchen Slum- und Krisengebieten immer noch so zu.
Da ist also ein sechsundzwanzigjähriger Junge, Harry Angststrom, einmal ein hervorragender Basketballspieler, im College, dann erfüllte er seine Pflicht beim Militär, hat geheiratet, einen kleinen Sohn, seine Frau ist mit dem zweiten Kind schwanger, Harry führt in einem Kaufhaus Küchengeräte vor und ist auf dem Weg nach Haus, da kommt er bei Jungen vorbei, die Basketball spielen und er kann nicht anders, als mitzuspielen, denn das Leben ist schön und Harry liebenswert.
Zu Hause ist dann alles anders, denn da sitzt die, um einige Jahre jüngere Janice mit der Whiskeyflasche vor dem Fernseher, alles ist unaufgeräumt und so setzt sich Harry in das Auto, um Zigaretten zu holen, obwohl er sein Päckchen ja vorhin in die Mülltonne geschmissen hat, weil er das Rauchen aufgeben wollte. Er fährt und fährt, kauft sich bei Tankstellen, Autokarten, Hamburgers, Kaffees und wird geplagt von Schuldgefühlen, ob ihn die Polizei jetzt nicht verfolgt. Schließlich fährt er wieder zurück, landet bei seinem ehemaligen Basketballtrainer, der ihn bei sich schlafen läßt und mit zu einem Date zu zwei Frauen nimmt. So landet er bei Ruth, einem sehr freizügigen Mädchen, auch Gelegenheitsprostituierte genannt, zieht bei ihr ein, wechselt den Job, vermittelt durch einen Geistlichen, der sich um ihn und um Janices Familie kümmert und als Ruth von ihm schwanger ist, läutet das Telefon „Komm, Janice hat gerade ein Mädchen geboren!“ und er kann das „arme Ding doch jetzt nicht allein lassen!“
So landet er in der Klinik, wird von der Nonne in den Warteraum gesetzt und kann erst zu seiner Frau bis das Baby gestillt ist, dann darf er es etwas später von der Schwester hochgehoben durch die Scheibe sehen, ja die Sitten in den Krankenhäusern waren in den Fünfzigerjahren fürchterlich und heute unvorstellbar, so bin ich aber wahrscheinlich auch zur Welt gekommen.
Rabbit kehrt mit dem kleinen Nelson in die Wohnung zurück, weil der brave Schwiegervater still und heimlich die Miete weiterzahlte, die Schwiegermum ist auf ihn sauer, Mister Springer vermittelt ihm auch einen Job in seinen Autosalon. Janice kommt am Freitag aus dem Krankenhaus zurück und zum Dank, weil Pfarrer Eccles so toll geholfen hat, soll Rabbit am Sonntag in die Kirche gehen, was ihm nicht gut bekommt. Denn die Frau Pfarrer hat so einen hübschen Hintern, so kommt es am Abend zwischen Janice und Rabbit zum Streit, sie werden beide sehr nervös, ihre Milch versiegt, Rabbit zwingt sie zum Sexualverkehr und verläßt, als sie ihn zurückweist die Wohnung. Sie fängt dann wieder zum Trinken an und als der Vater anruft und fragt warum Harry nicht im Autosalon ist und die Mutter ihre Ankunft meldet, wird die betrunkene Janice wieder nervös will das Baby baden, das dabei ertrinkt.
Harry, der nach Ruth suchte, in einem Hotel übernachtete, wird von Pfarrer Eccles wieder zurückgeholt, die Polizei ist auch jetzt noch nicht aufgetaucht und auch nicht das Jugendamt, die bewußtlose Janice und der kleine Nelson sind wieder bei ihren Eltern und Harry bekommt bei der Beerdigung einen Anfall, der in „Rabbit, run!“, dem amerikanischen Titel des Buches mündet.
Er rennt zunächst zu Ruth, erfährt von ihrer Schwangerschaft, sie will sich das Kind nicht wegmachen lassen und verlangt von dem so liebenswerten Sechsundzwanzigjährigen die Entscheidung. Wie die ausfällt, erfährt man im ersten der Rabbit- Bücher nicht, denn hier läuft er nur wieder und die Leserin bleibt betroffen zurück von dieser eindrucksvollen Schilderung des Elends des amerikanisches Provinzlebends und den überfordertden jungen Männer, die mit sechsundzwanzig schon zweifache Väter sind und Familienpflichten haben, obwohl sie noch nichts als die schöne Basketballzeit ihrer Jugend und die Frauenpos im Kopf haben und die jungen Frauen, die von den Haushaltspflichten überfordert nach den Whiskey greifen, während die Babies brüllen und die Mütter mäkeln.
Inzwischen hat sich wahrscheinlich einiges geändert oder auch nicht und auf jeden Fall könnte man sich eigentlich nicht vorstellen, daß dieser eindrucksvolle Roman, der ja alles sagt und in der Katastrophe endet, eine Fortsetzung hat. Hat er aber, gibt es ja fünf „Rabbit-Bücher, mit denen ihr Autor offensichtlich auch berühmt geworden ist. Mal sehen ob ich noch auf die anderen stoße. Jetzt warten jedenfalls die beiden erwähnten Updike-Romane und ich habe in dem amerikanischen Kultautor eine sehr eindrucksvolle Stimme kennengelernt, die ohne „Wortschatz“, vielleicht an mir vorbeigegangen wäre.

2 Kommentare »

  1. Liebe Eva,

    ich danke dir für diese eindrucksvolle Rezension, durch die du mir einen Schriftsteller näher gebracht hast, dem ich mich bisher leider noch gar nicht angenähert habe. Eigentlich mag ich die großen amerikanischen Autoren sehr gerne, mit John Updike habe ich aber irgendwie nie viel anfangen können, auch wenn ich mich immer mal wieder an einem Buch von ihm versucht habe. Schade eigentlich. 😦 Du machst mir nun Mut, es doch noch einmal zu versuchen.

    Kommentar von buzzaldrinsblog — 2013-04-26 @ 17:16 | Antworten

  2. Nichts zu danken, ich habe ja für mich gelesen. Und John Updike ist sicher eine Entdeckung, die ich auch schon jahrelang vor mich herschleppe, denn eigentlich ein Wahnsinnsroman und eigentlich ist alles so unsinnig und der liebenswerte Harry ein Schuft und man denkt sich, eh schon wissen, die Amerikaner mit ihrem Sex, aber da wird das wahre Elend derart dicht und eindrucksvoll und natürlich stark übertrieben geschildert, daß man schluckt und würgt und dann doch denkt, wahrscheinlich ist es so und das Beeindruckendste ist, daß ich dachte, dieser Roman kann keine Fortsetzung haben, es ist ja alles schon hin und vorbei und dann gibt es vier Fortsetzungen, bis der Harry eben übergewichtig, alt und fett am Herzinfarkt stirbt, als er sich noch einmal am Basketball versucht. Ich hab bei Wikipedia die Handlung der vier Bücher, der letzte Teil, wo Harry schon gestorben ist, ist, glaube ich, eine Erzählung, nachgesehen, alles grausig, Drogensucht, Sex, Ehebruch und dann noch die Politik vom Korea Krieg bis zur Monica Lewinsky, keine Scheußlichkeit ausgelassen und man denkt, das kann es nicht sein, das möchte ich eigentlich nicht lesen. Wenn ich dann eines der Bücher finde, bin ich vielleicht wieder beeindruckt oder auch nicht, bei Fortsetzungen, weiß man das nicht so genau. Wir haben ja schon einmal über die „Schnäppchenjägerin“ der Sophie Kinsella geplaudert, das was danach kam, war Serie, vielleicht denke ich das beim Updike auch, bin aber trotzdem sehr gespannt, vielleicht einen der „Rabbits“ noch mal zu finden, obwohl ich mir ja keine Bücher mehr nehmen sollte, weil ich bei meinem Versuch alles Ungelesene halbwegs zu ordenen, jetzt schon bei 2020 angelangt bin, bis ich es geschafft hätte.
    Aber eine dichte Erzählung und wahrscheinlich ein großer Könner, wenn vielleicht auch kein sehr sympathischer Mann, der den Frauen immer auf den Hintern schaut und sie sonst als „arme Dinger“ bezeichnet.
    Aber das trifft beim Phillip Roth sicher ebenfalls zu. Ich bin ja keine so unbedingte Amerika-Expertin und halte mich wahrscheinlich lieber an die österreichische weibliche Literatur, aber wenn man eigentlich alles lesen will, kommt man am „Rabbit“ nicht vorbei und sollte es auch nicht, auch wenn sich der „Amerikanische Traum“ als dichtes Elend entpuppt!

    Kommentar von Eva Jancak — 2013-04-26 @ 17:30 | Antworten


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