Ein leicht verständliches Paradigma
Zu Stephen Kings Roman „Die Arena“
Von Thomas Neumann
Im Amerikanischen ist der Titel des Buches treffender und symbolträchtiger: „The Dome“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Die Arena“, was zumindest den Handlungsort in einer Hinsicht treffend beschreibt. Schauplatz des Romans ist die fiktive nordamerikanische Kleinstadt „The Mill“, die schon vor deren romanbedingten hermetischen Abrieglung irgendwo im Nirgendwo liegt, ohne Kino, kaum Unterhaltungsmöglichkeiten, eben am Ende der Welt. Die Stadt und ihre nähere Umgebung wird durch einen unerklärlichen Vorgang durch eine unzerstörbare Glaskuppel von der Außenwelt abgeschnitten. Stephen King wählt als Szenario eine kleine isolierte Gesellschaft mit ungefähr zweitausend Bewohnern. Innerhalb kürzester Zeit lösen sich politische und gesellschaftliche Strukturen auf und erste Formen des Chaos halten Einzug in die ehemals vermeintlich ruhige Kleinstadt. Alles erinnert an den hier vor kurzem besprochenen Roman von Michael Tietz „Rattentanz“, in dem ein kleines Dorf im südlichen Schwarzwald innerhalb kürzester Zeit auf sich allein gestellt und von der Außenwelt faktisch isoliert ist.
Stephen King folgt auch in diesem Roman seiner Vorliebe für Geschichten mit umfangreichem Personal. Ein Außenseiter, der zum Helden avanciert. Ein schwacher Sheriff, der von einem machtsüchtigen zweiten Stadtverordneten gelenkt wird. Eine kritische Reporterin, clevere Kids und jede Menge Geschichten, die die handelnden Personen zu Charakteren wachsen lassen und den Leser von Anfang an bei der spannenden Handlung halten. Als den Bewohnern des Dorfes langsam gewiss wird, das sie eingeschlossen sind und auch Armee und Regierung ihnen nicht in „ihrer“ Kuppel helfen können, scheint es schon fast zu spät. Gelenkt von dem einflussreichen zweiten Stadtverordneten wird mit wenigen „Handgriffen“ eine autoritäre „Stadtregierung“ etabliert.
Als der Sheriff nach und nach die Polizeitruppe des Ortes mit immer mehr Hilfssheriffs verstärkt, bietet sich den kritisch schauenden Bürgern schon bald eine von Polizeikräften überproportional „gesicherte“ Stadt dar: „,Hitlerjugend‘, sagte Jackie. ‚Daran muss ich immer denken. Wahrscheinlich eine Überreaktion, aber ich bete darum, dass diese Sache heute Mittag beendet ist, damit ich das nicht erleben muss.‘“ Zum Polizeichef hat man auch eine Vision: „,Ich kann mir Peter Randolph nicht recht als Hitler vorstellen.‘ ‚Ich auch nicht. Ich sehe ihn mehr als Hermann Göring. Wenn ich an Hitler denke, stell ich mir Rennie vor.‘“ Wenn King die politische Situation im Ort beschreiben will, greift er gern auf Personal und Schlagworte des Nationalsozialismus zurück. Treffend skizziert er so den faschistischen und diktatorischen Charakter des in der Kleinstadt sich etablierenden Systems. Dabei ist vor allem erschreckend, wie wenig Widerstand sich gegen die autoritäre Stadtleitung regt. Big Jim, der „Herrscher im Hintergrund“, resümiert: „Über The Mill zu herrschen war an gewöhnlichen Tagen gut, aber in Krisenzeiten war es besser als gut.“
Trotzdem bleibt auch die diktatorische Leitung der Stadt nicht vor der Katastrophe verschont. Big Jim, mit seinem „Leibwächter“ im örtlichen Atombunker verschanzt, wird von den Geistern, die er rief, bedroht. „Als zum zweiten Mal das Warnsignal ertönte, wusste Carter sofort, was es zu bedeuten hatte, obwohl er aus einem traumlosen Schlaf geweckt worden war. Weil ein Teil seines Ichs nicht mehr richtig schlafen würde, bis das hier vorbei oder er tot war. Das, so seine Vermutung, war der menschliche Überlebenstrieb: ein niemals schlafender Wachmann tief im Gehirn.“ Carter wird sich für sein eigenes Leben entscheiden und auch auf Big Jim keine Rücksicht nehmen. Die „Revolution frist ihre Kinder“.
Neben einer dramatischen und spannenden Handlung, die die autoritären Strukturen amerikanischer Kleinstädte thematisiert – und damit natürlich auch die Regierungszeit George W. Bushs – ist die „Kuppel“ auch ein kleines Klimamodell der Erde, was dem Leser geschickt nebenbei vermittelt wird. Es ist sicherlich kein Öko-Thriller, den Stephen King geschrieben hat, aber zwei der wichtigsten politischen und gesellschaftlichen Themen – Totalitarismus und Klimakatastrophe – werden anschaulich und in ihren letalen Konsequenzen beschrieben. Dass dabei das „Kuppelproblem“ ein wenig seltsam erklärt wird, stört nicht weiter und tritt in den Hintergrund. Eine Leseempfehlung kann man selbst dann aussprechen, wenn man kein Fan von Stephen Kings Büchern ist.
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