Zu dieser Ausgabe

Neuerdings wird kaum noch von der Frankfurter Buchmesse gesprochen. Der Deutsche Buchpreis, den der Börsenverein des Deutschen Buchhandels jährlich zum Auftakt der Messe verleiht, um "den besten Roman in deutscher Sprache" auszuzeichnen, wie es auf der Homepage zur Veranstaltung heißt, stiehlt ihr zunehmend die Show. Auch im Online-"Lesesaal" der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wird fleißig über das Für und Wider dieser medienwirksamen Preisverleihung diskutiert.

Erfolgreiche Autoren wie Daniel Kehlmann, Julia Franck, Monika Maron und Michael Lentz wollen dort den Rummel am Liebsten ignorieren oder sogar gleich ganz abgeschafft sehen - und Wolfram Schütte, ehemaliger Redakteur der "Frankfurter Rundschau", poltert im "Titel-Magazin" dazwischen: "Die Literaturkritiker, die sich hier - sei's als temporäre Juroren, sei's als Rezensenten von deren Entscheidungen - gerieren, kellnerieren ohne mit der Wimper zu zucken als willfährige Zirkulationsagenten des literarischen Marktes und dessen Konzentrationswünschen." Ina Hartwig, heute verantwortliche Literaturredakteurin der "Frankfurter Rundschau", postete dagegen im "Lesesaal" zunächst die noch eher vorsichtige Frage: "Dies ist doch keine PR-Agentur, oder habe ich da etwas missverstanden?" Anderntags schrieb sie dann noch einmal so etwas wie eine deutliche Antwort auf Schüttes Polemik: "Wohlfeil kommt es mir vor, auf dem komfortablen Hochsitz derer zu sitzen, die sich raushalten (können), und die ganze Chose als markttreiberisch abzuwatschen: Auch das ist nur ein Reflex aus angeblich guten, alten Zeiten; ein ideologisches Kostüm."

Wie dem auch sei: Literaturkritik.de widmet sich auch in diesem Oktober wieder hauptsächlich Neuerscheinungen zur Frankfurter Buchmesse. Dabei berücksichtigen wir selbstverständlich Bücher, die dieses Jahr auf die so genannte "Long-" und auf die "Shortlist" der Buchpreisjuroren gelangten - aber eben auch viele andere Publikationen, die anderswo gerne übersehen werden.

Wir haben nämlich immer noch genug Platz dafür. Und wir haben auch nicht vor, zum "Servicemagazin" zu werden, so wie es zumindest Sigrid Löffler nun für ihre renommierte Zeitschrift "Literaturen" prophezeiht, deren Redaktion sie gerade den Rücken gekehrt hat. Wenn Sie also auch traurig darüber sind, dass eine neue 'Marketingmentalität' die unabhängige Literaturkritik immer mehr aus den Zeitungen und Magazinen zu verdrängen droht, dann schauen Sie doch einfach einmal wieder auf unsere Seiten: Hier wird jedenfalls fleißig kritisiert - und das nicht zu knapp!

Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Jan Süselbeck