Hin und wieder bekomme ich Anfragen, ob ich nicht ein bestimmtes Buch rezensieren möchte. So sind schon schöne Kontakte, beispielsweise mit Frau Führer, die jetzt die Pressearbeit der „Buch-Wien“ macht oder mit Judith Grohmann entstanden und interessante Bücher habe ich auf diese Art und Weise auch gelesen, an die ich sonst wahrscheinlich nicht gekommen wäre, beispielsweise an die aus dem „Holzbaum–Verlag“
„Schmerzherz“ von Vio Carpone, gehört höchstwahrscheinlich dazu. Hier kam die Anfrage, ob ich nicht bei der „Lovely-Books-Leserrunde“ mitmachten wollte, wollte ich nicht, bleibe ich ja lieber auf meinen Blog, aber ich bin eine, die bei Anfragen, auch wenn die Bücherberge auf dem Klo sich türmen, eher schwer nein sagen kann und ich hätte auch hier ein interessantes Buch versäumt und einige interessante Erfahrungen nicht gemacht.
Ich schaue ich meistens vor dem Lesen nicht so genau hin, um was für eine Art von Buch es sich handelt.
„Aha, ein „Cicklit!“, werde ich wohl gedacht haben. Später habe ich bei „LovelyBooks“ erfahren, daß ich schon am Cover erkennen hätte können, daß es sich um eine „BDSM-Liebesgeschichte“ handelt, um mich zu entscheiden, ob ich so was mag.
Aber ich weiß gar nicht, ob ich so schnell mitbekommen hätte, was eine BDSM-Liebesgeschichte ist und auf „Shades of Grey“, dem Sommerhit vor ein paar Jahren, bin ich auch immer noch neugierig.
Allerdings habe ich vor ein paar Tagen, die englische Version im Schrank gesehen und liegen lassen, habe ich ja schon so viele Bücher. Vielleicht war meine Entscheidung dadurch beeinflußt, daß ich mich gerade durch „Schmerzherz“ gelesen habe und ich bin auch eine, die bei den Erotik-Nächten, als es „Rund um die Burg-alt“ noch gab, eher eingeschlafen ist. Ein BDSM-Buch wurde aber dort, so weit ich mich erinnern kann, nicht wirklich präsentiert. Das ist erst seit „Shades of grey“ in Mode und die Testleserinnen von „Lovely books schwören alle, dieses ist viel viel besser!
Vio Carpone habe ich „Amazon“ entnommen, im Buch gibt es keine Autorenangaben, was ich gar nicht mag, ist ein Pseudonym und es gibt von dem Buch zwei Fassungen, eine mit hetero und eine mit homesexuellen Protagonisten, die mit den homos, wurde von Violet Mascarpone geschrieben.
So weit so what und dann begann ich von einem Gretchen zu lesen und seiner Mutter, die die zwanzig oder fünfundzwanzigjährige am Anfang des Buches, die Zeitangaben widersprechen sich, glaube ich, wenn ich richtig gerechnet habe, hinauswirft, weil sie ihre Unabhängikeit haben, das heißt Männer nach Hause ohne auf die Tochter Rücksicht nehmen zu müßen, will.
Das ist schon einmal sehr originell. Gretchen, eine Bankangestellte bei „Sparmenia“, ißt pro Tag ein Bananenjoghurt und scheint etwas zwanghaft und vielleicht auch sozialgestört zu sein und Vio Carpone hat möglicherweise Psychologie studiert oder aber sehr sehr genau recherchiert und einen sehr witzigen lockeren Schreibstil hat sie auch.
Gretchen geht also in eine Selbsthilfegruppe für anonyme Spieler, um an eine Wohnung, beziehungsweise an einen spielsüchtigen Millionär, der sie in ihre Arme nimmt, zu kommen, verläßt die Gruppe aber schon bald, weil es ihr dort nicht gefällt, allerdings latscht ihr einer nach, der sehr viel Metall im Gesicht hat. Der gibt ihr eine Visitenkarte, sagt, er hätte eine Wohnung, und sie soll sich bei ihm melden, wenn sie sie haben will.
Das tut sie auch und lernt so Lui kennen, den Erben und Besitzer eines Pornokinos, außerdem ist er ein abgebrochener Kunststudent und die Wohnung befindet sich genau über dem Kino, Lui wohnt gegenüber.
Gretchen zieht ein und erscheint ein paar Tage später mit einem Bananenjoghurt, Kuchen hat sie nicht zu Haus, als Begrüßungsgeschnek bei Lui, als sie wieder gehen will, zwingt er sie zum Bleiben und erweist sich auch sonst als sehr dominant.
Er hat aber eine Freundin, namens Juliane, trotzdem kommt es bald zu einer Beziehung, der Art, daß Gretchen auf dem Klo sitzen bleiben muß, bis er kommt, sie darf auch drei Wochen lang nicht nach Juliane fragen. Danach darf sie es, wird aber so fixiert, daß sie nicht sehr lange fragen kann.
Dazwischen gibt es immer wieder wunderschönen Sex, Lui scheint auch sehr fürsorglich zu sein, danach verschwindet er aber mit Juliane auf eine Party, das frustrierte Gretchen ruft den neuen Kollegen Manuel an, der sie ohnehin schon längst kennenlernen will, an und der nimmt sie auch auf eine Party mit.
Klar, daß sich die vier dann treffen. Lui will aber nicht Schluß machen und so sitzt Gretchen mit Manuel in ihrer Mittagspause im Park, da erwischt sie Lui, nimmt sie ins Pornokino mit und sie muß sich dort seinen Sex mit Juliane ansehen.
Da reicht es ihr, sie geht zu ihrer Mutter, die räumt mit ihrem Freund Karl, die Wohnung aus und Gretchen beginnt eine Beziehung mit Manuel, dem ordentlichen Langweiler, der für alle Verständnis hat und trifft nach fünf Jahren in einem Kaufhaus Lui wieder.
Der hat inzwischen bei einem Fahrradunfall ein Bein verloren und die Beziehung zu Juliane beendet, sein Kunststudium fertiggeführt und ist jetzt Doezent an der Kunsthochschule. Er hat inzwischen auch eine andere Wohnung und die Beziehung zwischen ihm und Gretchen startet neu.
Jetzt ist es Gretchen, die ihren Freund betrügt und sie kann es Manuel Anfangs auch nicht sagen, weil er eigene Sorgen hat, dann sieht er ihre Striemen, wird wütend, wirft sie hinaus und zerschneidet auch alle ihre Sachen, die Kleider und die Mangas.
Er tut auch noch mehr, er verrät der Bank, Gretchen kann oder darf manchmal nicht arbeiten gehen, dann fälscht die Mutter ein Attest, dieses und Gretchen fliegt hinaus, geht zwei Tage lang am Morgen aus dem Haus und setzt sich in den Park oder die städtische Bücherei. Dann sitzt plötzlich Lui, der feinfühlige neben ihr und fragt sie, was sie wirklich will?
Sie will Hausfrau werden, das ist ihr Traum, nur mit dem Kochen hapert es nicht so richtig, das mag sie nicht und deshalb mußte sie schon öfter auf Brennessel knieen, wenn sie die Suppe versalzen hat. Sie muß auch Luis fragen, wenn sie aufs Klo will, das findet ihre Mutter, die sonst die Beziehung gut findet, seltsam. Die andere Seite ist aber, Lui richtet ihr ein Konto ein und nach den Bestrafungsorgien, geht er auch immer auf ihre Wünsche ein, so zeigt er sich ihr ohne Beinprothese und feiert mit ihr auch Weihnachten, obwohl er das eigentlich nicht mag.
Das Buch hat etwa vierhundert Seiten und ist manchen Stellen, sehr dicht und spannend geschrieben, an manchen Stellen gibt es Wiederholungen und auch Handlungsverläufe, die wahrscheinlich nur der Action dienen und die ich wegstreichen würde, weil sie auch manchmal unlogisch sind und wie angefügt wirken.
So kommt Gretchen, von der der Wunsch zur Hausfrau eigentlich kam, plötzlich darauf, daß sie das doch nicht will. Sie will in der Partnerschaftsbörse von Luis Freund Kevin mitarbeiten, der verbietet ihr das. Da gibt es wieder einige Strafsequenzen und der Hintern wird wieder schön blau und rot gefärbt. Es geht auch darum Gretchens Willen zu brechen, aber die aufmüpfige gibt nicht nach und hört auf zu fragen. So kommt es dazu, daß sie, als Lui eine Woche mit seinen Studenten eine Studienreise macht, mit ihrer neuen Freundin Scarlatt essen geht, das war schon früher, da mußte sie ein Schnitzel essen, und Lui zum Beweis ein Foto schicken und Scarlett fragt Gretchen dann, was ich sie auch fragen würde „Warum sie das kaputt machen möchte, wofür die Frauen, die letzten fünfzig Jahre auf die Straße gingen?“
Gretchen hat die Antwort, glaube ich, nicht und den Testleserinnen scheint die BDSM-Geschichte auch zu gefallen, seit „Shades of Grey“ scheinen die hoch in Mode zu sein, pfeift aber auf Luis Befehle und geht die Woche mit Scarlett zu Kevin arbeiten. Als der zurückkommt überreicht sie ihm ihren Wochenbericht, auf dem das alles genau verzeichnet steht und jetzt schmeißt er sie hinaus.
Bei Gretchens Mutter wurde inzwischen ein Krebs diagnostiziert und die Szenen im Krankenhaus gehören wieder zu den beeindruckensten des Buches. Die Mutter stirbt dann auch, wünscht sich am Ende ihres Lebens aber, daß Gretchen sowohl mit wieder mit Lui zusammenkommt, als auch, daß sie ihre Geschichte aufschreibt.
Beides passiert dann auch. Nach dem Begräbnis ist Lui wieder da, die Stimmungsschwankungen bekommt er ja alle mit und die Beziehung geht weiter mit gelegentlichen Striemen am Po, etc und einer Halbtagsstelle bei einer Antwalthotline. Aber das mit der Unterwerfung hat aufgehört und Gretchen schreibt auch ihre Geschichte und wenn sie das so eindrucksvoll macht, wie es Vio Carpone an manchen Stellen tut, ist es ein Gewinn.
Habe ich doch vor allem die Beschreibung, der sehr ungewöhnlichen Mutter, die Putzfrau ist, sich aber für Kunst interessiert, ihr eigenes Leben fordert, Gretchen aber doch versteht und für sie da ist, als sehr originell empfunden, auch sonst wird das Leben, Gretchens Zwänge, das Elend mit den Beziehungen etc, als sehr spannend und witzig beschrieben.
Die BDSM-Szenen würde ich weglassen, obwohl ich natürlich weiß, daß die der Clou und der Sinn des Buches sind, alles andere ist nur der Aufhänger, aber das, was mir am besten gefiel und ich in der sogenannten E-Literatur oft nicht so gekonnt finde und, daß sich manche Frauen zu starken Männern hingezogen fühlen und beispielsweise Mördern im Gefängnis Liebesbriefe schreiben, weiß ich aus meiner Praxis.
Wenn die Frauen oder vielleicht auch Männer, das nicht lesen wollen, würde es solche Bücher nicht geben und, daß Vio Carpone, die Sinnhaftigkeit selbst auf Seite 387 in Frage stellt, ist ihr hochanzurechnen.
Das Buch ist bei „Cupido-Books“ in der Reihe „dreams on demand“ erschienen und am Schluß gibt es einen Aufruf an die LeserIn: „Wir möchten Sie mit unseren Büchern zum Träumen einladen. Der für Sie hoffentlich schöne Traum dieses Buches ist nun leider zu Ende. Wenn Sie in die Wirklichkeit zurückkehren, beachten Sie bitte: Ungeschützter Verkehr kann Ihr Leben und das Ihrer Lieben für immer verändern. Lassen Sie es nicht darauf ankommen!“
Was ich auch sehr originell fand und so noch nicht in einem Buch gesehen habe.
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