Haschen nach Liebe, haschen nach Glück

Die sardische Schriftstellerin Milena Agus plaudert in ihrem neuen Roman "Die Flügel meines Vaters" über die Tücken eines Frauenlebens

Von Monika StranakovaRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Stranakova

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Irgendwie dreht sich bei Milena Agus immer alles um das große Glück. Schöne und eigenwillige Frauen suchen danach, meistens an den falschen Orten und bei den falschen Männern. So genießen sie Zuneigung und Liebe nur häppchenweise, bis eine unbedacht formulierte Frage (meistens nach mehr Intensität und folglich nach mehr Glück) die Magie aus der Beziehung vertreibt. "Und ohne Magie ist das Leben nichts als ein einziger großer Schrecken", weiß auch die kindliche Erzählerin in Milena Agus' drittem Roman "Die Flügel meines Vaters".

Diesmal ist es eine Pensionsbesitzerin mittleren Alters, wegen ihrer Frankophilie von ihren Bekannten "Madame" genannt, die die Bevölkerung eines sardischen Dorfes mit ihren merkwürdigen Ideen aufmischt. Dankbar für das Stück irdisches Paradies in der Macchia, weigert sie sich, ihr Grundstück direkt am Meer zu verkaufen. An den Bau des geplanten Feriendorfes ist nicht mehr zu denken, und so halten sie die Nachbarn, die gerne verkaufen und reich werden würden, für verrückt. Doch Madame liegt das Glück anderer Menschen am Herzen und sie kümmert sich aufopferungsvoll um sie: um den verletzten Feriengast, der ständig von seiner Verlobten redet, während er die Nächte mit Madame genießt; um den talentierten älteren Nachbarssohn, dem sie entgegen des Willens seiner Familie eine Jazztrompete kauft und nicht zuletzt um die Erzählerin, ihren größten Fan, die von ihrem Vater verlassen und von ihrer seitdem depressiven Mutter vernachlässigt, allein erwachsen werden muss.

Nur in eigener Sache ist Madame skeptisch. Sie würde gerne heiraten, doch eine feste Beziehung hatte sie noch nie. Sie nimmt ihren zahlreichen Liebhabern auch nicht übel, dass sie als "Lückenbüßerin" herhalten muss. Dass sie sich irgendwann für andere Frauen entscheiden, ist kaum anders zu erwarten, behaupten böse Zungen, ist Madame doch zu sanft und zu gutmütig. Für den Großvater der Erzählerin, der ein bisschen in sie verliebt ist, ist sie dagegen ein junges Mädchen, "das noch nicht die Erfahrungen gesammelt hat, deren viele Erwachsene schon überdrüssig sind". Das Schlimmste ist trotzdem die Einsamkeit, sodass sich Madame von Zeit zu Zeit mit Selbstmordgedanken plagt. Bis ihr eines Tages Dr. Giovanni über den Weg läuft.

Milena Agus stellt in ihren schmalen Romanen - zuletzt in "Frau im Mond" (2007) - entgegen dem Klischee über ein Sardinien der Vendetta und Fehden eine literarische Welt dar, die vor allem durch die Eigenständigkeit ihrer weiblichen Lebensentwürfe und südländische Heiterkeit besticht. Mit stilisierter Naivität erzählt sie von dem oft harten Leben jenseits der Touristendörfer, in der Abgeschiedenheit, wo die Insel noch ihre Wildheit und Rätselhaftigkeit bewahrt hat. Dass es trotzdem voller Schönheit und Zuversicht zu sein scheint, verdankt sie ihren lebendigen Figuren, die ihre Liebe zur Andersartigkeit auch selbst kultivieren. Sie hält nicht nur die Welt im Gleichgewicht, sondern ist auch das Geheimnis des ungebrochenen Erfolgs der Autorin.


Titelbild

Milena Agus: Die Flügel meines Vaters. Roman.
Übersetzt aus dem Italienischen von Monika Köpfer.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008.
157 Seiten, 15,95 EUR.
ISBN-13: 9783455401301

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