Zum krönenden Abschluss der Frankfurter Buchmesse stand am Samstagabend ein ganz besonderes Highlight auf unserem Programm: Ein Abend mit Nino Haratischwili, zu dem uns die Frankfurter Verlagsanstalt eingeladen hatte. Zunächst erwartete uns eine Lesung und anschließend ein Essen mit der Autorin, ihrer Mutter Tamara und der FVA. Dieses Geschenk beglückte uns in höchstem Maße! Im Zuge unserer Brilka-Tour öffnen wir daher heute „Das achte Leben (Für Brilka)“ aus einer ganz besonderen Perspektive.
Doch der Weg bis dahin schien noch in weiter Ferne, als masuko und die Klappentexterin durch das Labyrinth der Messehallen irrten. „Wir müssen da lang.“ „Bist du dir sicher? Nicht lieber nach links?“ „Hmm, weiß nicht.“ So eilten wir mit schwirrenden, heißen Köpfen die langen Gänge entlang, die Sonne blinzelte um die Ecke und war Zeugin dieses wahnsinnigen Irrlaufes. Ein panischer Blick auf die Uhr verriet: Wir waren längst über der Zeit. Verdammt! Ein kurzer Anruf bei der Bücherliebhaberin: „Wir schaffen es nicht. Fahr du schon vor.“ Unser Weg sollte uns nach Offenbach führen. Dort würde Nino Haratischwili aus ihrem Buch „Das achte Leben (Für Brilka)“ lesen. Nein, das wollten wir nicht verpassen! Liebes Universum, bitte, bitte! Und in der Tat schafften wir es rechtzeitig zur Lesung im Hafen 2 in Offenbach. Die Bücherliebhaberin vertrat uns derweilen und nahm Tuchfüllung mit Nino und ihrer Mutter, die einen Einblick in den Literaturbetrieb bekommen wollte, auf. Als wir um 18 Uhr, nun komplett, im Saal saßen, ging ein Lächeln über unsere müden Gesichter. Jetzt waren wir wieder putzmunter, denn vor uns lag die erste Lesung mit Nino Haratischwili.
Die junge Autorin verströmte Ruhe und Stärke, als sie auf dem Podium saß, aus ihrem Buch las und selbst moderierte. Zum Beginn erzählte die gebürtige Georgierin von einem der anstoßenden Momente, der sie seinerzeit zum Buch geführt hatte. „Ich fragte mich, warum bestimmte und auch politische Dinge in Georgien und Russland immer wieder vorkamen. Und was das für ein Teufelskreis ist. Ich wollte den Ursprung kennen.“ Als Nino anfing über die Perestroika zu lesen, merkte sie schon bald, dass sie gar nichts verstand. Alles war sehr verwirrend und ineinander verwoben. So ist Nino weiter nach hinten gereist, bis sie bei der Oktoberrevolution ankam. „Erst da wurde mir klar, dass es ein ganzes Jahrhundert umfasst.“ Als sie das feststellte, steckte Nino aber schon mittendrin, war so mitgerissen von den Geschichten, dass sie sich dem Ganzen nicht mehr entziehen konnte. Bevor Nino aus ihrem Roman vorlas, gab sie dem Publikum darüber hinaus eine kleine Einführung zum Buch selbst. Und dann war er endlich da, der magische Moment des Lesens. Tiefe Stille legte sich über den Saal. Wen hätte das nicht beeindruckt, wie sie da saß!? Eine 30jährige Autorin mit kraftvoller Stimme und einer ganz unbefangenen Art. Nino las eindringlich, souverän und ohne einen einzigen Versprecher.
Nach der Lesung beantwortete Nino Fragen aus dem Publikum. Vier Jahre habe sie für das Buch gebraucht und viel Demut beim Schreiben erfahren, Wut über die geschichtlichen Ereignisse entdeckt und Respekt vor vielen Lebensläufen erhalten. Für uns hieß es danach: Ganz leise wie Katzen zum Ausgang zu schleichen, weil Verena Güntner nach Ninos Auftritt folgte und wir zu unserem Abendessen aufbrechen wollten. Draußen angekommen, standen wir alle beisammen und atmeten die kühle Herbstluft ein. Mitten im Gespräch passierte plötzlich etwas Unglaubliches: Wir entdecken das Grüne Haus aus dem Roman. Nun, eigentlich handelte es sich in Offenbach um einen Bauwagen, aber mit viel Fantasie sahen wir darin das bedeutende Grüne Haus. Das grüne Licht, das den Wagen anstrahlte, versetzte uns sofort in den Roman. Schöner kann ein Fotomotiv nicht sein, also liefen wir dort hin, bevor uns das Taxi zurück nach Frankfurt bringen sollte. Während wir durch das abendliche Frankfurt fuhren, erlebten wir ein Wunder. So fühlte sich all das an. Wir saßen bei der Autorin unseres Herzensbuches und sprachen schon bald über Bücher. Nadya Hartmann fragte: „Ihr seid die Fachfrauen. Welche Bücher sollte man in diesem Herbst lesen?“ So rauschten wir über Bücher plaudernd zum israelischen Restaurant „Carmel„. Die Kronleuchter verströmten eine glanzvolle Atmosphäre – diesem Abend sehr angemessen. Da saßen wir also, zunächst in die Karte vertieft, bald schon redend. Und natürlich von unserer Seite aus fragend. „Bist du die Einzige aus deiner Familie, die schreibt?“ Ja, das sei sie, antwortete Nino und erinnerte sich an ihre erste Geschichte, die sie mit acht Jahren geschrieben und erst kürzlich beim Aufräumen wiedergefunden habe. Darin ging es um ein Mädchen und einen Wolf.
Das war das Stichwort für masukos Frage, ob Nino schon immer Bücher mochte. Leidenschaftlich antwortet Nino mit Ja und dass sie als kleines Mädchen ganz besonders gern die Märchen von Andersen gelesen hätte. Beide sind sich einig, dass „Die Schneekönigin“ von ihm das schönste Märchen ist. Aber auch russische Märchen liebe sie sehr und natürlich auch die Romane von Alexander Wolkow. Tamara Haratischwili erzählte, dass Nino immer schon viel gelesen und geschrieben habe. Ihre Augen strahlten vor Stolz, als sie von Nino erzählte. Sie lebe ebenfalls in Deutschland, um in Ninos Nähe zu sein. Sie war es auch, die Nino angerufen hatte, als Nino mit ihrem Roman fertig wurde. Mitten in der Nacht bestaunten beide dieses besondere Ereignis. Dann interessierte uns sehr, ob denn nach der Beendigung des Romans die Figuren aus dem Kopf verschwinden würden. Nino überraschte damit, dass die Figuren weiterhin da sind und mit ihren eigenen Stimmen mit ihr reden würden. Eine eigene neue Geschichte für Brilka beispielsweise wird es aber nicht geben. Für Nino ist das Projekt „Das achte Leben“ beendet und sie möchte eher mit etwas ganz Neuem beginnen. Sie liebt Experimente, den Überraschungseffekt. Schließlich sind auch ihre ersten drei Romane voneinander grundverschieden. Doch es wird eine Weile dauern. Aber das ist uns egal. Wir warten sehnsüchtig auf neuen Lesestoff. Momentan wird ihr erster Roman „Juja“ ins Georgische übersetzt und Nino hofft, dass weitere Übersetzungen folgen werden. Irgendwann, so wünscht sie sich, möge auch „Das achte Leben“ in Georgisch vorliegen. Wir drücken die Daumen!
Bevor Nino zu einem wichtigen Treffen aufbrach, holten wir unsere Bücher aus den Taschen, bereit für eine Signatur.
Weitere euphorische Stimmen findet ihr bei Laura von aboutsomething, masuko13, SchöneSeiten und bei der Bibliophilin. Die Klappentexterin postete bereits zwei Beiträge, bevor sie überhaupt mit der Lektüre startete: zum einen eine Chronologie des Wartens und zum anderen ihren Startschuss zum Buch. Weitere Bloggerstimmen werden folgen …
Bücherliebhaberin, Klappentexterin und masuko
Klingt fast wie ein Drehbuch zu einem Film. Einem Film voller magischer Momente. Das all dies real passiert ist, kann ich noch immer kaum glauben. Aber die Fotos beweisen es wohl. Es hat stattgefunden. Schön ist es gewesen. Liebe Grüße!
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