Von der Aufzucht der Ideen
Das Jahresheft "sushi" widmet sich dem Kreativ-Nachwuchs
Von Frank Müller
Das Haifischbecken Werbung wimmelt von Fressfeinden. Früh übt sich, wer nicht zwischen die Zähne geraten, sondern im Schwarm der Artgenossen mitschwimmen will. Die Rettungsweste im kreativen "survival of the fittest" heißt Selektion.
Das hat auch der Art Directors Club Deutschland (ADC) erkannt und präsentiert im Jahresheft "sushi" die im ADC-Nachwuchswettbewerb für preiswert befundenen Arbeiten. Mitmachen dürfen Diplomanden und Berufsanfänger aus den Bereichen Werbung, Grafikdesign, Fotografie, Film und Neue Medien. Als Belohnung lockt eine Reise zum "International Advertising Festival" nach Cannes.
Wer in "sushi" allerdings einen voyeuristischen Blick in das Krabbelzimmer der Kommunikationsbranche zu erheischen hofft, wird enttäuscht. Das Heft ist randvoll mit hochkarätigen Arbeiten, der Beifang erstaunlich gering. Noch dazu gedeihen diese in einem Milieu, das von Verwertungsinteressen weitgehend unbeeinflusst ist: in den Kreativ-Fachbereichen der Fachhochschulen und Universitäten.
Da gibt es zum Beispiel eine Werbekampagne für die Stille. Die Protagonisten sind Ohropax-Wachsobjekte in der Form der jeweiligen akustischen Quälgeister, vom Hund bis zum Kampfjet. Oder eine Werbung für Angelreisen. Da zum Angeln im wesentlichen zwei Dinge gehören - glückliche Männer und dicke Fische - sind hier wild gestikulierende Prominente abgebildet. Mit dem händeringend gezeigten Längenmaß demonstrieren sie angeblich die Größe ihrer schuppigen Jagdbeute.
Auch selbstironische Töne sind zu vernehmen: Die fiktive Partei "Advertising for better life" will alle Werbeversprechen wahr machen und entwirft eine Welt der weißesten Wäsche und der ewigen Schönheit. Womit sie freilich die bestehende Reklame als Weißwäscherei entlarvt.
Doch "sushi" gewährt nicht nur Einblick in die Sturm-und-Drang-Zeit der Jungwerber. Das Heft zeigt auch, welches Schicksal ihnen blüht, wenn sie mit einem Kreativ-Preis in der Hand in die raue Werbe-Welt hinauspaddeln. Darum gehört der zweite Teil des Jahrbuchs den Praxisarbeiten, die insgesamt glatter und weniger experimentell ausfallen - wie die auf Hochglanz polierten Deutsche-Bahn-Plakate aus dem Hause Jung von Matt.
Trotzdem gibt es wohl kaum einen Nachwuchs-Kreativen, der den ADC-Köder nicht dankbar schlucken würde. Denn wer den Sprung in eine der Agenturen nicht schafft, endet als Fischstäbchen.