Young Austria, Österreicherinnen im Britischen Exil von 1938 – 1947, war die bedeutendste Emigrantenorganisation junger Österreicher, während des Nationalsozialismus, die auch Dependancen in Kanada und Australien aufzuweisen hatte.
Die 1963 in Wien geborene Sonja Frank, Obfrau des Vereins „Kunst Platzl“, deren Großeltern Fanny und Ludwig Großmann nach England fliehen konnten und Mitglieder dieser kulturell und politischen Widerstandsprganisation, die ihren Sitz in London in der Nähe des Paddington Bahnhofs hatte, waren, hat in der „Theodor Kramer Gesellschaft“, ein Buch, beziehungsweise einen Katalog dieser Organisation, das mit vielen Bildern, Briefen, Textauszügen, das Leben im englischen Exil widergibt, herausgegeben, das jetzt in zweiter erweiteter Auflage, sechshundertdreißig Seiten und beiliegender DVD der Interviews, erschienen ist.
Ruth Aspöck, Erich und Uli Makomasky und wahrscheinlich viele andere haben dabei mitgearbeitet, Buch oder Katalog wurde auch in der VHS Hietzing vor- beziehungsweise ausgestellt. Ich weiß aus Ruths Gesprächen schon lange von dem Projekt, obwohl ich das Buch erst jetzt in die Hand bekommen habe, das eine sehr umfangreiche Materialsammlung anzubieten hat.
„Mehr als tausend Abbildungen!“, schreibt die Herausgeberin am Buchrücken und erwähnt, daß das Projekt 2011 in der VHS Hietzing begonnen wurde, wo neun Zeitzeuginnen ihr Leben erzählten.
Jetzt ist in dem Buch ein Verzeichnis von über zweitausend Personen angeführt und enthält neunzig Lebensgeschichten, von einigen sehr bekannten Personen, wie Arthur und Edith West, Hannah Fischer, Ilse M. Aschner, Erich Fried, Otto Tausig, Theodor Kramer, nach dem ja die Gesellschaft gegründet wurde, die das Buch herausgab, etc.
Das Riesenrad und Big Ben ziert das Titelbild und man weiß gar nicht, wo man bei dem gar nicht so leicht zu lesenden Buch und umfangreichen Materialband beginnen soll?
Soll man sich zuerst die Fotografien, der Theater- Musik und anderen Kulturellenaufführungen, die in jener Zeit in London stattfanden, ansehen, die jungen Frauen meist im Dirndl zeigen, die tanzen, lachen oder singen und dabei doch sehr tramatisiert waren, einen Großteil ihrer Familie verloren und meist ihre Eltern nie mehr wiedergesehen haben oder sich durch die Portraits, beziehungsweise, die abgedruckten Artikel lesen?
Otto Tausig erzählt vom Blitzkrieg und ärgert sich darüber, daß er in der zerstörten Wohnung vorher noch die Badewanne putzte.
Plakate von den Aufführungen gibt es und Zeitungsartikel mit Aufrufen an die jungen Leute, sich doch zur Armee zu melden, statt ihre Ausbildung fortzusetzen, weil das viel wichtiger wäre. Als im Arbeitskreis, damals in den späten Siebzigern die Frage in die Runde ging, was man denn so schreiben würde, kann ich mich an die Briefe erinnern, die sie an Freunde oder Familie nach England schrieb.
Viele von den Betroffenen wurden Kommunisten, die in London politisiert wurden und später, wie Arthur West, in Uniform nach Wien zurückkamen und in den Portraits kann man bei den meist zwischen 1920 und 1930 geborenen von der Kindheit und Schulzeit in Wien, den Ausschluß und die Übersiedelung in jüdische Schulen nach 1938 lesen. In England kamen sie dann zu Pflegefamilien oder mußten im Haushalt arbeiten, nur so wurden, glaube ich die Visen gewährt. Viele wurden von ihren Familien ausgenützt oder hatten auch Schwierigkeiten mit den häuslichen Arbeiten, als der sogenannte „Blitz“ kam, wurden viele interniert, wo es dann auch ein kulturelles Programm und politische Schulungen gab, den jüngeren wurde das erspart, aber vielen der Schulbesuch verwehrt.
Einige sind nach Wien zurückgekommen und haben das meist als Aufgabe verstanden, sich am Wiederaufbau zu beteiligen, beziehungsweise am veränderten politischen Bewußtsein mitzuwirken, andere, wie Erich Fried zum Beispiel, von dem es einige Gedichte und Textbeispiele gibt, sind in England geblieben und nur zu Besuch, zum Beispiel zu den kontinuierlichen Treffen, der Young Austrians, die es schon seit einiger Zeit gibt, nach Österreich zurückgefahren.
So hat es 1988 im Rathaus einen großen Kongreß gegeben. Viele der damaligen Kinder und Jugendlichen sind inzwischen auch verstorben, ihre Portraits wurden durch Aussagen und Fotospenden ihrer Kinder ergänzt.
Ein sehr interessantes Buch mit einer enormen Materialsammlung, die sehr zu empfehlen ist, wenn man ein Stück Zeitgeschichte nacherleben will.
Otto Tausig hat einiges in seinem Buch „Kasperl, Kummerl, Jud“ beschrieben, den ich kurz vor seinem Tod, im Dezember 2010 noch im Literaturhaus erleben konnte, wo er sehr engagiert für Spenden zu seinen Sozialprojekten aufrief. Arthur West, GAV-Mitglied und Gründer des „Linken Wortes“ beim Volksstimmefest habe ich, im Arbeitskreis schreibender Frauen kennengelernt, wo er sich ebenfalls sehr engagierte, seine Frau Edith, nimmt, obwohl weit über Neunzig immer noch an der Maikundgebung der Kommunisten teil und schreibt am Ende ihres Portraits, daß sie „immer noch zu ihren kummunistischen Idealen steht.“
Und von Arthur West, der noch Kulturredakteuer der „Volksstimme“ war als ihn kennenlernte, kann ich mich an seinem schwarzen Anzug erinnern, den er trug, als ich ihn einmal im Volkstheater traf, was die Mittzwanzigerin, die von Anpassung noch nichts wissen wollte, von dem aufrechten Kommunisten ein wenig wunderte.
Ilse M. Aschner war Sekretärin der GAV, als ich dort Mitglied wurde und Erich Fried habe ich in den Achztigerjahren bei einer Veranstaltung im NIG, glaube ich, versäumt, nehme aber jetzt eifrig an den Erich Fried Symposien und Preisverleihungen teil.
Hannah Fischer, Jahrgang 1925, bis zu ihrer Pensionierung, Leiterin des Anna Freud Kindergartens, habe ich immer wieder bei Veranstaltungen getroffen und Bobby Rosner vor kurzem bei einer Exilliteraturveranstaltung und beim Begräbnis von Friedl Hofbauer kennengelernt.
Die meisten anderen der in den Buch vorgestellten waren mir aber unbekannt und so habe ich mich durch ihr Leben gelesen und wurde auch bei der heurigen Sommerakademie „Ende der Kindheit?“ an ihre Schicksale erinnert, obwohl Sonja Frank nicht bei den Vortragenden war und ihr Projekt, was sicher zu bedauern ist, bei der Veranstaltung fehlte, da diese Organisation, die auch Mitgliedskarten, etc, ausgegeben hat, für die jungen vertriebenen Österreicher eine wichtige Funktion hatte, ein bißchen Heimatgefühl und Geborgenheit vermitteln und damit das jähe Ende, der geschützten Kindheitsphase, vielleicht auch verhindern konnte.
Arthur und Edith Wests Trauzeuge, möchte mich noch erwähnen, weil ich es auch von ihm selbst hörte, war Erich Fried und so haben sich damals in der Westbourne Terrace 125, ein Bild von dem Eingagsportal ist gleich am Beginn des Buches abgebildet, manch Freundschaften fürs Leben gebildet, die wenn möglich, wohl immer noch fortgesetzt werden.
2014-07-11
Young Austria
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