Zeitlose Weiblichkeit
Caroline de la Motte Fouqué zur Stellung der Frau in der Gesellschaft
Von Rolf Löchel
Es ist das alte Lied, und die Klage darüber droht zur alten Leier zu werden. Doch es hilft nichts: Auch das Ehepaar de la Motte Fouqué spiegelt das Stereotyp des über sein Ableben hinaus erfolgreichen Autors und der vergessenen Schriftstellerin wieder. Ist Friedrich oder doch zumindest seine "Undine" (1811) nach wie vor populär, weiß man heute kaum noch, dass er verheiratet war und schon gar nicht, dass auch seine Frau Caroline eine seinerzeit durchaus nicht ganz erfolglose Autorin war, deren Œuvre immerhin über hundert belletristische sowie einige theoretische Werke umfasst.
An dem Missverhältnis des Bekanntheitsgrades der Eheleute werden wohl auch die im Olms Verlag auf mehrere Bände angelegte "[a]usgewählte[n] Werke" der Schriftstellerin wenig ändern können, deren dritter Band nunmehr vorliegt. Er enthält "Texte zur Stellung der Frau in der Gesellschaft, ihrer Erziehung und Bildung." Petra Kabus hat ihn herausgegeben und mit einer Einleitung versehen, in der sie die vielfältigen Fähigkeiten und Fertigkeiten de la Motte Fouqués hervorhebt, die nicht nur Gutsherrin und Schriftstellerin war, sondern auch in "erfolgreichen Geschäftsbeziehungen" stand und "sogar die Angelegenheiten ihres Mannes zu regeln versuchte".
Von den vier "umfangreiche[n]" und zahlreichen kleineren theoretischen Texten, welche die Schriftstellerin des angehenden 19. Jahrhunderts zum Thema weiblicher Bildung und Erziehung verfasst hat, enthält der vorliegende Band zwei längere - "Briefe über Zweck und Richtung weiblicher Bildung" (1811) und "Die Frauen in der Großen Welt. Bildungsbuch bei'm Eintritt in das gesellige Leben" (1826) - sowie einen kürzeren: "Ruf an die deutschen Frauen. Die Einnahme zum patriotischen Zwecke" (1813).
Im ersten der genannten Texte erörtert die Autorin die Frage, "ob Wissenschaft und Künste die Frauen auf der einfachen Bahn stiller Wirksamkeit sicher leiten oder gewaltsam darüber hinaustreiben" und findet die "weibliche Bestimmung" darin, "eins mit der Ordnung der Dinge" zu sein. Der Frauen Wesen solle die Liebe bleiben, ihr Schaffen "ewige Religionsausübung". In der Religion, so die Autorin weiter, "fühlen Frauen die Bedeutung der Welt", während die Ehe ihnen das "äußere Band" sei, das sie mit dieser Welt verbinde. "Wissenschaftliches Studium" müsse für Frauen hingegen "immerdar Stückwerk" bleiben. Denn der Leitfaden aller "weiblicher Tätigkeit" sei "überschwängliche Liebe" und deren Höchstes die Mutterliebe, der die Autorin nichts geringeres zuschreibt als "ewige Vermittlerin zwischen Gott und Welt" zu sein.
Das alles klingt für heutige, feministisch und gender-theoretisch belehrte Ohren ziemlich grässlich. Ebenso Motte Fouqués biologistische und essenzialistische Argumentationsweisen. Uninteressant sind ihre Texte dennoch nicht. Bewertet sie doch die 'weibliche Wesensart' und Daseinsweise ganz entgegen der Denkungsart der Zeit implizit höher als die der Männer. Denn Frauen sind dem Ganzen, dem Zeitlosen, dem Wesentlichen verbunden; Männer hingegen nur dem Kontingenten, Partiellen, Veränderlichen und Wechselhaften. Während diese "mit Blut und Eisen die Gränzen der Weltherrschaft ziehn", ist das Verhältnis der Frauen zur Welt "[v]on Nord zu Süd, von der Urzeit und dem Blüthenalter der Menschen bis zu unsern grübelnden, klügelnden Tagen" immer gleich geblieben. Zerbrechen die Taten der Männer "alte, werthgeachtete Formen", so bleibt sich "die Form weiblichen Schaffens und Wirkens weit über der Zeit und ihren wechselnden Erschütterungen hinaus" gleich. Das könnte man soweit noch für die wertneutrale Beschreibung zweier komplementärer Zugangsweisen zu Welt und Dasein halten. Dann jedoch heißt es ganz unmissverständlich: "Nichts steh[e] höher als die Natur, und diese spiegel[e] ihr göttliches Wesen unmittelbar in der Bestimmung der Frauen ab". So sei denn auch "das Erkennen des Unwandelbaren" Sache der Frauen, die zwar "still in ihrem Kreise verharr[t]en", doch "lieg[e] nichts außerhalb dieses Kreises, das seinem Wesen nach, wirklich und wahrhaftig" sei. Der "Zweck Männlichen Strebens" hingegen "zwing[e] den Knaben in begränzte Bahnen hinein". Und selbst noch die "großartigsten Gedanken" in der auf Staat und Vaterland begrenzten Welt des Mannes finde "ihren Quell in den frühesten natürlichen Verhältnissen des Menschen". Also in seiner - der Autorin zufolge ursprünglichen - Beziehung zur Mutter. Die Tätigkeiten und Daseinsweisen des Mannes sind also nicht nur geringer zu schätzen als die der Frauen, sondern ihre Herausbildung ist zudem von den Frauen als Müttern abhängig. Diese ihrerseits entwickeln und formen sich hingegen unabhängig vom männlichen Geschlecht. Denn "Mütter werden nur durch Mütter gebildet".
Das sind für die Zeit originelle Wertungen und Gedankengänge, die sicher nicht nur für GeschlechterforscherInnen von ideengeschichtlichem Interesse sind. Sie nun leichter zugänglich gemacht zu haben, darf sich der Olms Verlag als Verdienst anrechnen.
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