Paul Mittelsdorf schrieb uns am 28.01.2017
Thema: Jan Süselbeck: Falscher Prophet
Hallo, ich habe Literaturwissenschaften studiert und lese für mein Leben gern. Anfangs habe ich mich gefreut, Eure Seite entdeckt zu haben. Dann aber stieß ich auf jenen Trump-Artikel und nun reicht es mir schon wieder.
Bereits in den ersten beiden Absätzen des Artikels findet man so viele Widersprüche oder Behauptungen, daß man nur mit dem Kopf schütteln kann. Beispiel: Warum ist der Vorwurf an die Presse, eine "Lügenpresse" zu sein, "antidemokratisch"? Wird das Wort hier verwendet, weil es so schön böse klingt? Gerade die Freiheit, die Presse als "Lügenpresse" zu betiteln, gehört zur Demokratie. Außerdem haben die Leute, die das sagen, gute Gründe hierfür. Ich kann ihnen, wenn Sie darüber diskutieren möchte, aus dem Stegreif zwei nicht zu widerlegende Beispiele nennen, bei Interesse also melden.
Ebenso fragwürdig ist die Haltung des Autors zu Volksabstimmungen. Auch wenn diese knapp ausfallen, hat das Volk in der Mehrheit seine Meinung damit kundgetan. Also ist es auch rechtmäßig, hierbei vom Willen des Volkes zu reden. Dann schreibt er, dieser dulde dann keinen "Widerspruch" mehr. Das ist doch Unsinn. Auch in Großbritannien kann man über den Brexit diskutieren. Das ist nicht verboten. Was viele Gegner des Brexit allerdings nach dem Referendum anstrebten, war, dieses rückgängig zu machen. Das ist dann kein "Widerspruch" mehr, sondern ein aktives Infrage stellen der Volksabstimmung an sich. Das nenne ich demokratiefeindlich. Für den Autor aber ist das alles, warum auch immer "Forderungen nach einer autoritären Gesellschaft". Warum? Diejenigen, die die Volksabstimmung verteidigen, sind Vertreter einer "autoritären" Gesellschaft? Und diejenigen, die die Volksabstimmung anfechten, sind dann die Vertreter der Demokratie? Hat der Autor ein Problem mit dem Verständnis davon, was der Begriff "Demokratie" bedeutet? Aber das ist noch nicht alles. Es gelingt ihm auch noch, den Brexit als "absurd" und "menschenfeindlich" zu bezeichnen. Können Sie mir, da Sie ja diesen Artikel auf Ihrer Webseite veröffentlicht haben, sagen, was er damit meint? Und ob das ein Ansatz sein soll, eine Diskussion zu führen, oder "Brücken zu bauen", wie man so oft sagt? Der Autor spaltet und hetzt, daß es unerträglich ist. Niemand kann wissen, ob der Brexit gut oder schlecht für die Briten und für den Rest der EU ist, woher kommen also die prophetischen Anmaßungen? Sowohl Vertreter als auch Gegner des Brexit haben gute Gründe. Ich habe als Anhänger der ersteren Gruppe kein Problem damit, das zu sagen. Aber deutsche Kultur- und Politikredaktionen anscheinend schon.
Aber der Autor hat noch nicht genug. Immer noch nur innerhalb der ersten beiden Absätze gelingt es ihm auch noch, Trump zu unterstellen, daß sein "wütender Ruf" nach Meinungsfreiheit das Gegenteil möchte. Wieder: Nichts als eine Behauptung. Wahrscheinlich ist hier der Wunsch Vater des Gedankens.
Ich persönlich habe von der Hetze gegen Trump die Nase gestrichen voll. Wenn ich eine Literaturzeitung lese, dann erwarte ich gute Besprechungen literarischer Werke und keine Stellungnahmen zur Politik, jedenfalls dann nicht, wenn diese über das Niveau einer Hetzschrift nicht hinauskommen.
Viele Grüße,
Paul Mittelsdorf
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Redaktion literaturkritik.de schrieb uns am 29.01.2017 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Jan Süselbeck: Falscher Prophet
Sie werfen der Redaktion vor, diesen Artikel veröffentlicht zu haben? Das wollen wir hier nicht näher begründen. In jedem Fall entspricht das unserem Demokratie-Verständnis! Und darum veröffentlichen wir auch Ihren Leserbrief. Was in literaturkritik.de publiziert wird, deckt sich keineswegs immer mit den Meinungen der Redaktion. Und sogar innerhalb der Redaktion lassen wir unterschiedliche Auffassungen zu. Sich mit unseren Veröffentlichungen auseinanderzusetzen, sie zu rechtfertigen oder zu kritisieren, überlassen wir allerdings unseren Leserinnen und Lesern und mischen uns selbst nicht in Debatten darüber ein. Nur so viel zu demokratischen Wahlen: 1932 und 1933 fanden in Deutschland Wahlen statt, die die Abschaffung der Demokratie zur Folge hatten. Hoffen wir, dass sich in den U.S.A. nicht Ähnliches wiederholt!
Mit freundlichen Grüßen
die Redaktion
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Jan Süselbeck schrieb uns am 06.02.2017 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Jan Süselbeck: Falscher Prophet
Dazu vielleicht noch zwei neue Links.
Zunächst der wunderbare Alec Baldwin als Donald Trump, der jedem Weltpolitiker, den er anruft, sofort den Krieg erklärt und danach schnell auflegt. Das Erschreckende daran ist, dass sich diese Satire derzeit bereits nur noch graduell von den Tatsachen unterscheidet. Nicht einmal das Kostüm von Trumps Berater Steve Bannon ist besonders originell oder gar gewagt, da sich dieser bekanntlich bereits offen zu der ,dunklen Seite‘ bekannt hat und sich Darth Vader identifiziert.
Und dann noch dieser neue Artikel im Los Angeles Review of Books, der sich einmal mehr kritisch mit dem Für und Wider eines Vergleichs von Donald Trump mit Adolf Hitler auseinandersetzt (auch wenn darin behauptet wird, "SS" sei die Abkürzung für "Stoßtrupp Hitler" gewesen, recte: "Schutzstaffel"):
Against Normalization: The Lesson of the “Munich Post”
By Ron Rosenbaum
Beste Grüße,
Jan Süselbeck
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