Ich bin ja eine Freundin der alten Romane, des Zwischenkriegskanons beispielsweise, aber auch von anderen und bin ich auch ein besonderer Fan der Bücherschränke, wo man nach sowas schauen kann und da lag eines Tages Ernst Lothars „Die Mühle der Gerechtigkeit“ darin, keine Ahnung was das aussagen soll, aber von dem gewesenen Josefstadtdirketor, der auch die Salzburger Festspiele aufbaute, 1890- 1974, habe ich einmal, wenn ich nichts verwechsle, einen Film im Fernsehen gesenen, wo man im Flugzeug verdorbenen Fisch serviert, der Pilot ißt ihm und einer unter den Passagieren, der zufällig neben einem Arzt sitzt und das andere Menü wählte, muß dann das Flugzeug zur Landung bringen, weil er einen Segelflugschein hat.
Das hat mich sehr beeindruckt und dann natürlich den „Engel mit der Posaune“ mit der Paula Wessely, das habe ich vor zwei Jahren gelesen und habe es eher öd, beziehungsweise klischeehaft gefunden.
Nun „Die Mühle der Gerechtigkeit oder Das Recht auf den Tod“, das ließ schon einmal aufhorchen, das Buch ist 1962 in einer Zsolnay-Werkausgabe des Meisters als Band III erschienen, der Roman wurde aber schon 1931 geschrieben und handelt auch da und in einer Vorbemerkung des Autors, wird die Nazi-Euthanasie erwähnt und, daß er sich trotzdem von seiner Meinung nicht abbringen und daher wiederauflegen ließ.
Das klingt noch interessanter und Sterbehilfe ist ja ein Thema, das mich und wahrscheinlich alle anderen sehr berührt und auch, weil es uns selbst betreffen kann,sehr abwehren läß, was man schon zum Beispiels an den „patscherten“ Bewältigungsversuchen der Bachmannpreisträger oder Leser sieht. Denn ich glaube ja, man braucht den Griff zum Revolver oder zum Polsterzipf gar nicht, wenn man nur ein wenig geduldiger wäre, es ist noch jeder gestorben und es aushalten kann, am Bett zu sitzen, die Hand zu halten, den Verfall des anderen auszuhalten und ein Pulverl mehr, das den Schmerz lindert, ist wahrscheinlich keine Sterbehilfe, sondern ganz normal, wenn auch vielleicht streng verboten, weil es süchtig machen könnte, etc.
Man sieht es auch bei dem Theaterprofi, ob der betroffen an dem Thema war oder nicht, hab ich keine Ahnung, der 1931, sehr umständlich damit umging, dann kam der Holocaust und das ist ein anderes Thema oder eine besondere Ironie der Geschichte und heute achtzig Jahe später haben wir auch mit diesem Thema, das rasant auf uns zukommen wird, umzugehen.
Über die Sterbehilfe wird immer offener diskutiert, ich bin dagegen, es gibt aber Patientenverfügungen, ich habe meine eben erst erneuert und mich über den Hunderter plus Mehrwertssteuer, die die Ärztekammer für den Herrn Doktor für seine Unterschrift, die er alle fünf Jahre geben muß, ausgehandelt hat, sehr geärgert.
Aber nun zum Buch und nach Salzburg ins Jahr 1931, wo es noch keine Patientenverfügungen gegegeben hat. Es wäre also auch ein Sommerbuch, wir schreiben Juli oder August und im Hause Haushofer wird der fünfundzwanzigste Hochzeitstag des Landesgerichtrats und sehr strengen konservativen Richters Anton und seiner Frau Pauline gefeiert. Die steckt gerade die Salzstangerln in die Servietten, das Töchterlein Gretel, das bei den Festspielen, die gerade stattfinden, arbeitet, steht daneben und rät der Mama das buntere Kleid vom Vorjahr, statt des strengen Schwarzens anzulegen, denn am Abend werden Gäste erwartet. Der HNO Arzt-Prägartl, des Töchterleins Verlobten, der „völkische Dichter“ Leopold Amadeus Huber und ein Gerichtskollege samt Gattin.
Den Sohn Hubert gibt es auch, der in Wien Jus studiert, dem strengen Papa sehr entfremdet vorkommt und er Ansichten an ihn bemerkt, die er nicht leiden kann. Überhaupt ist der Herr Rat, wie die Hausgehilfin Resi meint, sehr grantig, fühlt sich durch die Festspielgäste in seinem Salzburg als Mensch zweiter Ordnung und die Diskussion, ob Affekt als mildernder Tatbestand gelten kann, mag er auch nicht.
Vorerst wird aber gefeiert, gegessen und die Hochzeitsgeschenke ausgetauscht. Es kommt bei der Frau Pauline zu einem kleinen Schwächeanfall und der HNO rät die Konsultation eines Frauenarztes. Auch das ist sehr köstlich, wie das 1931 geschieht. Da gibt es eine Wiener Kapazität, die zu Festspielzwecken angereist ist. Das Ehepaar wird in sein Hotelzimmer gebeten, die nötigen Untersuchungsunmstrumente und Geräte fehlen zwar, die Kapazität diagnotiziert trostet ein „Carcinoma uteri“, bietet die Gnädige auf den Balkon „Es ist alles in Ordnung!“, sagt dem Gatten „Der Zustand der gnädigen Frau ist ernster als erwartet“ und lehnt jedligliche Bezahlung, als Dank in Salzburg Gast zu sein, ab.
Frau Pauline wird die Diagnose verwehrt, sie bekommt sie natürlich trotzdem heraus oder ahnt, daß sie sterben wird und hat nur einen Wunsch, das möglichst schmerzlos zu tun.
Dazu fragt sie den möglichen Schwiegersohn nach der Wirksamkeit von Veronal.
„Kommt nicht in Frage, Mama!“, urteilt der Landesgerichtrat und nimmt ihr das Rezept weg. Frau Pauline, die durchaus als Nebenfigur, abhängig und unwissend, eine brave Hausfrau halt, geschildert wird, fordert von ihrem Mann nun, daß er ihr, wenn es so weit ist, helfen soll und er, der strenge, er wird in der Zeitung als „Blutrichter“ bezeichnet und hatte Schwierigkeiten mit einem jungen Wiener Verteidger, der auf die Unschuld eines Angeklagten plädiert, weil er im Rausch und im Affekt auf seine Braut geschlagen hat, ja hätte er halt nicht trinken dürfen, stimmt zu.
Der Landesgerichtrat wird auch zu einem Fest von Max Reinhardt eingeladen, sieht dort seine Kinder und seinen Sohn mit jenem Doktor Siebner reden, was ihn sehr verstört, daß er beschließt nicht nur der Linerl zu helfen, sondern sich gleich mit heimzudrehen, weil es wegen des Artikels nichts mit der „Vizepräsidentenstelle, die er sich erfoffte, werden wird.
Er beginnt also Veronal zu sammeln, einen Vergnügungsplan zu entwerfen, was er, die Landesgerichtsräte mußten damals in Salzburg sehr sparsam sein, um sich ihr standesgemäßes Leben leisten zu können und Festspielkarten waren nichts für sie. Die werden jetzt gekauft, um am Montang, Dienstag Mittwoch mit der Linerl zu feiern oder Abschied zu nehmen, etwas was mir sehr gefällt und auch in meinen Büchern vorkommen könnte.
Der Plan wird aber vereitelt, denn die Linerl glaubt schon am Dienstagmorgen, da wurde gerade erst der „Jedermann“ gesehen und bei der „Traube“ Forelle, Backhun und Crepe Suzette bestellt, bei Gericht heißt es dann anders, war das ein Versehen des Autors oder ein Hieb auf die mangelhaften Zeugenaussagen, daß es soweit ist.
Der Landesgerichtsrat hatte noch Ärger mit seiner Tochter, die am Morgen nicht in ihrem Zimmer, sondern in der Wohnung des Verlobten anzutreffen war, so macht er schnell sein Testament, verschiebt das Sparbuch seiner Frau auf eine andere Bank, damit es nicht die Falschen kriegen, schickt dann das Dienstmädchen außer Haus und kommt irgenwie nicht dazu, sich auch die richtige Menge Veronal zu nehmen, so daß das Mädchen ein paar Stunden später die Gnädige tot und den gratigen Herrn schlafend findet.
Das ist der erste Teil des Buches der „Tatbestand“.
Der zweite heißt „Anklage“ und da wird der arme Landesgerichtrat auf Veranlaßung seines Sohnes, der überraschenderweise zu ihm hält, nur die Tochter war einige Zeit schwankend, von ausgerechnet jenem Dr. Siebrer verteidigt,“Na der wird eine Freude haben!“, habe ich mir, glaube ich, schon im ersten Teil gedacht und dazu, daß er ihn in Wirklichkeit wahrscheinlich abgelehnt häatte. Was er nicht tat oder konnte. Zum Glück, denn er wird natürlich freigesprochen und in dem Buch in aller Genauigkeit, die Sachverständigken vorgeladen und doziert, ob der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat zurechnungsfähig war, ob es Tötung auf Verlangen war und ob es sowas überhaupt gibt?
„Hat er sich von seiner Frau eine Vollmacht geben lassen?“, fragt der Staatsanwalt. Hat er natürlich nicht und meiner Meinung nach beweist allein das patscherte Verhalten des Herrn Richters, daß er zum Tatzeitpunkt unter Schock und Traumatisierung stand, denn er ist ja einer von den harten, die nicht über ihre Gefühle reden, der Linerl zwar das Veronalrezept wegnahm, dann aber alles machte, was sie wollte, ohne sich von ihr eine Vollmacht gegen zu lassen oder den Kindern die Opernkarten für den Dienstag, die schon in seiner Tasche waren und dem Fräulein Reserl Ausgang und wenn er der Linerl oder Mama wie er sie nannte, das Rezept nicht weggenommen hätte, sondern sich zu ihr gesetzt, ihr die Hand gehalten hätte, etc, beziehungsweise sein juristisches Wissen so gebraucht, daß ihm keine Beihilfe nachzuweisen wäre, hätte es die Anklage nicht gegeben, dann allerdings auch kein Buch und, um nicht alles vorwegzunehmen oder nur das Wichtigste, er wurde freigesprochen und geht aus dem Gerichtsaal an das Grab der Linerl,die Kinder kommen mit dem Verteidiger nahch, der sogar die Blumen hat, an die der Blutsrichter nicht dachte und macht ihm den den Vorschlag ob er nicht mit ihm eine Anwaltskanzlei aufbauen will?
Ein sehr sehr interessantes Buch, schon durch die Tatsache, dap zwei Jahre später nur ein paar Kilometer weg von Salzburg die Weltordnung unterbrochen wurde und den „Völkischen Beobachter“ hat es schon früher gegeben, da wurde die Tat des OberlLandesgerichtsrat auch besprochen und nur schade, daß es es nur mehr antiquarisch gibt, also auf zu den Antiquariaten, Bücherdörer und Bücherkästen, denn es ist wirklich zu empfehlen, obwohl man dem Buch das Erscheinungsjahr natürlich abliest und seither sehr sehr viel Wasser die Donau und die Salzach hinuntergeflossen ist und das hat mich zu Plänen gebracht, die ich gleich beschreiben werde.
Zu dem Buch ist noch zu sagen, daß es manchmal ein bißchen langatmig und umständlich geschrieben ist, ein heutiger Lektor würde wahrscheinlich viel herausstreichen. Vielleicht liegt es am Thema, das 1931 wahrscheinlich noch viel heikler war, als es heute ist, wo wir ja mit dem Krebs, Demenz etc rechnen müßen und und das ist sehr interessant, denn man findet so etwas nicht sehr oft beim Lesen, eher in den Schreibratgeberbüchern, es hat einen klassischen auktorialen Erzähler per excellence, einen der alles weiß, in alle Köpfe hineinsehen kann und uns immer die entsprechenden Tips und Amerkungen gibt.
„Sie war der Mutter ähnlich, „wie aus dem Gesicht geschnitten“, behauptete der vaterländische Dichter Leopold Amadeus Huber (dessen füchtige Bekanntschaft wir machen werden)“ oder „Wir haben uns jetzt mit dem Hausmädchen Resi Stepanek zu befassen, seit vorigen März „für alles“ in der Familie bedienstet.“
Das ist vielleicht auch ein wenig umständlich, in den Schreibbüchern wird davon abgeraten, passt aber vielleicht zum Sujet, das ja ein sehr heikles ist, über das sich direkt zu befassen, wie man noch heute bei den Pflegehelferausbildungen und Supervisionen sehen kann, sehr sehr schwierig ist, umsomehr, war es das, im Jahre 1931, wo die drohenden Wolken aus Deutschland vielleicht schon in der Luft lagen.
2014-07-30
Die Mühle der Gerechtigkeit
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