Leserbriefe zur Rezension
"Wir leben nicht in einem kritischen Zeitalter"
Ein Interview mit Claus-Steffen Mahnkopf
Von Christoph Schmitt-Maaß
Sven Siegmar Furkert schrieb uns am 12.10.2008 Grundsätzlich möchte ich Herrn Mahnkopf zustimmen, dass Kunst nicht einer Beliebigkeit anheim fallen sollte. Sie sollte sich immer im Rahmen dessen bewegen, was der Künstler, als sein Terrain an kontrollierter Freiheit definieren kann. Meine Befürchtung ist nur, dass Herr Mahnkopf den "mono-intentionalen" Zeiten der präindustriellen Gesellschaft hinterher trauert, wo das künstlerische Werk von seinem realen Kontext klar getrennt und das gestalterische, intentionale Moment, gänzlich dem Künstler zugeschrieben werden konnte. (Es offenbart sich im übrigen, in diesem Zusammenhang ein interessanter psychologischer Aspekt, dass mit einer solchen "Machteinbuße", die Kunst mehr zu ihrem weiblichen Grundcharakter zurückgeführt wird.) Die Trauer über diesen Verlust ist nachvollziehbar und ist Teil des postmodernen Schaffens, nur wird man in der von Herrn Mahnkopf postulierten "Moderne", nichts mehr davon zum Leben erwecken können. Verhält es sich denn nicht so, dass der eindimensionale Fokus auf jegliche Kunst im postmodernen Zeitalter komplett abhanden gekommen ist - das der Komponist, Maler, Schriftsteller etc., mehr Beobachter, mehr Reproduzierender, als wirklich schaffender Künstler ist. Nach welchem monokausalen Ideal setzt er jetzt seine Ordnung, nachdem "Gott tot ist"? Ist es nicht Zeit, sich vom Ideal des sich subjektivierenden, morphologisch gewachsenen "Kunstwerk" zu verabschieden. Sind die kinetische Kunst eines Calders oder das aton(ika)le in der Musik Schönbergs und das aleatorische Moment bei Joyce, nicht Beispiele und klare Zeichen für den Beginn einer solchen Entwicklung. Wo bleibt der realistische Ansatz eines Kunstwerks von heute, wenn man immernoch vom "Ich-Kontinuum" und der "reinen" Kunst des 19.Jahrhunderts ausgeht. Ist nicht ein Großteil des Schaffens von Debussy eher der Malerei zuzuordnen, welches sich neuer Impulse ausserhalb der "reinen" Musik bediente? Offengestanden fehlt mir bei Herrn Mahnkopf grundsätzlich die Bereitschaft, den Terminus "Musik" endlich auch diesem Lande, seinen institutionalen Nimbus zu entheben, zu entbürgerlichen und letztenendes auch an sich, in Frage zu stellen. Was Herr Mahnkopf als Winkelzüge des postmodernen Kunstbetriebs bezeichnet, ist meines Erachtens ein Versuch, dieses zu vollziehen. Arte povera, Land Art etc. Ich finde es traurig, dass die musikwissenschafliche Intelligenz in diesem Lande, dem bürgerlich-dekadenten Konzertbetrieb nichts entgegen zu setzen hat, ausser dabei in ihre "staubigen" Dogmen zu verfallen. Inwieweit ist der hiesige Klerus der Musikwissenschaft bereit, sich von der "heiligen Schrift" zu verabschieden. In diesem Sinne, ist mir die Kunst von heute am willkommensten, welche sich der satrischen Freiheit stellt und welche sich nicht scheut, am Nichts zu stehen. Il serait peut-être "presque rien". |