Literaturgefluester

2013-09-05

Unser Sonderberichterstatter

Filed under: Uncategorized — jancak @ 09:39

Es beginnt mit einem Urschrei „Sombreroo! von irgendwoher, aus dem Fenster eines Wohnblocks im schlafenden Viertel.“
Dann erwacht Antonje in der 2007 in der Edition Zwei, diesmal noch zweisprachig und mit Anmerkungen über Autor und Übersetzung, erschienenen Erzählung „Unser Sonderberichterstatter“, des 1974 in Rumänien geborenen Florin Lazarscu, offenbar in Himmel, der aber eine Art Werbeabteilung oder Castingshow ist, so erwarten ihn schöne Mädchen und Zigaretten, er wird dann zu einem alten Mann geführt, muß vor Publikum eine Frage beantwortet und wird wieder auf die Erde zurückgeschickt.
Dort geht es ähnlich verwirrend mit wechselnden Perspektiven und wechselnden Zeitabschnitten weiter.
Die Haupthandlung ist aber in Rumänien nach der Wende angesiedelt, in einem also, das mit westlichen und amerikanischen Methoden arbeiten will, aber das Know how und das Equipment dazu noch nicht ganz hat.
So erklärt der Chefredakteur, Antonjes Chef, daß in seiner Zeitung nur Platz für Kultur ist, wenn die Werbeaufträge fehlen und Antonje wird als Mädchen für alles oder als Tolpatsch vom Dienst, zu allen möglichen Aufträgen geschickt.
So berichtet er über Schildkröten, Überschwemmungen und auch mal von seltsamen Ufos.
Aber eigentlich will er zu dem Begräbnis des großen Journalisten, zu dem auch der Präsident kommen soll. Er wird dann auch dorthin geschickt und von den Leibwächtern offenbar ins Koma geschlagen, in dem er dann auch einige Tage liegen soll, um sich vor seinem Chef zu retten, aber vorerst passieren noch einige seltsame Dinge.
So wird das Begräbnis in eine andere Kirche verlegt, weil es dort zu unsicher ist und dem Heiligen in der Reliquie auch ein Finger gestohlen wurde. Das tat offenbar ein drogendealender Zigeuner mit dem Antonje schon vorher in der U-Bahn fuhr und einen Terroristen nahmens Mohammad, der geschäftstüchtig Visitenkarten mit einer Bombe und seiner Mail Adresse verteilt, gibt es auch.
Der ist aber ganz brav in das Land eingewandert und fuhr, weil er sich in seinem Job langweilte, am Sonntag mit dem Zug im Land herum, um dort die Notbremse zu ziehen, später kam er auch zu Dynamit und so wollte er die Bombe werfen.
Es gibt aber auch immer Kapiteln, die in die Vergangenheit in das Regime Ceausecus führen. So wird von einem Lehrer erzählt, der aufs Land strafversetzt wurde und dort von seinem ebenfalls strafversetzten Direktor zu einer Schulung einberufen, zu der er nicht will, so zeigt er ihm den Mittelfinger und kommt daraufhin für Jahre ins Gefängnis und der Vater des Chefredakteurs war ein Komponist und Dirigent, der wie Mozart komponieren wollte, was er aber in der Diktaur des Sozialismus nicht durfte.
Es geht aber auch in die Geschichte zurück und so wird von einem Prinzen erzählt, der die Soldaten seines Vaters, des Königs ärgert, der die Hunnen besiegen will und von einem Mönch namens Ioan, der hat dann den kleinen Antonje nach dem Tod seiner Eltern in einer Höhle auf einem Berg, ganz abgeschieden vom Sozialismus aufgezogen, bis eines Tages die Leute kamen und erzählten „Ceausescu ist tot, wir haben jetzt die Freiheit!“
So fährt Antonje, der dumpfe Tor in die Stadt, wird dort als eine Art Kaspar Hauser bewundert, bekommt vom Präsidenten eine Garconniere und vom Chefredakteur eine Unterstützung, bis dem das zu viel wird und Anonje zum Reporter macht.
Es endet nach noch einigen anderen Einschüben und Seitenhandlungen, so will der junge Pfarrer Ioan zu einem Heiligen machen und sendet im Internet dessen Wunder auf, so daß die Touristen in Scharen mit einem Bus angefahren werden und dann auf den heiligen Berg hinauskriechen, in dem Krankenhaus, in dem Antonje im Koma neben einem autistischen Zwerg liegt, in der Nacht aber mit dem Zwerg aus dem Fenster springt und zu einem See fischen fährt, dort wird er dann wegen Entführung verhaftet und zeigt allen triumphierend seinen Mittelfinger.
Eine köstliche Farce auf das Wende-Rumänien, für nicht Eingeweihte in seinen Zeitsprüngen und Perspektivenwechseln nur nicht ganz so leicht zu verstehen, mit dem Florin Lazarescu, da 2006 den „Bank Austria Literaris“ gewonnen hat.
Ich finde es ja wieder schade, daß im Buch und Internet so wenig über das Buch zu finden ist, obwohl ich die Bemühungen von „Kulturkontakt Austria“ die osteuropäische Kultur zu fördern sehr schätze und da ich regelmäßig zu den Preisverleihungen und anderen Veranstaltungen gehe, auch in den Genuß der Bücher komme, die sonst vielleicht nicht so geschätzt werden.
Man kann sich bei den Preisverleihungen zwar eines mitnehmen, die dann im Internet verkauft werden oder sie werden bei der Buch-Wien an Kinder verteilt, die wahrscheinlich nicht die richtige Altersgruppe sind. Denn es sind sehr interessante Bücher und sehr interessante Lebenswelten, die ich da kennenlerne und wahrscheinlich auch ziemlich alleine darüber schreibe.

2 Kommentare »

  1. Das ist wirklich sehr ergreifend!
    Bin schon neugierig was als nächstes kommt.

    Kommentar von Domke24.com — 2013-09-06 @ 14:07 | Antworten

  2. War ein spannendes Buch, freut mich, daß sich ein „Freies Presseportal“ für Literatur interessiert. Im Blog kommt als nächstes ein Artikel über „Literaturveranstaltungen und Preisverleihungen“, das nächste Buch das ich lese, wird auch darin verraten, auf das, was sonst noch passiert, bin ich gespannt!

    Kommentar von Eva Jancak — 2013-09-06 @ 14:34 | Antworten


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