Literaturgefluester

2013-05-30

Frühe Kraniche

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:11

Jetzt kommt die Besprechung der Tschingis Aitmatow Novelle „Frühe Kraniche“, denn den „Scheckigen Hund“, bzw. den „Jungen und das Meer“, wie es in den Westdeutschen Ausgabe heißt, habe ich schon vor einem Jahr gelesen. Da war auch der „Weiße Dampfer“ dabei und die „Schönste Liebestgeschichte der Welt“,“Dshamilia“ wartet im nächsten Jahr auf mich, denn von dem berühmten kirgisischen Autor, gibts in den Schränken relativ oft was zu finden und das Sammeln lohnt sich, denn die Texte sind sehr unterschiedlich.
Beeindruckend die Geschichte von dem Jungen und der Mutprobe, die ihm am Meer zwar zum Erwachsenen macht, aber seinen Vater und die andere Besatzung des Bootes verlieren läßt, vielleicht weniger dramatisch, aber auch sehr eindringlich und poetisch geschildert, die von dem Kriegswinter 1943 in dem kirgisischen Dorf, wo zuerst noch alle in der kalten Schulklasse sitzen, husten und frieren, während die Lehrerin von Ceylon erzählt, daß es dort Bananen gibt, Elefanten, Tee und auch sonst sehr viel Schönes und der fünzehnjährige Sultanmurat schwirrt mit seinen Gedanken ab, denn da gibt es Erinnerungen an den Tag, als er mit dem Vater in die Stadt gefahren ist und dort im Zoo einen Elefanten sah, nur er, den jüngeren Bruder hat der Vater damals nicht mitgenommen und jetzt ist der Vater im Krieg und die Mutter, die vier Kinder zu versorgen hat, weint sich die Augen aus. Es gibt aber auch Schöneres zu denken, an Mysagül, dem schönsten Mädchen in der Klasse, zum Beispiel, das früher neben ihm gesessen ist, was gut war, weil es ja peinlich wäre, wenn die anderen Zettelchen schreiben würden „Sultanmurat und Mysagül ist Liebespaar“.
Als er Stroh zum Heizen nachlegen soll, Kohle scheint es nicht zu geben, geht die Türe auf und der Kolchosevorsitzende im Armeemantel, der im Krieg ein paar Rippen verloren hat, kommt mit dem Schulleiter herein und sucht sich fünf der stärksten Jungen aus, um mit ihren eine Brigade bzw. eine „Luftlandetruppe“ zu gründen.
Sultanmurat ist dabei und wird sogar zum Gruppenvorsitzenden, was nützt es, daß sich die Mutter die Augen ausweint und krank wird, es kommt zwar der Onkel, der als Schafshirte von der Armee befreit wurde, um ein bißchen zu helfen und mit dem jüngeren Bruder muß er auch Holz suchen und mit dem älteren Kameraden, der schon Sechzehn ist, gerät er in eine Konkurrenzverhalten, der Kolchosevorsitzende belehrt die Jungen aber, daß man den Vorsitzenden einer „Luftlandegruppe“ nicht selber wählen darf.
Die Jungen müßen aber ohnehin nur Pferde abrichten, um mit ihnen später die Felder zu pflügen und da hat Sultanmurat nun ein Problem, wie er Mysagül ein Briefchen schreiben kann, das ihr der Bruder in die Klasse schmuggelt. Das gelingt und sie schickt sogar ein Taschentüchlein in dem die Anfangsbuchstaben ihrer Namen eingestickt sind und Anatai, der Konkurrent, mit dem er sich ein bißchen, um das Taschentüchlein prügelt, muß erfahren, daß sein Vater, wie schon die von drei der anderen Jungen, gefallen ist.
Es kommen auch noch Pferdediebe und vor den Wölfen muß der Junge die Pferde auch retten, die Bewährungsprobe, wie es im Vorwort des kleinen, schon sehr abgegriffenen DDR-Büchleins steht, in dem hervorgehoben wird, das Aitmatows Texte in denen der sozialistische Realismus mit der kirgisischen Fabelwelt, die er von seiner Mutter lernte, verwoben wird, zur Weltliteratur zählen.
1928 ist er im nordkirgisischen Ail Scheker geboren, vielleicht ist die Novelle auch ein bißchen autobiografisch, die 1975 geschrieben sein dürfte, jedenfalls ist dieses Datum angegeben, das Buch ist 1980 in der ersten Auflage erschienen, Aitmatow hat von 1956 bis 1958 das Moskauer Literaturinstitut besucht und ist 2008 in Nürnberg gestorben, was natürlich nicht in dem Büchlein steht.
Und die „Frühen Kraniche“, die Titelmetapher, ein Symbol für gute Ernste, sieht die Brigade beim Pflügen auch.

2 Kommentare »

  1. Zu Dschingis Aitmatov: Es ist vielleicht 20 Jahre her, dass er in Wien war. Er hat im Alten Rathaus aus einem seiner neuen Bücher gelesen (die Wölfin als Hauptperson, genau weiß ich es nicht mehr). Es war gesteckt voll. Dies nur zur Bestätigung, dass er zur Weltliteratur gehört, weit über den russischen und „sozialistischen“ Raum hinaus. Seine Biografie ist schon spannend, er ist ja kein Russe, Kirgise, denke ich, und auch das ist nicht selbstverständlich gewesen, sich da an die Spitze der russischen Literatur zu schreiben.

    Kommentar von Ruth — 2013-05-31 @ 15:49 | Antworten

  2. Danke für den Hinweis, da habe ich etwas versäumt, aber zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich keine Ahnung gehabt, daß es einen kirgisischen Autor namens Tschingis Aitmatov gibt. Man sieht die offenen Bücherschränke bilden und du legst ja auch immer wieder deinen Beitrag dazu

    Kommentar von jancak — 2013-05-31 @ 17:36 | Antworten


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