Autor: stefanmesch

Writer. Book Critic. Journalist.

„September“ von Jean Mattern, bei Deutschlandradio Kultur

rezension 2016

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Am Mittwoch, 27. April, stelle ich Jean Matterns Roman „September“ vor: bei Deutschlandradio Kultur, im Magazin ‚Lesart‘, kurz nach 10 Uhr morgens.

Den Beitrag kann man anschließend als Stream und .mp3 nachhören (Link folgt)…

…und gegen Mittag erscheint auf der Deutschlandradio-Website auch eine begleitende, kurze Rezension von mir (Text, kein Audio: zum Lesen).

Schon jetzt, hier im Blog: ein etwas längerer, salopperer Text von mir zum Buch, seinen Stärken und Schwächen. Ich schreibe solche Texte vor all meinen Deutschlandradio-Beiträgen, als Anmerkung/Vorbereitung/Information an die Redaktion und den Moderator. Manchmal bleiben sie intern. Manchmal stelle ich sie in online, hier im Blog.

"September" von Jean Mattern, Deutsch im Berlin Verlag, 2016

„September“ von Jean Mattern, Deutsch im Berlin Verlag, 2016

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Briten trennen nicht nur zwischen Hoch- und Popkultur – high-brow und low-brow. Sie haben auch einen Begriff für eingängige, publikumswirksame… Bildungsbürger-light-Produkte: „middle-brow“. Leicht zu lesen, massentauglich, unterhaltend – doch mit einem gewissen Bildungs- und Belehrungs-Anspruch.

Beispiele sind für mich Isabel Allende, Florian Illies‘ ‚1913‘, Historienschmöker wie ‚Wasser für die Elefanten‘, ‚Alles Licht, das wir nicht sehen‘ und viele historische, unterhaltende Romane, die nicht bei Suhrkamp, sondern im (unterhaltenderen) Suhrkamp-Imprint ‚Insel Verlag‘ erscheinen: oft Zeitgeschichte, vermischt mit einer Romanze oder dem Schicksal eines Kindes. John Boynes Romane. Alles von Jean Echenoz. Michael Ondaatje. Historie trifft Gefühl.

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Jean Matterns „September“ ist ein prototypischer Middle-Brow-Roman:

150 Seiten. Überzeugendes Setting. Überzeugendes Cover. Eine Liebesgeschichte (eine schwule) vor einem Stück Zeitgeschichte (Olympia 1972, in München). Ein Buch, das in drei Stunden gelesen, verstanden, erledigt ist.

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Natürlich könnte man auch Dokus über das Geiseldrama von München sehen, oder Steven Spielbergs komplexeres Drama ‚Munich‘. Doch ich mag, wie emotional, intensiv, erklärend und häppchengroß gute Middle-Brow-Romane ein Stück Zeitgeschichte erfahrbar machen. Ich wusste fast nichts über die Spiele 1972 – und ich verstehe, warum Autor*innen Geschichte verständlich machen wollen, neu filtern durch die Perspektive interessanter Romanfiguren.

Eine erfundene Figur nimmt dich an die Hand.

Zeigt und erklärt dir ein Stück Welt.

Leicht verständlich, mit vielen Emotionen.

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Mattern, geboren 1968, sagt, sein Anreiz fürs Schreiben war, dass ihm sein Vater das Geiseldrama damals nicht erklären, begreifbar machen konnte. In meiner eigenen Kindheit sah ich viele Olympia-72-Memorabilien bei meinen Großeltern und Eltern (vor allem Trinkgläser mit Olympia-Motiven), meine Schwester wohnt heute neben dem Olympiapark – doch trotzdem wusste ich über die Geiselnahme nur, dass Israel damals irgendwie Ärger hatte… oder machte. Vom Versagen der Bayrischen Justiz z.B. erfuhr ich erst durch den Roman.

Die Romanze? Eine Art „Brokeback Mountain“/amor fou zwischen Sam, einem forschen, jüdisch-amerikanischen Reporter (geboren in Südafrika) und dem Ich-Erzähler Sebastian, einem 30jährigen Briten mit Frau und Kind – erzählt über zwei Wochen im August und September 1972.

„Jean Mattern hat das fürchterliche Drama des 5. September minutiös recherchiert und erzählt es in diesem raffinierten Roman, wie es noch nie erzählt worden ist“ …schwärmt der Klappentext…

…und lügt.

„Raffiniert“?

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Sprache: Mattern benutzt eine simple, klare Sprache. Alles wird übergenau erklärt, offen ausgesprochen – und zu oft werden Dinge nur behauptet: Sebastian berichtet von einem „charmanten“ und „witzigen“ Gespräch, doch nirgendwo im Dialog gelingt Mattern Witz oder Charme. Im ersten Drittel des Romans dachte ich: Das erinnert an japanische Literatur. Ein steifer Ich-Erzähler voller mühsam zurückgehaltener Emotion – und vermeintlich einfache Sätze, unter denen Gefühle brodeln.

Doch an zu vielen Stellen rollte ich die Augen: Holzhammer-Sätze, kunstlose Behauptungen, plumpes Tell-statt-Show, eine Menge Stilblüten und unbeholfene Gefühls-Beteuerungen.

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Thema: Ein Freund, der an einem Drehbuch über die Geiselnahme schreibt, sagte, ihm erschien Matterns Version „gewissenhaft, aber uninspiriert aus den üblichen Quellen zusammengeschrieben“ – und ich verstehe den Eindruck: Beide Figuren beteuern immer wieder, wie ergriffen oder durcheinander sie sind, doch tatsächlich lesen sich die meisten Passagen wie ein Wikipedia-Eintrag. Das Buch macht Zeit und Stimmung nicht lebendig – vor allem, weil der Erzähler so steif und trocken, seine Sprache so künstlich wirkt.

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Figurenpsychologie: Sebastian traut sich recht schnell, auszusprechen/sich vor sich selbst einzugestehen, dass er sich – offenbar zum ersten Mal im Leben – in einen Mann verliebt hat. Doch außer dauernden Beteuerungen, dass er sich hingezogen fühlt, zu Sams ‚großen schwarzen Augen‘ usw. und er irrsinnig aufgeregt/erregt ist… fehlt jeder Tiefgang, jeder Versuch, das – psychologisch, sozial, persönlich – irgendwie weiterzudenken: Die Verliebtheit wirkt eher wie eine heftige allergische/körperliche Reaktion. „September“ ist kein tiefsinniges schwules Buch, kein sexy Buch, kein wirklich romantisches Buch. Ein Ich-Erzähler sagt pausenlos „Uiuiui: Mich hat’s ganz schön erwischt“ – doch dieses Eingeständnis bleibt hohl und leer, und der geliebte Sam ein recht gesichtsloses, ungefähres Gegenüber.

[So ähnlich betont Sebastian die ganze Zeit, dass er durch seine Arbeit zur Geiselnahme ‚fast berühmt‘ wurde – doch nichts, was er im Buch tut, wirkt besonders mutig, engagiert oder journalistisch glaubwürdig: Er trottet die meiste Zeit schwer verliebt zwischen den Sportstätten und dem Pressezentrum hin und her und hofft, dass Sam spontan Zeit hat, mit ihm ein Bier zu trinken.]

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„September“ ist kein Buch, das EINEN fatalen Fehler macht. Doch alles wirkt ein wenig zu flach, etwas zu kurz gedacht, zusammengelesen; Mattern nimmt die erstbeste Formulierung oder verlässt sich auf Beteuerungen. Auf 150 Seiten wirkt all das sehr dünn – und ich bin froh, wie viele Facebook-Freunde sagten, auch sie seien von der Lektüre enttäuscht: Als Literaturkritiker habe ich Angst, dass solche kurzen, gut gemeinten Häppchen-Bücher und Middle-Brow-Harmlosigkeiten fast jedem genug sind. Doch auch die Sehr-viel-Gut-Finder in meinem Freundeskreis sagten: DAS war zu wenig. Hier fehlt Substanz.

Mattern betont über das ganze Buch hinweg immer wieder, wie wichtig es den Münchnern war – besonders auch: nach der Berliner Olympiade 1936 – als harmlos, heiter, professionell und perfekt organisiert wahrgenommen zu werden und, dass die Geiselnahme eher als Störung/Ärgernis begriffen wurde. Doch beide Journalisten-Figuren in „September“ sind fassungslose Zuschauer, weit weg und ohne intelligente oder besonders komplexe Standpunkte zu den Ereignissen: Brite Sebastian ist durcheinander, Jude Sam wütend, und beide unzufrieden mit der Art, wie das Live-TV und die deutschen Organisatoren kommunizieren: Die offizielle Berichterstattung wirkt selbstverliebt und dilettantisch, bayrisch-provinziell; bis auf Innenminister Genscher, dessen Engagement und Mut das Buch mehrmals betont.

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Mit 14 sah ich „Titanic“ im Kino. Die Liebesgeschichte, die soziale Kluft zwischen den Figuren, das Innenleben des Schiffs… nach sicher 90 Minuten dachte ich: „Wow. Selbst, wenn gar kein Eisberg mehr kommen würde – DAS ist ein gelungener Film.“ Middle-Brow funktioniert, wenn BEIDES interessant ist: die einfachen Menschen mit ihren Gefühlen… UND die historischen Umstände, in denen sie sich finden. „September“ scheitert, weil bei Mattern beide Ebenen – und ihre Verknüpfung – simpel, kunstlos bleiben: ein farblos-fader Brite, behauptet verliebt, steht teilnahmslos neben einer farblos-fade nacherzählten Geiselnahme.

Und: ein bisexueller Mann, der jung Vater wird, sich 1972 zum ersten Mal in einen Mann verliebt… und 2012 (in einer Rahmenhandlung im Buch) nur sagt „Ich bin verheiratet. War 40 Jahre lang sehr angesehener Journalist. Vor einigen Jahren starb meine Tochter. Das war mein Leben“…?

Ich glaube, eine reale Figur mit *diesen* biografischen Eckpunkten hat eine interessantere, komplexere Psychologie und hätte mehr Dinge zu sagen – z.B. auch über die AIDS-Krise der 80er Jahre und über die Art, wie Live-Berichterstattung unsere Wahrnehmung von Katastrophen bis heute immer mehr verändert.

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Zu kurz gedacht. Zu knapp, lieblos erzählt. In jeder Hinsicht: zu wenig.

Jean Mattern: „September“. Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller. 160 Seiten, Berlin Verlag 2016.

Lyrik: „Buntes Wasser“, Stefan Mesch

poesie statt tatort

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Ich bin kein Lyriker. Doch ich mag Textcollagen, -montagen, Rhythmus.

Jeden Sonntag Abend, zur „Tatort“-Zeit, veröffentlicht das Online-Magazin „ZurQuelle“ junge Lyrik: die Reihe „Poesie statt Tatort“ will „Sonntage poetisieren: hübsche Poesie statt mittelmäßigem Tatort“.

Letzten Sonntag wurde mein Text veröffentlicht – Link hier.

Ich habe Titel von „Tatort“-Episoden montiert, zu einer Liste/Collage. „Tatort“-Lyrik – statt „Lyrik statt Tatort“:

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Buntes Wasser

Stefan Mesch

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Atlantis, Bermuda, Manila

Harte Hunde, Krumme Hunde, Schlafende Hunde, Fette Hunde, Fette Krieger

Kopfgeld, Blutgeld, Schweinegeld

Kindergeld, Weihnachtsgeld, Schweigegeld, Schmerzensgeld

Geld für den Griechen, Geld oder Leben

Zweierlei Knoten, Zweierlei Blut, Im Schmerz geboren, Telefongeld.

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Der King, Der Boss, Das Mädchen Galina

Drei Affen, Drei Schlingen, Dagoberts Neffen

Franziska, Pauline, Scheherazade, Leyla, Tini, Rikki, Marion, Miriam, Zabou

Veras Waffen, Katjas Schweigen, Wie einst Lilly, Peggy hat Angst

Schöne Belinda, Rosen für Nadja, Maria im Elend, Arme Püppi

Laura mein Engel, Renis Tod, Frau Bu lacht, Alibi für Amelie, Happy Birthday, Sarah.

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Das namenlose Mädchen, Der Name der Orchidee

Taxi nach Leipzig, Quartett in Leipzig, Einsatz in Leipzig, Zwei Flugkarten nach Rio

Alles Palermo, Flucht nach Miami, Frankfurt-Miami, Und dahinter liegt New York

Blüten aus Werder, Stuttgarter Blüten, Gebrochene Blüten, Blütenträume

Usambraveilchen, Berliner Bärchen, Lastrumer Mischung, Zürcher Früchte

Bittere Mandeln, Flieder für Jaczek, Viktualienmarkt.

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Passion, Alter Ego, Der Traum von der Au

Die Feigheit des Löwen, Die Sonne stirbt wie ein Tier

Silberstreifen, Salzleiche, Wolfsstunde, Wegwerfmädchen, Baum der Erlösung, Summ, Summ, Summ

Rabenherz, Krokodilwächter, Schwarze Tiger, weiße Löwen, Leiden wie ein Tier

Kolportage, Deserteure, Erkläre Chimäre

Das Zittern der Tenöre, …und die Musi spielt dazu.

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Blindekuh, Doppelspiel, Todesspiel, Bauernopfer

Kinderspiel, Herz-As, Schattenboxen, Schwarzer Peter

Herrenboxen, Spiel mit Karten, Superzwölfer, Spiel auf Zeit

Roulette mit 6 Kugeln, Spiel mit dem Feuer

Gegenspieler, Schiffe versenken, Häschen in der Grube

Kollaps, Blackout, Ohnmacht, Absturz, Kassensturz, Zahltag, Fluppys Masche.

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Der schwarze Engel, Gefallene Engel, Todesengel, Racheengel, Engel der Nacht

Der Teufel, Feuerteufel, Der Teufel vom Berg, Teufelskreis, Teufel im Leib

Kainsmale, Fegefeuer, Exitus, Requiem, Schwarzer Advent, Die apokalyptischen Reiter

Martinsfeuer, Paradies, Ihr Kinderlein kommet, Im Namen des Vaters

Feuertaufe, Kalter Engel, Ihr werdet gerichtet

Himmelfahrt, Höllenfahrt, Blechschaden, Engelchen flieg, Heilig Blut.

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Verdammt, Verbrannt, Verfolgt, Vermisst, Verschleppt

Märchenwald, Rotkäppchen, Pechmarie

Herzjagd, Jagdzeit, Bluthochzeit, Schattenhochzeit, Spargelzeit, Im Herzen Eiszeit, Kaltes Herz

Kopflos, Schutzlos, Schwerelos, Ausweglos, Schattenlos, Schuldlos schuldig

Angezählt, Ausgelöscht, Platt gemacht, Abgezockt, Ausgeklinkt, Ausgespielt

Ätzend, Unvergessen, Unbestechlich, Allmächtig, Benutzt.

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Neuland, Freigang, Mauerpark

Starkbier, Schußfahrt, Kurzschluß, Zweikampf, Nachtfrost, Spätschicht, Schwelbrand, Strandgut

Blutwurstwalzer, Stahlwalzer, Totentanz, Hexentanz, Freddy tanzt, Tanz auf dem Stahlseil

Freischwimmer, Todesbrücke, Jagdrevier, Spätlese, Reifezeugnis, Blechschaden, Gier, Gift, Müll

Wenn Frauen Austern essen, Die Liebe der Schlachter, Wir sind die Guten

Aida, Ein Sommernachtstraum, Hitchcock und Frau Wernicke, Romeo und Julia.

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Stefan Mesch, geboren 1983 in Sinsheim (Baden), lebt bei Heidelberg und in Berlin. Er veröffentlichte u.a. in BELLA triste, EDIT, Am Erker, studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim, schreibt über Literatur bei ZEIT Online, Deutschlandradio Kultur, Der Freitag und über Graphic Novels im Berliner Tagesspiegel.

zu Lyrik:

schwule deutsche Literatur, schwule deutschsprachige Autoren

schwule Literatur, deutschsprachig

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Einmal pro Monat suche ich 20 neue oder unbekannte Bücher aus einem Themenfeld oder Genre.

Queere US-Autor*innen – auch Jugendbücher, Graphic Novels – sind leicht zu finden:

Doch schon seit Januar suche ich nach deutschsprachiger Literatur – mit schwulen Themen oder Figuren.

…und finde kaum etwas.

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Statt – wie bisher – 150 bis 300 Bücher zu jedem Thema anzulesen, dabei meine 20, 25 Favoriten zu finden (und die anderen Titel der Vorauswahl zu ignorieren/nicht weiter zu erwähnen, hier im Blog)…

…habe ich bei deutschsprachiger schwuler/queerer Literatur schon Mühe, überhaupt 50 bis 60 literarische Titel zu finden – und viele von ihnen sind verlagsvergriffen/nur noch antiquarisch erhältlich, oder haben keine Online-Leseprobe. Deshalb diesen Monat: keine Auswahl meiner Favoriten. Sondern eine allgemeinere, viel unkritischere Übersicht:

Bücher seit den ca. 70er Jahren, erschienen auf Deutsch, mit wichtigen schwulen Figuren oder Bezügen.

[Einige Autoren sind bi- oder heterosexuell. Andere machen keine Angaben. Insgesamt wird recht wenig über eigene Homo- (oder Hetero-)sexualität gesprochen, im Vergleich zu US-Autor*innen.]

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gelesen und gemocht:

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schwule literatur hubert fichte joachim helfer christian kracht.

  • Hubert Fichte: intelligente, autobiografische, oft wagemutig montierte, avantgardistische Hamburg-Romane über das Erwachsenwerden kurz nach dem zweiten Weltkrieg. „Die Palette“ ist am bekanntesten, mein Favorit ist „Detlefs Imitationen: Grünspan“; Fichtes Debüt „Das Waisenhaus“ erzählt von seiner unglücklichen Kindheit. Einer meiner deutschsprachigen Lieblingsautoren. Manchmal sperrig – aber immer klug, dicht, lebendig.
  • Joachim Helfer: Ein schwuler deutscher Autor und ein heterosexueller Kollege aus dem Libanon schreiben über Homosexualität und die arabische Welt. Beide versuchen sich an Theorien, Urteilen, Psychologisierungen – und hauen oft schlimm daneben: kein kluges Buch. Aber eins, dessen – oft viel zu pauschale – Aussagen mich staunen, schaudern, lachen und in viele Richtungen neu denken ließen.
  • Christian Kracht: Die Hauptfigur aus „Faserland“ wird oft als schwul/bisexuell interpretiert. Die Hauptfiguren aus „1979“ (für mich: der bessere, weil überraschendere, wildere Roman) sind offen schwul. In beiden Büchern ist Homosexualität eher eine bittere Pointe/Schrulle – kein Schwerpunkt, und nicht besonders klug oder komplex thematisiert. Trotzdem: lesenswerte Bücher – über interessante-aber-absurde reiche Schnösel.

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deutsche schwule literatur, Matthias Hirth, Kristof Magnusson, Max Goldt

  • Matthias Hirth: gerade gelesen. Rezension: kommt! 736 aufregende, intelligente, oft aber etwas schwerfällig-theoretisierende Seiten über Macht, Autonomie, schwule und queere Hookups, Intimität, Pornografie. Ein schwerer Brocken – den ich empfehle.
  • Kristof Magnusson: Sein Debüt „Zuhause“ las ich 2006. Rezension hier. Das Buch hat Kanten, Schwächen, einige dramaturgische Hänger – doch ich halte viel von Magnusson… und seinen Figuren [mehr im Link]. Auch eine der drei Haupftiguren aus Magnussons zweitem Roman, „Das war ich nicht“, ist schwul – doch kam mir nicht besonders nahe.
  • Max Goldt ist ein großartiger Kolumnist (und Moralist), schwul… doch spricht/schreibt kaum darüber. Einer der Autoren, die ich am häufigsten verschenke. Nur „schwule Literatur“ wollen seine Bücher (und Comics) nicht sein: Dazu fehlt Tiefgang, Perspektive.

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weitere Bücher und Autoren:

deutsche schwule literatur, hans pleschinski, alain claude sulzer, christoph geiser

  • Hans Pleschinksi
  • Alain Claude Sulzer
  • Christoph Geiser

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schwule literatur poschenrieder tim staffel fabian hischmann

  • Christoph Poschenrieder
  • Tim Staffel [„Rauhfaser“ gelesen: hat seine Momente – aber auch viele Popliteratur-Klischees]
  • Fabian Hischmann (bisher nur „Am Ende schmeißen wir mit Gold“)

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schwule literatur arnold stadler josef winkler michael roes

  • Arnold Stadler (…nur „Komm, gehen wir“?)
  • Josef Winkler
  • Michael Roes

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schwule literatur yesilöz bittner kirchhoff

  • Yusuf Yesilöz (…nur „Hochzeitsflug“?)
  • Karl Heinz Bittel (…nur „Eine Art Verrat“?)
  • Bodo Kirchhoff (nur „Eros und Asche“!)

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deutsche schwule literatur, Hans Scherer, J. Walther, Roland M. Schernikau

  • Hans Scherer
  • Jan Walther
  • Ronald M. Schernikau

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deutschsprachige schwule literatur, Philipp Tingler, Gunther Geltinger, Jürgen Bauer

  • Philipp Tingler [keine Empfehlung!]
  • Gunther Geltinger
  • Jürgen Bauer (…nur „Das Fenster zur Welt“?)

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deutsche schwule literatur, Sacha Sperling, Simon Froehling, Jannis Plastargias

  • Sacha Sperling (…nur „Ich dich auch nicht“?)
  • Simon Froehling (…nur „Lange Nächte Tag“?)
  • Jannis Plastargias

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deutsche schwule literatur, reiner schürmann, hans mayer, joachim campe

  • Reiner Schürmann
  • Hans Mayer
  • Joachim Campe [Anthologie, vergriffen]

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Sachbücher/Memoirs:

schwule sachbücher, marko martin, daniel schreiber, mario wirz

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neu erschienen, Unterhaltung:

schwule neue bücher, Tobias Rebisch, Julian Mars, Volker Surmann

  • Julian Mars
  • Volker Surmann
  • Tobias Rebisch

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Jugendbücher (…die mich nicht überzeugten:)

schwule jugendbücher andreas steinhöfel günter ohnemus vera kissel

  • Andreas Steinhöfel
  • Günter Ohnemus (…nur „Alles, was du versäumt hast“: Hauptfigur hat queere Eltern)
  • Vera Kissel (…nur „Was die Welle nahm“: Hauptfigur hat toten, schwulen Vater)
  • Wolfgang Herrndorfs „Tschick“ ist empfehlenswert, doch Homosexualität völlig nebensächlich.

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Tagebücher und queere Sachtexte:

deutsche schwule Biographien, Tagebücher, Erinnerungen Fritz J. Raddatz, Rosa von Praunheim, Roland M. Schernikau Matthias Frings, Martin Büsser

  • Fritz J. Raddatz
  • Rosa von Praunheim
  • Matthias Frings‘ Biografie Ronald M. Schernikaus
  • Martin Büsser (Musikjournalist: Texte über Musik und Politik)

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deutsche Graphic Novels:

deutsche schwule und queere Graphic Novels Martin Büsser, Martina Schradi, Ralf König

  • Martin Büsser: „Der Junge von Nebenan“ – sehr kurz, skizzenhaft, lapidar: keine Empfehlung
  • Martina Schradi: „Ach, so ist das?!“ – sympathische, aber klar didaktische Edutaiment-Comics, die Vorurteile abbauen sollen.
  • Ralf König

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deutsche Geschichte:

deutsche Geschichte der Homosexualität, Heinz Heger, Lutz van Dijk, Wolfgang Ehmer

  • Heinz Heger – über die Schwulenverfolgung und -morde der Nazis
  • Lutz van Dijk – über eine Liebe im zweiten Weltkrieg
  • Wolfgang Ehmer – über Strafverfolgungen Homosexueller in den 50er Jahren

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Literatur bis in die 60er Jahre ist oft bekannter: Thomas Bernhard, Hans Henny Jahnn, Klaus Mann, Thomas Mann, Hermann Hesse, Christopher Isherwood, Stefan George, Joseph Breitbach, Wolfgang Koeppen. […mehr auch hier, Link.]

Freundin E. suchte für ihre Magisterarbeit nach Romanen mit schwulen Figuren. Ihre Liste: Joachim Helfer: Cohn & König, PatMcCraw: Duocarns-Reihe, Kristof Magnusson: Zuhause, Jan Walther: Im Zimmer wird es still, Peter Nathschläger: Im Palastdes schönen Schmetterlings, Jan Stressenreuter: Haus voller Wolken, Christoph Wildt: Anleitung zum Mord, Wolfgang Koeppen; Tod in Rom, Joseph Breitbach: Bericht über Bruno, Petra Morsbach: Der Cembalospieler, Juan Santiago/Celine Blue: Schattenspiele, Albert Rausch: Jonathan, Steffen Marciniak: Hylas, Christian Kracht: 1979; Freund C. empfiehlt „Barfuß als Prinz“ von Knut Koch; Freundin A. empfiehlt Michael Sollarz; Freund K. „Ein gutes Leben ist die beste Antwort“ von Friedrich Dönhoff und „Der Friseur“ von Christian Schünemann; Freundin K. das Programm des Konkursbuch Verlags. Vielen Dank!

An „Gay Romances“ und M/M-Liebesromanen habe ich kein Interesse.

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schwule Verlage: Querverlag  |  Männerschwarm  |  Bruno Gmünder

schwule Buchhandlungen: Löwenherz (Wien)  |  Eisenherz (Berlin)

schwule Literatur …bei Queer.de  |  …im Blog SchwuleLiteratur.de

tägliche Presseschau über Artikel mit LGBTQ-Thematik: lsvd.de

…und: das Beratungszentrum Sub München (Link) hat eine recht gut sortierte öffentliche Bibliothek.

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zehn persönliche Favoriten (nicht-deutsch, gelesen, sehr zu empfehlen):

Fun Home. A Family Tragicomic: Eine Familie von Gezeichneten Two Boys Kissing The Amazing Adventures of Kavalier & Clay Ask the Passengers The Vast Fields of Ordinary

Stuck Rubber Baby The Lost Language Of Cranes Pedro and Me: Friendship, Loss, and What I Learned This Book Is Gay Natural Order

Batman v. Superman: Dawn of Justice – 100 Probleme, Fragen, Theorien

batman v Superman wordpress

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Im Dezember sah ich „Star Wars: Das Erwachen der Macht“. Notierte mir im Lauf des Films Ideen, Theorien, Probleme – und stellte die Liste ins Netz. Ich bin Kritiker… und schreibe meist kurze, sorgfältige Texte. Bei Blockbustern aber macht mir Spaß, schnell über alle Details und Kleinigkeiten zu bloggen:

Ich liebe Superman (und Lois Lane). Ich mag Batman. Seit 2008 lese und rezensiere ich Heldencomics. Mein Bauch, mein Herz hatten im Kino heute nicht viel zu tun. Mein Kopf aber? Sehr viel!

Kein guter Film.

Aber interessante Fragen:

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01_Sehen oder nicht? Nicht sehen.

02_In einem Satz: Freudlose, schleppende, an vielen Stellen unnötig garstige Standard-Episode über misstrauische, gewaltverliebte, oft überraschend inkompetente Grummel- und Prügel-Boys.

03_Das größte Problem: Ein Plot, der nur funktioniert, weil Figuren zu wenig miteinander sprechen, sich unnötig streiten, Probleme dem Zufall überlassen…

04_Niemand gewinnt. Keiner der beiden Helden wird als klarer Favorit inszeniert.

05_Das freut mich; weil in den Comics Batman fast immer über alles triumphiert: Ich fürchtete, dass „Batman v. Superman“ einen sehr fähigen Batman zeigt – gegen einen enttäuschend naiven, dummen oder weinerlichen Superman, den wir auslachen oder verachten sollen.

06_Beide Helden haben ausreichend Szenen, Fokus. Batman ist öfter Perspektivträger. Doch für mich stimmt die Balance.

07_Niemand muss die Figuren vorher kennen. Auch „Man of Steel“, den Superman-Film von 2013, muss man nicht vorbereitend sehen. Es gibt eine Handvoll Anspielungen für Comic-Fans. Doch keine wichtigen Easter Eggs, kaum Fanservice, nichts Komplexes oder Raffiniertes. Alles bleibt einfach, zugänglich, selbsterklärend

08_ …doch dafür auch recht seicht: Wer Christopher Nolans Batman-Trilogie mochte, darf keine Fortsetzung erwarten. Der Film ist etwa so klug, erwachsen, kunstvoll, doppelbödig wie „Independence Day“, „Iron Man 2“, „Spider-Man 3“. Nicht völlig blöd. Doch auf eine altmodische Art und Weise unterkomplex, oberflächlich, ohne tieferes Thema. Ein Blockbuster, den jeder 13jährige versteht. Doch der jeden über 13 auf allen Levels – Figuren, Plot, Thema – oft langweilt.

09_Es gibt keine Szene, von der ich denke: Noch in zehn, zwanzig Jahren wird dieser Moment parodiert, zitiert, erinnert werden. Keine Highlights. Doch auch keine Tiefpunkte, Ausreißer.

10_Es gibt keinen Grund, den Film einem breitem Publikum zu empfehlen: „The Dark Knight“ war tiefsinnig, atmosphärisch – egal, was man von Batman hält. „Iron Man 3“ hatte überraschend viel Witz, Herz, Tempo – süffiger Spaß. Doch wer Batman oder Superman nicht mag, kann sich das Geld sparen: Er verpasst nichts. 3 von 5 Sternen.

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ab hier: Spoiler. Details aus der Handlung.

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11_Der Film spielt im November, rund um den mexikanischen Dios de Muertos, 18 Monate nach „Man of Steel“ (2013). Er sollte ca. zwei Jahre nach „Man of Steel“ Premiere feiern – wurde aber auf 2016 verschoben.

12_Ich mag, dass 18 Monate nicht reichten, damit „die Menschheit“ entscheidet, wie sie zu Superman steht: Es gibt eine Statue in Metropolis (die mir besser gefällt als die Adler-Statue in den Comics). Es gibt Anhörungen, PEGIDA-artige Proteste, Experten im TV (und den erfundenen Hashtag #alienamongus): Superman wird als Paradigmenwechsel verstanden, so wichtig wie die kopernikanische Wende. (Gut!)

13_Dabei wirken Bürger und Politiker zwar überfordert, aber nicht – wie in vielen Marvel-Filmen – dümmlich, hasserfüllt, leicht zu verblenden. Auch freut mich, dass das Militär keine große Rolle spielt: endlich mal keine bösen Generäle – oder Regierungsprojekte, die außer Kontrolle geraten.

14_Trotzdem hätte ich gern kompetente staatliche Anti-Superhelden-Experten wie Amanda Waller gehört… und war überrascht, dass weder Lex noch Batman, sobald sie Superman via Kryptonit aufhalten wollen, (geheime) staatliche Unterstützung angeboten wird.

15_Der Film beginnt mit Herbstlaub… das aber motivisch keine große Rolle spielt. In einer (recht albernen, sinnlosen) Traumsequenz schwebt der junge Bruce Wayne zwischen Fledermäusen hoch ans Licht. Am Ende des Films schweben ein paar Brocken Erde. Lois Lane hat eine frühe Szene in der Badewanne – und ertrinkt im Finale fast in einer gefluteten Grube. Es gibt ein halbes Dutzend solcher oberflächlicher Bookends, Motivketten, Foreshadowings – die aber für nichts Größeres stehen. Warum Laub? Warum Wasser? Warum Schweben?

16_Solides 3D. Solide deutsche Übersetzung.

17_Aus zwei Gründen hätte ich gern trotzdem die US-Version gesehen: Wie klingt Wonder Womans (’südeuropäischer‘, ‚Mittelmeer-‚) Akzent – griechisch, türkisch, spanisch? Und: Wenn sich die Helden als ‚kriminell‘ beschimpfen – meinen sie ‚Criminal‘, oder (sinnvoller) ‚Vigilante‘?

18_Bruce benutzt ein Mikro, um als Batman seine Stimme zu verzerren. Freunde sagen, auch Oliver Queen in „Arrow“ macht das so. Gefällt mir besser als das alberne Stimmen-Verstellen in Christopher Nolans Filmen.

19_In vielen Batman-Comics sah Bruce mit seinen Eltern „Zorro“, bevor sie vor dem Kino von einem Kleingangster erschossen wurden. Hier schauen die Waynes „Excalibur“ (1981) – einen Film über Helden, die an König Arthurs Tafelrunde zusammenkommen. Ben Affleck war 1981 neun Jahre alt. [Edit: „Excalibur“ wird an der Kino-Fassade mit „Coming Soon“ angekündigt. Dann doch „Zorro“?]

20_Ich mag, wie ungepflegt Friedhof und Familiengruft der Waynes sind – sicher auch, weil Alfred Besseres zu tun hat, als zu gärtnern und zu putzen. Und mir gefällt, dass Wayne Manor ausbrannte: Im Film ist Batman seit 20 Jahren aktiv. Offenbar ist viel passiert.

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21_Alexander „Lex“ Luthors Vater stammt aus der DDR? Mich überrascht, wie schnell es die Familie in den USA zu Geld brachte. Und ich kenne keinen Ostdeutschen, der SED-Politiker „Tyrannen“ nennen würde: „Tyrann“ wirkt auf mich drei Nummern zu groß.

22_Dass der Kampf zwischen Superman und Zod das Zentrum von Metropolis zerstörte, ist Thema. Doch dass Superman Zod 2013 das Genick brach, stört niemanden – auch nicht Clark, Lois, Martha Kent: Als Superman-Fan enttäuschte mich, dass Clark 2013 tötete. Ich hoffte, dass „Batman v. Superman“ das zur wichtigen Frage macht: Was wird aus Helden, die töten?

23_Nach 9/11 war die Südspitze Manhattans ein Trümmerfeld – jahrelang. Ich weiß nicht, warum „Batman v. Superman“ keine Trümmer, Baukräne, Brachflächen im Stadtbild Metropolis‘ zeigt. Die Gedenkstätte gefällt mir [und ich frage mich, ob viele Namen der Opfer Anspielungen, Zitate sind]. Auch die zweite Gedenkstätte, am Ende des Films, passt [„If you seek his memorial, look around you.“]…

24_…trotzdem bleiben Gotham und Metropolis ohne Charakter: In den Comics ist Metropolis oft eine helle, leicht futuristische Ideal-Version von New York (am Tag), Gotham City eine düstere, verdreckte, aber mit Art-Deco-Architektur und Luftschiffen dekorierte Alptraum-Version von New York (in der Nacht). Die Städte liegen eine Zug- oder Autofahrt auseinander – und recht nah an New York: Manchmal wird NYC in den Comics „Cinderella City“ genannt, Metropolis und Gotham die „Stepsisters“.

25_Nie aber sah ich im Kino ein lieb- und charakterloseres Gotham City. „Seit wann ist Gotham das New Jersey von Metropolis?“, fragt ein Facebook-Freund. Und: Obwohl man Gotham von Metropolis aus sieht, hat Superman dort nie geholfen? Warum weiß er so wenig über Bruce – und Batman? Die beiden sahen bisher sich nie? Absurd.

26_Alfred (Jeremy Irons) kommt bei Kritikern irritierend gut an: Ich mag Irons, doch die Rolle bleibt so klein und undankbar – ich sehe keinen besonderen Reiz. Ich mag, dass sich Bruce und Alfred ähnlich kleiden und frisieren – sie sehen aus wie Vater und Sohn. Mich stört, dass Alfred zweimal sagt, er wünsche sich einen Wayne-Erben/Nachwuchs: Batman hat so viele Helfer, Robins, Verbündete etc., mit denen er nicht biologisch verwandt ist und die er als „Batfamily“ liebt… ich glaube nicht, dass Alfred leibliche Kinder vermissen würde, so lange es andere Kinder/Helfer gibt.

27_Perry White hat weniger Format, Tiefgang als in „Man of Steel“. Andererseits verhält sich Clark als Redakteur unmöglich. In den Comics gewannen Lois und Clark Pulitzerpreise. Hier im Film hat Lois mehr Glück als Verstand, und Clark scheint überhaupt keine Lust auf journalistische Arbeit zu haben.

28_Ein sehr beliebter Comic von 2004 zeigt Lois Lane als Embedded Reporter im Nahen Osten. Autor Greg Rucka ist mein Lieblings-Comicautor – doch die Geschichte war mir zu simpel. Ich bin froh, Lois in ihrer ersten „Batman v. Superman“-Szene bei einem ähnlich gefährlichen Job zu sehen. Doch Nairomi, das erfundene afrikanische Land, wirkt lieblos bis rassistisch, Lois unvorbereitet, inkompetent… und laut Besetzungsliste ist der tote Fotograf/CIA-Agent Jimmy Olsen. Eine Verschwendung der Figur.

29_Helden-Serien und Adaptionen machen das oft: Eine Nebenrolle erhält den Namen einer (in den Comics) wichtigen Figur – und stirbt überraschend. Stattdessen übernehmen dann scheinbar bedeutungslose, neue Randfiguren mit Allerweltsnamen die Rollen/Funktionen des Comic-Vorbilds. In „Smallville“ starb Jimmy Olsen recht früh. Später wurde sein Bruder Jimmy (!) Fotograf beim Daily Planet.

30_Lex Luthors Assistentin, Mercy Graves, ist in den Comics eine Amazone. Entsprechend hoffen Fans, dass sie die Explosion im Film überlebte und in den Fortsetzungen auftaucht. Der Gangster, Waffenhändler Anatoli Knyazew war in den Comics ein Sowjet-Bösewicht namens KGBeast. In „Batman v. Superman“ sind mir diese Namensgleichheiten zu oberflächlich, nichtssagend. Ein Zitat, das nichts bedeutet: Muss jeder böse Russe in den Filmen den Namen eines bösen Comic-Russen tragen?

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31_Wer hat die aufwändige Bat-Höhle gebaut, im Geheimen: Alfred und Bruce, allein? [In den Comics ist das kein Problem, weil Batman viele Freunde mit Superkräften hat.]

32_Ich glaube, ich sah ein Bacardi-Logo und, später, eine Bacardi-Flasche [mit Fledermaus-Wappen!]: Trank der Russe Bacardi? Alle Autos sind von Jeep/Chrysler. CNN wird erwähnt. Lex Luthor isst Fruchtbonbons. Doch insgesamt sah ich deutlich weniger Product Placement als in Marvel-Filmen. Hier eine Liste. Super: Lex‘ Bonbons heißen Jolly Ranchers.

33_Bekannte TV-Gesichter? Ich erkannte Anderson Cooper und Neil Degrasse Tyson, las im Nachspann auch von Nancy Grace und Charlie Rose. Mir geben solche Cameos nichts – und ich ärgere mich, dass Helden auch 2016 noch durch Nachrichtensendungen und TV-Bildschirme von Katastrophen erfahren, nicht via Twitter und Google. Immerhin: einer der TV-Experten wird als Blogger vorgestellt.

34_Lex Luthors Gefangenennummer ist 16-TK-421. In „Star Wars: Episode IV“ stehlen Han und Luke auf dem Todesstern die Sturmtruppler-Rüstung eines Soldaten namens TK-421. Im Video zu Cyborg/Victor Stone wird er „Objekt 6-1982“ genannt. Vielleicht, weil Victor Stone im Juni 1982 geboren wurde? Oder, weil in „Tales of the New Titans“ von Juni 1982 die Entstehung von Cyborg erzählt wurde.

35_Lois will in ein Taxi steigen… und nennt Superman „Clark“, auf offener Straße. Lex kennt Clarks Mutter. Clark und Diana durchschauen Bruce. Und Lex weiß grotesk viel über Aquaman, Cyborg, The Flash und Wonder Woman: Ich mag Geheimidentitäten. Doch in einer SO überwachten Welt macht für mich Sinn, dass diese Geheimnisse brüchig sind, gelüftet werden können. (Ich mochte auch, dass John Blake in „The Dark Knight Rises“ Bruces Identität erriet.)

36_Überraschend dagegen, dass Bruce nicht weiß, wer Clarks Eltern sind. Dass er Lois Lane nicht schon seit Jahren überwachen lässt. Dass er den Namen „White Portuguese“ lange nicht einordnen kann, oder solche Mühe hat, die Lexcorp-Server anzuzapfen: In den Comics sitzt Bruce an allen längeren Hebeln, immer. Ich mag fehlbare Helden. Doch in den „Dark Knight“-Filmen und hier in „Batman v. Superman“ gibt es jeweils Dutzende Szenen, in denen ich denke: Comic-Bruce wäre besser vorbereitet, informiert, würde mit allem spielend fertig. [Das heißt trotzdem: Film-Bruce ist die interessantere, sympathischere, realistischere Figur.]

37_Und: Bruce kann die Lexcorp-Daten knacken. Diana scheitert an der selben Verschlüsselung? Schade.

38_Ich mochte, dass Bruce sofort von einem „Leech Program“ spricht, ohne Skrupel ein Handy klont/kopiert und, wie schon in „The Dark Knight“, nichts von Datenschutz und Bürgerrechten hält: Mir ist krass unsympathisch, wie rücksichtslos Bruce jeden ausspioniert. Und ich freue mich, dass auch die Filme sich Zeit nehmen, das immer wieder zu zeigen: Der respektlose Spanner ist nicht Superman, mit seinem Röntgenblick. Sondern Datenkrake Batman – ein Kontrollfreak, der Zivilisten oft verachtet und benutzt.

39_Kritiker waren sehr unzufrieden mit dem Score/der Musik; besonders den archaischen Trommeln. Ich fand den Soundtrack passabel, und mochte die – etwas trashige – Trommel-Kampfhymne, die losbricht, als Wonder Woman Doomsday attackiert. Für mich klingt das wie ein musikalisches Thema, das noch in 100 Remixes und Variationen benutzt werden kann, für Wonder Woman: „Is she with you?“ [Link: Spotify]

40_Schlimm dagegen: Wie viele Kämpfe auf Maschinenpistolen, Gewehrfeuer setzen. Fast alle Duelle wirken hässlich, langweilig, seelenlos/brutal… oft blitzend, flackernd… und klingen beschissen: stressiger, sinnloser Lärm.

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41_US-Zuschauer sahen vor dem Film einen Kinotrailer zum „Lego Batman Movie“ (2017), auch der nächste DC-Superhelden-Film, „Suicide Squad“ (August 2016), wird beworben. Ich sah nur eine Werbung für Städtetrips nach Gotham City, von Turkish Airlines – sonst aber vor allem Trailer für Dramen und Beziehungsfilme: Das lesbische Justizdrama „Freeheld“, den Eifersuchts-Thriller „A Bigger Splash“, die dänische Rentner-Schmonzette „Ein Man namens Ove“, das Tänzer-Biopic „Ein letzter Tango“ und die Gangsterkomödie „Nice Guys“. Bei Lidl sah ich BvS-Schlafanzüge, bei Primark T-Shirts (leider keine Wonder-Woman-Motive für Männer)… und auf Wired wartet ein charmantes Interview mit Lex Luthor

42_…doch am Tag nach der Premiere saß ich mit drei anderen Personen im leeren Kinosaal: DC schafft es selten, Vorfreude auf neue Filme zu wecken – oder die Figuren effektiv zu bewerben. Ich bin gespannt, wie viel Geld der Film macht und welche Konsequenzen das für Fortsetzungen hat. Ist wirklich kein weiterer „Superman“-Film geplant?

43_Es gibt keine letzte, überraschende Szene nach dem Abspann.

44_Mich ärgert, dass Martha Kent in einem Diner jobbt: 2003, im Comic „Superman: Birthright“, informiert sie sich online über Außerirdische und UFOs. In „Smallville“ wird sie US-Senatorin für Kansas. Im Kinofilm dagegen wirkt sie wie eine nicht-sehr-kluge Oma mit recht freudlosem Leben.

45_Mich ärgert noch mehr, dass sie ihrem Sohn sagt: „Du schuldest dieser Welt gar nichts.“ Klar – aus reinem Schuld- oder Pflichtbewusstsein trifft man keine guten Entscheidungen. Doch schon in „Man of Steel“ war ich enttäuscht, dass Jonathan Kent lieber in einem Tornado stirbt, als seinen Sohn zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen. Hier in den Filmen sind die Kents seltsame, asoziale (und religiöse: Martha trägt eine Halskette?) Provinz-Kleingeister.

46_Ist Mais in Kansas im November so hoch? Wozu die Dudelsäcke, auf der Beerdigung? Haben die Kents schottische Wurzen? Und (argh!): In „Man of Steel“ könnte Clark mit seiner lebendigen Mutter sprechen – doch wird stattdessen vor allem vom Hologramm seines toten kryptonischen Vaters belehrt. In „Batman v. Superman“ könnte Clark weiter mit Martha reden – doch hat sein wichtigstes Gespräch in einem Traum, mit seinem toten Erdenvater. Warum all diese toten Mansplainer?

47_Eine tolles Bild: Batman, auf einem Kran am Hafen. Ärgerlich, dass er dabei eine Waffe/Flinte hält (…um einen Tracker an einen Lexcorp-Truck zu feuern).

48_Metropolis wird angegriffen. Bruce Wayne rennt der Gefahr entgegen. Plakativ – aber ein guter Weg, die Figur zu erklären. Clark fehlen dieses Mal leidenschaftlich heroische Establishing Character Moments. (Nebenbei: Freunde waren verärgert, dass die Wayne-Angestellten in Metropolis erst Bruces Evakuierungsbefehl brauchen, um zu flüchten. Ich las viele Bücher über 9/11 – und verstand die Verwirrung und das Zögern im Gebäude.)

49_Träume, Horrorvisionen, Flash Forwards störten mich schon in „Man of Steel“ (und „Star Wars: Episode 7“): Ich weiß nicht, warum ausgerechnet der rationale Bruce Wayne dauernd Vorahnungen hat – und fand die Szenen weder spannend noch nützlich.

50_Bruce ist seit 20 Jahren aktiv – und fängt jetzt spontan an, Kriminelle zu brandmarken? Das ist archaisch, wirkt auf mich hässlich, primitiv… und lässt Batman fragwürdig erscheinen – damit die Drehbuch-Autoren besser Keile zwischen Bruce und Clark treiben können.

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51_Zack Snyders „Watchmen“ war mir zu dunkel, grau. Zack Snyders „Man of Steel“ unnötig freudlos. Auch in „Batman v. Superman“ gibt es viel Nacht, Regen, Schatten – doch ich hatte deutlich mehr Dunkelheit, stilisierte Tristesse erwartet: Supermans Kostüm ist farbkräftiger als in „Man of Steel“. In vielen Szenen gibt es Tageslicht oder helle Räume. Es könnte schlimmer, grauer sein.

52_Ben Affleck stört nicht: keine Fehlbesetzung. Henry Cavill dagegen wirkt schwächer als in „Man of Steel“, weil er… 1) weniger Szenen hat und weniger Gefühle zeigt, 2) noch mehr trainierte und, besonders in der Szene in Washington, lächerlich aufgeblasen wirkt, 3) in den besten „Man of Steel“-Szenen unrasiert war – doch dieses Mal gelackter, schmalzlockiger aussieht. Und: Beim Kämpfen schaut er so gepresst, als säße er auf dem Klo.

53_Im ganzen Film wird über Mythologie und die Antike gesprochen: Prometheus, Ikarus, der gordische Knoten, eine Sahnetorte, die aussieht wie die Akropolis… Lex faselt immerzu von Göttern, Engeln, Hölle, Teufel. Stichworte, dauernd im Raum – doch sie bleiben leeres Gerede. Ein Drehbuch, das raunt: Übermenschen sagen irgend etwas aus, über unser Menschen-, Gottesbild! Doch was – liebe Autoren?

54_Von einem Atomsprengkopf getroffen, schwebt Clark im All, die Hand wie in Michelangelos „Die Erschaffung Adams“. Lex Luthor deutelt am Gemäde in seinem Büro herum (ein echtes Kunstwerk – oder für den Film entworfen?): Engel aus der Hölle? Dämonen, die vom Himmel fallen? Nichts ist zu Ende gedacht. Hell – dunkel, oben – unten, fallen – steigen, Himmel – Hölle, Gott – Mensch… und, also? Warum? Kommt da noch was?

55_Die Batmobil-Verfolgungsjagd machte mir weniger Freude als in den „Dark Knight“-Filmen: zu unübersichtlich, dunkel, hässliche Straßen/Umgebung – und dauernd Maschinengewehr-Krach. An zu vielen Stellen im Film bindet Batman Gegner fest und schleudert sie dann umher. Das wirkt unnötig grausam, nicht effektiv…

56_…und passt eher zu Wonder Woman und ihrem magischen Lasso – das sie im Kampf gegen Doomsday einsetzt. Aber erst, nachdem sie lange mit einem Schwert hantierte. (Wo war das Lasso, bevor sie es benutzt? Hinter dem Schild?)

57_Fans auf TVTropes loben Batmans Seil-Spiele: „When Batman chases the Lexcorp truck, the way he uses the Batmobile’s towing cable to send a car full of [enemies] up in the air and make it crash on another car full of [enemies] is both hilarious and awesome.“ Ich fand die Szene grausam. Und musste an keiner Stelle, über keinen flauen Witz im Film, lachen.

58_„This film will make you hate Batman, Superman and the Justice League“, droht eine – immer wieder geteilte – Review von GQ (Helen O’Hara, Link). Ich mag Wonder Womans Freude am Kampf: Sie stürzt sich mit derselben Begeisterung/Entrückung auf Doomsday wie Xena in 90ern. Doch Batman wirkt unnötig brutal – etwa, indem er Pedophile markiert, damit sie in Gefängnissen Misshandlungen erfahren oder sterben (!); und beide Helden sagen einige fürchterliche Sätze: „Kannst du bluten?“, „Vernichten? Ich liefere dich aus. Das ist mehr, als du verdienst!“ Batman tötet Gegner (oder nimmt ihren Tod in Kauf) – oft mit einem gewissen… sadistischen Genuss.

59_“Unwissenheit ist nicht dasselbe wie Unschuld“, droht der afrikanische Warlord Lois Lane, nachdem die CIA-Wanze in der Kamera gefunden wurde. Ein guter Satz – weil er daran erinnert, wie viele globale Probleme wir als Konsumenten verschulden – um dann zu sagen: „Diese Länder sind so weit weg. Wir wissen das alles nicht so genau: die Produktionsbedingungen, die Politik.“ Schön auch: Clark, der über Verbrechen in Gotham berichten will und, als Perry sagt, das Thema betreffe die Leser nicht, fragt: „Kaufen arme Leute keine Zeitungen?“ Ein Minimum an Idealismus ist noch da – in diesem kalten, fahlen Film.

60_Trotzdem stehen für mich zu viele solcher Sätze bezugs- und anschlusslos im Raum: Sie wirken bedeutend. Doch das Drehbuch denkt die Fragen nicht weiter. „Meine Welt existiert nicht mehr.“ (Clark, über Krypton… und Hoffnung.) „Die Welt ergibt nur Sinn, wenn man sie dazu zwingt.“ (leeres Gerede von Bruce.) Zu große Worte – in einer zu dünnen, oberflächlichen Geschichte.

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61_Cyborg ist schwarz. Der Aquaman-Darsteller Hawaiianer. The Flash ist Asian American? Dann sind die weißen Männer in der Justice League zum ersten Mal in der Minderheit. Ich bin gespannt, ob Hal Jordan (ein weißer Testpilot) Green Lantern wird – oder John Stewart (ein schwarzer Marine und Architekt). So oder so: Mir gefällt, dass in fast jeder Gruppen-Szene im Film Figuren of Color zu sehen sind – wenn auch meist nur als Zuschauer oder Opfer. (Der Film hat Unmengen von Opfern. Wer kein Held ist, ist sofort Opfer.)

62_Es gibt keine Verknüpfungen, besonderen Verweise zum nächsten DC-Film, „Suicide Squad“. Ich habe mit einem Auftritt des Jokers gerechnet – vor allem gegen Ende, als Lex Besuch in seiner Zelle bekommt. Szene mit Joker und/oder Riddler waren angedacht – doch wurden gestrichen.

63_In den Comics wird Batmans zweiter Robin, Jason Todd, vom Joker gefoltert und erschlagen. Als Mahnung und Andenken stellt Batman Todds Robin-Uniform in der Batcave aus. Ich mag, wie erhöht/fliegend die Uniform im Film präsentiert wird. Das aufgesprayte „Ha ha ha the joke’s on you Batman“ wird etwas zu lang/überdeutlich gezeigt – warf aber eine interessante Fan-Theorie auf: Was, wenn Joker Todd nicht erschlug – sondern (in den Filmen) Todd zu Joker wurde?

64_Die komplette erste Stunde lang dachte ich: Das ist so dicht, schnell, komplex wie die ‚Dark Knight‘-Filme. Dann begannen die ersten Maschinengewehr-Krawall-Szenen. Mir schien Luthors Intrige/Erpressung im Finale klug, raffiniert. Dann begann eine dümmliche, viel zu laute Endlos-Keilerei. Ich glaube nicht, dass der Film grundsätzlich unverzeihliche Denk- oder Konstruktionsfehler hat. Doch der Fokus liegt oft falsch. Das Timing hapert. Allen Figuren fehlt Tiefe, Stringenz. Zu viel ist unnötig… ätzend.

65_Meine Lieblingsszene: Clark überrascht Lois in der Badewanne. Einige Online-Bros fanden das zu dick aufgetragen, wish fulfillment für Frauen: Clark bringt Blumen und macht Spiegelei? Warum nicht! Mich irritiert nur das (betont maskuline?) Werkzeug, das im Apartment neben dem Fernseher hängt: Braucht Clark Werkzeuge? Kann er das meiste nicht via Kraft und Hitzeblick bearbeiten?

66_Affig-maskulin auch die „Bruce Wayne trainiert mit Ketten und Traktorenreifen“-Montage. Nach „The Dark Knight Rises“ ist mein Bedarf an „Bruce trainiert“-Szenen für immer gedeckt.

67_Einige Namedropping-Momente: Zod kommt aus Kandor. Hat das Bezug zu Brainiac? Major Farris hat nichts mit Carol Ferris zu tun – Hal Jordans Freundin? Lana Lang und Pete Ross waren auf Clarks Beerdigung? Patrick Wilson leiht dem US-Präsidenten die Stimme? Wird er in späteren Filmen auftreten? Hat Wallace Keef – dessen zetrümmerte Beine amputiert werden mussten – Bezug zu Wallace West, Sprinter/Speedster und Neffe von The Flash?

68_Zwei Officers heißen Rucka und Mazzuchelli (nach DC-Autoren). Fans im Netz fanden außerdem ein „Who watches the Watchmen?“-Graffiti (auf Latein) und Andeutungen/Tags, dass das leerstehende Gebäude in Gotham, in dem sich Batman und Superman prügelten, vorher ein Versteck von Harley Quinn und dem Joker war.

69_In Wallace Keefs Wall of Crazy war eine Superman-Zeichnung zu sehen, die das erste „Action Comics“-Titelbild variiert. Ich mochte auch Perrys (alberne) Ermahnung an Clark, dass „nicht mehr 1938 ist“ (das Jahr, in dem Superman debütierte.)

70_Mich ärgert, dass Keef von einem nicht-behinderten Darsteller gespielt wird. Doch ich mag, dass Lex – der dauernd zum Höchsten strebt, zu dem die Menschheit fähig ist – immer wieder Personen mit Behinderung oder in Rollstühlen um sich hat (z.B. auch seine Schwester, Lena Luthor) und sich an ihnen verhandelt.

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71_Wenn Heldenfilme (und -Comics) floppen, wird irritierend oft die Schuld bei den Kostümen gesucht, z.B. den Gummi-Brustwarzen an George Clooneys „Batman & Robin“-Suit. In „Batman v. Superman“ funktionieren alle Kostüme: Supermans Anzug ist etwas heller/bunter als in „Man of Steel“, Bat-Anzug und Bat-Rüstung wirken praktisch und plausibel. Auch Wonder Womans Kostüm trifft den Charme der Comics – doch scheint trotzdem angemessen realistisch. (Schade, dass ihr Schild kein Zeichen oder Motiv trägt: Es wirkt etwas unfertig).

72_Ich hoffte, das Lex in jeder Szene seltsame Motiv-Shirts trägt. Der Bat-Trenchcoat in Bruces Vision wirkte albern, 90er-Jahre-haft. Und Doomsday fand ich entsetzlich – ein billiges Computer-Monster (ohne Penis), an dem alles unfertig, lieblos, generic wirkte. Im Comic hat Doomsday oft ein überraschend ausdrucksstarkes Gesicht. Das nächste Mal: mehr Spikes, mehr Charakter, mehr Mühe!

73_Batmans Rüstung stammt aus Frank Millers Comic „The Dark Knight Returns“ von 1986. In dieser dystopischen Geschichte ist Superman ein hirn- und skrupelloser Unterdrücker, der für die US-Regierung kämpft, ohne, die Befehle zu hinterfragen. Ich bin sehr froh, dass diese Clark-als-dumme-staatliche-Marionette-Vision im Film kein Thema ist: „Er ordnet sich niemandem unter.“ Sehr gut. In zu vielen Geschichten durchschaut Batman einen Diktator… während Superman blind gehorcht.

74_Eine Ausnahme: Der Comic „Injustice: Götter unter uns“ (hier empfohlen), in dem Superman durch Strafen, Kontrolle, Einschüchterung weltweiten Frieden erzwingt – nachdem der Joker den Tod Lois Lanes, die Zerstörung Metropolis‘ verantwortete. Superman legt die Hand auf die Brust des Jokers – und stößt sie ihm durch Herz und Brustkorb. Dasselbe passiert hier im Film – mit Bruce als Opfer.

75_Überzeugende Effekte? Die Parademons. Schwach dagegen: die trashig animierte, pulsierende Mother Box, die (plakativ platziert) in Silas Stones Labor steht.

76_Schon seit dem Omega-Symbol und der ruinierten Stadt im Filmtrailer dachte ich, Superman, Batman, Wonder Woman kämpfen (ähnlich wie in Band 1 der neuesten „Justice League“-Comicreihe) gegen den außerirdischen Despoten Darkseid. Tatsächlich ist die Szene nur ein Alptraum/eine Vision von Bruce. Erst nahm ich an, sie spielt auf Darkseids Welt, Apokolips. Doch offenbar geht es um eine verwüstete Erde, regiert von Superman – und Darkseid? Wollte Darkseid die Erde in ein zweites Apokolips verwandeln – durch Erwärmung, oder Lava?

77_Luthor behauptet, eine Glocke sei geläutet, jemand sei unterwegs. Wohl Darkseid. Sinestro oder [eine Twist-Version von] Green Lantern wären interessanter. Die Glocken-Metapher erinnert mich an aktuelle „Justice League“-Comics: Dort wurde die Heimatwelt von Owlman, Powerman, Superwoman zerstört, und als die drei in „Forever Evil“ die Helden der Erde bekämpfen, wird der Zerstörer erst auf die Erde aufmerksam: Das Trio wird geschlagen. Doch die größere Bedrohung ist damit auf dem Weg.

78_Jesse Eisenbergs Lex Luthor? „One of those rare characters in the history of cinema you just don’t want to see on screen. Whenever he comes on you’re gritting your teeth and hope the frenetic editing will cut to another scene. […] Maybe five scenes in this whole movie are longer than 90 seconds and it feels like all of them feature Luthor.“ [Ben Dreyfuss, Link] Das Faseln. Die Ticks. Die Darstellung wäre okay für einen bösen Clown, etwa den Toyman. Doch Dietmar Dath hat Recht, wenn er schreibt: „Eisenberg gefällt sich in Gejuckel, Gesabber und einer Start-up-Turnschuh-Lumperei, die man vielleicht im zweiten Schauspieljahr für ein zeitgenössisches Musical namens ‚Steve Jobs ist Dr. Frankenstein‘ gebrauchen kann.“ [Link] Immerhin: Ich mag, dass Luthor sich selbst „Büchernarr“ nennt. Und: Mit rasiertem Kopf wirkt er noch mehr wie Oliver Pocher.

79_Als Geschäftsmann, Machtmensch, Erfinder ist Luthor stark. Sobald er im Gefängnis sitzt, wird die Figur langweiliger. Ich wünschte, Lex wäre frei und hätte alle Ressourcen. In den aktuellen Comics erpresste er sich einen Platz in der Justice League – weil er Batmans wahre Identität kennt.

80_Das Foto von Wonder Woman in Belgien, 1918? Großartig. Doch die Idee, dass Diana vor 100 Jahren „Abstand von der Menschheit suchte“? Schlimm: Ein Clark, dessen Eltern ihm ständig raten, niemandem zu helfen. Eine Wonder Woman, die nichts gegen den Holocaust unternahm! Der „Wonder Woman“-Kinofilm spielt im ersten Weltkrieg. Heißt das, am Ende jenes Films ist Diana so genervt, gebrochen, von den Menschen enttäuscht, dass sie für 100 Jahre verschwindet? Das macht keine Vorfreude.

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81_Im kryptonischen Schiff aus „Man of Steel“ gab es eine offene Bio-Kapsel. Die Begleit-Comics zum Film zeigten, dass Kara Zor-El damit zur Erde kam – Clarks Cousine, Supergirl. Die „Supergirl“-TV-Serie scheint mir ein Universum für sich (zusammen mit „Arrow“, „The Flash“, „Vixen“). Heißt das, wir sehen Supergirl, im Lauf der nächsten DC-Filme? War Supergirl „offiziell“ in dieser Kapsel – und wird das wieder Thema?

82_Ich bin nicht sicher, warum Clark das Schiff Zods nicht benutzt – zum Beispiel, um Daten über 100.000 Alien-Zivilisationen (!) einzusehen. Auch Datenkrake Batman hätte wohl Interesse. Stattdessen darf Lex ins Schiff und sich, ohne Widerstand oder Kontrolle, ein Wesen klonen (…heißt das: Wer immer Zugang zum Schiff hat, hat eine Art Klon-, Monster- und Lazarus-Grube?). Auch in den Comics klont Lex immer wieder, z.B. Bizarro. Dass Lex sein eigenes Blut benutzt, erinnert mich an Superman Tod in den Comics: Dort erschafft er einen Superboy – mit Überresten Clarks und seiner eigenen DNA. Superboy hat zwei Väter – Lex und Clark.

83_Sah man Michael Shannons Hintern, als Lex Zods Leiche ins… Gebärmatrix-Wasser zog? Ich machte während des Films Notizen – und sah nicht hin. (Dasselbe mit Amy Adams Brustwarzen, in der Badewanne.)

84_Meine beiden größten Logik-Löcher: Clark hält Batman auf, als er das Kryptonit aus Luthors Truck stehlen will – doch schaut nicht nach, was Bruce eigentlich sucht, im Truck? Clark nutzt an keiner Stelle den Röntgenblick? Und: Dieser „Martha“-Unsinn! Als in den ersten 10 Minuten der Name „Martha“ fiel, dachte ich noch: „Jetzt müssen die Autoren aufpassen, dass Martha Kent nicht auch beim Vornamen gerufen wird – sonst wird es schnell verwirrend.“ Dass a) Superman keine Chance nutzt, um Bruce von der Entführung zu erzählen, aber b) „Martha“ zum Zauberwort wird, das Bruce sofort zum Zuhören, Nachfragen bringt, ließ mich kalt.

85_Als Journalistin hat Lois, wie gesagt, dieses Mal mehr Glück als Verstand. Dass sie den Kryptonit-Speer ins Wasser wirft und einige Minuten später beim Versuch, ihn zu bergen, fast ertrinkt, lässt viele Menschen die Augen rollen: Lois als ineffektives Faux Action Girl, das mehr Probleme schafft als löst.

86_Clark versucht gar nicht, Martha zu finden – sie ist nicht mal geknebelt: Könnte er sie hören? Alfred kann das Handy des Russen binnen Sekunden orten? Das hätte Lex absehen müssen. Warum erschießt niemand Martha, während Bruce minutenlang mit Handlangern kämpft? Und: Wozu ein Flammenwerfer – statt einer einfachen Pistole?

87_Muss man die unbewohnte Insel in der Bucht von Metropolis „Stryker’s Island“ nennen? In den Comics ist dort ein Alcatraz-artiges Gefängnis. So macht Namedropping keinen Spaß – weil die Bezüge fehlen. Und: eine Atombombe so nah an der Stadt – ist das kein Riesenproblem? (Die selbe Frage stellte ich mir schon bei „The Dark Knight Rises“.)

88_Warum „Gotham Free Press“ statt, wie in den Comics, „Gotham Gazette“? Und: ein Football-Spiel zwischen Metropolis und Gotham wurde gedreht – doch im Film sah ich nichts davon. Was wurde aus der (recht aufwändig klingenden) Szene? Auch hier: Warum „Gotham City University“ gegen „Metropolis State“ – statt etablierte Mannschaften wie „Gotham Wildcats / Titans / Rogues“ gegen „Metropolis Metros“ und „Metropolis Meteors“? Das selbe gilt für etablierte Straßennamen und Viertel in Gotham und Metropolis: Warum nicht auf dem World Building der Comics aufbauen?

89_Das Batsignal steht auf einem leerstehenden Gebäude? Wer bedient es? Hätte Batman, wie in den Comics, gute Kontakte zum Gotham City Police Department, wäre die „Batman v. Superman“-Story komplexer: Dass Bruces Rolle als Staats-Helfer ausgespart wird, macht die Fronten klarer. Was tat Batman 20 Jahre lang für Gotham? Die meisten Leute nennen ihn immer noch „Die Fledermaus“ – und wissen nichts.

90_Wonder Woman, Diana Prince: Antiquitätenhändlerin. Kein Wunder, dass Bruce an Catwoman denken muss – und sagt: „I’ve known a few women like you.“ Muss Diana so klar Bruces Beuteschema, Frauentyp entsprechen? Vor 2011 herrschte in den Comics (etwas) sexuelle Spannung. Seit 2011 spielen alle Geschichten in einer neuen Welt, in der Lois und Clark niemals ein Paar waren – und Clark stattdessen Diana dated. In den Filmen will ich Diana bitte nicht als Trophäe, Belohnung, Zankapfel sehen.

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91_Zu Beginn und zum Ende: eine Beerdigung. Doch auch hier: Bookends/Klammern ohne tieferen, intelligenten Bezug. Ich halte Supermans Tod für verschenkt: Ich las die „Death and Return of Superman“-Storyline (als Roman) mit 14, 1997 – und weiß, wie viel es erzählen gäbe über eine Welt, die Superman verlor und sich neu orientieren muss.

92_Genauso mag ich das „Batman“-Crossover „No Man’s Land“: Nach einem Erdbeben ist Gotham abgeschnitten, die Brücken werden gesprengt. Dass „The Dark Knight Rises“ einem Millionenpublikum riesige Szenen im „No Man’s Land“-Stil zeigte, machte mich froh. Doch natürlich hätte ich lieber „No Man’s Land“ selbst im Kino gesehen. So geht es mir mit Doomsday – und Supermans Tod: Ist diese kümmerliche Spar-Version besser als nichts? Oder der Grund, dass jetzt die nächsten 20 Jahre lang keine echte Adaption kommen kann – weil die Story frisch verheizt wurde?

93_Auf DVD wird der „Batman v. Superman“ länger und brutaler. Dann taucht auch Jena Malone auf – als Barbara Gordon (…und Batgirl?). Schade, dass sie in der Kino-Version fehlt. Doch große Hoffnungen auf eine interessante Figur, viel Tiefgang habe ich nicht.

94_Statt „vs.“ heißt der Film „v.“ – weil US-Justizfälle „v.“ zwischen streitende Parteien setzen, kein „vs.“: Das „v.“ klingt würdevoller, juristischer. Der Film jedoch zeigt kaum Debatten, klugen Austausch zwischen den Parteien – sondern bleibt eine „versus“-Prügelei, ohne klug clashende Ideologien, Argumente.

95_Mit einem Gegner, der sprechen kann, hätte das Finale mehr Substanz. Zehn, fünfzehn Minuten Doomsday, Blitze, Geschrei, Atombomben, Trümmer, finstere Blicke und Wonder-Woman-Kriegstrommeln machten mir keine Freude.

96_Im Finale von Märchen-, Disney- und Kinderfilmen bricht der Held oft scheintot zusammen – doch wird nach ein paar traurigen Sekunden wachgeschüttelt, wachgeküsst, schlägt plötzlich wieder die Augen auf. TV Tropes nennt das „Disney Death“ – und „Batman v. Superman“ hat, unwürdig für einen „erwachsenen“ Film, gleich zwei dieser schäbigen Beinahe-Tode im Finale: Lois, fast ertrunken. Und Clark, fast beerdigt.

97_Nichts wäre eskaliert, hätten die Helden schnell genug miteinander gesprochen. Ich war kein Fan des „Civil War“-Comic von Marvel, bei dem Captain America und Iron Man einen ähnlichen Riesen-Streit beginnen. Die Verfilmung startet am 28. April 2016. Ich hoffe, das wird psychologischer, politischer, klüger.

98_Und jetzt? 2016: „Suicide Squad“ (DC) sowie „Doctor Strange“ (Marvel). 2017: „Wonder Woman“, „Justice League“ (DC) sowie „Guardians of the Galaxy 2“, „Spider-Man“, „Thor 3“ (Marvel). 2018: „The Flash“, „Aquaman“ (DC) sowie „Black Panther“, „Avengers 3“, „Ant-Man 2“ (Marvel). 2019: „Shazam“, „Justice League 2“ (DC) sowie „Captain Marvel“, „Avengers 4“, „Inhumans“ (Marvel), und 2020: „Cyborg“ und „Green Lantern Corps“ (beide DC) – außerdem drei weitere „Batman“-Filme mit Ben Affleck. Uff.

99_Niemand hat einen Grund, diesen Film zu sehen. Wer die Figuren mag, findet bessere Comics. Wer die Figuren nicht mag, wird nach „Batman v. Superman“ noch weniger Respekt, Interesse an ihnen haben.

100_Torsten Dewi hält den Film für viel misslungener. Ich teile seine Argumente nicht. Doch mag die Einleitung: „Ein Film, so inkohärent, so qualitativ wie emotional wackelig, dass sich darin kein gerader Review-Faden finden lässt. [Mein Text wird] ein Text des ‚leider, aber immerhin‘ und des ‚wenigstens, aber dann wieder'“

Ja. Leider. Aber immerhin.

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  • [dachte noch jemand, als Bruce und Clark das Abbruch-Haus verwüsteten, an die „Spike und Buffy haben Sex im Abbruch-Haus – und verwüsten es dabei“-Szene aus Staffel 6? #BvS #BtVS]

Deutschlandradio Kultur - Batman v Superman, Stefan Mesch Foto

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Update, 28. März: Freund X sah den Film – und mailte mir Anmerkungen (großartig!):

  • Flammenwerfer für Martha: Lex sagte, Martha sei eine Hexe, und Hexen müssen brennen.
  • Der Atomsprengkopf explodierte im All, nicht auf Stryker’s Island.
  • Viele Gebäude in Metropolis befinden sich im Wiederaufbau.
  • Die „Brandmarkung durch Batman stellt ein Todesurteil dar, da die so Markierten im Gefängnis zu Tode misshandelt werden.“
  • „Als Michael Shannon ins Wasser gezogen wird, überdeckt der Arm Lex Luthors sehr geschickt Zods Penis.“

und: „Ich hätte übrigens gedacht, dass Alien-Technologie schlauer ist und sich nicht von aufgepappten Fingerkuppen überlisten lässt.“

Batman v Superman: Buchtipps, Comic-Tipps, empfohlene Graphic Novels

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Am 22. März spreche ich bei Deutschlandradio Kultur über Batman versus Superman:

Im Magazin ‚Lesart‘, kurz nach 10 Uhr – auch zum Nachhören auf der Website.

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Heute: Comics zu Batman, Superman, der Justice League und Wonder Woman.

Klassiker und Geheimtipps, aktuelle Bestseller – und Ideen für Neueinsteiger.

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drei überraschend gute Listicles/Klickstrecken zum Einstieg:

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DC- (und Marvel-)Comics erscheinen meist als monatliche Serien. Ein Heft hat 20 bis 30 Seiten; und einige Monate später erscheinen die Handlungsbögen als Sammelband/Trade Paperback/“Graphic Novel“ noch einmal gebunden – meist etwa sechs Hefte. Solche 8 bis ca. 20 Euro teuren Bände stehen oft (halbwegs) für sich allein und erzählen eine (recht) geschlossene Geschichte.

Die „ganze“ Geschichte versteht man erst, wenn man alle denkbaren Heftreihen parallel liest – über 50 pro Monat. Doch niemand hat diesen Komplett-Überblick, und weil die Reihen und ihre Sammelbände oft überraschend schwanken (z.B. auch, weil Zeichner*innen und Autor*innen oft wechseln), will/kann ich keine Aussagen machen wie „‚Wonder Woman‘ ist eine gute Serie. Lest die ‚Wonder Woman‘-Sammelbände!“

Band 1 bis 6 sind sehr gut. Band 7 und 8 nicht mehr.

Viele der folgenden Empfehlungen haben Vorgänger- und Nachfolge-Bände und -Kapitel. Nicht alles erklärt sich sofort, und fast jede Geschichte hat diverse Vorgeschichten und Verweise auf frühere Verwicklungen. Neueinsteiger werden manchmal rätseln. Schlingern. Stolpern. Das gehört dazu – und macht oft Spaß. Im Notfall gibt es Fan-Seiten. Und sehr ausführliche Wikipedia- und TV-Tropes-Einträge zu allen Figuren und bisherigen Plots.

Ist der jeweilige Heft-Autor klug, sind auch Superman, Batman, Wonder Woman klug, sympathisch, überraschend komplex. Bei schlechten Autoren wird es schnell platt, brutal und plakativ.

Mitunter aber werden diese Figuren meisterhaft erzählt.

Hier sind Klassiker, Neuerscheinungen und persönliche Highlights:

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Es gibt gute Kinder-Comics wie „Superman Family Adventures“. Gute Jugend-Trickserien wie „Young Justice“. Guten Comedy-All-Ages-Quatsch wie „Teen Titans Go“, „Tiny Titans“ und „Little Gotham“. Und es gibt – wenige – Graphic Novels und Bildbände, die man mit Neun-, Zehn-, Elfjährigen lesen kann. Einfache, in sich geschlossene Geschichten, in denen Helden vorgestellt und stimmig inszeniert werden. Meine Favoriten:

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1 – DC Helden

Superman Batman DC Helden

[Link] …von Paul Dini, Zeichnungen (nein: Gemälde!) von Alex Ross:

Fünf großformatige, kurze, bildlastige Helden-Portraits als wunderbarer Sammelband. Je eine – recht menschliche, gefühlvolle – Begegnung mit Superman, Batman, Wonder Woman, Captain Marvel/Shazam, dazu ein Abenteuer der Justice League und eine Handvoll weiterer Helden-Kurzbiografien. Ein Bilderbuch. Ein Coffee Table Book. Ein Buch zum Verschenken – und Staunen. [Hier die US-Ausgabe.]

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2 – Trinity

superman batman trinity

[Link] …von Matt Wagner:

Eine recht kurze, etwas simple/kindische Geschichte über die ersten Begegnungen von Superman, Wonder Woman und Batman. 50er-Jahre-Atmosphäre – charmant, für Kinder und Kindsköpfe. Im Gegensatz zu Tipp 1 kein Buch, für das ich viel Geld ausgeben würde.

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3 – Superman for all Seasons …und Batman: The Long Halloween

Superman Batman Superman for all Seasons

Superman: Link

Batman: Link

…von Jeph Loeb, Zeichnungen von Tim Sale:

Atmosphäre! Details! Charakter-Szenen! Jeph Loeb, später Autor bei der zunehmend schrecklichen TV-Serie „Heroes“, ist manchmal überdeutlich, langsam, dumpf-vorgestrig. Doch diese beiden abgeschlossenen Geschichten aus den Anfangsjahren von Superman und Batman reißen mit… und rühren. Keine Vorkenntnisse nötig.

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Landei gegen Milliardär. Alien gegen Mensch. Kraft gegen List. Licht gegen Schatten. Superman und Batman haben viel gemeinsam – doch entscheidende Unterschiede. Drei Comics, die solche Unterschiede und die komplizierte Freundschaft der beiden Helden genauer beleuchten – mal psychologisch, mal nur als große Keilerei:

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4 – Superman/Batman: Supergirl

Batman v Superman, Supergirl

[Link] …von Jeph Loeb, Zeichnungen von Michael Turner:

Eine Jugendliche strandet in einer Rettungskapsel in Gotham City… und sagt, sie sei Supermans Cousine. Clark Kent ist hingerissen. Bruce Wayne misstrauisch. Eine simple, aber sehr schmissige Mainstream-Geschichte, die sich viel Zeit nimmt, die Unterschiede zwischen Bruce und Clark zu beleuchten. Ein Minuspunkt: Supergirl sieht aus wie Paris Hilton – die Zeichnungen wirken schäbig, oversexed. Und obwohl die von Jeph Loeb begonnene „Superman/Batman“-Heftreihe zwölf Sammelbände füllt… ist das hier der einzige (halb-)gute.

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5 – The Dark Knight Returns

Batman v Superman, Dark Knight Returns

[Link] …von Frank Miller, Zeichnungen von Klaus Janson

Ein düsterer, medienkritischer, energisch gezeichneter Klassiker von 1986: Batman als alternder, einsamer Kämpfer. Superman als tumber amerikanischer Hurrapatriot, eine Marionette der neoliberalen Regierung. Bombenhagel, Straßenschlachten, Punks, Slums, zynische Talkshows. Autor Frank Miller ist heute Islamhasser/Rechtspopulist. Sein Batman ist ein Wutbürger, der drischt und knurrt. Ich mochte den Comic – und kann verstehen, warum er als Klassiker gilt. Doch ich glaube, „Meisterwerk“ jubeln hier nur Sechzehnjährige, die glauben, alles über dumme Medien, dumme Wähler, die scheinbar gar-so-dumme Welt verstanden zu haben: Sozialkritik auf dem Niveau der „Robocop“-Fime. [Seit Herbst 2015 erscheint eine (weitere) Fortsetzung, „The Dark Knight 3: The Master Race“.]

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6 – JLA: Tower of Babel

Batman v Superman, Tower of Babel

[Link] …von Mark Waid, Zeichnungen von Howard Porter:

Die „JLA“-Comics ab 1997 waren große Bestseller und sind bis heute absurd beliebt. Ich las die Reihe 2008 – und bereits damals schien der Tonfall gestrig: simple Figuren (jeder hat nur ein, zwei Charakterzüge), unterkomplexe Debatten. Der einflussreichste Band zeigt, wie Batmans Erzfeind Ra’s al Ghul alle Helden erfolgreich attackiert. Bis Batman klar wird: R’as benutzt geheime Strategien, die Batman selbst erarbeitet hat – um im Notfall all seine Freunde vernichten zu können. Batmans Paranoia wird zur Gefahr fürs Team. [Ein wichtiger Moment. Doch die Idee ist besser als ihre flaue Umsetzung.]

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Superman, Batman, Wonder Woman, The Flash, Green Lantern, Aquaman und andere Helden sind – schon seit 1960 – die Justice Leage: ein Superheldenteam mit komplizierter Geschichte und, Seite für Seite: zu vielen Köchen, Kräften, Baustellen, Erzählfäden. Justice-League-Comics sind selten gelungen. Denn auf 20 monatlichen Seiten ist Platz, drei, vier Figuren zu beleuchten. Doch keine sieben und mehr. Und alle Gegner. Im schlimmsten Fall sind „Justice League“-Comics ein fades, flaches Durcheinander. Im besten Fall: ein überfrachtet überambitioniertes, wahnwitziges, tolles Durcheinander. Highlights… mit viel zu vielen Helden. Zu vielen Bällen, wild und wirr jongliert:

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7 – Injustice: Gods among us, Jahr 1

Batman v Superman, Injustice - Gods Among Us

[Link] …von Tom Taylor und wechselnden Zeichnern.

Als der Joker Metropolis zerstört, verliert Superman alle Beherrschung – und sein Vertrauen in die Welt: Er wird Despot und sorgt für Frieden durch Überwachung und Kontrolle. Batman, Green Arrow und viele überraschende Figuren wie Harley Quinn versuchen, Superman ins Gewissen zu reden. Doch im Lauf von fünf Jahren schaukelt sich der Konflikt immer weiter hoch. Jahr 1 (von 5) ist wundervoll – eine intelligente, düstere, politische Was-wäre-wenn-Geschichte, von Tom Taylor überraschend witzig, warmherzig und liebevoll erzählt. Ab Jahr 3 wechselt der Autor, und die Schachzüge, Tricks zwischen Batmans und Supermans Gefolge werden recht beliebig. Trotzdem: die unterhaltsamste und klügste Team-Reihe der letzten Jahre!

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8 – Justice League: The Injustice League

Batman v Superman, Injustice League

[Link] …von Geoff Johns und wechselnden Zeichnern, u.a. Doug Mahnke:

Seit dem DC-Neustart von 2011 gehört Geoff Johns‘ „Justice League“ zu den größten Publikumserfolgen. Doch erst Band 6 nimmt sich viel Zeit für Figurenentwicklung, Mit- und Gegeneinander, Grundsatzdebatten: Lex Luthor ist (nach den Ereignissen des nicht-lesenswerten Crossovers „Forever Evil“) Teil der Liga und inszeniert sich als Retter.  Schon in Band 7 wurde mir alles wieder… zu haudrauf. Doch hätte ich mit 13 „Injustice League“ gelesen, ich hätte wochenlang nachgedacht – über diese geheimnisvollen, verwirrenden Helden, und ihre komplizierten Konflikte.

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9 – Smallville

Batman v Superman, Smallville

[Link] …von Bryan Q. Miller, wechselnde Zeichner:

Auch hier: Ein überraschend liebevolles, witziges, charakterstarkes Mainstream-Helden-Epos. Die „Smallville“-TV-Serie habe ich nie verfolgt. Egal. Nicht nötig! Ich mag, wie viel Zeit sich Miller für Wortwitz und schöne Freundschafts- und Romantik-Momente lässt und las die ersten sechs Sammelbände (Tiefpunkt: Band 2, Highligh: Band 5), doch verlor später, kurz vor Ende der Reihe, das Interesse: Statt Lois, Clark, Lex Luthor tauchen bald alle denkbaren DC-Helden und -Schurken auf – viel zu wahllos, viel zu schnell. Eine Parallelwelt zu den gängigen DC-Reihen… die sich zu schnell an diese gängigen Reihen annähert. Nein: anbiedert.

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Seit 2011 erschienen leider kaum noch gute Superman-Comics. Batman-Reihen dagegen werden beliebter – und haben die besseren Zeichner und Autoren. Die Serien „Detective Comics“ und „The Dark Knight“ blieben holprig; auch „Batman & Robin“ hat immer wieder Mühe. Doch Scotts Synders Projekte – „Batman“, „Batman Eternal“, „Batman & Robin Eternal“ – sowie „Batgirl“, „Batwoman“ und „Gotham Academy“ zeigen: Nie geschah so viel Interessantes in Gotham, so schnell, für so viele interessante Figuren. Mich stört nur, dass Bruce Wayne immer plumper als Genie und Übermensch gezeigt wird: Muss er über alles triumphieren? Immer?

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10 – Batman: The Court of Owls

Batman v Superman, Court of the Owls

[Link] …von Scott Snyder, Zeichnungen von Greg Capullo:

Ein Blockbuster – dramatisch, düster, voller Superlative, High-Tech-Waffen, überlebensgroßen Heldentaten und wahnsinnigen Super-Super-Superschurken: Band 1 und 2 erzählen den Kampf Batmans gegen einen Geheimbund mitten in Gotham City. Band 3, 6 und 7 drehen sich um den Joker – und langweilten mich: viel Nervenkitzel, viel Blut, aber kein stimmiges Ende. Band 4 und 5 sind besonders einsteigerfreundlich: Sie zeigen die Zeit, in der Bruce Wayne zu Batman wird – und seine ersten Abenteuer in Gotham. Deshalb: 1, 2, 4, 5. Oder 4, 5, 1, 2. Und: nicht zu lange nachdenken, warum Bruce Wayne in jedem Sammelband ca. drei Gespräche über bahnbrechenden High-Tech-Gadget-Prototypen-Unsinn führen muss. #sinnlosesuperlative #sinnloseshightech

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11 – Batman: Superheavy

Batman v Superman, Batman Superheavy

[Link] …von Scott Snyder, Zeichnungen von Greg Capullo:

Band 8 derselben Reihe stellt alles auf den Kopf. Commissioner Gordon rasiert sich den Schnurrbart ab, geht trainieren und wird zu Batman, in einer Roboter-Rüstung [im Stil von ‚Iron Man‘]. Die Idee ist hanebüchen, sympathisch frech und irritierend – und ich dachte lange: Wenn ich alle anderen Batman-Comics vorher lese/aufarbeite, die Vorgeschichte hierzu sehr gut kenne, überrumpelt mich das weniger. Doch es überrumpelt so oder so. Deshalb: Einfach los! Ohne Googeln, Vorbereitungen, lange Recherche: ein seltsames, frisches, originelles Kapitel.

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12 – Batman Eternal

Batman v Superman, Batman Eternal

[Link] …von u.a. Scott Snyder, James Tynion IV und wechselnden Zeichnern:

Seit 2006 versucht DC immer wieder wöchentliche Heftreihen. Doch bisher überzeugte mich nur die erste, „52“. „Batman Eternal“ zeigt eine (schein-)komplexe, überfrachtete Verschwörung, die sich durch alle Figurengruppen Gothams zieht. Solide Dialoge, viel Abwechslung, oft überraschend gut gezeichnet: ein Mainstream-Batman-Comic, der alle Aspekte von Batmans Welt anreißt… aber kaum etwas überzeugend auserzählt. Für fünf, sechs Hefte am Stück fühle ich mich immer blendend unterhalten. Dann denke ich wieder: eine Aufzählung, Reihung, Gebetsmühle – Namedropping, Anspielungen, Cameos. Drei Schritte seitwärts. Zwei zurück. Macht süchtig – wie eine nicht-sehr-gute, aber rasante Soap.

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Batman und Superman hatten mehrere TV-Serien und Kinofilme. Ihre Städte, Gegner, Liebes- und Vorgeschichten sind bekannt. Wonder Woman ist genauso alt – doch immer wieder wird ihr Hintergrund verändert: eine tolle Figur – der oft die tollen Autoren fehlen. Anders als Superman aber, mit dem sie ab 2012 liiert war, hat sie auch in den letzten Jahren gute Geschichten. Für Einsteiger, nur zwischendurch: Band 3 von „Sensation Comics“ – charmante, kurze Episoden. Die drei maßgeblichen „Wonder Woman“-Autoren und Sammelband-Reihen:

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13 – Wonder Woman (New 52, Band 1 bis 6)

Batman v Superman, Wonder Woman

[Link: 6 Bände] …von Brian Azzarello, Zeichnungen von Cliff Chiang:

Diana muss eine junge Schwangere beschützen – vor dem Zorn der Götter, sechs Sammelbände lang. Simple, aber stilsichere Zeichnungen. Kluge, schnippische Dialoge und Figuren. Nur Wendungen hat diese Odyssee durch London und die antike Unterwelt fast keine; und zwischen den pompösen griechischen Gottheiten wirkt Diana zu oft wie eine machtlose, zufällige Randfigur. Ich kenne keine zweite Mainstream-Comicreihe aus den letzten Jahren, die 30 Hefte lang auf gleichbleibend hohem Niveau eine schlüssige, anspruchsvolle Geschichte erzählte. Respekt! Doch der letzte Funke… fehlt.

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14 – Wonder Woman (1987)

Batman v Superman, Wonder Woman Perez

[Link] …von George Perez (Text und Zeichnungen):

Ein Klassiker – zeitlos, aber unfassbar achzigerjahrig. In bisher vier Sammelbänden (mehr Material muss noch neu aufgelegt werden) erzählt George Perez die Anfänge, ersten Schritte von Diana jenseits ihrer Amazonen-Heimat. Alles ist überfrachtet, pomadisiert, verschnörkelt, barock. Und trotzdem so charmant, sich-selbst-und-seine-Figuren-ernst-nehmend, dass man bis heute mit Genuss lesen kann.

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15 – Wonder Woman, „Identity Crisis“, „Infinite Crisis“

Batman v Superman, Identity Crisis

[Link] …von Greg Rucka (meinem Lieblings-Comicautor), Geoff Johns und vielen anderen:

Seit 2003 war Wonder Woman vor allem Diplomatin. Doch musste trotzdem hin und wieder in den Hades steigen, oder eine Medusa duellieren. Eine moderne, kultivierte Frau – in archaischen Rollen, tragischen globalen und persönlichen Konflikten. Rucka schrieb zur selben Zeit auch „Superman“-Comics, und beide Reihen mündeten in einem (großartigen) Justice-League-Crossover, „Identity Crisis“ und, 2006, einem Knall namens „Infinite Crisis“. Ich habe hier [Link, Punkt: ‚Identity Crisis, 2005‘] aufgeschrieben, in welcher Reihenfolge diese fünf bis ca. 15 Bände am meisten Spaß machen.

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Einige Reihen unterhalten, interessieren, begeistern mich seit einer Weile – haben aber noch keinen Abschluss. Vier Tipps, zu denen ich mir noch kein abschließendes Urteil bilden kann. Schade, dass diese Bände nicht schon jetzt, zum Filmstart, komplett in Buchläden bereit liegen:

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16 – Superman: Earth One

Batman v Superman, Earth One

[Link] …von J. Michael Straczynski, Zeichnungen von Shane Davis (Band 1 und 2) und Ardian Syaf (Band 3):

Die „Earth One“-Buchreihe erzählt abgeschlossene Geschichten in einer neuen, alternativen Realität. Weil Clark Kent auf dem Cover von Band 1 einen Hoodie trägt, rechneten Zyniker mit einem „‚Twilight-Clark‘, ‚Emo-Clark‘, ‚Boygroup-Clark'“ – doch tatsächlich ist „Earth One“ eine konventionelle, souveräne Origin Story. Wer Superman mag, wird diese Parallelwelt-Version gerne akzeptieren. Wer nichts über Superman weiß, findet sich sofort zurecht. Nicht progressiv. Aber angenehm professionell, besonders im Vergleich zu vielen monströs schlechten Superman-Sammelbänden der letzten Jahre. [„Batman: Earth One“ ist ebenfalls solider, zugänglicher Mainstream – doch langweilte mich schneller. Grant Morrisons“Wonder Woman: Earth One“ erscheint im April 2016 – aber hat furchtbare erste Kritiken.]

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17 – Superman: American Alien

batman v superman, superman american alien

[Link] …von Max Landis; der Zeichner wechselt mit jedem Heft/Kapitel:

Max Landis, Sohn von Horror-Regisseur John Landis, ist ein sympathischer Nerd und Schwätzer, der u.a. 2012 ein unterhaltsam polemisches Video drehte über die „Death and Return of Superman“-Storyline Anfang der 90er Jahre. Seitdem schreibt er gelegentlich für DC – mit Respekt vor den Figuren, Talent und Lust, Erwartungen zu überrumpeln. Von sieben Heften „Superman: American Alien“ sind bislang fünf erschienen. Alle haben einen anderen Zeichenstil und eine radikal andere Grundstimmung – aber alle machen Spaß. Mich stört nur, dass in jedem Heft zwei, drei Figuren genauso selbstverliebt und langatmig palavern… wie Landis selbst. Max? Dein Lex Luthor klingt wie jemand, der Youtube-Videos über Heldencomics dreht.

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18 – The Legend of Wonder Woman

Batman v Superman, Legend of Wonder Woman

[Link] …von Renae de Liz, Zeichnungen von Ray Dillon:

Manchmal sind Comics halbkompetent geschrieben, erzählt – doch laugen mich nach wenigen Seiten aus: Figuren aus „The Walking Dead“ sagen zu viele Dinge dreimal. Ihre Sprechblasen sind überfüllt, die Dialoge hölzern. Auch „The Legend of Wonder Woman“ krankt an solchen unpräzisen, öden Geschwätzigkeiten. Alle Frauen hier sehen aus wie Disney-Prinzessinnen. Doch kindgerecht ist die Geschichte über Dianas erste Jahre als Kriegerin und Diplomatin trotzdem nicht: Kein Kind hätte Nerven für so langatmiges Geblubber. Solide Geschichte. Aber: uff. Kürzt diese Paraphrasen!

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19 – Lois and Clark

batman vs Superman lois clark

[Link] …von Dan Jurgens, Zeichnungen von Lee Weeks:

Altmodische Zeichnungen, altmodische Rollenbilder, ein altmodischer – und deutlich älterer – Superman, glücklich verheiratet mit Lois Lane, Vater eines Sohnes: Zwischen 1986 und 2011 erlebten alle DC-Figuren wichtige Entwicklungen. Doch seit 2011, mit dem Neustart-Slogan „The New 52“, sind viele dieser Geschichten hinfällig/nie passiert. Lois und Clark waren (in der Realität der Comics seit 2011, auch rückwirkend) nie ein Liebespaar – und leben heute in den Reihen „Superman“ und „Action Comics“ spröde nebeneinander her. Autor Dan Jurgens aber bringt ihre alten Versionen, das Liebespaar von 86 bis 2011, in die New-52-Realität. Geschichten im alten Stil – in der kühleren, schrofferen Erzählgegenwart. Simpel, aber mit viel Herz. Mich stört nur, wie verhältnismäßig schwach Lois Lane agiert – als Provinz-Mutti statt Pulitzer-Journalistin.

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Es gibt zwei Dutzend weitere aktuelle Heftreihen/Sammelbände, die auf den Kinofilm einstimmen könnten: „Aquaman“ und „Cyborg“, „Superman/Wonder Woman“, „Batman/Superman“, „Superman“, „Action Comics“, etliche „Batman“-, Team- und „Justice League“-Reihen… doch nichts davon las ich seit 2011 mit besonderer Freude. Tom Taylors „Earth 2“ hatte zwei Sammelbände lang sehr gute Kritiken (1) (2), doch der konventionelle Zeichenstil stieß mich ab.

 

Batman vs. Superman: The Greatest BattlesIm Dezember 2015 erschien der Sammelband „Batman vs. Superman: The Greatest Battles“ – eine solide Auswahl und, wie alle DC-Themen-Sammelbände, grundsätzlich empfehlenswert. Persönlich werde ich schnell müde beim Lesen solcher Comic-Anthologien: Die alten Comics, 40er bis 70er Jahre, sind kindisch und träge. Und die Kapitel, die man neueren Story-Arcs entrissen hat, wirken wie Stückwerk, zusammenhanglos: Ich lese das – und möchte jedes Mal ganze Sammelbände öffnen. Statt von Fragment zu Fragment, Episode zu Episode zu springen. Trotzdem: vorsichtige Empfehlung – zumal nur Szenen ab 1986 nachgedruckt wurden.

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Autoren, Journalisten auf Facebook: Wie finde ich Kontakte?

Leipziger Autorenrunde (2015). Foto: Leander Wattig

Leipziger Autorenrunde (2015). Foto: Leander Wattig

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Im Kindergarten war ich meist allein. In der Grundschule hatte ich eine Handvoll Freundinnen, Freunde – doch viele Kinder konnten wenig mit mir anfangen.

Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte die Klassenlehrerin. „Auf der weiterführenden Schule wird es besser.“

Das stimmt: Je älter ich werde, desto leichter lässt sich mein Umfeld filtern (Klassismus olé!). Und desto besser passen die Leute um mich herum zu mir und meinen Interessen. Ich bin mobiler. Vernetzter. Kann oft entscheiden, mit wem ich Zeit verbringe. An welchen Orten ich Kontakte suche. Ich traue mich, Leute anzusprechen. Ich traue mich, Leute vor den Kopf zu stoßen, ihnen aus dem Weg zu gehen. Wir alle finden „unsere“ Menschen. Zunehmend digital, ortsunabhängig – auf Plattformen.

Zur Leipziger Autorenrunde – auf der Buchmesse, im 19. März 2016 – geben über 60 Dozent*innen, Expert*innen, Schreib-, Verlags- und Buchmenschen in kurzen Sessions Erfahrungen weiter. Ich habe zehn Ideen gesammelt, wie wir im Netz – vor allem: auf Facebook – „unsere“ Leute finden. Ideen, die sich vor allem an Textarbeiter richten: Schreiber, die Verlage suchen. Oder Redakteure suchen. Oder Publikum, Fans, Multiplikatoren. Ideen, Erfahrungen – aus acht Jahren Facebook, fünf Jahren Blog.

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Autorenrunde 01

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01: Vorbilder

Ich studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus, in Hildesheim – und als ich ankam, mit 20, waren meine Lieblingsautoren John Cowper Powys und Thomas Wolfe: Literaten der 20er und 30er Jahre. Auch in Seminaren wurden solche Klassiker gestreift… doch wichtiger war fast all meinen Dozent*innen, dass wir die Gegenwart im Blick behalten: Wer schreibt, heute? Deutschsprachige, tolle Stimmen?

Ich verstehe, dass die (vor allem: deutsche) Verlags-, Journalismus-, Texter-, Medienwelt oft etwas glanzlos ist – im Vergleich zu den Klassikern, und/oder Amerika. Aber wer mit Text arbeiten will in Deutschland, muss herausfinden, wie heute in Deutschland mit Texten gearbeitet wird. Sagt nicht: „Ich schreibe Fantasy. Meine Vorbilder sind Tolkien, Neil Gaiman und Terry Pratchett.“ Sagt nicht: „Ich will Kritiker werden. Genau wie Reich-Ranicki.“ Sagt nicht: „Ich hätte gern den Job von Lois Lane: Journalistin – im Daily Planet.“

Egal, welche Sorte Text- und Verlagsarbeit: Informiert euch. Übers Jetzt! Folgt Leuten, die an Stellen arbeiten, an die ihr wollt; Karrieren haben, die euch für euch selbst plausibel scheinen. Es war nie leichter, Verlagshäuser, Strukturen, Abläufe hinter den Kulissen einzublicken: Lernt dazu. Sucht Role Models. Abonniert sie auf Facebook und Twitter. Findet ihre Blogs. Bücher. Podcasts. Interviews. Sagt ihnen gern auf Lesungen hallo – oder interviewt sie für eure eigenen Podcasts, Blogs.

Oft aber spielt gar keine Rolle, ob diese Leute wissen, wer ihr seid: Für mich sind Dietmar Dath, Stefan Niggemeier, Elke Heidenreich plausible, große Vorbilder. Ich versuche nicht, mich anzufreunden. Stecke keine Energie in die Bemühung, von IHNEN wahrgenommen, gehört, gelesen zu werden: Ihr müsst kein Buddy werden, Stalker, Jubler, Fan. Doch ihr müsst – für euch selbst – wissen, in welche Richtung ihr wollt. Und euch informieren, welche Kompetenzen Menschen brauchen, die schon ein paar Stufen weiter oben/vorn arbeiten, auf dieser Route.

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Autorenrunde 02

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02: Gleichgesinnte

Nutzt die US-Version von Facebook – und Graph Search: die Möglichkeit, komplexe Suchanfragen zu starten:

  • Freundes-Freunde, die Fan sind von: Leipziger Autorenrunde

  • Frauen, die sich für Frauen interessieren und Fan sind von: Edition F

  • Menschen, die Terry Pratchett liken und teilnahmen an: Leipziger Buchmesse

Ihr könnt in Graph-Search-Suchanfragen beliebig viele solcher Elemente kombinieren, Schnittmengen suchen, die zu euch, euren Interessen, vielleicht dem Wohnort passen… und in den Suchergebnissen Profile öffnen: Sind Menschen darunter, denen ihr spontane Freundschaftsanfragen schicken wollt? Oft, z.B. bei vielen Journalist*innen, Autor*innen sind Profile auch öffentlich – und ihr könnt einfach „Follow“ drücken.

Legt Listen an auf Facebook, von Freunden (oder Fan-Seiten; oder Menschen denen ihr folgt) – von denen ihr keinen Beitrag verpassen wollt. Ich selbst habe eine (nicht öffentliche) Liste für 40 enge Freunde. Eine Liste für ca. 200 tolle Verlagsmenschen und -Projekte. Eine Liste für interessante fremde Buchmenschen, die mich nicht kennen, aber deren Beiträge mich interessieren. Und eine Liste für feministische und queere Themen:

Menschen sehen nicht, dass sie solchen privaten Listen hinzugefügt wurden. Es hilft euch, eure Facebook-Welt zu ordnen, den Überblick zu behalten und, wenn ihr wollt, keinen Beitrag zu verpassen. Vernetzt euch mit Leuten, die auf dem selben Weg sind. Ähnliche Ziele haben. Wenn ihr einen Text, Blogpost, ein Foto ehrlich mochtet: Sagt es, verlinkt es, empfehlt es auf Facebook oder Twitter.

Wenn ihr ein Seminar oder eine Veranstaltung besucht habt: Schaut, wer noch teilnahm. Nutzt Facebook-Literatur-Gruppen wie „Das blaue Sofa“, „Bücher, die man lesen muss“, „Buchtipp“. Fragt Freunde, ob sie euch neue Leute vorstellen oder empfehlen können. Fragt in Gruppen, welche anderen Gruppen aktiv und interessant sind.

Ich selbst folge sehr vielen Kultur- und Textmenschen – doch sende kaum Freundschaftsanfragen. Doch mein Profil, meine eigenen Postings sind öffentlich – deshalb fragen viele fremde Buch-Leute mich an, und oft nehme ich sie an. Egal: dass Facebook die „Follow“-Funktion von Twitter übernahm, ist für mich ein Riesengewinn. Nicht jedes Profil, das mich interessiert, wird sich auch für Beiträge interessieren, die ich selbst poste. Einseitiges Folgen ist so zwanglos, unkompliziert: Mein Facebook-Stream wird vielstimmiger, komplexer.

Belästigt und bedrängt niemanden. Biedert euch nicht an. Spamt nicht! Nichts hasse ich mehr, als eine Anfrage von „Claudia Schmökerfee“ anzunehmen – und sofort eingeladen zu werden: „Claudia Schmökerfee schlägt dir vor, dass du ihre Seite ‚AUTORIN Claudia Schmöckle‘ mit ‚gefällt mir‘ markierst.“

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Autorenrunde 03

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03: LESER:

Seid nicht gekränkt, wenn sich die Gleichgesinnten (oder gar: die Vorbilder) nicht sehr für eure Texte, eure Arbeit, eure Posts interessieren: Ich bin überrascht, wie viele Buchblogger*innen jeden Tag stundenlang Buchblogs zu lesen scheinen. Wie viele Deko- und Mode-Menschen auf Instagram die Deko- und Modefotos anderer Menschen lieben/zu lieben vorgeben. Manchmal wirkt das wie eine Schlange, die sich selbst frisst.

Ihr müsst euer berufliches Umfeld kennen und verstehen. Aber bitte beklatscht nicht alles. Und bitte beklatscht es auf keinen Fall nur, weil ihr wollt, dass die anderen zurück-klatschen. Auf mich wirken solchen berechnenden Alles-Liker, Alles-Gutfinder verbissen, traurig, aufgesetzt.

Wer kommentiert meine Posts? Wer liest meine Beiträge, wem sind sie ein Gewinn?

Ich merke: Wer MICH mag, hat oft trotzdem wenig Interesse an meinen (beruflichen) Texten. Wer mit mir Kaffee trinkt, spazieren geht, will mit mir Kaffee trinken, Spazieren gehen – nicht: Blogposts lesen, in denen ich über Bücher spreche. Leute mögen mich als Mensch. Andere mögen mich als Blogger. Als Facebook-Sammler/-Poster/-Kommentator. Als literarischen Autor. Leute mögen nie ALLES. Drängt sie nicht. Versucht nicht, jemandem auf jedem Level zu gefallen: Es gibt Autor*innen, deren Facebook-Beiträge ich liebe… und deren Bücher mir egal sind. Es gibt Journalisten, mit denen ich zum Mars fliegen würde – doch ihre Zeitung kaufe ich nie.

All das heißt auch: Ihr könnt auf jeder Plattform, in jedem Netzwerk Dinge posten/tun/ausprobieren, die jeweils anderen Menschen gefallen. Seid eitel auf Instagram. Seid politisch auf Facebook. Witzelt auf Twitter. Schreibt Gedichte im Blog: Euer Tumblr-Ich muss nicht die selben Leute glücklich machen wie euer Snapchat-Ich.

Ich schreibe meist sehr verständliche Facebook-Beiträge (weil ich dort die meisten Follower habe, aber viele Leute mich nur oberflächlich kennen und z.B. über Ironie stolpern) – doch auf Twitter poste ich nerdig, kleinteilig, spontan. Ich nehme Fotos auf Facebook ernst – auf Instagram dagegen spiele ich herum.

Beobachtet, WER euch liked und abonniert, teilt und kommentiert, unterstützt, vielleicht sogar anfeuert, bewundert, gerne liest. Bei mir sind das fast nie meine genauen Spiegelbilder: Irgendein anderer Journalist/Kritiker/Autor Anfang 30, in Berlin. Sondern: Leute, drei, vier Jahre jünger. Oder zehn, zwanzig Jahre älter. Fragt diese Leute, welche Beiträge sie mögen. Warum sie euch zuhören und eure Arbeit schätzen. DAS sind die Leser. Und oft, merke ich, finden sie einzelne Texte/Plattformen/Arbeiten von mir toll. Ohne aber, MICH so zu mögen, wie das engere Freunde tun.

Müssen sie auch nicht: Seid nicht enttäuscht, dass nicht zehn Menschen ALLES für euch sind… ihr tatsächlich eher 1000 oder 10000 ansprecht – aber eben immer nur: mit jeweils EINER Arbeit, EINEM Aspekt.

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Autorenrunde 04

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04: die Don’ts

Postings entlarven: Sie zeigen viel mehr, als man denkt. Ich glaube, man kann Lesern online schlecht viel vormachen: Mit jedem Satz, mit jedem Status, Foto zeigt man so viel über sich, dass Tricks, Täuschungen, Fassaden bald unsinnig viel Aufwand kosten würden. Freundin S. arbeitet am Theater – und sagt, Postings unter Theater-Leuten sind oft viel positiver, kameradschaftlicher als unter Buchmenschen: „Mit jedem Posting positionierst du dich. Deine Beiträge sind sehr wertend. Die ‚gefällt mirs‘ der Leute, die dir zustimmen, kannst du sehen. Doch ich glaube, es gibt genauso viele Leute, die mitlesen und denken: ‚Uff‘.“

Ich selbst denke mehrmals pro Minute ‚uff‘: Lese Postings, die mich begeistern, freuen, überzeugen sollen – aber die stattdessen beitragen, dass ich ihre Verfasser weniger schätze, respektiere, weniger gern zuhöre. Bei deutschen Autoren nervt mich oft, dass sie jovial in ihre Freundes- und Follower-Runde duzen – von oben herab, oft aufgesetzt, wie jemand, der nicht MIT seinen Kontakten spricht, sondern nur ZU ihnen: „Huhu, meine Lieben. Freut ihr euch auch schon so auf mein Buch? Schnell hier bestellen!“

Ich merke: Weil meine Kontakte jeweils unterschiedliche Stefans kennen, auf sehr verschiedenen Wissensständen sind und mich deshalb oft etwas schief einschätzen/missverstehen, hilft IMMER – bei jedem Text, Link, Beitrag – präzise zu formulieren, wo ich stehe: Mit welcher Absicht teile ich das? Ich halte das für wichtig, interessant? Warum?

Ich verstehe, dass Facebook oft stresst, nervt. Mutlos macht:

Lesen Freunde zu lange durch ihren Newsfeed, werden sie oft neidisch, wütend oder verzweifelt („Alle Menschen sind SO dumm!“).

Mir helfen da drei Gedanken:

  • Leute zeigen auf Facebook oft ein Best-Of ihres Lebens – während ich aus meinem eigenen Alltag ALLE Fehlschläge, Sackgassen, Patzer kenne: Ich habe nichts davon, jedes fremde Best-Of gegen mein Work-in-Progress aufzuwiegen.

  • Wer Selfies postet, zweifelt oft an seiner Attraktivität. Wer postet, wie glücklich er gerade ist, muss sich das oft durch solche Postings affirmieren. Schaut nicht durch Posts und schimpft „Ihr findet euch toll? Ihr Trottel!“ Je mehr mein Selbstbild wankt, desto tröstender scheinen mir Likes und Online-Selbstdarstellung. Wer sich am lautesten nach Lob, Bewunderung sehnt… braucht oft gerade wirklich etwas Aufmunterung. Deshalb gebe ich sie oft – neidlos und gern.

  • ICH würde fast alle Fotos, die ich sehe, nie so posten. Fast alle Sätze, die ich lese, nie so schreiben. Das ist okay – weil unterschiedliche User andere Ziele, Freundeskreise, Normen haben, ganz anders auftreten und für ganz andere Dinge geschätzt oder gelobt werden wollen. Ich glaube, wir ALLE scrollen oft durch Facebook – und schaudern: „Huch. Alle sind furchtbar. Und kriegen dauernd Likes, obwohl sie furchtbar sind.“

Ich kenne nur eine Autorin, die mir auf Facebook noch nie auf die Nerven ging, deren Tonlage (zufällig?) meine Ansprüche prima trifft: Britta Sabbag. Bei allen anderen denke ich oft „Ich verstehe, was du sagen willst – aber die Haltung/Wortwahl ist schlimm“, oder „Wow: Gerade kommst du nicht sympathisch rüber.“ Oft hilft auch, „nervige“ Postings mit einem Freund oder Partner durchzusehen. Zu fragen: „Wie ist dein Eindruck? Scheint diese Person sympathisch, hier? Ist das ein guter Auftritt?“

Meist stoßen mich Kleinigkeiten vage ab: ein Profil wirkt „irgendwie eitel“, ein älterer Mann „irgendwie bitter“, ein Verleger „vielleicht aufgeblasen“. Erwähne ich dann den Namen vor meiner Mutter oder meinem Freund, rufen sie oft „Klar: DER ist doch aufgeblasen! Das sieht man doch an folgenden Fotos/Kommentaren/Reaktionen.“ It’s not me. Postings entlarven. Sie zeigen viel mehr, als man denkt.

Deshalb: Fragt bitte eure scharfsinnigsten, ehrlichsten, boshaftesten Freunde: Wie komme ICH rüber, online?

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Autorenrunde 05

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05: Fragt!

Ich muss mir keine Bohrmaschine kaufen – oder? Weil jeder von uns genug Leute mit Bohrmaschine kennt.

Und ich muss nicht an Türen klingeln, einzeln fragen: „Hast du vielleicht eine Bohrmaschine?“ Sondern kann auf Facebook posten, einmal – kurz und diskret. Traut euch, nach Dingen zu fragen, öffentlich. Und traut euch umgekehrt, Dinge anzubieten. Wenn ich für einen Text recherchiere… wenn ich eine Frage an einen Fachmann habe… wenn ich eine billige Alternative brauche zu einem Produkt… frage ich immer öfter erstmal meine Facebook-Welt. Und kriege meist wunderbare, kompetente Antworten.

Leute haben Angst, „zu betteln“. Ich denke selbst oft, VIEL mehr zu kriegen als zu geben – und will mein Netzwerk nicht überstrapazieren: Letztes Jahr brauchte ich Übernachtungen, für die Leipziger Messe, und Facebook-Freunde halfen mir SO sehr… Ich hatte das ganze Jahr über ein schlechtes Gewissen, das nicht in gleichem Maße zurückgeben zu können. Dieses Jahr bin ich nur Samstags auf der Messe: Nochmal zu fragen, nochmal zu nehmen, schien mir maßlos. Gierig.

Tatsächlich aber macht Geben Spaß: Wir alle haben so viel Wohlstandskram, alten Krempel, so viel kaum genutztes Wissen, Expertise, so viele Ressourcen und Fundstücke, so viele Ideen… und so viel Empathie: Mitdenken macht Spaß, Helfen macht Spaß, ich finde es normal, Facebook zu öffnen und nach drei Minuten zu wissen: „Lisa sucht gerade Kinderbuch-Tipps, Anne eine Ferienwohnung am Meer, Chris gute US-Kurzgeschichten, die er übersetzen kann… und hey: Vielleicht könnt sie Marc danach veröffentlichen! Chris und Marc müssen sich kennen lernen!“

Ich behalte solche Anfragen im Hinterkopf. Oft kann ich nicht direkt, sofort helfen. Muss ich auch nicht: Fast immer hilft irgendwer. Und manchmal, WENN ich helfen kann, freue ich mich darüber wie bei einem Bingo-/Lotto-Moment… bei dem das, was ich biete und das, was jemand anderes sucht, glücklich deckungsgleich sind.

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Autorenrunde 06

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06: Benennt eure Ziele und Kompetenzen.

Freundin K. übersetzt oft, für Verlage. Sie wusste, dass ich selbst übersetze, wollte mich Verlagen empfehlen – und sagte, sie braucht eine Arbeitsprobe. Sonst wird es nichts.

Meine Website/Blog ist der Ort, an dem JEDER Auftraggeber solche Arbeitsproben, Referenzen suchen wird – und finden kann: Texte, Rezensionen, Links zu meinen Veröffentlichungen, Interviews, meine Mailadresse. Alles möglichst offen, sichtbar, eindeutig: Leute wissen, was ich tue. Und: Was ich tun will.

Oft werde ich gebeten, junge Autor*innen/Journalist*innen zu empfehlen, für Jobs. Doch bei vielen Schreibern, mit denen ich vor zehn Jahren studierte, weiss ich – trotz Facebook-Freundschaft – nicht genau, wie oft, wie gern, wie professionell sie heute noch schreiben (wollen): Ich sehe keine Arbeitsproben. Ich kann nichts weiterleiten, zeigen, verlinken. Ich weiß nicht, ob man eine schön gestaltete Website braucht (nach meiner Erfahrung: nein). Ich weiß nicht, ob man eine eigene URL/Domain braucht (nach meiner Erfahrung: nein).

Aber: Ein Redakteur, Buchhändler, Verleger, potenzieller Auftraggeber, der euren Namen bei Google eingibt, MUSS etwas finden – so sortiert, übersichtlich, einladend wie möglich. Sammelt, zeigt, macht sichtbar, archiviert, was ihr tut. Und macht genauso sichtbar, was ihr tun wollt.

Unter meiner Veröffentlichungsliste steht: „Ziele: Print-Feuilleton (Zeit, SZ, FAZ?) | Klagenfurter Literaturkurs | Übersetzungen (Literatur, Genre, Young Adult; Comics bei Panini?) | Wired | Volltext | Literaturspiegel/SPON | taz | …und: den Roman abschließen.“

Um diese kurze Wunsch-/Ziel-Liste zu schreiben, musste ich überraschend lange überlegen: Ich weiß, dass ich jahrzehntelang weiterhin Kritiker, Autor, Journalist sein will. Und wir alle haben ungefähre Vorstellungen, wie es am Ziel aussieht. Doch die genauen, realistischen Etappen, Stationen, greifbaren Zwischenstufen dorthin? Welche konkreten Aufgaben, Jobs will ich übernehmen – im Lauf der nächsten zwei, drei Jahre…? Wo will ich mich anbieten? Wo will ich überhaupt erst anfangen, herauszufinden, wie man sich dort anbietet: Bei welchem Redakteur, mit welchen Pitches? Ich musste erstmal ordnen, entscheiden.

Ein Bekannter, gerade in den letzten Semestern, seufzte neulich, er würde so gerne irgendwo schreiben. Eine erfahrene Journalistin saß am Tisch und fragte: „Was schreiben? Wo? Wem kann ich dich vorstellen?“ Er wusste es selbst noch nicht.

Lasst die Menschen um euch herum wissen, nach welchen Stellen, Ausschreibungen, Chancen ihr sucht. Ich frage das andere Freund*innen oft. Behalte ihre Antworten lange im Hinterkopf. Helfe, wenn ich kann – auch, wenn es oft lange dauert: Freunde von mir machen die Programmplanung in Literaturhäusern. Wir halten Kontakt: Sie wissen, woran ich arbeite, was meine Themenfelder, Expertengebiete sind. Oft hat das Literaturhaus-Programm jahrelang nichts mit dem zu tun, was ich bieten kann. Doch kurz, bevor ich denke: „Oh: Ich bin nicht gefragt.“, kommen neue Anfragen – für etwas, für das ich die genau richtige Person bin. Jobs, die genau auf mein Profil passen.

Macht euer Profil so sichtbar wie möglich.

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Autorenrunde 07

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07: Kennt eure Route: die nächsten Schritte.

Warum habe ich meinen Roman noch nicht veröffentlicht? Weil Kapitel 31 fehlt. Kapitel 30… und neun weitere Kapitel, bis runter zu 21: Freunde schauen manchmal auf Autor*innen, die sehr jung viel geschafft haben – Vea Kaiser, Ronja von Rönne, Benjamin Lebert – und ärgern sich, dass sie nicht Veas, Ronjas, Benjamins Leben führen gerade… obwohl sie sicher sind: Sie könnten all das besser.

Könnte ich das? Vielleicht. Falsche Frage! Wichtiger, viel akuter nämlich: Wann schreibe ich Kapitel 21 fertig? Wie schaffe ich genug Freiraum in meinem Leben, um alle sechs bis acht Wochen ein weiteres Kapitel zu beenden? Was bedeutet das konkret– finanziell, und für die Zeit, die mir dann für Artikel/Journalismus fehlt? Für die Zeitaufteilung jedes Tages?

Nicht alles ist planbar. Doch so oft male ich mir vage aus, wie ich „voran komme“ … und merke dann: Ich muss genauer definieren, was das bedeutet! Macht Listen. Haltet eure Erwartungen möglichst konkret. Klagt nicht: „Niemand interessiert sich für meine Texte“, sondern findet heraus, welche Sorte Text zu welchen Themen ihr wo anbieten/einreichen könnt. Falls restlos all diese Texte abgelehnt werden: Jammert. Aber nicht vorher!

Nach meiner Erfahrung klappen von fünf Projekten meist drei. Ich nahm mir vor, erst panisch/selbstmitleidig zu werden, wenn fünf Projekte am Stück scheitern. Das ist bisher noch nie passiert: Ich hatte nie fünf Flops, Sackgassen, Enttäuschungen in Folge. Um motiviert zu bleiben, will ich jedes Mal, wenn eine Sache floppt, vier weitere Ansätze, Ideen, Ziele benennen können – und mich um deren Umsetzung bemühen.

…das ist so aufregend (und zeitaufwändig), dass ich die Enttäuschung nach zwei Tagen Arbeit an Neuem eh vergessen habe.

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Autorenrunde 08

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8: Drei Adjekte

Sucht euch drei Dinge, die ihr kommunzieren wollt“, riet mir eine Marketing-Freundin. Sie sagt, Leser, Follower, Interessierte können drei solcher Attribute gut verstehen und im Kopf behalten. Aus drei Attributen formt sich ein schlüssiges Image, das man leicht bespielen, immer neu zeigen kann.

Ich könnte zum Beispiel mit jedem Facebook-Beitrag etablieren: Stefan Mesch ist neugierig. Kritisch. Und an Menschen interessiert.

Oder: Ich arbeite für Deutschlandradio Kultur. Blogge. Schreibe am Roman. Oder: Meine Fachgebiete sind Genre-Literatur, unbekannte Bücher und Comics. Oder: Ich komme aus Heidelberg. War in Hildesheim. Toronto. Jetzt oft Berlin…

…nein, halt: Das sind schon vier Stationen/Attribute. Es wird unübersichtlich.

Tatsächlich haben Menschen Mühe, sich die simpelsten Prämissen zu merken: Ich selbst verwechsle oft die Karrieren, Ziele, Wohnorte, Partner, Status Quos guter (Netz-)Freund*innen, habe Mühe, bei allen up-to-date zu bleiben: Nur von den allerengsten Freunden lese ich JEDEN Beitrag. Und vieles wird auf Facebook auch nur ein-, zweimal offen gesagt, gepostet: Treffe ich Menschen, die mir auf Facebook folgen, denke ich zuerst „Sie wissen, dass ich Superman mag. Sie wissen, dass ich in einem Dorf aufwuchs. Sie wissen, dass ich ein Booktube-Video gedreht habe und gern ein noch mehr probieren würde. Sie wissen, dass mir Berlin recht fremd ist.“ Tatsächlich aber gehen solche Dinge dauernd verloren. Auf Facebook. Und in den Köpfen.

Falls ihr eine kommerzielle Fan-Seite betreibt und wirklich nur EINE Agenda pushen wollt: Nehmt drei Adjektive. Sagt: „Ich bin Krimi. Ich bin Niedersachsen. Ich bin Katzenfotos.“ Ich glaube aber, auf Facebook sprechen die meisten von uns (in ihrem Privatprofil) zu einer Gruppe, SO durchmischt, dass drei Attribute zu eng sind: Deshalb ist es normal für mich, dort Dinge möglichst erklärend, verständlich zusammenzufassen und – wie beim Drehbuchschreiben für eine Seifenoper – immer zu bedenken: „Auch die großen Fans könnten die letzte Folge verpasst haben. Geh bloß nicht davon aus, dass die Mehrheit den Überblick hat, alle Details kennt!“

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Autorenrunde 09

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9: die feinen Unterschiede

Der Literaturbetrieb hat so viele Rollen – und viele Text-Menschen spielen Doppel-, Mehrfachrollen… ich kann diese Posten, Berufe nicht zu einer Hierarchie ordnen: Ganz oben Verleger, dann Autoren oder Lektoren, weiter unten Journalisten, Buchhändler, Blogger, Leser. Das wäre zu simpel.

Aber: Redakteure posten andere Fotos, teilen andere Links, machen andere Twitter-Witze als… Journalismus-Studenten. Bestsellerautoren verhalten sich anders als Leute, die am Anfang ihrer Schreibkarriere stehen. Kaffeetassen und sexy Selfies, Glitzer-Feen und arrogante Sprachwitze, Familien-Kitsch, wütende Rants… jeder darf alles posten. Doch es gibt oft überraschende Gefälle bei den Likes, der Zustimmung, den Reaktionen.

Ich bin freier Kritiker: Ich will keinen Job als Redakteur. Ich lektoriere gern – aber suche keine Stelle im Verlag. Trotzdem merke ich: Wenn ich „im Stil“ von Redakteuren poste…. statt Inhalte, wie sie andere freie Kritiker teilen, denken Redakteure eher: „Oha. Einer von uns.“ Wenn ich „im Stil“ von Verlegen urteile… nehmen mich Verleger ernster. Vielleicht auch nur, weil alle sich narzisstisch spiegeln. Von einem Blogger, boshaft oder hochnäsig wie ein (Klischee-)Feuilletonist, denken Feuilletonisten schneller: „Der könnte auch für uns schreiben.“ Und viele Verlagsautoren wirken auf mich oft bereits wie „typische“ Verlagsautoren…. bevor sie den Vertrag unterschrieben: Fake it until you make it. Dress for the job you want, not for the job you have.

Wenn du so tust, als hättest du besonders viel mit der Gruppe gemein, zu der du stoßen willst… darfst du oft irgendwann tatsächlich zu ihr stoßen.

Das wird vor allem umgekehrt zum Problem: Ein Lehrer, der im Stil seiner Schüler postet? Eine Autorin, die postet, sie sei „Mega-Leseratte“? Ich habe Kulturjournalsimus studiert… doch Kultur-Redakteure sagen immer öfter „Ach: Sie sind der Blogger.“ So lange ihr das postet, was auch Buch-Amateure posten, Fans, Hobby-Leser, denken die Verleger, Schreibtischmenschen, die euch beäugen und prüfen schnell: „Ach so: ein Fanboy. Ein Blog-Mädchen. Amateure.“

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Autorenrunde 10

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10: Drückt auf verschiedene Knöpfe.

Ein Netzfreund veröffentlichte einen Roman. Und FLEHT, dass er mehr Leser findet: Er postet, kommentiert wieder und wieder: „Ich wünschte, Leute interessierten sich für mein Buch. Ich wünschte, ich wäre gefragt. Ich wünschte, das Buch wäre rentabel. Dann wäre alles einfacher!“

Das stimmt. Doch hilft das dauernde, immergleiche Öffentlich-Darüber-Lamentieren? Vieles, was ich wollte, glückte. Doch ebenso viele Ideen, Fragen, Texte, Projekte von mir… sind mühsam, bringen kaum Ergebnisse, zünden nicht so recht. Es hilft nicht, immer wieder auf den selben „Zündungs“-Knopf zu hämmern. Oder überall zu posten „Warum zündet es nicht? Ich wünschte, es würde zünden!“

Wenn niemand eure Turnschuh-Fotos mag: Fotografiert andere Schuhe. Oder völlig andere Motive. Oder stellt sie auf Tumblr… auf Flickr. Oder Twitter.

Wenn euer Buch wenig Leser findet – und die Verkäufe nicht besser werden, indem ihr täglich auf allen Kanälen, in allen Gruppen postet „Kauft!“, macht etwas anderes: Verlosungen. Rezensionsexemplare. Eine Leserunde. Gebt Interviews.

Ich bin auf Facebook, um Menschen kennen zu lernen und mit ihnen über – immer neue, wechselnde – Fragen zu sprechen. Nicht: Um mich von Leuten bewerben zu lassen. Oder: die immer gleichen drei Attribute einer Marke/Persona gezeigt zu bekommen. Schon Autoren-Seiten like ich selten – weil ich auf Augenhöhe sprechen will, in Privat-Profilen. Und, weil ich immer Angst habe, dass ein „Like“ für meine Freunde aussieht wie: „Ah: Stefan Mesch ist FAN dieses Autors.“ Schon bei vielen Verlagen, die ich „like“, denke ich: „Hm. So viel halte ich gar nicht von eurer Arbeit, euren Büchern. Ich habe nur ‚Like‘ gedrückt, um informiert zu bleiben.“

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  • Vorbilder finden.
  • Gleichgesinnte finden.
  • Leser finden.
  • Posten, was man selbst gern lesen würde.
  • Fragen: Um Sachkenntnis, Ideen, Hilfe bitten.
  • Ziele und Kompetenzen benennen – und sichtbar halten.
  • Die Reiseroute kennen.
  • Drei Attribute bestimmen (oder nicht).
  • Rollen ausprobieren – ohne, sich zu verstellen.
  • Auf wechselnde, neue Knöpfe drücken – statt immer auf den selben.


empfehlenswerte Links:

1) http://www.tor.com/2016/03/10/publishing-business-art-rejection-personal/

2) http://fusion.net/story/244545/famous-and-broke-on-youtube-instagram-social-media/

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Autorenrunde text

Literatur 2016: Buchtipps und Neuerscheinungen zur Leipziger Buchmesse

Bücher, Romane Frühling 2016, Foto Phin Spielhoff

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Neue Literatur – erschienen 2016, auf Deutsch?

Jeden Dezember suche ich nach Neuerscheinungen: Die besten Bücher 2016 (Link)

Und jeden März stelle ich eine längere Liste neuer, empfehlenswerter Titel zusammen: Romane 2015 (Link)

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  • 28 aktuelle Titel, angelesen und sehr gemocht
  • 4 persönliche Empfehlungen

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Jugendbücher 2016 (Link)  |  Mangas (Link)  |  Empfehlungen zur Frankfurter Buchmesse 2015 (Link)

Lieblingsbücher  |  alle Buchtipps (Übersicht, Link)

 

.Bücher 2016, Stefan Mesch

 

angelesen und sehr gemocht:

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01: ANNA KATHARINA HAHN, „Das Kleid meiner Mutter“

  • 311 Seiten, Suhrkamp
  • feministische (?) Parabel über eine Frau, die das Leben ihrer Mutter enträtselt
  • Falls der Roman nur halb so gut ist wie Hahns Stuttgart-Satire „Am schwarzen Berg“: Lesen!

„Madrid, 2012: Ana María gehört zur »verlorenen Generation«. Ihr Bruder, promovierter Germanist, hat sich bereits nach Berlin abgesetzt, um auf dem Bau sein Geld zu verdienen. Ana ist aus Not in ihr altes Kinderzimmer zurückgezogen. Eines Tages liegen ihre Eltern tot in der gemeinsamen Wohnung. Unversehens rutscht sie in das Leben der Mutter hinein. Sie muss nur eines ihrer Kleider überstreifen, schon halten sie alle – auch Mutters geheimnisvoller deutscher Liebhaber – für Blanca.“ [Klappentext, gekürzt]

Das Kleid meiner Mutter

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02: SZCZEPAN DWARDOCH, „Drach“

  • 311 Seiten, Rowohlt
  • Original: Polen 2014, Deutsch von Olaf Kühl
  • epischer, vielleicht schwülstiger Generationenroman des Autors von „Morphium“.

„Ein gewaltiges Panorama des 20. Jahrhunderts: Josef Magnor, der im Oktober 1906 die Wurstsuppe schmeckt und den Geschmack nie mehr vergisst. Josef, der im Dreck der Schützengräben von Frankreich landet und später im Bett der jungen Caroline. Und Nikodem, Josefs Urenkel, der zu seiner Geliebten zieht, aber von seiner Frau und Tochter nicht loskommt, auch nicht von dem schönen Haus, das er sich, gefragter Architekt des neuen Polen, gebaut hat. In kühler Montage schildert Szczepan Twardoch die Dramen zweier Männer und die Chronik ihrer schlesischen Familie. Ein grandioser Reigen von Werden und Vergehen.“ [Klappentext, gekürzt]

Drach

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03: CHLOE HOOPER, „Der große Mann: Leben und Sterben auf Palm Island“

  • 368 Seiten, Liebeskind
  • Original: Australien 2008, Deutsch von Michael Kleeberg
  • Rassismus, Verbrechen, Provinz: ein True-Crime-Bericht, stilsicher übersetzt

„Am 19. November 2004 wird auf Palm Island der Aborigine Cameron Doomadgee festgenommen, weil er angeblich einen Polizisten beschimpft hat. Vierzig Minuten später liegt er tot in seiner Zelle. Laut Polizeiangaben war er über eine Stufe gestolpert – doch sein Leichnam weist schwere innere Verletzungen auf. Chloe Hoopers Tatsachenroman schildert das brutale Aufeinanderprallen zweier Kulturen.“ [Klappentext, gekürzt]

Der große Mann: Leben und Sterben auf Palm Island

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04: CHICO BUARQUE, „Mein deutscher Bruder“

  • 256 Seiten, S. Fischer
  • Original: Brasilien 2013, Deutsch von Karin von Schweder-Schreiner
  • lauwarme Kritiken auf Goodreads – doch mich interessiert dieser Blick eines Brasilianers auf die DDR.

„Der Brasilianer Chico Buarque, heute weltberühmter Samba-Sänger, steht am Anfang seiner Musikerkarriere, als er von seinem Halbbruder in Berlin erfährt. Dort lebte der Vater in den späten Zwanzigern. Also macht sich Chico auf die Suche – und findet die bezaubernde, verrückte Geschichte von Sergio Günther. Auch Sergio war Sänger, und zwar einer der bekanntesten der DDR.“ [Klappentext, gekürzt]

Mein deutscher Bruder

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05: NILS-MOMME STOCKMANN, „Der Fuchs“

Finn Schliemann hat einen toten Vater, einen behinderten Bruder und wenige Freunde. Als Finn in die Hände der örtlichen Rowdys zu geraten droht, tritt Katja in sein Leben. Sie ist phantasievoll, selbstbewusst und mutig. Die Geschichten, die sie sich ausdenkt und die die beiden in einem Buch festhalten, bereichern Finns Welt: Sie selbst sei Zeitreisende, Finns Kleinstadt Thule ein bedeutungsvoller mystischer Ort, eine Art Achse im Raum-Zeit-Gefüge, die von einer Gruppe von Männern – Agenten des «Büros» – überwacht werde.“ [Klappentext, gekürzt]

Der Fuchs

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06: DZEVAD KARAHSAN, „Der Trost des Nachthimmels“

  • 724 Seiten, Suhrkamp
  • Original: Jugoslawien 2014, Deutsch von Katharina Wolf-Grießhaber
  • altmodisch erzählter, vielleicht zu langer Historienroman

„In Isfahan, der Hauptstadt des Seldschuken-Reiches, stirbt unerwartet ein hochangesehener Mann. Der Sohn des Verstorbenen fordert Aufklärung. An den Ermittlungen nimmt auch der Hofastronom Omar Chayyam teil. Er kommt zu dem Schluss, dass der Mann vergiftet wurde. Hofintrigen und soziale Spannungen bedrohen das Reich von innen, während ihm Kreuzritter und Mongolen von außen gefährlich werden. Doch der Sultan lehnt die Gründung eines Nachrichtendienstes zur Gefahrenbekämpfung ab. Scharfsinn und Ohnmacht seiner Protagonisten im Blick, schildert Dževad Karahasan, wie der heraufziehende religiöse Fundamentalismus eine blühende, von geistiger Vielfalt und Toleranz geprägte Epoche zerstört.“ [Klappentext, gekürzt]

Der Trost des Nachthimmels

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07: MATTHIAS HIRTH, „Lutra Lutra“

  • 736 Seiten, Voland & Quist
  • Im schlechtesten Fall ist das eine preachy Amateur-Version von „American Psycho“, ein Poproman, 20 Jahre zu spät, eine Ayn-Rand-Persiflage mit einem depraved Bisexual (muss das sein?) in der Hauptrolle…
  • ….doch es wirkt kompetent erzählt, präzise beobachtet und angenehm… wahnsinnig/ambitioniert.

„Worin besteht wirkliche Stärke? Wie erreicht Fleck, 32, die Ausstrahlung, die ihn für jede Frau und jeden Mann unwiderstehlich macht? Er kommt zu dem Schluss, dass es für ihn nur einen Weg zu vollkommener Selbstbestimmtheit gibt: mit sämtlichen Regeln der Gesellschaft zu brechen. Hirths Roman zeigt die Verbindung von Sex und Gewalt, Coolness und Terrorismus. Heimlicher Held ist das Jahr 1999, das Jahr des Fischotters (lat.: Lutra lutra), das Jahr vor dem Zusammenbruch der New Economy und der großen Arbeitslosigkeit – das letzte Jahr der guten alten Zeit.“ [Klappentext, gekürzt]

Lutra lutra

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08: JEAN MATTERN, „September“

  • 160 Seiten, Berlin Verlag
  • Original: Frankreich 2014, Deutsch von Holger Frock und Sabine Müller
  • Brokeback Pressezentrum: betuliche, aber sympathisch intensive literarische Romanze

„Olympia 1972, München: Zwei Journalisten, ein BBC-Korrespondent und ein rätselhafter New Yorker, begegnen sich am Vorabend der Eröffnungszeremonie. Es entspinnt sich eine amour fou, die zunächst keiner der beiden zu leben wagt. Wenige Tage später schlägt das palästinensische Terrorkommando zu. Jean Mattern hat das Drama des 5. September minutiös recherchiert und erzählt es in diesem raffinierten Roman. Die stilistisch virtuose Geschichte einer großen Liebe, die damals noch ein Skandal gewesen wäre.“ [Klappentext, gekürzt]

September

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09: FILIP FLORIAN, „Alle Eulen“

  • 213 Seiten, Matthes & Seitz
  • Original: Rumänien 2012, Deutsch von Georg Aescht
  • vielleicht zu kurz, leicht, schmunzelig: charmanter rumänischer Mainstream-Coming-of-Age-Roman

„Luca: der Junge aus der Kleinstadt. Emil, der nach einem bewegten Leben in Bukarest unverhofft in der Provinz landet. Emil öffnet Lucas Blick für Literatur und Musik, Luca schenkt ihm seine Neugierde. Ein zarter, mit spitzbübischem Humor erzählter Roman, ein leidenschaftliches Lob der Freundschaft.“ [Klappentext, gekürzt]

Alle Eulen

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10: VIV ALBERTINE, „A typical Girl“ [der US-Titel, Clothes, Clothes, Clothes. Music, Music, Music. Boys, Boys, Boys. ist unendlich viel besser.]

  • 480 Seiten, Suhrkamp
  • Original: UK 2014, Deutsch von Conny Lösch
  • Musiker-Biografien sind mir oft zu verquast. Zu Punk und 70er-/80er-Subkulturen fehlt mir der Bezug. Trotzdem: Ich las die Originalversion an – und habe große Lust, dieser Frau zuzuhören. Die vollen 480 Seiten?

„London, Mitte der Siebziger. In der revolutionären Ursuppe des Punk scheint alles möglich. Aber gilt das auch für Frauen? Gibt es außer Groupie, Elfe oder Rockröhre noch andere Rollen? Viv Albertine wurde zum Riot Girl, lange bevor es diesen Ausdruck gab.“ [Klappentext, gekürzt]

Clothes, Clothes, Clothes. Music, Music, Music. Boys, Boys, Boys.

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11: DIETMAR DATH, „Leider bin ich tot“

„Daths provokanter, verblüffender Roman über Religion. Ein deutscher Filmregisseur flieht vor einer anstrengenden Liebe. Seine Schwester wird vom Staat verdächtigt, als radikale Islamistin einen Anschlag zu planen. Sein bester Freund aus Kindertagen kämpft als Pfarrer mit dem Teufel. Eine phantastische Melange aus Pop, Physik, Politik, Philosophie und Science-Fiction.“ [Klappentext, gekürzt]

Leider bin ich tot

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12: GABRIELE TERGIT, „Käsebier erobert den Kurfürstendamm“

  • 392 Seiten, Schöffling
  • 2004 besuchten Lehramts-Freundinnen von mir ein Germanistikseminar zur Literatur der Weimarer Republik. In der Schule hatten wir alle wochenlang mit „Berlin, Alexanderplatz“ gekämpft. Doch von „Käsebier“ (und von den Tagebüchern Erich Mühsams) schwärmten die Freundinnen noch Jahre später.

„In sechs rauschhaften Wochen schrieb Gabriele Tergit ihren ersten Roman, der sie 1931 mit einem Schlag berühmt machte. Der Aufstieg und Fall des Volkssängers Käsebier, den ein Zeitungsreporter in einem billigen Varieté entdeckt. Um Eindruck in seiner Redaktion zu machen, puscht er ihn zum Megastar hoch. Immobilienmakler und Spekulanten hängen sich an den schnellen Ruhm, die gelangweilten Damen der guten Gesellschaft pilgern in die Vorstellungen, Käsebier wird hemmungslos vermarktet. Gabriele Tergit, die erste deutsche Gerichtsreporterin, ist eine unerbittlich genaue, aber mitfühlende Beobachterin. Pointierte und hoch komische Dialoge, die präzise Schilderung der gesellschaftlichen Milieus – vom Tanzmädchen über den Tischlermeister bis zum Medienmogul. Ihr eigener Arbeitsplatz wird dabei besonders unter die Lupe genommen: die Kulturredaktion des Berliner Tageblatts.“ [Klappentext, gekürzt]

Käsebier erobert den Kurfürstendamm

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13: EDMUND WHITE, „Der Flaneur. Streifzüge durch das andere Paris“

  • 192 Seiten, Albino Verlag
  • USA 1995, Deutsch von Heinz Vrchota
  • Bei fast jedem Buch Edmund Whites denke ich nach zwei Seiten „unbedingt lesen!“, doch nach zwanzig Seiten „Das Leben ist zu kurz für dieses satte, betuliche Geprahle.“ Beim „Flaneur“ hoffe ich auf etwas Feuer und Begeisterung: persönliche Bezüge.
  • Als Reiseführer taugt ein 21 Jahre altes Buch nicht viel. Doch aus Whites Paris-Bericht wuchs die „Writer and the City“-Reihe von Bloomsbury…
  • …vergleichbar mit Pipers „Gebrauchsanweisung für…“-Reihe (seit 1978)

„Fernab der großen Attraktionen führt uns White in verträumte Cafés, versteckte Museen und geheimnisvolle Orte wie das Hôtel de Lauzun, in dem der junge Baudelaire ein- und ausging. Auf den Spuren großer Schriftsteller wie Hemingway, Balzac und Rilke lässt White die Bohème vergangener Zeiten lebendig werden und beschwört zugleich das brodelnde Lebensgefühl einer multikulturellen, modernen Metropole.“ [Klappentext, gekürzt]

The Flaneur: A Stroll through the Paradoxes of Paris

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14: JOHN HIGGS, „Alles ist relativ und anything goes: Eine Reise durch das unglaublich seltsame und ziemlich wahnsinnige 20. Jahrhundert“

  • 379 Seiten, Insel
  • UK 2015, Deutsch von Michael Bischoff
  • komplexer, interessanter – und weniger beliebig, als der deutsche Klappentext vermuten lässt: eine Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts.

„Auf fast allen Gebieten wurden im 20. Jahrhundert Entdeckungen gemacht oder Ideen entwickelt, die unser Weltbild auf den Kopf stellten. Alte Gewissheiten büßten ihre Geltung ein, Autoritäten verloren ihre Macht. John Higgs führt durch das Jahrhundert der Genies und der Gurus, erläutert die Relativitätstheorie anhand eines fallenden Würstchens und erzählt von Satanisten im US-Raumfahrtprogramm.“ [Klappentext, gekürzt]

Alles ist relativ und anything goes - Eine Reise durch das unglaublich seltsame und ziemlich wahnsinnige 20. Jahrhundert

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15: DAVID MITCHELL, „Die Knochenuhren“

  • 816 Seiten, Rowohlt
  • UK 2014, Deutsch von Volker Oldenburg
  • Souverän erzählter Middlebrow-Schmöker. Doch mich stößt ab, dass Mitchells neuester Roman, „Slade House“ (2015) die Handlung fortsetzt: Ist das hier einfach eine Fantasy-Reihe? Habe ich nach 816 (!) Seiten noch Dutzende offener Fragen?

„1984 begegnet die junge Holly Sykes einer alten Frau, die ihr im Tausch für „Asyl“ einen kleinen Gefallen tut. Jahrzehnte werden vergehen, bis Holly versteht, welche Bedeutung die Frau dadurch für ihre Existenz bekam: Die Knochenuhren folgt Hollys Leben von einer tristen Kindheit am Unterlauf der Themse bis zum hohen Alter an Irlands Atlantikküste, in einer Zeit, da Europa das Öl ausgeht. Ein Leben, das gar nicht so ungewöhnlich ist und doch punktiert durch seltsame Vorahnungen, Besuche von Leuten, die sich aus dem Nichts materialisieren, Zeitlöcher. Denn Holly – Tochter, Schwester, Mutter, Hüterin – ist zugleich die unwissende Protagonistin einer mörderischen Fehde.“ [Klappentext, gekürzt]

Die Knochenuhren

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16: DARRYL CUNNINGHAM, „Supercrash: Das Zeitalter der Selbstsucht“

  • 248 Seiten, Hanser
  • UK 2014, Deutsch von Thomas Pfeiffer
  • zeichnerisch dröge/didaktisch/einfallslos – aber sehr dicht und lehrreich: Banken und Gier, noch einmal verständlich und recht kulturwissenschaftlich erklärt.

„Börsencrash, Finanzkrise und Bad Banks. Der britische Cartoonist Darryl Cunningham hilft, die Absurditäten des globalen Kapitalismus wirklich zu verstehen – und dringt dabei zum Kern neoliberaler Politik vor: der Selbstsucht. In dramatischen Szenen lässt Cunningham Alan Greenspan, Rick Rubin und andere Anhänger des Finanzkapitalismus [Ayn Rand] die globale Ökonomie noch einmal an den Rand des Abgrunds führen.“ [Klappentext, gekürzt]

Supercrash

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17: MARCEL FRATZSCHER, „Verteilungskampf. Warum Deutschland immer ungleicher wird“

  • 264 Seiten, Hanser
  • reißerisches Cover; aber flüssig, thesenstark, sympathisch: Armut als systemisches Problem – nicht als Versagen des Einzelnen.

„‚Wohlstand für alle‘ ist seit Ludwig Erhard das Credo der deutschen Politik. Doch in kaum einem Industrieland herrscht eine so hohe Ungleichheit – in Bezug auf Einkommen, Vermögen und Chancen. Die Abhängigkeit vom Staat nimmt zu, die soziale Teilhabe nimmt ab. Fratzscher zeigt, wie die Politik die Chance der Zuwanderungswelle nutzen kann und was sie tun muss, um die Spaltung der Gesellschaft abzuwenden.“ [Klappentext, gekürzt]

Verteilungskampf: Warum Deutschland immer ungleicher wird

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18: WILLIAM MacASKILL, „Gutes besser tun: Wie wir mit effektivem Altruismus die Welt verändern können“

  • 288 Seiten, Ullstein
  • Original: UK 2015, Deutsch von Stephan Gebauer
  • anekdotisches, angenehm optimistisches Buch über die Gründe, aus den Hilskampagnen, gute Ansätze scheitern – und wie Engagement gelingt.

„Ist es sinnvoll, nach Naturkatastrophen zu spenden? Übernehme ich besser die Patenschaft für ein Kind aus Äthiopien oder für ein Kind aus Deutschland? Helfe ich den Betroffenen, oder beruhige ich nur mein Gewissen? William MacAskill hat mit dem Konzept des effektiven Altruismus eine Antwort gefunden. Er nennt die Kriterien für sinnvolles und nachhaltiges Helfen. MacAskill zeigt, warum gut gemeint und gut gemacht zwei verschiedene Dinge sind.“ [Klappentext, gekürzt]

Doing Good Better: How Effective Altruism Can Help You Make a Difference

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19: ALEX PERRY, „In Afrika: Reise in die Zukunft“

  • 544 Seiten, S. Fischer
  • Original: UK/USA 2015, Deutsch von Michael Bischoff
  • Ein Europäer bereist, versteht, erklärt ganz Afrika? Mir widerstrebt der paternalistische Ansatz solcher Titel – aber ich glaube, das hier ist einfach eine (sympathische) Reportage- und Portraitsammlung: journalistische Texte, nochmal als Buch gebündelt.

„Als Auslandskorrespondent des »Time Magazine« reiste Perry über sieben Jahre durch Afrika. Auf seiner Reise traf er Unternehmer und Warlords, Professoren und Drogenschmuggler, Präsidenten und Dschihadisten.“ [Klappentext, gekürzt]

In Afrika: Reise in die Zukunft

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20: JAROSLAV RUDIS, „Nationalstraße“

  • 160 Seiten, Luchterhand
  • Original: Tschechische Republik 2013, Deutsch von Eva Profousová
  • „Wir sind das Volk“-Hassbürger-Monolog mit durchwachsenen Kritiken: Ich weiß nicht, ob 160 Seiten genügen, um eine plausible rechtsextreme Figur zu zeichnen. Trotzdem: Neugier!

„Frieden ist nur eine Pause zwischen zwei Kriegen: Vandam war einer von denen, die es lostraten am 17. November 1989, als in der Prager Altstadt auf der Nationalstraße die samtene Revolution ins Rollen kam, die einige Wochen später das kommunistische Regime hinwegfegte. Damals war Vandam ein junger Polizist, ein Vorstadt-Held. Fünfundzwanzig Jahre später wohnt Vandam immer noch in der Plattenbausiedlung seiner Kindheit, und hebt im Fußballstadion regelmäßig die rechte Hand zum Hitlergruß. Jaroslav Rudiš schlüpft in diesem brillanten Monolog in den Kopf eines Schlägers.“ [Klappentext, gekürzt]

Nationalstraße

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21: ANDREAS WENDEROTH, „Ein halber Held: Mein Vater und das Vergessen“

„‚Entschuldige mich bitte für meine Inhaltslosigkeit, aber ich bin nur noch ein halber Held.‘ Horst Wenderoth hat vaskuläre Demenz. Andreas Wenderoth schreibt die berührende, zuweilen absurd komische Liebeserklärung eines Sohnes an seinen Vater, der sich stets über den Geist definierte.“ [Klappentext, gekürzt]

wenderoth

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22: ROY JACOBSEN, „Weißes Meer“

  • 250 Seiten, Osburg
  • Norwegen 2015, Deutsch von Gabriele Haefs
  • Fortsetzung von „Die Unsichtbaren“, 2013
  • simple, aber souveräne Zwischendurch-Romane fürs breite Publikum, angenehm düster/existenziell.

„Norwegen, 1944: Die kleine Insel Barrøy war Ingrids Heimat. Doch jetzt herrscht Krieg. Der Ozean schwemmt tote deutsche Soldaten an die Küste. Unter ihnen befindet sich der russische Kriegsgefangene Alexander. Er lebt, und Ingrid nimmt ihn mit nach Hause. Völlig unerwartet erleben die beiden in diesen dramatischen Winterwochen die Liebe.“ [Klappentext, gekürzt]

De usynlige Hvitt Hav

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23: SOFIA ANDRUCHOWYTSCH, „Der Papierjunge“

  • 312 Seiten, Residenz
  • Ukraine 2014, Deutsch von Maria Weissenböck
  • Die Figurenkonstellation klingt verbraucht und langweilig – doch internationale Leser sind begeistert, und ich mag den Ton der ersten Seiten.

„Stanislau um 1900: eine galizische Kleinstadt am Rande der Monarchie. Adelja und Stefa, miteinander verflochten wie die Stämme zweier Bäume, wachsen gemeinsam auf. Als Adelja den Steinmetz Petro heiratet, wird aus der engen Verstrickung ein Dreieck. Und als der Magier Torn mit seinem Zirkus die Stadt besucht, taucht plötzlich der engelsgleiche Junge Felix in Petros Werkstatt auf ein kleiner Schlangenmensch, sprachlos, biegsam und brüchig wie Papier. Ein dichtes, mit sinnlichen Eindrücken und Details gesättigtes Bild einer Epoche: eine drängend erzählte Geschichte von Liebe und Verrat.“ [Klappentext, gekürzt]

Der Papierjunge

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24: HAMMED KHAMIS, „I am not Animal. Die Schande von Calais“

  • 124 Seiten, Frohmann
  • sehr kurzer, mitreißender journalistischer Bericht eines Mannes, der einfach losgeht – und helfen will.

„Ein YouTube-Video über den »Dschungel«, das autonome Camp für Geflüchtete in Calais, lässt Hammed Khamis nicht mehr los. Mit dem unbestimmten Wunsch zu helfen macht sich der Streetworker aus Berlin-Wedding mit 175 EUR in der Tasche auf den Weg nach Frankreich. Weil er Arabisch spricht und die entsprechenden ›Looks‹ hat, findet er unmittelbar Zugang zu den Menschen vor Ort. Nach Berlin kehrt er barfuß zurück.“ [Klappentext, gekürzt]

I am not animal

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25: BENJAMIN VON STUCKRAD-BARRE, „Panikherz“

  • 576 Seiten, Kiepenheuer & Witsch
  • Jedes Mal, wenn sich Stuckrad-Barre zu Wort meldet, schimpfen drei Dutzend ältere Männer in meinem Facebook-Freundeskreis, dass man „so einen Knaben“ doch bitte nie wieder schreiben, beachten, ernst nehmen solle. Ich war nie großer Fan – aber las seine Portraits IMMER mit Interesse… und Gewinn:
  • Stuckrad-Barre ist nicht halb so langweilig wie der immergleiche Hass auf Stuckrad-Barre.

„Er wollte zu den Helden, in die rauschhaften Nächte – dahin, wo die Musik spielt. Und ging fast verloren. Er wollte den Rockstar-Taumel und das Rockstar-Leben, bekam beides und folgerichtig auch den Rockstar-Absturz. Früher Ruhm, Realitätsverlust, Drogenabhängigkeit. Und nun eine Selbstfindung am dafür unwahrscheinlichsten Ort – im mythenumrankten »Chateau Marmont« in Hollywood, in das ihn Udo Lindenberg führte. Mit Bret Easton Ellis inspiziert er einen Duschvorhang, er begegnet Westernhagen beim Arzt und Courtney Love in der Raucherecke und geht mit Thomas Gottschalk zum Konzert von Brian Wilson. Stuckrad-Barre erzählt mit seiner eigenen Geschichte zugleich die Geschichte der Popkultur der letzten 20 Jahre.“ [Klappentext, gekürzt]

Panikherz

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26: LUCIA BERLIN, „Was ich sonst noch verpasst habe. Stories.“

  • 384 Seiten, Arche
  • US-Kurzgeschichten, verfasst ab den 60er Jahren, Deutsch von Antje (Rávic) Strubel
  • kompetente, liebenswerte Kurzgeschichten – aber: lese ich lieber im Original

„Lucia Berlin wird verglichen mit Raymond Carver, Richard Yates oder Grace Paley. Ihre Storys zeugen von einem unsteten Leben voller Brüche. Alleinerziehende Mütter, Alkoholikerinnen auf Entzug, Haushaltshilfen, Krankenschwestern und Sekretärinnen. Es geht um Mütter und Töchter, scheiternde Ehen, Immigranten, Reichtum und Armut.“ [Klappentext, gekürzt]

Was ich sonst noch verpasst habe: Stories

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27: FRIEDRICH CHRISTIAN DELIUS, „Die Liebesgeschichtenerzählerin“

  • 208 Seiten, Rowohlt Berlin
  • 208 Seiten wirken sehr knapp für die Riesen-Bögen, die Delius hier spannt. Aber: Alles ist in kurzen, lyrischen, toll verdichteten Absätzen erzählt, die mich sofort wegfegten. Könnte kitschig oder schwülstig sein – doch die ersten Seiten… euphorisieren mich!

„Eine Frau, für ein paar Tage frei von Pflichten, Mann und Kindern, fährt im Januar 1969 von Den Haag über Amsterdam nach Frankfurt. Drei Liebesgeschichten aus den Zeiten der Kriege und Niederlagen gehen ihr durch den Kopf: ihre eigene, die ihrer Eltern, die einer Vorfahrin während der napoleonischen Kriege. Ein König, der die modernen Niederlande aufbaut; seine uneheliche Tochter, die in eine mecklenburgische Adelsfamilie gezwungen wird; ihr Urenkel, der als kaiserlicher U-Boot-Kapitän die roten Matrosen von Kiel überlistet, seine Tochter – die reisende Erzählerin selbst –, die ein gutes deutsches Mädel und trotzdem gegen die Nazis sein wollte. Dem neuen Roman von Friedrich Christian Delius liegt die bewegte Geschichte seiner eigenen Familie zugrunde.“ [Klappentext, gekürzt]

Die Liebesgeschichtenerzählerin

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28: THOMAS VON STEINAECKER, „Die Verteidigung des Paradieses“

  • 416 Seiten, S. Fischer
  • Eine Kuppel-Bauernhof-Endzeitwelt wie in „Die Wand“, ein Erzähler wie aus einem Leif-Randt-Roman, viele gewollt drollige Anglizismen: Alles wirkt etwas kitschig-betulich, Endzeit im Miyazaki-, Pausewang- und Young-Adult-Modus. Vielleicht aber ist der Erzähler so herzig und naiv, damit später alles wirksamer eskalieren kann? Steinackers „Wallner beginnt zu fliegen“ gehört zu meinen Lieblings-Debüts: Ich hoffe, dass später im Buch noch bessere, frischere Ideen kommen.

„Er möchte ein guter Mensch sein. Doch Heinz lebt in einer Welt, die Menschlichkeit nicht mehr zulässt. Deutschland ist verseucht und verwüstet, Mutanten streifen umher, am Himmel kreisen außer Kontrolle geratene Drohnen. Zusammen mit seinem besten Freund, einem elektrischen Fuchs, wächst Heinz in einer kleinen Gruppe Überlebender in den Bergen auf. Er sammelt vergessene Wörter und schreibt die Geschichte der letzten Menschen. Doch was nützen Heinz Wissen und Kunst jetzt noch? Da gibt es plötzlich das Gerücht, weit im Westen existiere ein Flüchtlingslager. Die Gruppe bricht auf zu einem mörderischen Marsch ins vermeintliche Paradies…“ [Klappentext, leicht gekürzt]

Die Verteidigung des Paradieses

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Ich bin gespannt auf…

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vier persönliche Empfehlungen – Bücher 2016, gelesen und gemocht:

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1: GERTRAUD KLEMM, “Muttergehäuse”, österreichische Memoir/literarisch-biografische Textcollage

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MuttergehäuseIch habe “Herzmilch” und “Aberland”, zwei sehr gut besprochene Romane Gertraud Klemms über unzufriedene Frauen/Mütter, angelesen… und mir ein drittes Buch von ihr (erscheint im Februar 2016) im Blog vorgemerkt (Link). Kremayr & Scherlau schickte mir ungefragt ein Leseexemplar. Vielleicht das Beste, was mir die Post 2015 zustellte:

In “Mütter auf Papier” (2010) schrieb Klemm über den boshaften, herablassenden, sexistischen, gehässigen Quatsch, den sich eine Frau mit Mutterwunsch anhören muss, die immer wieder Kinder in der Schwangerschaft verliert. Eine autobiografische Textcollage: Kurzprosa, Fragmente, viel Wut, Intimität, kluger Furor. “Muttergehäuse” ist die überarbeitete Version dieses “Mütter auf Papier”-Berichts – ein kurzes, luzid formuliertes, wunderbar konkretes Buch über Frustrationen, schlechte Freunde, Angst, Druck… und Auswege.

Ich bin jetzt Klemm-Fan: feministisch, literarisch, spitz, ehrlich, reflektiert.

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2: SACHA BATTHYANY: „Und was hat das mit mir zu tun? Ein Verbrechen im März 1945. Die Geschichte meiner Familie“

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Und was hat das mit mir zu tun? Ein Verbrechen im März 1945. Die Geschichte meiner Familie.Ich habe den Titel Ende Februar bei Deutschlandradio Kultur empfohlen [Audio und Text]: „Kurz vor Kriegsende feierte Gräfin Margit von Batthyány-Thyssen im Burgenland ein Fest mit der örtlichen Waffen-SS. In derselben Nacht wurden 180 jüdische Zwangsarbeiter erschossen. „Und was hat das mit mir zu tun?“ fragt Sacha Batthyany, Schweizer Journalist und Enkel von Margits Schwester, in einem 250 Seiten langen, sehr persönlichen Report:

Er reist ins Burgenland, nach Südamerika und Russland, zitiert ausgiebig aus Tagebüchern, befragt Verwandte, beginnt eine Psychoanalyse. Erschoss Tante Margit, verstorben 1989, jüdische Zwangsarbeiter? Oder teilte sie bloß die Gewehre aus? Fallen solche Abstufungen ins Gewicht? Für wen: für die Nachkommen und ihre Familien? Für die Opfer? Für uns alle?“

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3: KEI SANBE, „Die Stadt, in der es mich nicht gibt“

[Manga-Reihe, bisher 7 Bände, Deutsch bei Tokyopop]

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Die Stadt, in der es mich nicht gibt #1 (Die Stadt, in der es mich nicht gibt, #1)…ebenfalls bei Deutschlandradio Kultur empfohlen:

„Jedes Mal, wenn der Alltag katastrophal entgleist, wird Satoru ein paar Minuten in die Vergangenheit versetzt: Die Szene wiederholt sich dann so oft, bis er das jeweilige Unglück verhindern kann. In seiner Kindheit wurden Klassenkameraden ermordet, und alle bemühten sich, den Kidnapper zu vergessen. Plötzlich ist Satoru zurück im Jahr 1988, elf Jahre alt. Er will die Kinder retten. Mit allen Mitteln. Ein Thriller, täuschend simpel gezeichnet, mit wunderbar komplizierten, schlagfertigen, witzigen Figuren und existenziellen Fragen: Rätseln, Fiebern, Lachen, Indizien suchen… keine Seite dieser Bände vergeht, ohne dass Herz und Hirn auf fünf verschiedene Arten gefordert sind.“ [mehr aktuelle Manga-Empfehlungen hier, Link]

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4: ISABEL BOGDAN, „Der Pfau“

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Der Pfau256 Seiten, Kiepenheuer & Witsch:

Eine – sehr ruhige – Komödie über eine Gruppe britischer Banker und ihre schnippische Chefin, die während einem Teambuilding-Workshop in einem schottischen Herrenhaus eingeschneit werden. Draußen läuft ein Pfau umher, der auf alles pickt, das blau-metallisch glänzt. Eine Satire – aber nicht grell, laut, überdreht. Ein Zwischendurch-Buch – aber ohne Kitsch. Die Figuren sind nicht allzu tief – doch ich nehme Bogdan das britische Setting ab (gute Arbeit!). Es gibt viele Passagen, die mir zu erklärend oder redudant sind: ein Middlebrow-Unterhaltungsroman, der an keiner Stelle weh tut und der vielleicht 20 Seiten kürzer sein könnte.

Aber: Das hier hat so viel Geist, Schmiss, Charme, eine so entspannte, angenehme Grundhaltung… Ich war für fünf, sechs Stunden gern mit diesen Leuten auf diesem Landsitz. Leicht – aber klug, und gut. Empfehlung!

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stefan mesch, ost 2014 2015

Die besten Mangas: 50 Empfehlungen

Die besten Manga

Seit Anfang Februar habe ich über 500 Manga-Reihen angelesen.

Aktuelles – aber auch sehr viele Klassiker, vor allem für erwachsene Männer und Frauen.

Ein Drittel erschien auf Deutsch. Der Rest auf Englisch – zum Teil online, als Fan-Übersetzung.

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Für Deutschlandradio Kultur stelle am 8. März 2016 im Literaturmagazin Lesart sechs aktuelle Favoriten vor: Serien, die 2016 auch auf dem deutschen Buchmarkt eine Rolle spielen.

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Heute im Blog: 50 Mangas, die mir bei der Recherche auffielen oder schon länger auf meiner „bald lesen!“-Liste stehen.

15 Titel, die ich las und empfehlen kann.

42 Titel, die ich angelesen habe und auf die ich mich freue.

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gelesen und gemocht – ein Ranking:

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15: „Pluto“ von Naoki Urasawa

Pluto

„Eine ideale Welt, in der Menschen und Roboter friedlich koexistieren. Doch plötzlich macht jemand Jagd auf die sieben großen Roboter. Interpol setzt den in Düsseldorf ermittelnden Inspektor Gesicht auf den äußerst komplexen Fall an – bis Gesicht erkennt, dass er selbst zu den Gejagten gehört. PLUTO ist eine Neuinterpretation einer klassischen „Astro Boy“-Geschichte: futuristische Spannung für Erwachsene.“ [Klappentext, gekürzt]

  • toll gezeichnet; doch etwas hölzern, trocken, umständlich und sentimental:
  • Ich mag keine Roboter-Helden, so lange sie dauernd um die Pinocchio-Sinnfrage kreisen: „Bin ich, obwohl nur Maschine, ein richtiger Junge?“
  • „Pluto“ ist düsterer und wirkt auf den ersten Blick philosophisch, gesellschaftskritisch. Doch so gern ich es las: Es stapft in ALLE befürchteten Roboter-Kitschfallen und -Klischees.

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14: „Ooku – the Inner Chambers“ von Fumi Yoshinaga [nicht auf Deutsch]

Ooku

„In Edo period Japan, a strange new disease called the Red Pox has begun to prey on the country’s men. Within eighty years of the first outbreak, the male population has fallen by seventy-five percent. Women have taken on all the roles traditionally granted to men, even that of the Shogun. The men, precious providers of life, are carefully protected. And the most beautiful of the men are sent to serve in the Shogun’s Inner Chamber…“ [US-Klappentext, gekürzt]

  • ein stilsicherer, sehr sprach- und dialoglastiger Alternate-History-Manga über ein Kaiserreich, von Frauen regiert und die komplexen Gender Politics, sobald Männer überall fehlen.
  • Ich liebte Band 1 – doch mit Band 2 beginnt eine viel zu lange Rückblende und zu viele Figuren verheddern sich an zu vielen Fronten: Nur Band 1 kann ich, für sich allein, sehr empfehlen. Ob die komplette Buchreihe die Kurve kriegt, weiß ich noch nicht.

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13: „Young Bride’s Story“ von Kaoru Mori

Young Brides Story

„Die Seidenstraße im späten 19. Jahrhundert: Die zwanzigjährige Amira wird von ihrem Clan zu einer Familie jenseits der Berge geschickt, damit sie deren zwölfjährigen Sohn Karluk heiratet. Nach der Hochzeit fügt sich Amira schnell in ihre neue Familie ein. Doch dann beschließt ihr Clan, sie zurückzufordern, da sie mit Amira andere Pläne haben…“ [Klappentext, gekürzt]

  • ruhiger, warmherziger, toll gezeichneter Historien-Manga über Haushaltsführung, Heiratsbräuche und Hirten-Großfamilien, meist kindgerecht, oft sehr gut gelaunt und gefühlvoll. Amira ist eine tolle Hauptfigur, und die Dynamik mit ihrem (keuschen) 12jährigen Ehemann macht Spaß.
  • die Reihe gerät aus den Fugen, weil Amira zwar Hauptfigur bleibt, doch ab Band 3 oft über komplette Sammelbände hinweg andere Bräute an ganz anderen Orten im Mittelpunkt stehen: eine verzweifelte Nomaden-Witwe, ungehobelte Zwillingsbräute am Aralsee, eine melancholische reiche Frau in Persien. Die albernen Zwillingsbraut-Bände, 4 und 5, waren unerträglich.

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12: „Homunculus“ von Hideo Yamamoto

Homunculus

„Gibt es ihn vielleicht doch, den Homunculus: den kleinen Mann im Kopf eines jeden Menschen, der – so glaubte man früher – Geschicke und Gefühle steuert? Der Medizinstudent Manabu Ito bietet dem Arbeitslosen Susumu 700.000 Yen – wenn Susumu ihm ein Loch in den Schädel bohren darf. Eine Trepanie.“ [Klapptentext, gekürzt]

  • Band 1 las ich mit Schüttelfrost und Gänsehaut, atemlos:
  • am besten, man weiß sonst nichts über die weitere Handlung.
  • Band 2 war konventioneller, küchenpsychologisch. Ich weiß nicht, ob ich je weiterlesen will. Für sich allein ist Band 1 ein wunderbarer, toll gezeichneter kleiner Alptraum.

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11: „The Nao of Brown“ Glyn Dillon [deutsch: „Das Nao in Brown“]

nao of brown

„Nao Brown schlägt sich als Illustratorin durchs Leben und ist auf der Suche nach der großen Liebe. Zudem leidet sie unter einer Zwangsstörung. Als sie endlich dem Mann ihrer Träume begegnet, muss sie feststellen, dass Träume sehr seltsam sein können.“ [Klappentext, gekürzt]

  • Graphic Novel aus Großbritannien über eine junge Halbjapanerin auf der Suche nach sich selbst: toll gezeichnet und viel sperriger, psychologischer, als der kitschige Klappentext vermuten lässt.

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10: “Twin Spica” von Kou Yaginuma

Twin Spica (Japan)

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Twin Spica, Volume: 01[mehr] Asumis Mutter starb 2010 – als die Lion, das erste Space-Shuttle Japans, auf ihre Heimatstadt stürzte. Trotzdem will Asumi Astronautin werden; unterstützt von ihrem depressiven Vater – und dem Geist eines verglühten Lion-Astronauten.

„Twin Spica“ wirkt simpel und süßlich. Die kleine, kindliche Asumi sieht aus wie Heidi, jede Figur hat ein rührseliges Trauma, kurz dachte ich: für Zehnjährige, höchstens – oder Fans vom „kleinen Prinz“. Doch Leitmotive, Bildsprache, Psychologie und Stimmungen werden so geschickt verwebt… mit jedem Band (ich kenne sechs von 16) wird diese zarte Coming-of-Age-Geschichte trauriger, ernster, klüger, subtiler.

Mut zum Melodrama: das Kitschig-Schönste, das ich seit Jahren las. Hach!

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9: „Gute Nacht, Punpun“ von Inio Asano

punpun

„Aiko kommt in Punpuns Klasse, und Punpun in die Pubertät. Sein Vater ist gewalttätig, seine Mutter psychisch labil, Punpun selbst sieht sich als kümmerliches, vogelartiges Wesen. Er will Astronom werden und entflieht in Fantasiereisen dem Elternhaus. Von ca. zwölf bis Anfang 20 durchlebt er mit seinen Klassenkameraden typische Coming-of-Age-Probleme: erwachende Sexualität, emotionale Verwirrung, Einsamkeit.“ [Klappentext, gekürzt]

  • Ein Schuljunge, der sich so sehr verachtet, dass er sich selbst als kümmerlichen Vogel sieht…
  • …wird von (zum Teil sehr albernen, überzeichneten) Figuren herumgestoßen, missverstanden, erschreckt oder verletzt. Für eine Weile bleibt das selbstbezogen-süßlich:
  • Asanos Landschaften, Hintergründe, Perspektiven und sein erzählerisches Timing sind großartig – doch mir missfallen die rotznasigen, sommersprossigen, zahnlückigen Alfred-E.-Neumann-artigen Kinderfiguren, und ich hasste Asanos Graphic Novel „Solanin“: Dort führten Rotzlöffel-Studenten unsympathisch flache, selbstbezogene Generations-Gespräche im Stil des Neon Magazins.
  • „Punpun“ will keine solche Generations-Erfahrung zeigen, kein jammerlappiges, möglichst allgemeingültiges Jungs-Buch sein über Scheiß-Mädchen, die nicht zurückrufen: Punpun wird vom 08/15-Außenseiter schnell zum pathologisch gestörten Einzelgänger… und kämpft 13 Bände lang mit Depressionen, Scham, Gewaltphantasien und Sprachlosigkeit. Je kantiger (und weniger generationenhaft, gewollt allgemeingültig) die Figur wird, desto besser wird das Buch.
  • Nur ganz am Ende kippt der Plot ins Melodramatische, die Ereignisse überschlagen sich, plötzlich wirken alle Figuren schwer gestört, und alles brennt. Ohne Band 1, ohne Band 11, 12, 13 wäre „Punpun“ der vielleicht beste Manga, den ich kenne. Asano hilft mir, Japan zu sehen – in großartigen Zeichnungen. Und, Japan zu verstehen – in komplexen Figuren, absurden Szenen. Wer Banana Yoshimoto mag oder Haruki Murakamis „Naokos Lächeln“ und „IQ84“: lesen!

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8: „Vertraute Fremde“ von Jiro Taniguchi (ich mochte auch „Der spazierende Mann“ und „Von der Natur des Menschen“)

vertraute fremde

„Hiroshi Nakahara besucht das Grab seiner Mutter, fällt in eine Art Ohnmacht – und findet sich in seinem Körper als 14-jähriger wieder. Er beginnt, das Leben als Teenager in den 1960er Jahren zu führen, mit dem Wissensstand des Erwachsenen. Er will herausfinden, was nicht stimmte im scheinbar harmonischen Elternhaus: Im Sommer 1963 verließ sein Vater die Familie, ohne Ankündigung.“ [Klappentext, gekürzt]

  • simpel, nostalgisch, mit einer wunderbaren Grundidee:
  • Ich empfehle den Manga vor allem Neu- und Weniglesern. Er ist geradlinig, übersichtlich, die detaillierten Zeichnungen zeigen das ländliche Japan…
  • …doch an vielen Stellen – vor allem auch: sexuell – wünschte ich mir mehr Tiefgang, kritische Fragen, Figurenentwicklung. Und: wie absurd, dass es eine Verfilmung gibt – in der Japan keine Rolle spielt.

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7: „Honey & Clover“ von Chica Umino

honey clover

„Die Kunststudenten Yuta, Takumi und Shinobu wohnen in einem kleinen, schäbigen Apartmenthaus und leben von der Hand in den Mund. Ihr Leben wird auf den Kopf gestellt, als ihnen ihr Dozent Hagumi vorstellt. Das kindliche Mädchen [eine Künstlerin] verzaubert Yuta auf den ersten Blick. Doch auch Shinobu findet Gefallen an ihr. Takumi ist in die Architektin Rika verliebt, die ihren verstorbenen Ehemann nicht vergessen kann.“ [Klappentext, gekürzt]

  • drei Jungs, zwei Mädchen, alle auf der selben Kunsthochschule und gut befreundet:
  • ein Manga über zwei, drei Jahre als Student, während denen Freundschaften wachsen und sterben, Selbstbilder bröckeln, erste Karriere-Ideen entstehen, Menschen sich neu erfinden.
  • „Honey and Clover“ zeigt trinkfreudige, alberne, sehr extrovertierte Figuren…
  • …und bremst den Cliquen-Spaß immer wieder ab: eine melancholische, überraschend tiefgehende Reihe mit ähnlichen Themen/Fragen wie „Scott Pilgrim“, aber noch mehr Herz. Romantisch, aber melodrama-frei. Lebensfroh, aber mit glaubwürdigen, oft unglücklichen Freunden. Simpel gezeichnet, aber sehr souverän erzählt. Empfohlen ab ca. 12. Und: für jeden, der kreative Studiengänge kennt.

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6: „Die Stadt, in der es mich nicht gibt“ von Kei Sanbe

Stadt in der es mich nicht gibt

„Satoru Fujinuma wird unerwartet in die Vergangenheit geschickt – für jeweils wenige Minuten und so oft, wie es nötig ist, um Verbrechen zu verhindern. Er hat sich mit diesem Lebensstil abgefunden. Doch plötzlich erlebt Satoru eine extreme Wiederholung: Er wird in seine Zeit als Grundschüler zurückgeschickt. Damals wurden Kinder aus seiner Klasse entführt und umgebracht. Schafft er es, die Entführungen zu verhindern?“ [Klappentext, gekürzt]

  • Der Zeichenstil (wenige Details, seltsame Augen, Lippen, Kopfformen) wirkt lieblos…
  • …und dem kompletten ersten Band fehlt Schwung.
  • Ab Band 2 aber gewinnen Figuren und Geschichte so viel Farbe, Tiefgang, dass ich mir sicher war: Das kann auch über 30 Bände hinweg glänzend funktionieren. Ein schlichtes, aber eindrückliches Setting, ein überzeugend eskalierender Krimi-Plot, ein Autor, der an jeder Stelle GANZ genau zu wissen scheint, was er tut. Und: fünf, zehn Figuren, die simpel wirken, doch sehr schnell liebenswürdig, schlagfertig, immer komplexer werden. Grundschülerinnen, Teenager, Mütter, die ich SO noch nie gelesen habe, in Mangas.
  • Mit anderem Zeichenstil wäre die Reihe Publikumsliebling, Crowdpleaser, ein perfektes Geschenk.
  • Update, 2017: der Epilog – Band 9 – ist nicht nötig… aber schön: eine gute Reihe mit stimmigem Ende.

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5: “Sakamichi no Apollon” (Kids on the Slope) von Yuki Kodama [nicht auf Deutsch]

Sakamichi no Apollon (Japan)

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Sakamichi No Apollon: 10 (Bonus Track)[mehr] Oft brauchen Manga-Reihen eine Weile, um Stimmung und Ton zu treffen: Die Eröffnung bleibt meist unbeholfen. Überfrachtet.

Bei „Kids on the Slope“ (englischer Titel der Anime-Adaption) war ich nicht sicher, ob ich in einer schwulen Romanze stecke, einer Pennäler-Komödie im Retro-Look oder mitten im Kampf zweier ungleicher Schüler – ein verzärtelter Nerd, ein bettelarmer Raufbold – um das selbe Mädchen. Alle (männlichen) Figuren spielen in einer Jazzband. Doch Jazz-Exkurse bleiben nebensächlich.

Nein. „Sakamichi no Apollon“ (nur als Fan-Übersetzung online lesbar) ist die Geschichte einer (lebenslangen?) Freundschaft. Die späten 60er Jahre in der japanischen Provinz. Enge Rollenbilder. Armut. Der Mut, von etwas zu träumen. Zu jemandem zu stehen – behutsam inszeniert im simplen Retro-Zeichenstil.

Ein langsames, zärtliches, schlichtes Coming-of-Age – oft witzig und zum Heulen schön. Ohne große Abgründe, Effekte, Pomp.

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4: „Billy Bat“ von Naoki Urasawa

Billy Bat

„USA, 1949: Kevin Yamagata, Amerikaner japanischer onHerkunft, ist Schöpfer der Comic-Reihe »Billy Bat«. Hauptcharakter ist eine Fledermaus, der Comic ein Stil-Mix aus klassischen Disney- und Noir-/Detektivcomics. Plötzlich erfährt Kevin, dass es die Fledermaus-Figur in Japan schon lange geben soll. Hat er »Billy Bat« gar nicht selbst erfunden? Kevin reist nach Japan, um sich für den „Ideenklau“ zu entschuldigen. Doch er gerät in einen Strudel dramatischer Ereignisse, die [das komplette 20. Jahrhundert] auf den Kopf stellen.“ [Klappentext, gekürzt]

  • Verschwörungen. Religion. Selbstverwirklichung. Kreativität. Schicksal. Quantenmechanik:
  • Ein literarischer, fesselnder Manga mit über 20 Hauptfiguren, Zeitsprüngen (und -Reisen?) durchs 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart und Flashbacks bis in die Steinzeit, ambitioniert wie z.B. „Lost“ – doch viel klarer, flüssiger.
  • Ein Riesen-Panorama über das schwierige Verhältnis zwischen den USA und Japan, Kulturimperialismus, Walt Disney, Verschwörungstheorien wie das JFK-Attentat oder 9/11… mit sehr menschlichen, oft scheiternden Figuren (viele Immigranten, biracial Characters)…
  • …und einer sprechenden Fledermaus-Zeichnung – ein Totem, ein Avatar? – die versucht, die Geschichte der Menschheit… aufzuhalten? Zu stören? Neu zu schreiben? Der Thriller braucht zwei, drei Bände, um in Fahrt zu kommen. Nicht alle Storylines funktionieren sofort. Doch ich kenne keine zweite SO ambitionierte, souveräne und eigensinnige Riesen-Geschichte. Allergrößtes Kino!
  • Update, 2017: das Ende wirkt etwas überstürzt, ich hätte die Figuren (vor allem Kevin Yamagata) gern noch länger begleitet. Trotzdem: runde Sache!

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3: „I am a Hero“ von Kengo Hanazawa

I am a Hero (Japan)

„Der Mangazeichner-Assistent Hideo führt kein glückliches Leben. Ihm fehlt es an Selbstbewusstsein und Motivation, außerdem ist er paranoid und schizophren. Die Ermutigungsversuche seiner Freundin, seinen eigenen Manga zu zeichnen, schlagen auch nicht an. Immer, wenn es schwierig wird, flüchtet Hideo aus der Realität und sucht Rat bei seinem imaginären Freund. Mit der Zeit werden seine Wahnvorstellungen immer schlimmer. Er sieht eine Frau, die überfahren wird und mit gebrochenem Genick aufsteht und weitergeht. Doch handelt es sich wirklich um Wahnvorstellungen…?“ [Klappentext, gekürzt]

[mehr] Die ersten 200 Seiten sind hart: Ein misogyner, phlegmatischer, recht dumpfer Manga-Assistent steckt im Alltag fest – und redet unsympathischen Stuss. Die nächsten 200 Seiten, Band 2, sind wirr: Passanten beißen sich gegenseitig, Zombies überrennen Tokio, alles bricht zusammen. Noch in Band 3 war mir nicht klar, ob ich einen Zombie-Thriller lese, über eine Zombie-Komödie und -Parodie lachen soll oder nur die Fehler einer verpeilten, passiven, selbstmitleidigen Hauptfigur zählen: eine Art „Girls“ oder „Louie“, ein Woody-Allen-Film… mit Zombies?

„I am a Hero“ ist langsam. Oft hässlich, unsympathisch, grotesk. Alle Figuren sind überfordert und distanziert. Nichts gelingt. Man schwimmt bis zu 800 Seiten am Stück mit neurotischen, fremden Menschen in stillen, bedrohlichen, verwirrenden Szenen – in denen jederzeit alles eskalieren kann.

Fotorealistisch gezeichnet. An vielen Stellen zum Schreien spannend. Ein toller Blick auf Alltagskultur, Moral, Ethos, Sexismus, Twenty- und Thirtysomething-Defekte, Versagensängste in Japan. Ein Freund las die ersten Bände und sagte: „Ich sehe da nichts als Trash.“

Ich sehe: eine unerträgliche Figur in einer unerträglichen Geschichte – die mich begeistert, überfordert, angeekelt und beglückt hat wie keine andere Erzählung seit Jahren. Vergleichbar vielleicht mit „Geister“ von Lars von Trier. Aber eben: schleppend, langsam, viel richtungsloser.

Ich bin in Band 16. Ein Ende/Finale ist langsam absehbar (noch zwei, drei Jahre?).

Falls es auf diesem Niveau endet, ist es ein Meisterwerk.

Update, 2017: Es endet leider recht abrupt und antiklimatisch: Ich empfehle, nur bis einschließlich Band 19 zu lesen, und dann abzuwarten. Vielleicht wird die Reihe irgendwann fortgesetzt?

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2: „Bakuman“ von Tsugumi Ohba (Text) und Takeshi Obata (Zeichnungen)

Bakuman

„Er hat Talent, ist fleißig und will es schaffen: Mittelschüler Moritaka will Shonen-Mangas zeichnen.“ [Klappentext, gekürzt]

  • Ein Schuljungen-Manga über Schuljungen, die alles tun, um einen erfolgreichen Manga fürs Schuljungen-Publikum zu schreiben. Beginnt durchwachsen/überfrachtet, wird aber ab ca. Band 3 dicht, warm, sympathisch, lehrreich und spannend.
  • Man lernt viel über die Arbeitsbedingungen von Genre-Autor*innen, die Arbeit in Verlagen, den Alltag als Künstler. Mashiro zeichnet, Schulfreund Akito schreibt… und ihre Freundschaft/Arbeitsdynamik wird intelligent und liebevoll beleuchtet.
  • Seitenlang geht es – ausführlich, aber immer plausibel und überraschend nuanciert – um Konzeptentwicklung und Zielgruppen, Erwartungen, Handwerk, Serien-Dramaturgie.
  • nicht überzeugend: die passiven, viel zu verunsicherten Frauenfiguren.

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1: „Yotsuba&!“ von Kiyohiko Azuma

Yotsuba

„Die Familie Ayase lebt in einer kleinen und ruhigen Vorstadtgegend. Bis Yotsuba mit ihrem allein erziehenden Vater ins Nachbarhaus zieht. Das Mädchen mit den grünen Haaren bringt die drei Ayase-Töchter mit seiner unschuldig-chaotischen und neugierigen Art in peinliche, komische und verwirrende Situationen. Und ist so liebenswert, dass ihr niemand lange böse sein kann…“ [Klappentext, gekürzt]

  • toll für Kinder, toll für Eltern, toll selbst für Menschen, die nie einen Manga lasen:
  • für Fans von „Calvin & Hobbes“, vielleicht auch Astrid Lindgren.
  • Band 1 wirkt etwas steif, banal… doch sehr schnell überzeugen mich die harmlosen, warmherzigen, charmanten Alltags-Episoden über ein energisches fünfjähriges Mädchen, ihre konventionelleren Nachbarn und ihren Vater, einen entspannten Übersetzer.
  • Die bisher 12/13 Bände sind auch einzeln/kapitelweise gut lesbar und verständlich – und empfehlen sich auch als Kinder-Gutenachtgeschichte oder Lesebuch für ca. Zweitklässler. Menschlich, klug beobachtet, kitsch-frei.

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angelesen, gutes Gefühl (kein Ranking):

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16: „Nausicäa aus dem Tal der Winde“ von Hayao Miyazaki

nausicaa

„Set in the far future, the Earth is radically changed by ecological disaster. Strange human kingdoms survive at the edge of the Sea of Corruption, a poisonous fungal forest. Nausicaa, a gentle young princess, has a telepathic bond with the giant mutated insects of this dystopia. Her task is to negotiate peace between kingdoms battling over the last of the world’s natural resources.“ [US-Klappentext, gekürzt]

  • Ich liebe den Film von 1984
  • …weil er eine simple Geschichte erzählt, in einer wunderbar komplexen Welt.
  • Diese – toll designte, klug konstruierte – Welt noch einmal ausführlich kennen lernen und verstehen, im Manga? Unbedingt, ja!

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17: „Inside Mari“ von Shuzo Oshimi

Inside Mari

„Isao Komori is a recluse shut-in. He is in love with a young schoolgirl he sees when he goes to the convenience store to buy food. One day, he suddenly finds himself in the body of Mari Yoshizaki, the very girl he is so fond of stalking. The story deconstructs body swap stories by showing that an actual body swap would probably be utterly terrifying to the victims.“ [TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • Körpertausch – in psychologisch, kafkaesk… und feministisch?
  • Die Anspannung und Angst der Figuren ist schon auf wenigen Seiten SO greifbar: Ich freue mich auf ein Stück japanischen Alltag. Und viele existenzielle, groteske „Outer Limits“-Momente.
  • Update, 2017: komplett gelesen. Warmherzig, gesellschaftskritisch, solide erzählt.

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18: „FLCL“ von Hajime Ueda

flcl

„Naota is a lonely boy in a lonely town living a quiet life amidst utter chaos. His brother left to play baseball in America, and now the brother’s ex-girlfriend won’t leave Naota alone. Then, from beyond the stars drops an impish defender sent forth to stop alien robots from destroying the Earth.“ [US-Klappentext, gekürzt]

  • Der Plot klingt zweitklassig. Die Hauptfigur lässt mich kalt…
  • …doch ich liebe „Neon Genesis Evangelion“ und hoffe, „FLCL“ ist ähnlich experimentell, mitreißend, überraschend, hässlich, gefühlvoll.
  • falls nicht: auch „Serial Experiments Lain“ (1998, Serie) macht mir Hoffnungen.

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19: „Ghost in the Shell“ von Masamune Shirow

ghost in the shell

„Major Kusanagi is charged to track down the craftiest and most dangerous terrorists and cybercriminals, including ghost hackers.“ [US-Klappentext, gekürzt]

  • 1999, kurz nach „Matrix“, langweilte mich die Film-Version
  • …und hier, beim Blättern, irritieren mich die Ballonbrüste und der viele Slapstick.
  • Rüstungen, Waffen, Maschinen und Gebäude aber sind so liebevoll gestaltet, und die Erzählwelt wirkt so politisch… ich verpasse etwas, falls ich das nicht endlich lese.

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20: „Biomega“ von Tsutomu Nihei

biomega

„Zouichi and Fuyu, an Artificial Intelligence integrated into his motorcycle, are looking for humans immune to N5S infection, a disease that turns humans into undead disfigured „Drones“. Zouichi wants to find Yion Green, an immortal 17-year-old girl. But then, Yion is kidnapped.“ [TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • Auch hier klingt die Geschichte abgedroschen…
  • …doch die Cyberpunk/’Mad Max‘-Welt ist toll gezeichnet…
  • …und statt Krawall zählen oft kleinere Szenen, zwischenmenschliche Momente.

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21: „Desert Punk“ von Masatoshi Usune

Desert Punk

„After a nuclear holocaust, Japan, like many other countries, has been reduced to a desert. Seventeen-year-old Kanta Mizuno, nicknamed Desert Punk, works as a mercenary for the Handyman Guild between his occasional obsession with big boobs and sex, and, later, his training of an apprentice named Kosuna. Despite his flaws, he is highly professional, accomplishing his task no matter the cost.“ [TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • eine gute Balance zwischen Humor, Survival, Action und Psychologie:
  • glaubwürdige Figuren, sehr atmosphärische Endzeit-Welt
  • …könnte auch auf Tatooine spielen.

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22: „A Girl by the Sea“ / „Mädchen am Strand“ von Inio Asano

Girl by the Sea

„Koume lebt in einer kleinen Stadt am Meer. Ihr introvertierter Freund Keisuke ist in Koume verliebt. Ihre Körper finden zueinander, noch bevor es die Gefühle tun. Je mehr Zeit sie heimlich miteinander verbringen, desto größer wird der Abstand zwischen ihnen.“ [Klappentext, gekürzt]

  • Wie immer bei Asano: puppenhafte, hässliche Figuren…
  • …in hyperdetaillierten, großartigen Sets und Szenenbildern.
  • Ein kurzer Manga, griffiger als „Punpun“ – aber vielleicht zu süßlich?

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23: „Beck“, Sakuishi Harold

beck

„Shy 14-year-old Yukio Tanaka’s life is changed forever when he meets rocker Ryusuke Minami – an unpredictable 16-year-old with a cool dog named Beck.“[US-Klappentext]

  • Gemächlicher und etwas schicht gestrickter Jungs-Manga über eine Newcomer-Band.
  • Viel Raum für schräge Nebenfiguren und Humor. Wirkt flach, aber sympathisch.

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24: „Umimachi Diary“ von Akimi Yoshida

umimachi diary

„Three sisters live in Kamakura. A letter tells them that their father has died – a father they hadn’t seen since he divorced and left home 15 years ago. Despite feeling indifferent about him, Yoshino, the middle of the three, and Chika, the youngest, go to Yamagata to attend his funeral on oldest sister Sachi’s request. There, they meet Suzu, their young and reliable half sister.“

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25: „Kakukaku Shikajika“ von Akiko Higashamura

kakukaku

„Akiko is in her third year of high school. Through her friend Futami, she starts going to an art class led by Kenzou Hidaka, an intimidating teacher who spends much of his time yelling at his students and keeping them focused on drawing. Akiko is initially confused by the behavior of the teacher and her fellow students in the class, but she keeps going regardless, eventually becoming the manga author she is today.“ [Mangafox-Text, gekürzt]

  • autobiografischer Manga der „Princess Jellyfish“-Autorin: Kunst, Provinz, eine Schülerin und ihr schwieriger Mentor.
  • Ich bin – wie schon bei „Princess Jellyfish“ – unsicher, ob die Balance zwischen Humor und Gefühl stimmt: Die Figuren wirken eher albern, die stilleren Momente zu sentimental. Trotzdem: Neugier.
  • Update, 2017: komplett gelesen. Der erste Band startet recht holprig… doch ich werde diese Figuren NIE vergessen. Eine wunderbare, differenzierte Künstlerinnen-Autobiografie.

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26: „Mermaid Saga“ von Rumiko Takahashi

mermaid saga

„Eating the flesh of a mermaid can give one eternal life. Yuuta, a poor fisherman, didn’t believe the tales. But 500 years later, he is physically no older. He has grown weary of his lonely existence, and seeks the one creature that might be able to restore his mortality — a mermaid. In the first of the linked stories, he meets a new immortal (the first he’s met in his life) — a beautiful 15-year-old named Mana. The two travel together, in search of a cure that may not even exist. The other tales are divided among Yuuta’s reminiscences of his past adventures over the centuries, and their new adventures in their quest for mermaids. Created by Rumiko Takahashi, famous for Ranma ½ and InuYasha, but far darker in tone: the terrible things that happen when humans try and seek immortality.“ [TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • „Ranma“ war mir zu kindisch, „InuYasha“ zu pathetisch-folkloristisch; auch Takahashis 80er-Jahre-Frisuren stoßen mich ab. Vielleicht ist „Mermaid Saga“ Märchen- und „Highlander“-Kitsch. Doch die düstere Grundfrage und die Hauptfiguren sind mir erstmal sympathisch.

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27: „Bambino! Secondo“ von Tetsuji Sekiya

bambino secondo

„Shogo Ban is a college student who works as a part-time chef in a small Italian restaurant in his hometown. When his boss sends him to try working in Trattoria Baccanale, a top-class restaurant in Tokyo, Ban is determined to survive the harsh work environment. Bambino! is a 14 volume Seinen cooking manga written and focuses heavily on slice of life drama. It was completed in 2009 and has produced a sequel called Bambino! Secondo – which takes place after the opening of Trattoria Legare (Baccanale’s second store).“ [TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • Volume 1, „Bambino“, legte ich weg…
  • …doch in Volume 2, „Bambino Secondo“, sind die Figuren erwachsener und die Zeichnungen besser: ein Koch- und Unternehmer-Manga, der eine kreative Hauptfigur vor interessante Probleme, Herausforderungen stellt.
  • Update, 2017: Ich las die ersten vier Bände, und hatte Spaß. Die Figuren sind übertrieben angespannt und garstig. Aber das Milieu wird sehr detail- und abwechslungsreich erklärt.

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28: „Bartender“ von Araki Joh

bartender

„Ryu Sasakura works at Eden Hall, a small cocktail bar in the Chiba area of Tokyo. He helps troubled customers resolve their often highly emotional problems. If you ever wanted to know the history of drinks, or the chemistry of making an excellent drink-this is a must read.“ [Klappentext, gekürzt]

  • simple Zeichungen, sympathische Figuren, gut recherchiert:
  • ein junger Barkeeper hilft Gästen, neue Hoffnung zu schöpfen.

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29: „Shigurui“ von Takayuki Yamaguchi

shigurui

„Two samurai who once belonged are determined to kill each other. The series contains very little dialogue. Thanks to the stunning artwork, it seems all the more brutal.“ [TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • Die Figuren wirken oft wie geschnitzt: bizarre Marionetten oder Holzwesen. Alles ist toll gezeichnet, aber operettenhaft, barock – und dadurch unfreiwillig komisch.
  • Mich freut, dass ich mich hier auf einen ganz anderen Stil, fremdes Charakterdesign einlassen muss. Aber dreimal pro Seite denke ich „Künstler? Ist DAS dein Ernst?!“
  • Update, 2017: Ich las Band 1, doch mir ist es zu… eindimensional und fast pornografisch, in seiner Fixierung auf Muskeln, Körper, Blut, Gewalt. Keine Erzählwelt, in der ich länger bleiben will.

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30: „Blade of the Immortal“ von Hiroaki Samura

Blade of the Immortal

„Manji, a ronin warrior of feudal Japan, has been cursed with immortality. To rid himself of this curse and end his life of misery, he must slay one thousand evil men! His quest begins when a young girl seeks his help in taking revenge on her parents‘ killers.“

  • skizzenhaft, minimalistisch, hastige Striche:
  • ein dynamischer, aber etwas simpler Historien-Fantasy-Manga. Ich habe Angst, dass das Genre ähnlich verstaubt und altmännerhaft ist wie bei uns der Western.

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31: „Vagabond“ von Takehiko Inoue

vagabond

„Shinmen Takezo is destined to become the legendary sword-saint, Miyamoto Musashi–perhaps the most renowned samurai of all time. For now, Takezo is a cold-hearted killer. The journey of a wild young brute who strives to reach enlightenment by way of the sword.“ [US-Klappentext, gekürzt]

  • noch skizzenhafter, noch schroffer als „Blade of the Immortal“:
  • Ein Samurai-Klassiker mit viel Dreck, Hunger, Armut, Bauern.
  • prosaisch erzählt, vielleicht zu nüchtern

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32: „Berserk“ von Kentaro Miura

Kentaro Miura, Berserk

Guts is the Black Swordsman, a feared warrior and bearer of a gigantic sword. His flesh is marked with The Brand, an unholy symbol that draws the forces of darkness to him and dooms him as their sacrifice. But Guts won’t take his fate lying down. Accompanied by Puck the Elf, more an annoyance than a companion, Guts follows a dark path.“ [US-Klappentext, gekürzt]

  • Der Plot klingt unglaublich abgeschmackt, die menschlichen Figuren machen mich wütend: engelsgleiche, pausbäckige Kitsch-Kinder, bierbäuchige Könige, schrankgroße Ritter. Klischees, Klischees.
  • Aber: Die Gebäude, Schlachten, Kathedralen, Monster, Landschaften sind SO originell, detailverliebt entworfen und SO wirkungsvoll inszeniert… auf jeder dritten Seite bin ich hingerissen (vor allem in späteren Bänden).
  • Wird diese Geschichte nur halb so kunstvoll erzählt wie gezeichnet: ein Muss.

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33: „Scary Lessons“ von Emi Ishakawa

Scary Lessons

Schulmädchen machen Fehler – und müssen dafür bezahlen: „Scary Lessons“ ist eine Kurzgeschichten-Reihe für ca. Zwölfjährige, in der Alltagsprobleme plötzlich ins Surreale kippen. Horror-Episoden, jugendfrei und etwas pädagogisch, überraschend packend, charmant und altersgerecht – auch in Deutschland erfolgreich. [Text von mir]

  • mich freut an der Reihe besonders, dass sie im harmlosen, konventionellen Shojo-Mädchenmanga-Stil gezeichnet ist: ein vermeintlicher Allerweltscomic – bei dem auf jeder Seite fast ALLES eskalieren kann. Oft etwas albern. Aber zu empfehlen für jeden, der dunkle Märchen mag… und noch zu jung ist für Stephen King.

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34: „Welcome to the N.H.K.“ von Tatsuhiko Takimoto

welcome to the NHK

„Twenty-two-year-old Satou, a college dropout, has stumbled upon an incredible conspiracy created by the Japanese Broadcasting Company, N.H.K. But despite fighting the good fight, Satou has become an unemployed hikikomori—a shut-in who has withdrawn from the world. One day, he meets Misaki, a mysterious young girl who invites him to join her special “project.” Slowly, Satou comes out of his reclusive shell, and his hilarious journey begins, filled with mistaken identity, Lolita complexes—and an ultimate quest to create the greatest hentai game ever!“ [Klappentext, gekürzt.]

  • unsympathisch simple Zeichnungen…
  • …doch sympathisch komplizierte, widerborstige Figuren:
  • Eine Geschichte über jugendliche Verlierer, die glauben, einer Verschwörung auf der Spur zu sein. Ich hoffe, die Frauenfiguren sind genauso komplex wie die (sexistischen) Jungs.

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35: „Team Medical Dragon“ von Taro Nogizaka

team medical dragon

„Asada Ryutaro is a genius surgeon who’s methods have made him a bit of a renegade in the eyes of Japanese doctors. The manga exposes the „illness“ of Japanese hospitals and how their system is not designed to care for the patient.“ [US-Klappentext, gekürzt]

  • dialoglastige und etwas steife, aber überraschend erwachsene Chirurgen-Soap:
  • Das wirkt gut recherchiert, die Figuren glaubwürdig und mit viel Respekt beleuchtet…
  • …nur zeichnerisch sieht alles viel zu gleich aus, über Hunderte Seiten hinweg.

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36: „Ice Blade“, Tsutomu Takahashi

ice blade

„Icy cool homicide cop Ky against the Kunashi Island Smuggling Operation: A modern-day James Bond, Ky constantly encounters mystery and adventure. Each story contains a murder, a mystery and suspicious characters. In this first story, Ky and his partner Mack work against a deadline to prevent the detonation of a nuclear device.“ [US-Klappentext, gekürzt]

  • trashige, aber elegant stilisierte 90er-Jahre-Thriller-Episoden:
  • Ernst nehmen kann (…und soll) ich das nicht. Markig, over-the-top, prollig-schick. Japans Manga-Äquivalent der Til-Schweiger-„Tatorte“?

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37: „Cyborg 009“ von Shotaro Ishinomori

cyborg 009

„The Black Ghost organization kidnapped nine ordinary humans and performed experiments on them, turning them into superpowered cyborgs. After they escaped, they were given codenames (001-009) and now fight the Black Ghost organization. […] Through 2012 to 2014, a finale titled „Conclusion: God’s War“ was published, adapted from Ishinomori’s drafts of a final arc. It was written by his son, Jo Onodera, and illustrated by Masato Hayase and Sugar Sato, who were assistants of Ishinomori. This officially ended the Cyborg 009 manga.“ [TV-Tropes-Text, gekürzt.]

  • simpler, aber liebenswerter Manga (1964 bis 86)…
  • …an dem mich vor allem diese letzten Bände/Kapitel von 2012 bis 14 interessieren.

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38: „Golgo 13“ von Takao Sato

golgo 13

„Golgo 13, the world’s greatest assassin for hire, never fails a job.“

  • nihilistischer, überraschend trash-freier Auftragsmörder- und Agenten-Thriller ab 1969…
  • …mit viel Politik und Zeitgeist: besonders die aktuelleren Bände machen mir Lust.

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39: „Sanctuary“ von Sho Fumimura

Sanctuary

„A political and Yakuza drama/thriller for grown-ups, originally published from 1990 to 1995. Akira Hojo is a charming and ruthless thirty-something leader of a small Yakuza society. Chiaki Asami is the trusted advisor of a member of the Japanese Diet who takes advantage of opportunity to steal his superior’s seat and use it to launch a campaign to reform Japanese politics. Little do most know that Asami’s opportunity was arranged by Hojo.“ [TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • Will super-seriös, tiefgründig, politisch und erwachsen wirken…
  • …doch bringt mich eher zum Augenrollen/Lachen. Gangster- und Politiker-Klischees, unterhaltsam, aber sehr selbstverliebt.

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40: „Tokyo Tribes“ von Santa Inoue

Tokyo Tribe

„A bitter rivalry between two of Tokyo’s gangs explodes into all-out warfare. A hard-hitting tale of Tokyo street thugs battling it out in the concrete sprawl of Japan’s capital.“ [US-Klappentext, gekürzt]

  • 1993 war ich 10, und las Videospiel-Magazine:
  • Ich bin begeistert/gerührt, diese (etwas kindliche, idealistisch-futuristische) Atmosphäre in einem Manga über traurige junge Kleingangster und Hiphopper zu finden.
  • Fantasievoll, schlicht, urban: eine Jungs-Geschichte, deren Optik mich überrascht und fesselt.

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41: „Planetes“, Makoto Yukimura

Planetes

„Haunted by a space flight accident that claimed his wife, Yuri finds a job cleaning space debris from Earth’s orbit. Planetes follows the lives of Yuri and his fellow debris-men as they work and ruminate at the edge of the great empyrean sea.“ [US-Klappentext, gekürzt]

  • Ich las Band 1 und mochte in den ersten Kapiteln die charmanten Figuren, den leichten Tonfall und die „Gravity“-Atmosphäre: Astronauten-Alltag mit viel Sense of Wonder und Auge für Details.
  • Trotzdem wirkt die Erzählwelt auf mich zu simpel und vage (z.B. die Besiedlung des Mondes und die Terrorzellen dort): Auch „Vinland Saga“, der Wikinger-Manga vom selben Autor, hat große Fans. Doch beide Reihen wirken auf mich, als wären sie für Zwölfjährige erdacht, nicht für Erwachsene:
  • In den entscheidenden Momenten zu seicht, harmlos, glatt?

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42: „Dawn of the Arcana“ von Rei Toma

dawn of the arcana

„A medieval fantasy. A princess with a mysterious power. Princess Nakaba of Senan is forced to marry Prince Caesar of the enemy country Belquat. With only her attendant Loki at her side, Nakaba must find a way to cope with her hostile surroundings, her fake marriage…and a mysterious power!“ [US-Klappentext, gekürzt]

  • Ein Mädchen-Manga, recht lieblos gezeichnet…
  • …aber mit einer interessanten Hauptfigur in einer komplexen Lage:
  • Vielleicht eine Empfehlung für Leser*innen der (durchwachsenen) „Selection“-Romane. Diplomatie, Selbstbehauptung, Überlebenskampf in bodenlangen Kleidern.

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43: „UQ Holder“ von Ken Akamatsu

UQ Holder

„Negi Springfield, the boy wizard of the hit manga Negima!, won many battles. Now [in 2080], Negi’s grandson, a little boy name Touta, dreams of leaving his quiet village and heading to the City. But first he must defeat his teacher: the immortal vampire Evangeline!“ [US-Klappentext, gekürzt]

  • Ein Shonen-Fantasy-Mainstream-Manga mit Magie und vielen Kämpfen, aber sehr soliden Figuren, viel World Building und Liebe zum Detail:
  • Sobald ich Lust habe, mich mal wieder länger in einer komplizierten Fantasy-Welt für Kinder zu verlieren, ist das hier meine erste Wahl. Autor Ken Akamatsu ist 2016 auch Ehrengast der Leipziger Manga-Comic-Convention.
  • [Fragt sich noch: Kann ich das lesen/verstehen, ohne, vorher „Negima!“ zu kennen?]

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44: „Onepunch-Man“ von Yusuke Murata

onepunch-man

„Saitama is an unemployed salaryman turned part-time superhero who is so powerful he can defeat any adversary in one hit. He’s not very pleased about this, since it means he has no more challenges left in his life. But despite this, Saitama continues to follow his (now utterly mundane) dream, encountering Mutants, Cyborgs, Ninjas, Humanoid Aliens, Supernatural Martial Arts masters, Psychics, corrupt Super Teams, Kaiju, Sea Monsters and just about everything else you can imagine along the way.“ [TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • Originell, albern, fantasievoll: der größte Erfolg der letzten Jahre…
  • die Anime-Serie noch deutlich mehr als Webcomic und Manga.
  • Ich mag die Grund-Idee, aber bin auf lange Sicht skeptisch: „Dragonball“ begann als sympathisch respektlose Parodie… und wurde schnell zu einer faden endlos-Prügelei. Auch bei „One Punch Man“ sehe ich in späteren Kapitel nur noch Muskel-Mutanten, die Städte verdampfen lassen und Beleidigungen brüllen. Hat das Geist und Herz? Ich bin nicht sicher.

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45: „Mokke“ von Takatoshi Kumakura

mokke

„High-school student Shizuru can see ghosts, her little sister Mizuki can be haunted by them. They were placed with their grandparents in the countryside of Japan, since their grandfather knows all about the spiritual beings. The spirits that the two girls encounter are generally based on Japanese folk tales and usually not malignant, although often very obnoxious and persistent.“ [TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • Kinder- und Alltags-Episoden im „Totoro“-Stil: Coming of Age, aber etwas hölzern und verplappert. Ich weiß nicht, ob das genug Schwung aufnimmt… oder harmlos dahin dümpelt.

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46: „Song of the Long March“ von Xia Da [China]

Song of the Long March

Choukakou (also known as Chang Ge Xing, Chang Ge’s Journey or Song of the Long March) is an ongoing manhua series by Xia Da. It tells the story of Li Chang Ge, a young Chinese princess plotting revenge against the man who killed her family: Li Shimin, Emperor Taizong of Tang.“ [TV-Tropes-Text]

  • Toll gezeichnete, aber recht konventionell erzählte chinesische Historien-Action-Reihe. Bei chinesischen Titeln denke ich noch immer zuerst: „Schnell zu Wikipedia. Nachlesen, ob die historischen Bezüge stimmen. Propaganda? Geschichtsklitterung?“

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47: „Tsukikage Baby“ von Yuki Kodama

Tsukikage Baby

„A small provincial town wants to preserve a traditional performance art called Owara. Hotaruko, a transfer student from Tokyo, forms a bond with a local girl, Hikaru.“ [Klappentext, gekürzt]

  • Ich liebte Kodamas „Sakamichi no Apollon“
  • …doch das hier beginnt sehr steif und trocken: müdes Mädchen strauchelt durch Volkstänze, nervöser Junge starrt sie dabei an.

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48: „Princess Jellyfish“ von Akiko Higashimura

princess jellyfish

„Tsukimi, an extremely shy and self-deprecating 18 year old illustrator, has been fascinated by jellyfish. To her, they’re everything she isn’t – beautiful and graceful. Then, she meets a fashionable girl…“ [TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • Eine feministische, aber etwas schrille und dick aufgetragene Comedy über ein hässliches Entlein, das in der Modebranche für Aufsehen sorgt.
  • Ich liebte „Ugly Betty“, die US-Version von „Y soy Betty La Fea“/“Verliebt in Berlin“…
  • …aber am Jellyfish-Manga stößt mich der viele Gonk (die Grimassen) ab.

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49: „Innocent“ von Shinichi Sakamoto

innocent

„During the last days of the french monarchy, the Sanson family, appointed as the royal executioners by the king, are struggling with the reluctance of the eldest son, Charles-Henri Sanson, to succeed his father. Over time, the series also begins to focus on his sister, the cold, morbid and rebellious Marie Joseph as she struggles to navigate the patriarchal society of the time to become an executioner herself, and her eventual entanglement with Marie Antoinette.“ [TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • Stilisiert, morbide, oft im Stil von Modezeichnungen und (Emo-)Album-Covern:
  • Auf den ersten Blick erscheint „Innocent“ toll eigenwillig… doch schnell denke ich: „DAS ist das Maximum an Eigenwilligkeit? Brustwarzen, schwarze Kerzen, gepuderte Perücken, ‚Interview mit einem Vampir‘-Kitsch?“

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50: „Monster“ von Naoki Urasawa

monster urasawa

„In 1986, Japanese neurosurgeon Kenzo Tenma was living in Germany. But one day, the guilt of primarily attending to the wealthy patients and leaving poorer people in need of his skills drives him to first operate on a child who was hurt in the murder of his adoptive parents rather than the mayor of Dusseldorf. As a result, the child lives, the mayor dies in the hands of less talented surgeons, and Tenma is demoted by his superiors and dumped by his fiancee. Suddenly, the hospital directors that demoted Tenma die in very mysterious circumstances. The killer is the same boy he operated on nine years ago, now a young adult.“ [TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • extrem einfluss- und erfolgreicher Krimi-/Thriller-Manga, der mir immer ein Stück zu grau, leblos, möchtegern-tiefgründig erschien…
  • …doch Urasawas „Billy Bat“ ist SO gut, dass auch das melancholische „Monster“ noch einen Blick verdient.

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…und sieben ganz neue Reihen:

„Oldman“ von Chang Sheng [Taiwan]

Oldman

„A trickster oldman, a female warrior with an artificial limb, a mad scientist and a girl who is amazing at archery fight an evil queen and her kingdom.“ [Fan-Text von hier, gekürzt]

  • Ich mag das naturalistische Setting: kein Fantasy-Königreich, sondern grauer Alltag an einem recht glanzlosen, beklemmenden Königshof.

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„Usemo No Yado“ von Hozumi

usemo no yado

„There is an inn that you can visit where you’ll find old things you thought were lost forever.“

  • Kurzgeschichten im Stil von „Fantasy Island“: wechselnde Figuren finden Glück, Mut, Hoffnung in der Land-Idylle.

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„Legend of Galactic Heroes“ von Fujisaki Ryuu

Legend of the galactic Heroes

„A 110-episode Space Opera originally released to home video plus a huge series of novels written by Yoshiki Tanaka that spawned the franchise: In the 36th century, humanity has split into two superpowers engaged in a decades-long war. Young noble Reinhard von Müsel fights for the Galactic Empire, whose government is based on 19th century Prussia. Yang Wen-li, an easygoing historian, fights for the opposing Free Planets Alliance: a government which resembles a crumbling, bloated 20th century democracy. In 2015 a new manga adaptation of the novels started in Weekly Young Jump[TV-Tropes-Text, gekürzt]

  • liebevolles Setting, liebevolles Figurendesign und eine riesige Erzählwelt: vieles wirkt bekannt oder abgedroschen – aber handwerklich ist dieser Reboot auf hohem Niveau.

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„Ayeshah’s Secret“ von Zhang Jin (Taiwan)

Ayeshahs Secret

„A young girl whose mother died giving birth to her. A wicked stepmother and three brothers with whom she shares no blood ties. Secrets woven with betrayal, terror, deceit, love, death and vengeance…“

  • trashige, vielleicht auch misogyne Vampir- und Gequälte-Jungfrauen-Geschichte – interessant inszeniert: Wird hier mit Models gearbeitet? Oder nur mit CGI-Sets und -Figuren? Ich kenne nichts Vergleichbares, optisch.

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„Akagi Familia“ von Tatsuya Nakanishi

Akagi Familia

„Set in a town ruled by the Oscar Family mafia, a girl named Lisa arrives looking for a man named Akagi Yuuichirou. It turns out Akagi is a local laundryman who is horrible at his job.“

  • „Leon, der Profi“ trifft „One Piece“?
  • Ein Waisenmädchen und ein etwas trotteliger Wäscher in einer 30er-Jahre-Metropole:
  • Akagi ist ein Auftragskiller im Ruhestand, und Lisa will sich von ihm ausbilden lassen.
  • Standard-Shonen-Action-Märchen, recht sentimental – aber ich mag, dass die Hauptfigur ein Mädchen ist, kein Junge.

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„Gunjou ni Siren“ von Mikan Momokuri

gounji no siren

„Two cousins, both left-handed and passionate about becoming their school’s best pitcher.“

  • Baseball-Drama, das mehr Zeit im Kopf der angespannten Hauptfigur verbringt als auf dem Platz: Ich lese kaum Sport-Manga… aber hoffe hier auf interessante Freund- und Feindschaften.
  • [eine andere Sport-Manga-Empfehlung: das Kletter-Drama „Gaku“)

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„Good Night World“ Okabe Uru

good night world

„A broken family, trying to save a virtual family in an online game.“

  • ein Steampunk-Fantasy-Welt als Virtual-Reality-Spiel…
  • …und eine Familie in Trauer, die als Heldenfiguren im Spiel viel besser zurecht kommt als in der Realität: ein doppelbödiger Action-Manga mit vielen Kämpfen, aber Raum für Gefühl.

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Serien:

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Filme:

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deutsche Mangaka:

Ich mag den satirischen Kurz-Manga „Generation Praktikum“ von Kristina Gehrmann, http://sumikai.com/online-manga/generation-praktikum-kristina-gehrmann-119642/3/

…und bin neugierig auf „Das Liberi-Projekt“ der deutschen Zeichnerin Tamasaburo.

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in Korea: Manhua-Empfehlungen, Nickstember.com

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Mangas Deutschlandradio Kultur.

Update, Frühling 2018:

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Die besten Jugendbücher 2016: Entdeckungen / Vorauswahl zur Leipziger Buchmesse

Jugendbücher 2016, Stefan Mesch (2)

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Einmal pro Monat stelle ich ca. 20 unbekannte oder neue Bücher vor.

heute: aktuelle Jugendbücher und Young-Adult-Literatur, neu auf Deutsch.

Neue Titel oder Neuausgaben, erschienen zwischen Frühling 2016 und Frühling 2017…

…angelesen, gemocht und vorgemerkt.

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jugendbücher 2016 - Stefan Mesch

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Ich schreibe einen Roman über Sechzehnjährige. Ich lese seit ca. 2009 Young-Adult-Literatur, empfehle Titel bei ZEIT Online und veröffentliche immer wieder auch längere Texte über z.B.“Mockingjay” (Link) oder neue Dystopien (Link). Meine Lieblings-Jugendbuchautorin ist A.S. King (Link).

10 große Favoriten / Empfehlungen:

The Member of the Wedding   To Kill a Mockingbird  Quien ama a Gilbert Grape  The Only Alien on the Planet  Vielleicht Lieber Morgen

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The Usual Rules  The Hunger Games (The Hunger Games, #1)  Please Ignore Vera Dietz  Two Boys Kissing  Imperfect Spiral

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“Willkommen im Leben” gehört zu meinen Lieblingsserien. “One Tree Hill” ist ein Guilty Pleasure.

2014 habe ich bei Beltz & Gelberg veröffentlicht, in “Das ist genau mein Ding!”.

Jetzt: 20 aktuelle Bücher, in meiner “bald lesen!”-Vorauswahl: Leseprobe gelesen – aber noch nicht gekauft.

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01: Tanya Lieske, „Sommernachtstraum“

  • leichte, aber sprachlich recht komplexe Verwechslungskomödie
  • 336 Seiten, Fischer KJB, Februar 2016
  • Goodreads: noch kaum Wertungen

„Shakespeares ›Sommernachtstraum‹ als Schultheaterprojekt! Ben und seine Schüler stürzen sich in die Proben. Hermia liebt Lysander, Helena will Demetrius, Oberon straft Titania, und die Feenkönigin liebt plötzlich einen Esel. Während den Proben geraten auch die Liebesgeschicke der Theatergruppe durcheinander: Struppi liebt Mireille, Mary Jane will Ben, Bens Freundin trifft sich heimlich mit Mireilles Vater.“ [Klappentext, gekürzt]

Sommernachtstraum

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02: Kenneth Oppel, „Das Nest“

  • Kinder-Fantasy im Stil von Neil Gaimans „Coraline“.
  • Illustrator John Klassen hat viele Fans – aber langweilt mich meist.
  • 217 Seiten, Dressler (Oetinger), Januar 2016
  • deutsch von Jessika Kornina-Scholz, illustriert von John Klassen. Goodreads: 3.82 von 5

„Steve durchlebt eine schwere Zeit: sein neugeborener Bruder kämpft um sein Leben. Als sich eines Nachts die Wespenkönigin in Steves Träume einschleicht und ihm anbietet, das Baby zu ‚reparieren‘, scheinen seine Wünsche erhört zu werden. Doch die Dinge nehmen eine finstere Wendung, als Steve erkennt, was wirklich mit dem Kleinen geschehen soll.“ [Klappentext, gekürzt]

The Nest

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03: Jason Reynolds, „Coole Nummer“

  • New-York-Roman, mitreißend, psychologisch, sympathisch.
  • 260 Seiten, Reihe Hanser bei dtv, August 2015
  • deutsch von Klaus Fritz, Goodreads: 3.95 von 5

„Brooklyn: Ali hat sich fast sechzehn Jahre lang von allem Ärger fern gehalten. Dann ergibt sich die Gelegenheit, mit den großen Jungs zu spielen.“ [Klappentext, gekürzt]

When I Was the Greatest

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04: Susin Nielsen, „Die hohe Kunst, unterm Radar zu bleiben“

  • gewollt schrulliges Jugendbuch – vielleicht zu drollig…
  • …aber auf den ersten Seiten scheint mit der exzentrische Ich-Erzähler plausibel und sympathisch!
  • 256 Seiten, cbt, Februar 2016
  • deutsch von Claudia Max, Goodreads: 4.18 von 5

„Henry ist 13. Seine Devise: bloß nicht auffallen. Denn wehe, es kommt raus, was sein Bruder getan hat. Weil Henry, seit ES passiert ist, nur noch Robotersprache spricht, hockt er viel beim Seelendoc. Als er Alberta trifft, die zwar auch nicht normal, aber ziemlich toll ist, fragt er sich, ob da mehr daraus werden könnte. Und ob das bedeutet, dass es für ihn tatsächlich ein Leben DANACH gibt.“ [Klappentext, gekürzt]

The Reluctant Journal of Henry K. Larsen

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05: Karin Bruder, „Panama“

  • ruhiger, vielleicht auch klassisch-literarischer als viele aktuelle Young-Adult-Novels.
  • 337 Seiten, Reihe Hanser bei dtv, Oktober 2015
  • Goodreads: noch kaum Wertungen

„Ihr Großvater schickt Liana nach dem Abitur nach Panama City. Sie soll den Sohn ihres verstorbenen Bruders abholen, der seit Jahren als verschollen galt. Doch vor Ort ist alles komplizierter als gedacht. Als sie Ruud kennenlernt, hat sie es nicht mehr eilig, in ihr altes Leben zurückzukehren.“ [Klappentext, gekürzt]

Panama: Roman (Reihe Hanser)

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06: Karin Kaci, „Homevideo“

  • Typische Schullektüre. Ich mag Tempo, Härte und Geschwindigkeit: kurz und rasant.
  • 176 Seiten, Carlsen, Januar 2016
  • Goodreads: noch kaum Wertungen

„Das Buch zum TV-Film »Homevideo« (Grimme-Preis 2012): Jakobs Kamera ist wie ein Tagebuch. Der 15-Jährige filmt, was ihn bewegt. Doch dann gerät ein selbstgedrehtes, intimes Video durch Zufall in die Hände von Mitschülern, die es ins Internet stellen. Jakob wird ausgelacht, angemacht, gemobbt. Seine Freundin Hannah zieht sich zurück. Lehrer und Eltern wissen kaum, wie sie mit der Sache umgehen sollen. Keiner kann helfen, keiner kann die Hassbotschaften stoppen. Es bleibt nur ein Ausweg…“ [Klappentext, gekürzt]

Homevideo

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07: Bonnie-Sue Hitchock, „Der Geruch von Häusern anderer Leute“

  • kitschige Prämisse – aber literarisch/stilistisch überzeugt mich die Autorin.
  • 320 Seiten, Königskinder (Carlsen), März 2016
  • deutsch von Sonja Finck, Goodreads: 4.19 von 5

„Unweit des nördlichen Polarkreises, wo der Alltag manchmal unerbittlich ist, kreuzen sich ihre Lebenswege immer wieder: Alyce weiß nicht, wie sie Fischen und Tanzen in Einklang bringen soll. Ruth hat ein Geheimnis, das sie nicht mehr lange verbergen kann. Dora will ihren Vater nie wieder sehen und wird von Dumplings Familie aufgenommen. Hank und seine Brüder hauen von zu Hause ab, doch einer von ihnen gerät in große Gefahr. Und trifft auf Alyce…“ [Klappentext, gekürzt]

The Smell of Other People's Houses

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08: Gudrun Pausewang, „Der einhändige Briefträger“

  • noch mit 90 schreibt Pausewang Jugendbücher: erwachsener Ton, gut recherchiert.
  • 192 Seiten, Ravensburger, April 2015
  • Goodreads: noch kaum Wertungen

„September 1944: Der Krieg ist längst Alltag. Außer Johann, 17, leben im ostböhmischen Wolfentann fast nur noch Frauen, Greise und Kinder. Johann arbeitet als Briefträger, seit er an der Front seine linke Hand verlor. Er ist beliebt, denn er bringt den Dorfbewohnern Nachrichten von den fernen Vätern, Söhnen, Brüdern und kennt ihre Schicksale und Geschichten. Doch seine Freundschaft zur verwirrten alten Försterswitwe wird Johann bei Kriegsende zum Verhängnis…“ [Klappentext, gekürzt]

Der einhändige Briefträger

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09: Klaus Kordon, „Krokodil im Nacken“

  • sehr beliebter Autor von Jugendbüchern über die deutsche Geschichte: Kordons autobiografischer Gefängnisroman wirkt auf mich dringlich, nah, persönlich. Nur der Umfang macht mir Angst: 800 Seiten Fliesen, Betonboden, Selbstmitleid?
  • 800 Seiten, Beltz und Gelberg, November 2015 [Neuauflage. Buch von 2002.]
  • Goodreads: 4.04 von 5

„Die Lebensgeschichte von Manfred Lenz, der nach einem missglückten Fluchtversuch aus der DDR ein Jahr in Stasi-Gefängnissen verbringt. Seine Frau Hannah ist ebenfalls inhaftiert, die Kinder Silke und Michael wurden im Heim untergebracht. In seiner Isolation lässt Manfred Lenz sein Leben Revue passieren: Die Kneipe am Prenzlauer Berg, in der er nach dem Krieg aufgewachsen ist, der Einmarsch der sowjetischen Truppen auf dem Potsdamer Platz, der Tod der Mutter, das Kinderheim, das Jugendwohnheim – und dann die nur ein paar hundert Meter entfernte Grenze nach Westberlin. Der große Roman erzählt mit bestechender Authentizität deutsch-deutsche Zeitgeschichte.“ [Klappentext, gekürzt]

Krokodil im Nacken

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10: Tromly, „Digby“

  • charmante Detektiv-Komödie, erster Band einer Reihe
  • 368 Seiten, Oetinger, Februar 2016
  • deutsch von Sylke Hachmeister, Goodreads: 3.92 von 5

„Beschossen. Inhaftiert. Gekidnappt. Ein ganz normaler Tag mit Digby. Das war Zoe schnell klar. Denn Digby will den Fall seiner kleinen Schwester, die vor acht Jahren entführt wurde, aufklären. Spannende Unterhaltung auf höchstem Niveau, mit einer Prise schrägem Humor und einem besonders lässigem Dedektiv.“ [Klappentext, gekürzt]

Digby (Digby, #1)

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11: Robert Clement, „70 Meilen zum Paradies“

  • Vielleicht wissen wir 2016 so viel über Schleuser, Lampedusa und die Flucht aus Nordafrika, dass das Buch langweilt? Aber: Stil, Ton, Figuren sprechen mich an.
  • Taschenbuch: 176 Seiten, Verlag Jungbrunnen, März 2015. Zuvor 2006 im Sessler Verlag.
  • Goodreads: 3.80 von 5

„Siad, ein junger Krankenpfleger aus Somalia, und seine Tochter Shara warten in Tunesien gemeinsam mit anderen Flüchtlingen aus Afrika, bis Schlepper sie nach Europa bringen. Ihr Ziel ist Lampedusa, das Tor zu einer Zukunft, von der sie sich Sicherheit und Wohlstand erhoffen. Mit 55 anderen Flüchtlingen drängen sie sich in einem kleinen, altersschwachen Kutter. Die Reise wird zum Albtraum. Im Flüchtlingslager müssen sie unter menschenunwürdigen Bedingungen warten, bis entschieden ist, ob sie einreisen dürfen oder zurückgeschickt werden. Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis, Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien.“ [Klappentext, gekürzt]

70 Meilen zum Paradies

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12: Elke Reichard, „Deutschland, gefühlte Heimat. Hier zuhause und trotzdem fremd“

  • Gestaltung wie aus den frühen 90ern, Klappentext wie aus den 70ern, wirkt wenig selbstbewusst oder empowernd. Aber: Das Buch versammelt interessante Protokolle/Portraits – und ist weniger muffig als sein Cover.
  • 176 Seiten, Reihe Hanser bei dtv, August 2015
  • Goodreads: noch kaum Wertungen

„Jeder vierte Jugendliche in Deutschland hat inzwischen einen sogenannten Migrationshintergrund. Die Autorin ging auf die Reise durch das Einwanderungsland Deutschland.“ [Klappentext, gekürzt]

DEUTSCHLAND, GEFÜHLTE HEIMAT

ähnlich: „Neu in der Fremde. Von Menschen, die ihre Heimat verlassen.“ [März 2016, Beltz & Gelberg]

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13: Arne Svingen, „Die Ballade von der gebrochenen Nase“

  • Tragikomischer Zwischendurch-Roman für Elf-, Zwölf-, Dreizehnjährige. Mir sind solche Middle-Grade-Jungs-Bücher, besonders aus Skandinavien, am Ende oft zu süßlich oder simpel. Trotzdem: angelesen und gemocht.
  • 192 Seiten, Luebbe, Oktober 2015
  • deutsch von Gabriele Haefs, Goodreads: 3.96 von 5

„Bart geht Ärger am liebsten aus dem Weg. Seine Mutter schickt ihm zum Boxunterricht, dabei gehört seine Leidenschaft der Musik. Er liebt Opern und singt heimlich. Das darf in der Schule niemand erfahren. Doch Ada ist anders als seine Mitschüler und stellt auf den Kopf.“ [Klappentext, gekürzt]

La chanson du nez cassé

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14: Luca Bloom, „Ich, Elias“

  • Simples Konzept, aber souverän erzählt. Ein Jungs-Buch, das hoffentlich nicht in Selbstmord oder der großen Katastrophe endet.
  • 144 Seiten, Beltz & Gelberg, Juli 2015 [Neuauflage: Buch von 2009]
  • Goodreads: 3.44 von 5

»Erwachsene sagen, die Jugend sei die schönste Zeit im Leben. Sie haben wirklich keine Ahnung.« Elias, 15, mitten in der Pubertät, verliebt, entrückt und durcheinander: Die Welt steht still, wenn er Zoe sieht. Doch er macht einen entscheidenden Fehler.“ [Klappentext, gekürzt]
Ich, Elias

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15: Dave Cousins, „15 kopflose Tage“

  • Harte Themen, leichte Sprache: Ich bin gespannt, ob diese Gratwanderung knapp 300 Seiten lang glückt.
  • 288 Seiten, Verlag Freies Geistesleben, Februar 2015
  • deutsch von Anne Brauner, Goodreads: 3.86 von 5

„Laurence Roach wünscht sich ein normales Leben. Doch seine Mutter ist eine depressive Alkoholikerin. Als sie eines Abends nicht mehr nach Hause kommt, erzählt er niemandem davon – aus Angst, er und sein Bruder Jay müssten sonst in Pflegefamilien. Er zieht sich ihre Kleider an und verstrickt sich immer mehr in ein Netz aus Lügen.“ [Klappentext, gekürzt]

Fünfzehn kopflose Tage

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16: Kenneth Oppel, „Affenbruder“

  • Der Klappentext klingt vorhersehbar, Bücher über kleine weiße Jungs und ihre liebsten Tiere sind mir oft zu sentimental – aber 440 Seiten bieten Platz für Tiefgang, Psychologie.
  • 439 Seiten, Beltz & Gelberg, Juli 2015
  • deutsch von Gerold Anrich und Martina Instinsky-Anrich, Goodreads: 4.04 von 5

„Ein ungewöhnlicher Tierversuch, der ethische Grenzen überschreitet und eine Familie auf die Probe stellt. Zan ist ein Schimpansen-Baby und soll Zeichensprache lernen. Für Ben wird zum »richtigen« Bruder, den er über alles liebt und zu dem er eine enge Beziehung aufbaut. Als Zan die Erwartungen nicht erfüllt und von der Uni weiterverkauft wird, erlebt fragt Ben sich verzweifelt: Wie weit darf die Wissenschaft Zan für ihre Zwecke einsetzen?“ [Klappentext, gekürzt]

Affenbruder

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17: Andrew Smith, „Auf Umwegen“

  • Smith hat einen sehr, sehr guten Ruf und schreibt Bücher, die auch männliche Teenager sehr ansprechen. Das Pferd, das Meilen-Gerede, die ersten Seiten und der Road-Trip-Plot langweilten mich… aber ich glaube, das ist nochmal einen längeren, genaueren Blick wert:
  • 336 Seiten, Königskinder (Carlsen), Oktober 2015
  • deutsch von Hans-Ulrich Möhring, Goodreads: 3.89 von 5

„Finn berechnet die Zeit in Meilen, nicht in Minuten. Stets am Rande der Katastrophe – als Kind ist ein totes Pferd von einer Brücke auf ihn gefallen – hat er immerhin den besten Freund der Welt: den total irren Cade. Dann lernt er Julia kennen. Als sie wegzieht, macht er sich auf eine Reise, die sie nicht – wie geplant – zum College ihrer Wahl führt. Ein unerwarteter Unfall macht sie zu ebenso unerwarteten Helden.“ [Klappentext, gekürzt]

Auf Umwegen

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18: Leila Sales, „This Song will save your Life“

  • ruhiges, warmherziges Buch über Identität und Freundschaft
  • 320 Seiten, Kosmos, Juni 2015
  • deutsch von Anja Herre, Goodreads: 3.97 von 5

„Niemand teilt Elises Kleidungsstil oder ihren Musikgeschmack. Bei einem ihrer Nachtspaziergänge trifft sie Pippa und Vicky, die sie in den Underground-Musikclub „Start“ mitnehmen – und plötzlich ist Elise unter Menschen, die sie so nehmen, wie sie ist. Außerdem entdeckt sie ihr Talent fürs DJ-ing. Sie wird zur heißesten Newcomerin der Szene und scheint mit einem Mal alles zu haben, was sie sich schon immer gewünscht hat: Freunde, Akzeptanz und vielleicht sogar Liebe. Doch was, wenn das richtige Leben droht, alles wieder zunichte zu machen?“ [Klappentext, gekürzt]

This Song Will Save Your Life

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19: Rob Thomas & Jennifer Graham, „Veronica Mars, Bd. 2: Mörder bleiben nicht zum Frühstück“

  • ich mag die ersten ca. anderthalb Staffeln des Krimi-Serie (2004). Den Kinofilm von 2014 habe ich noch nicht gesehen – doch bevor Rob Thomas die Serie schrieb, war er Young-Adult-Autor, und die beiden neuen „Veronica Mars“-Romane machen auf mich einen sehr soliden Eindruck.
  • 368 Seiten, Loewe, September 2015
  • deutsch von Sandra Knuffinke und Jessika Komina, Goodreads: 4.02 von 5

„Das Neptune Grand war schon immer das eleganteste Hotel am Platz. Reiche und Prominente gehen ein und aus. Doch als eine Frau behauptet, in einem der Zimmer angegriffen worden zu sein, wenden sich die Hotelbesitzer an Veronica. Veronica-Mars-Schöpfer Rob Thomas legt den heiß ersehnten zweiten Thriller um die Kult-Detektivin vor.“ [Klappentext, gekürzt]

Mörder bleiben nicht zum Frühstück (Veronica Mars #2)

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20: Melanie Mühl, „Fünfzehn sein. Was Jugendliche heute wirklich denken“

„Diese Teenager! Gucken pausenlos auf ihr Handy. Anstatt sich mit Freunden zu treffen, tummeln sie sich im Internet. Lieben nur Computerspiele, Kosmetik, sich selbst und den Konsum. Klassische Bildung? Fehlanzeige. Melanie Mühl hat Jugendliche befragt, und sie erzählen ausführlich und erstaunlich offen über Liebe und Intimrasur, Freundschaft und die besten Posen bei Instagram. Wie hart ist es für Teenager, in einer Optimierungsgesellschaft aufzuwachsen? Wovon träumen Jugendliche im 21. Jahrhundert? Fest steht: Von vielen Vorurteilen müssen wir uns verabschieden.“ [Klappentext, gekürzt]

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schon hier im Blog vorgestellt:

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21: Sarah Darer Littman: „Die Welt wär besser ohne dich“

  • NOCH ein Buch über Mobbing/Cyber-Stalking. Hier überzeugt mich der Stil, nicht das verbrauchte Thema.
  • 384 Seiten, Ravensburger, Januar 2016.
  • deutsch von Franziska Jaekel, Goodreads: 4.14 von 5

„Seit Wochen chattet Lara mit Christian. Sie ist total verliebt und möchte ihn endlich treffen. Doch dann postet Christian plötzlich fiese Kommentare auf ihrer Facebook-Pinnwand. Und minütlich schließen sich ihm andere an. Als Lara die Beleidigungen nicht mehr erträgt, trifft sie eine verzweifelte Entscheidung.“ [Klappentext, gekürzt]

Die Welt wär besser ohne dich

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22: Jenny Valentine, „Durchs Feuer“

  • Zu schrullig? Zu sentimental? Ich bin unsicher: Ich mochte Stil und Figuren – aber erwarte eine Art… Noah-Baumbach-Groteske, übertrieben bittersüß.
  • 260 Seiten, dtv, Februar 2016
  • deutsch von Klaus Fritz, Goodreads: 3.99 von 5

„Iris hat für ihre Eltern nur Verachtung übrig. Mutter Hanna sieht nicht nur aus wie eine Barbiepuppe, sondern ist genauso leblos, und Stiefvater Lowell, der verkrachte Soap-Darsteller, ignoriert sie. Dann tritt Ernest, Iris` leiblicher Vater, in ihr Leben: ein hoch betuchter Kunstsammler. Ernests Tod ist ein Abgang wie ein Paukenschlag und die letzte große Liebeserklärung an seine Tochter Iris.“ [Klappentext, gekürzt]

Durchs Feuer

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23: James Dawson, „How to be Gay. Alles über Coming-Out, Sex, Gender und Liebe“

  • Ratgeber für/über schwule, lesbische, queere, bi- und transsexuelle Jugendliche und sexueller Vielfalt in der Pubertät – in einfacher Sprache, aber: informiert, witzig, mitreißend. 2015 gelesen und sehr gemocht: Ich wollte Dawson für den Queerspiegel/Berliner Tagesspiegel interviewen – aber es scheiterte hieran (Link)
  • 304 Seiten, S. Fischer, Juli 2015
  • deutsch von Volker Oldenburg, Goodreads: 4.05 von 5

„Wie fühlt es sich an, zum ersten Mal in ein Mädchen verliebt zu sein, wenn man selbst ein Mädchen ist? Und was passiert dann? Wie findet man andere schwule Jungs? Und warum fühlen sich manche Menschen im falschen Körper gefangen? Mit über hundert Originalbeiträgen von lesbischen, schwulen, bi- und transsexuellen Jugendlichen, die ein unendliches Spektrum sexueller Identitäten repräsentieren. Für alle, die immer schon mehr wissen wollten über Homosexualität und Transgender – und für alle, die einfach nur neugierig sind!“ [Klappentext, gekürzt. Das versprochene „unendliche“ Spektrum ist leider Quatsch: Schwule stehen im Vordergrund, der Rest wird oft nur nebenbei erwähnt.]

How to be Gay: Alles über Coming-out, Sex, Gender und Liebe

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24: Jim Shepard, “Aron und der König der Kinder”

  • Junge im Warschauer Ghetto (schon wieder)…
  • simples, aber mitreißendes Kinder-/Jugendbuch, USA 2015.
  • 270 Seiten, C.H. Beck, Januar 2016.
  • deutsch von Claudia Wenner. Goodreads: 3.74 von 5

„Aron ist ein kleiner polnisch-jüdischer Junge in einer großen, armen Familie. Leider hat er keine Zeit, ein vernünftiger Erwachsener zu werden. Denn seine Familie zieht nach Warschau, die Deutschen überfallen Polen und die Juden werden ins Ghetto gepfercht. Er freundet sich mit einer Gruppe Jugendlicher an, die für sich und ihre Familien ums Überleben kämpfen, arbeiten, schmuggeln und stehlen und sich immer fragen müssen, wieviel Freundschaft und Liebe sie sich noch leisten können. Als der König der Kinder, der berühmte Arzt und Pädagoge Janusz Korczak, Aron in sein Waisenhaus aufnimmt, beginnt eine ungewöhnliche Freundschaft, die den Jungen verändert und beide über sich hinauswachsen lässt.“ [Klappentext, gekürzt]

Aron und der König der Kinder

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25: MONIKA FETH, “Der Libellenflüsterer”

  • das klingt SO bieder und nach “deutsches Jugendbuch”… doch Feth erzählt so plastisch, plausibel, dass ich sobald wie möglich weiterlesen will.
  • 529 Seiten, cbt, August 2015
  • Goodreads: 4.13 von 5

“Merle ist Tierschützerin. Ein Hund, den sie einst vermittelt hatte, starb wenige Wochen später auf grausame Weise. Der neue Besitzer wurde angeklagt und aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Nun kreuzen sich ihre Wege erneut und Merle kommt einem weit gefährlicheren Geheimnis auf die Spur…” [Klappentext, gekürzt]

Der Libellenflüsterer

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26: David Levithan, „Two Boys Kissing – Jede Sekunde zählt“

  • eins meiner Lieblingsbücher. größte denkbare Empfehlung!
  • 288 Seiten, S. Fischer, September 2015
  • deutsch von Martina Tichy, Goodreads: 4.10 von 5

„Craig und Harry wollen ein Zeichen für alle schwulen Jungs setzen. Dafür küssen sie sich. 32 Stunden, 12 Minuten und 10 Sekunden. So lange dauert es, um den Weltrekord im Langzeitküssen zu brechen. So lange dauert es, sich über die Gefühle füreinander klarzuwerden, nachdem man sich eigentlich gerade getrennt hat. Geschickt verwebt David Levithan Geschichten [mehrerer Paare, schwuler und transsexueller Figuren] zu einer großen Geschichte über homosexuelle Jugendliche von heute.“

[2013 bei ZEIT Online empfohlen] In US-amerikanische Jugendbüchern tut sich stilistisch oft nicht viel: Stakkatosätze. Präsens. Sekundenrealismus, nah am Ich-Erzähler. Alles klingt gleich. Nichts irritiert. Eine Ausnahme ist David Levithan, der in zehn Jahren fast 20 Bücher über Paare, Selbstverwirklichung und Partnerschaft-als-Selbstverwirklichung schachtelte. Jedes klang anders. Allerdings ist Two Boys Kissing ist der erste Levithan-Roman, der mich überzeugt: Acht schwule Jugendliche auf dem Land, 50 Stunden persönlichste Katastrophen und Triumphe, brillante Perspektivwechsel, Schnitte. 200 Seiten nichts als Sätze, die Leser zum Weinen bringen wollen. Vor Wut. Freude. Begeisterung. Ein hoher Ton.

David Levithan: Two Boys Kissing. A Novel. Knopf Books for Young Readers, New York 2013. 208 Seiten, 11,40 Euro.

Two Boys Kissing  Two Boys Kissing: Jede Sekunde zählt

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Graphic Novel-Reihe: „Ms. Marvel“

Ms. Marvel (USA)

Autorin: G. Willow Wilson, Zeichner: Adrian Alphona
Marvel Comics, seit Februar 2014. Deutsch bei Panini.
19+ Hefte und einige Gastauftritte / drei Sammelbände, wird fortgesetzt.

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Den ersten Band „Ms. Marvel“ würde ich am liebsten jedem Menschen von 10 bis 15 schenken – oder… bis 45. Ein All-Ages-Comic, charmant, atmosphärisch, optimistisch und rasant wie „Harry Potter“.

Band 2 hatte hanebüchene Konflikte und viel (leeres, dummes) Gerede über die angeblichen Besonderheiten der Generation Y. Und mit Band 3 tauchen immer kompliziertere Marvel-Crossover und -Bezüge auf. Auch der Zeichner wechselt ärgerlich oft: Vielleicht verheddert sich die Reihe gerade.

Vorerst aber: Unbedingt lesen! Kamala Khan, Teenager, Online-Nerd und Muslima, lebt in New Jersey. Ihre Eltern sind aus Pakistan eingewandert und haben Angst, dass sie verwestlicht. Als sie bemerkt, dass sie ihren Körper verformen, schrumpfen, verwandeln kann, hilft sie in Schule und Nachbarschaft. Ein humorvoller Comic, bunter und kindlicher als viele andere Marvel-Titel – geschrieben von einer muslimischen Autorin.

Ein zeitgemäßer, sympathischer Bestseller – aber manchmal zu drollig, harmlos.

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und:

Morton Rhues „No place, no home“ klingt vielversprechend – doch ich fand keine Leseprobe.

Goodreads: 3.86 von 5

„Nie im Leben hätte Dan damit gerechnet, dass auch er und seine Eltern einmal hier landen würden: in Dignityville. Dignityville ist eine Zeltstadt, ein Zufluchtsort für Leute, die erst ihre Arbeit, dann ihr Haus verloren haben. Ein Ort für Verlierer, die sich nicht genug angestrengt haben, dachte Dan. Doch dann lernt er Menschen kennen, die ohne Schuld ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft verloren haben – nicht jedoch ihren Stolz und den Willen, ihn sich zurückzuerobern.“

No place, no home

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ein aktueller US-Titel, angelesen und gemocht: Monica Tesler, „Bounders“

Bounders

„Männer mit Erfahrung“, Castle Freeman: Provinz-Thriller für ‚Fargo‘-Fans

Männer mit Erfahrung, Castle Freeman

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2008, als Praktikant bei Klett-Cotta, las ich Castle Freemans Provinz-Thriller „Go with me“.

Erst jetzt erscheint der Roman auf Deutsch:

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Castle Freeman jr.: “go with me” / „Männer mit Erfahrung“

Steerforth, Januar 2008 / Nagel & Kimche, 22. Februar 2016

160 / 176 Seiten.

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Eine Frau sitzt im Auto, in der Hand ein Obstmesser, und bittet den Sheriff, sie vor Blackway zu beschützen. Blackway hat ihre Katze ermordet. Blackway hat ihren Lebensgefährten aus dem Bundesstaat gejagt. Blackway ist der brutale, von allen gefürchtete Einzelgänger, dem die Bewohner des Dorfes aus dem Weg gehen – ein Provinz-Bösewicht, archetypischer bully und boogey man von mythologischen Ausmaßen.

Der Sheriff schickt die Frau – Lillian – fort. Sie holt sich Hilfe in einer alten Sägemühle, wo sich die Rentner und Arbeitslosen der kleinen Ortschaft sammeln. Der Wirt rät Lillian, sich an Scott zu wenden. Vielleicht könne Scott ihr helfen, sich Blackway vom Leib zu halten. Doch Scott ist nicht da.

Irgendwie – eher zufällig, eher hilflos – ist Lillian plötzlich auf einer Kopfjagd, im Pickup durch verschiedene Stationen des kleinen Dörfchens – ein schmieriges Motel, eine verlassene Rodung usw. – gemeinsam mit dem alten, wortkargen Les [Typ: Locke aus „Lost“] und dem großen, ein wenig zurückgebliebenen Nate.

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Blackway was a bad guy. He was big around here because there wasn’t nothing he wouldn’t do and he made sure everybody knew it. He thought he was the only guy like that. That’s why he walked into our business here tonight. Blackway never thought nobody would go as far as him.”

Lillian, Les und Nate müssen entscheiden, ob sie moralisch verpflichtet sind, sich gegen Blackway zu wehren. Und, ob der Zweck die Mittel heiligt. Dazwischen zeigt Autor Freeman immer wieder die Saufkumpanen im Sägewerk und ihre – alkoholbedingt recht rammdösigen – Gespräche über die Region und ihre Alters- und Abstiegs-Sorgen: ein griechischer Chor, der alles kommentiert.

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2008 urteilte ich für Klett-Cotta:

go with me“ ist ein Roman, angesiedelt in einer skurrilen „Twin Peaks“-Hinterwäldler-Welt: Sägemühlen, endlose Wälder, kauzige alte Männer, Armut; bevölkert von Figuren wie in einem Film der Coen-Brothers: inkompetente Dorfpolizisten, wortkarge Barkeeper, plappernde Saufkumpane und eine schöne Frau, ursprünglich von außerhalb.

Ein kurzes Buch über Macht, Einschüchterung, Kontrollverluste, sehr verknappt, skurril und schnell. Der Plot ist gewollt schlicht, die Figuren in recht groben Strichen gezeichnet, alles bleibt parabelhaft: pointierte Dialoge, aber kaum Beschreibungen. 

Ich musste an Theaterstücke denken: immer drei, vier Figuren auf der Bühne, ein Schlagabtausch in einfacher, provinzieller Alltagssprache.

  • ein ähnlicher Tonfall wie Nicholson Bakers (alberner) Dialogroman „Checkpoint“
  • thematisch arg nah an Lars von Triers’ Das-Dorf-als-Hexenkessel-Film „Dogville“
  • simpler, aber witziger und parabelhafter als Daniel Woodrells „Winters Knochen“

Am Ende des Tages stellt das Trio Blackway. Und muss entscheiden, ob sie auf ihn feuern wollen: Hilft es, den Weg zum Ende zu gehen [„go with me“], den Tod dieses Mannes zu verantworten? Fressen, um nicht gefressen zu werden?

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Castle Freeman, Zsolnay Verlag

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Autor & Themen: Freeman ist Kolumnist beim Farmers’ Alamanac und lebt in Vermont. In den 80ern und 90ern zwei Romane, eine Kurzgeschichtensammlung und eine Sammlung von Essays [Kleinverlage]. Ein graumelierter, freundlicher Herr mit Spazierstock. Interview / Podcast über „go with me“ (Lokaljournalismus: Vermont): http://www.vpr.net/news_detail/79239/

1997 erschien sein erster Roman, “Judgement Hill”: “A decade after his story collection, The Bride of Ambrose, Freeman returns with an insightful, down-to-earth debut novel, this also set in the imaginary town of Ambrose, Vermont. Here, local logging and the appearance of a pretty Texas drifter coincide to disturb the equilibrium of the village’s first citizen.”

2009, 2011 und 2015 drei weitere Bücher. Vielleicht ist der Vermont-Thriller „All that I have“ (2009) einen Blick wert.

Die großen durchgängigen Themen sind offenbar Provinz (Vermont), ungelernte Arbeiter, Verfall von Traditionen: ein recht altmodischer Thornton-Wilder-/Sherwood Anderson-Blick auf den Niedergang der kleinen Ortschaften.

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Urteil: Ein schnelles, gut gelauntes Buch, das nur drei, vier Stunden braucht. Der Anfang wirkt zu konstruiert – das Hin und Her zwischen dem simplen „drei ungleiche Dorfbewohner auf der Jagd nach dem Finsterling“-Plot und den theatralen Dialogen im Sägewerk. Doch beide Stränge funktionieren recht gut: simpel, aber wirkungsvoll.

[wie gesagt: ich schrieb das 2008, als Gutachten/Einschätzung:] „Go with me“ ist nicht markant und clever genug fürs Imprint Tropen. Es ist – in seiner schlichten Sprache, und weil’s nach 160 Seiten wieder um ist, kurz vor dem Punkt, an dem diese Geschichte hätte WIRKLICH hässlich und klug werden können – nicht atmosphärisch dicht, kunstvoll genug erzählt für Klett-Cotta: Ein kleiner, rundum vergnüglicher Roman ohne besonderen Anspruch, gut aufgehoben bei btb oder in der Paperbackreihe des Berlin Verlag.

Letztendlich will Freeman – auf 160 Seiten, und in der unspektakulären Beschreibung eines Dörfchens und ein paar schlicht gestrickter Figuren – so wenig… Ich finde es nicht angezeigt, mit solchen Häppchen einen „richtigen“ Programmplatz zu blockieren. Oder 14, 18 Euro für ein Hardcover zu verlangen.

nebenbei: Kenneth Cooks Australien-Roman „In Furcht erwachen“ (aus den 70ern, 2005 neu aufgelegt bei C.H. Beck) spielt ein ähnliches Spiel – im Outback.

Go With Me

Schwule und lesbische Superhelden: Graphic Novels zur Comic-Ausstellung „SuperQueeroes“ (Schwules Museum, Berlin)

Bara-Manga von Gengoroh Tagame, ausgestellt im Schwulen Museum

„My brother’s Husband“, Manga von Gengoroh Tagame, ausgestellt im Schwulen Museum

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Seit 2008 lese ich Graphic Novels und Superhelden-Sammelbände; gelegentlich auch Manga. Ich gebe aktuelle Empfehlungen, schreibe fürs Comic-Ressort des Berliner Tagesspiegel und spreche bei Deutschlandradio Kultur. Mich freut, dass ich 2008 nur zum Vergnügen, vor allem beim Bahnfahren, „Superman“-Comics las – doch heute die Feuilletons und Redaktionen, für die ich arbeite, immer wieder sagen: „Spannendes Thema! Mehr davon.“

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Wordpress Kate Kane Renee Montoya Greg Rucka The Question Batwoman

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vom 22. Januar bis zum 26. Juni 2016, im Schwulen Museum Berlin (Lützowstraße 73):

SuperQueeroes – Unsere LGBTI*-Comic-Held_innen

„Zum ersten Mal widmet sich in Deutschland ein Museum dem vergleichsweise neuen Thema „queere“ Comics: also Comics mit LGBTI*-Charakteren. Der Fokus liegt dabei auf „Superheld_innen“, womit nicht nur die gängigen Supermänner und -frauen gemeint sind, die im US-amerikanischen Mainstream-Comic in den letzten Jahren Coming-out-Geschichten erlebt haben. Vielmehr geht es auch darum zu zeigen, wie heroisch Alltags-Storys von LGBTI*-Menschen sein können, die sich in einer heteronormativen Welt – auch einer von Zensur und Codes dominierten Comic-Welt – durchsetzen mussten bzw. immer noch müssen.

[…die Ausstellung zeigt] sowohl in Europa bekannte Künstler_innen wie Tom of Finland, Alison Bechdel, Ralf König, Wolfgang Müller, Gengoroh Tagame, Nazario oder Howard Cruse, als auch Künstler_innen wie Megan Rose Gedris, Erika Moen und Kylie Summer Wu.

Kurator_innenteam: Michael Bregel, Kevin Clarke, Natasha Gross, Hannes Hacke, Justin Hall, Markus Pfalzgraf, Mario Russo.  Ausstellungsdesign: Matthias Panitz“

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Schwules Museum Berlin, lgbt comics

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Am Montag stellte Kurator und Politikjournalist Markus Pfalzgraf in einem knapp einstündigen Vortrag große Pioniere, persönlichere Fundstücke und internationale aktuellere Cartoons, Projekte und Reihen vor:

Pfalzgraf ist Autor von „Stripped: The Story of Gay Comics“ (Bruno Gmünder, 2012)

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Ein sympathischer, ausgewogener, gut präsentierter Querschnitt. Pfalzgraf sprach recht nüchtern-kuratorisch – als Literaturkritiker dachte ich an vielen Stellen: „Sag nochmal laut, wie toll, komplex oder blöd-sexistisch viele dieser Titel sind. Mehr Leidenschaft, mehr Wertung, mehr Kritik!“ Wir haben unterschiedliche… Betriebstemperaturen.

Ich bin gewohnt, dass immer wieder „Wer will das lesen?“-Debatten ausbrechen um queere Figuren, Minderheiten, Repräsentation, Sichtbarkeit im Mainstream: Jede Woche lese ich neue Essays und Artikel über… einen schwarzen Spider-Man, eine muslimische Ms. Marvel, Frauen in Videospielen und „Star Wars“, transsexuelle Figuren in US-Serien, schwarze Preisträger*innen bei den Oscars. Immer wieder fragen Laien, Freunde, konservative Kritiker*innen: Was ändert das? Wem hilft das? Warum ist das wichtig?

Ich bin gewohnt, dass jede nicht-weiße, nicht-heterosexuelle Figur eine solche Grundsatzdebatte eröffnet – und war überrascht, dass Vortrag und Ausstellung im Schwulen Museum stattdessen recht nüchtern zeigen: Früher gab es kaum queere Figuren. Heute langsam immer mehr.

Die Hintergründe, Debatten, Marktmechanismen, Widerstände, die großen Sinnfragen – „Was ‚bringt‘ eine lesbische Batwoman?“, „Warum wandten sich Superhelden-Comics lange Zeit vor allem an weiße, junge, heterosexuelle Männer?“ etc. – sind für mich täglich so präsent… ich wünschte, die Ausstellung würde mehr über Protest und (Selbst-)Zensur, Angst und Widerstand, Verlage und Zielgruppen erzählen.

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Vielleicht passiert das während Führungen. Die nächsten Termine:

  • Samstag, 13. Februar um 16 Uhr Führung zu „Superqueeroes“
  • Donnerstag, 18. Februar um 18 Uhr
  • Samstag, 27. Februar um 16 Uhr Führung zu „Superqueeroes“

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schwules museum berlin, markus pfalzgraf

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Ich kenne das Schwule Museum seit letztem Sommer und einer Lesung von Freund, Autor, Disability-Experte Kenny Fries. Helle Räume, engagierte Mitarbeiter. Das „SuperQueeroes“-Veranstaltungsplakat stieß mich ab: amateurhafte Figuren, 90er-Jahre-Copy-Shop-Ästhetik. Doch die Ausstellung selbst ist einladend, professionell.

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Spielfiguren des Marvel-Superhelden-Teams "Alpha Flight"

Spielfiguren des Marvel-Superhelden-Teams „Alpha Flight“

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europäische LGBT-Graphic-Novels

europäische LGBT-Graphic-Novels

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Superheld*innen-Aufsteller von Imke Schmidt und Ka Schmitz

Superheld*innen-Aufsteller von Imke Schmidt und Ka Schmitz

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Text zum Mainstream-Superhelden-Bereich der Ausstellung

kuratorischer Text zum Mainstream-Superhelden-Bereich der Ausstellung […alle Schilder und Beschriftungen sind zweisprachig.]

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nur kurz, als Liste:

LGBT-Graphic-Novels, die ich empfehlen kann:

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ALISON BECHDEL: „Fun Home“ (autobiografische Graphic Novel, 2006)

HOWARD CRUSE: „Stuck Rubber Baby“ (autobiografische Graphic Novel, 1996)

JUDD WINNICK: „Pedro and Me“ (autobiografische Graphic Novel, 2000)

SARAH LEAVITT: „Tangles: A Story about Alzheimer’s, my Mother, and me“ (autobiografische Graphic Novel, 2010. Deutscher Titel „Das große Durcheinander“)

DAVID SMALL: „Stitches“ (autobiografische Graphic Novel, 2009)

Fun Home. A Family Tragicomic: Eine Familie von Gezeichneten  Stuck Rubber Baby  Pedro and Me: Friendship, Loss, and What I Learned  Tangles: A Story About Alzheimer's, My Mother, and Me  Stitches: A Memoir

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GREG RUCKA: „Gotham Central: Half a Life“ (Batman-Comic mit lesbischer Polizistin)

…und die „Batwoman“-Reihe: Band 1 bis 4 sind besonders gelungen. Band 0 war etwas hakelig/mühsam.

Gotham Central, Vol. 2: Half a Life  Batwoman, Vol. 1: Hydrology  Batwoman, Vol. 2: To Drown the World  Batwoman, Vol. 3: World's Finest  Batwoman, Vol. 4: This Blood Is Thick

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solide, aber mit deutlichen Schwächen:

NICOLE J. GEORGES: „Calling Dr. Laura“ (autobiografische Graphic Novel, 2013)

ELLEN FORNEY: „Marbles: Mania, Depression, Michelangelo and me“ (autobiografische Graphic Novel, 2012)

Calling Dr. Laura: A Graphic Memoir  Marbles: Mania, Depression, Michelangelo, and Me

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überbewertet, keine Empfehlung:

TERRY MOORE: „Strangers in Paradise“ (halb Thriller, halb Seifenoper, viel Comedy: zwei ungleiche Freundinnen und ihre ständig wechselnden Gefühle füreinander)

MATT FRACTION: „Sex Criminals“ (heterosexuelles Paar merkt, dass sie beim Sex die Zeit anhalten können: sympathischer Comedy-Thriller – doch nicht halb so alternativ, originell oder tiefgreifend, wie sich Autor Matt Fraction das wohl wünscht/vorstellt.)

JULIE MAROH: „Blue is the warmes Colour“ (platte Figuren, einfallslose Konflikte: wirkt wie aus den 80ern.)

NOELLE STEVENSON: „Lumberjanes“ (Kinder-Comic über junge, teils queere Pfadfinderinnen und allerlei Geheimnisse. Viele Fans, aber einfallsloser und oft sehr kitschiger magischer Realismus, viel seichtes „Girl Power“-Gerede)

Strangers in Paradise, Pocket Book 1  Sex Criminals, Vol. 1: One Weird Trick  Le bleu est une couleur chaude  Lumberjanes, Vol. 1: Beware the Kitten Holy

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heterosexuelle Figuren – aber ein recht queerer, alternativer Blick auf die Welt:

YUKI KODAMA: „Sakamichi no Apollon“ (Manga-Reihe, 10 Bände, 2008 bis 2012, längere Empfehlung hier)

DANIEL CLOWES: „Ghost World“ (Graphic Novel, 1998)

Sakamichi No Apollon: 1  Ghost World

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Snapshots der anderen aktuellen Ausstellungen im Schwulen Museum:

schwules Museum Berlin

Ass, Tits, „Civil War“: The Women of Marvel Comics, 2006 vs. 2016

marvel civil war

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I’m an expert on DC Comics: Superman, Wonder Woman, Batman, Green Lantern.

I know that Marvel Comics – Spider-Man, X-Men, The Avengers, Fantastic Four – usually uses MUCH better artists. Most of the time, Marvel books are sleeker, more stylish and attractive.

For a long time, though, I did not enjoy the Marvel tone: too much self-hate and bickering among the heroes, too many rather desperate pop culture and TV references that made the comics seem very dated too fast, not a lot of grown-up characters/relationships/conflicts.

Since 2012, I have read about 40 Marvel Comics collections, and I’m happy with many, many of their female-driven and/or quirky younger titles: „Ms. Marvel“, „Silk“, „She-Hulk“, „Hawkeye“. Other titles like „FF“, „Storm“, „Young Avengers“ and „Squirrel Girl“ have some (writing) problems – but I enjoyed them nonetheless.

In 2013, I translated Alan Cowsill’s „The Avengers: The Ultimate Character Guide“ into German, for DK Publishing:

Here’s the first German edition, 2014 – a collaboration with translator and friend Lino Wirag:

And here’s the updated edition, from 2015:

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I spent more than 3 months researching all these characters – but I still have not read that many actual „Avengers“ books: I dislike big, blockbuster-like team books because they tend to be less character-focused. Also, there are lots of Marvel movies that I haven’t seen yet – but since I enjoy the writing of Mark Millar (I liked „Jupiter’s Legacy“, „Superman: Red Son“ and „Starlight“), I thought it was time to read his 2006 Marvel Comics „The Avengers“ crossover blockbuster „Civil War“.

There’ll be a movie version (May 5th, 2016): „Captain America: Civil War“.

The seven-part „Civil War“ comic books (2006) had a LOT of problems – most of them outlined here (Link: TV Tropes), and all in all, it seemed like a less cerebral and complex version of DC’s solid 2012 Batman-vs.-Superman dystopia „Injustice: Gods among us“ (recommended!).

Writing and characterization of „Civil War“ were hit-and-miss.

And some of the female characters threw me off: I know She-Hulk, Ms. Marvel, Spider-Woman etc. from their 2013, 2014, 2015 comic books. Lots of these books have GREAT, quriky art. Here’s Charles Soule’s and Javier Pulido’s „She-Hulk“, for example:

She-Hulk (USA)

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Ten years ago, in 2006, mainstream comics often focused on „Tits & Ass“-style cheesecake. It’s not a Marvel problem: Many DC books were just as oversexed and cheesy. Ed Benes might be best-known worst offender at DC (Link, 2005).

All in all, I really can’t recommend „Civil War“. Inconsistent writing, inconsistent characters, a conflict that often borders on nonsensical. I don’t think the art style is the problem of this series, and I don’t think „Civil War“ is a particularly bad or sexist super-hero comic: „Civil War“ artist Steve McNiven is quite skilled – and likes detailed, often well-framed, atmospheric tableaus of super-heroes in dramatic poses. I also like the way he designs rooms, government facilities etc.

Still: It’s encouraging to see how far we’ve come.

In 2015, there are MUCH more appealing, often female-driven Marvel comic books.

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If I think of characters like She-Hulk, Ms. Marvel or Maria Hill, I’m glad that THESE cheesy, stripperific poses are not the first or only thing that come to mind, anymore:

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Sue Storm in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Sue Storm in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

She-Hulk and Carol Danvers, Ms. Marvel, in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Maria Hill in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Maria Hill in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Maria Hill in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Maria Hill in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Dagger in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Ms. Mavel vs. Spider-Woman in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Captain America, She-Hulk, Ms. Marvel and Spider-Woman in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

She-Hulk in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

She-Hulk in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

She-Hulk in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Sue Storm in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Sue Storm and Namor in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

 

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Sue Storm in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Tigra in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Namorita in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Emma Frost in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Ms. Marvel in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Maria Hill and She-Hulk in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

Tigra, ???, She-Hulk in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

She-Hulk in „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

??? (Sersi?) „Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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a human bystander/clubgoer:

a human bystander/clubgoer in "Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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Spider-Man (Peter Parker, in a short-lived alternative costume):

"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

„Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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and She-Hulk, defeated and maybe unconscious, on a battlefield:

"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

„Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

 

"Civil War", Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

„Civil War“, Marvel Comics 2006. Art by Steve McNiven.

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Here’s me at the 2015 Leipzig Book Fair with a She-Hulk cosplayer:

She-Hulk, Stefan Mesch

BookTube, Vlogs, Buchtipps auf Youtube – bei Deutschlandradio Kultur

Buchvlogs, Booktube Deutschlandradio. Herbert Grieshop, BrividoLibro, Leseeule Theresa, Andrea Kossi Koßmann

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Ich spreche am 12. Januar bei „Lesart“, dem Literaturmagazin von Deutschlandradio Kultur über Buch-Vlogger auf Youtube: ab kurz nach 10 Uhr, live im Radio und zum Nachhören.

Auf der Deutschlandradio-Website gebe ich ein paar begleitende Empfehlungen.

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Ich schreibe u.a.: Etwa 80 Deutsche stellen aktuell mehrmals im Monat Bücher in eigenen „BookTube“-Videos vor. Mit den Werbeeinnahmen und Karrieren der Schmink- und Mode-, Gaming- und Comedy-Stars lässt sich die kleine, vernetzte Nische nicht messen. Trotzdem sind viele Vlogger vor allem für Jugend- und Fantasy-Verlage wichtige Multiplikatoren. Und Vorbilder? Buch-Botschafter? Ansprechpartner?

„Ich weiß, dass wir ‚BookTuber‘ von den ‚hohen Literaten‘ oft schief angeschaut werden. Dazu gab es ja bereits mehrere Medienberichte“, erklärt Andrea „Kossi“ Koßmann, mit 15.000 Abonennten eine der erfolgreichsten deutschen Stimmen. „Mich bringen solche Berichte eher zum Schmunzeln. Ich weiß, dass ich kein Literaturkitiker bin und mich auch nicht so darstelle. Wie die anderen Booktuber eben auch.“


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„Blog“ ist die Kurzform von „Weblog“. Menschen wollten ihre Routen und Fundstücke durch ein Thema öffentlich festhalten – ein Fahrtenbuch durchs Internet. Dabei zeigen sie zwangsläufig auch ein Stück von sich. Bei Vlogs, Video-Blogs wird das verstärkt: Die BookTuber, die mich genug fesseln, um ihnen fünf, zehn Minuten meiner Zeit zu schenken, fielen mir nicht durch Buchauswahl, Argumente oder druckreife Sprache auf.

Sondern durch Witz, Tempo, Charisma, Verschrobenheit. Stimmen, die ich gern quasseln, schwärmen und erzählen höre. Menschen, die glauben, sie zeigen vor allem Bücher. Aber die – wie Elke Heidenreich, Irisch Radisch – dabei auch eine Menge von sich selbst verraten. Sechs Empfehlungen:

…und „Herbert liest“, Herbert Grieshop

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Es gibt Deutsche, die auf Youtube Geld verdienen; viele werden mittlerweile von deutschen TV-Studios oder professionellen Agenten/Agenturen vertreten und vermarktet. Sie sind keine Einzelkämpfer/Amateure mehr.

[toller Text über den Abschied von Y-Titty: Link]

Ein guter Text über Erfolg auf Youtube: „Famous and broke. The sad Economics of Internet Fame“

Die bekanntesten deutschen Booktuber sind Andrea Kossmann [ca. 3000 Views pro Video] und die Beauty-Bloggerin Sara Bow [ca. 5000 Views]. Bow wurde im Sommer 2015 auch kritisch in der SZ portraitiert; Buchblogger Thomas Brasch schrieb eine Untergang-des-Abendlandes-Polemik über ihren Erfolg als Symptom eines allgemeineren Kulturverfalls.

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Wie gesagt: „Blog“ kommt von „Weblog“. Ein Reise-, Log- und Fahrtenbuch eines Menschen durch ein bestimmtes Thema. Deshalb denken wir bis heute, dass bei Blogs das THEMA im Vordergrund steht. Bei Vlogs/Videos aber sind Haltung, Duktus, Ausstrahlung des Menschen viel präsenter: Es geht VIEL weniger um „Was habe ich gelesen? Ist es gut oder schlecht?“ als um „Wie sieht ein Mensch aus, der liest? Wie du, vielleicht? Erkennst du dich in mir?“

Booktuber geben solcher… Leseleidenschaft, Bücherfans und oft auch Jugendbuch- und Fantasy-Fangirls und -Boys ein Gesicht. Wir können uns auf Youtube mit Menschen gemein machen, die Bücher lieben. Können sie beobachten. Uns selbst in ihnen finden. Codes, Sprache dieser Bücher-Begeisterung üben. Lesen wird attraktiv, weil/falls wir die Lesenden attraktiv finden.

[Texte im Feuilleton sind oft ähnlich voll mit Jargon und Ausschlüssen; identitätsprägend fürs ältere Bildungsbürger-Publikum. Doch es gibt wenige Feuilleton-Figuren, die älteren Lesern immer wieder spiegeln: „Schaut! So sieht ein Buchliebhaber aus! Ganz ähnlich wie du. Leben mit Büchern ist attraktiv!“ Elke Heidenreich? Christine Westermann? In der E-Literatur ist das ein Teilaspekt. Bei Booktube/Vloggern Dreh- und Angelpunkt.]

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Probleme/Kritik:

„Es geht nur ums Geldmachen“:

Nein. Fast niemand kann von BookTube-Videos leben. Wie Buchblogger sind auch Vlogger oft unkritischer als Feuilleton, schwärmen sehr – und freuen sich über fast jedes Leseexemplar, viele Marketingkampagnen eines Verlags. Viele BookTuber reden über Glitzer-Schriftarten, packen riesige Second-Hand-Buchpakete aus („unboxing“-Videos), einiges wirkt irrsinnig unkritisch. Aber: das ist Fan-Verhalten. Keine Dauerwerbesendung. Die Dauer-Begeisterung ist anstrengend, einseitig, oft langweilig. Aber sie kommt von Herzen!

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„Es geht nicht um Literaturkritik“:

Andrea Kossmann: „Ich lese halt zum ‚Abschalten‘ und zur Unterhaltung und nicht, um nach dem Lesen eines Buches eine Doktorarbeit zu schreiben. Deshalb halt auch immer nur der Griff zur Unterhaltungs- und nicht zur ‚hohen‘ Literatur.“

Als Kritiker glaube ich, dass hier gerade etwas aus dem Ruder läuft: Vor etwa drei Jahren wurde eine Qualitätsdebatte um Literaturblogs (nicht -vlogs) geführt – und viele Blogger verteidigten sich mit: „Ich bin kein Kritiker – und will keiner sein. Kritiker haben Kriterien. Ich schreibe einfach auf, was ein Buch mit MIR macht.“

Dieses Argument ist mittlerweile in zu vielen Debatten mutiert zu: „Ich weiß nicht genau, was Kritiker sind. Im Feuilleton bewerten ältere Männer Bücher nach einem komplexen, objektiven Kriterien-Katalog, den ich nicht kenne, weil ich nicht Germanistik studiert habe. Kritiker sind immer objektiv. Ich rede über meinen Eindruck. Das ist völlig verschieden.“

Als Literaturkritiker wird man von Blog-Freunden behandelt, als sei man Mitglied einer geheimen Elite-Loge. Ein Druide mit okkultem Germanistenwissen. Mir sind die meisten BookTube-Videos zu langsam, schleppend, verplappert.  Vor allem vloggende Frauen wirken oft, als würden sie sich unwohl fühlen vor der Kamera. Viele benutzen – aus Unsicherheit? – zu viele Floskeln: Begrüßungen klingen oft wie bei Tanten, die fremde Kinder aufheitern wollen. Ein künstliches Lächeln. Phrasen und Worthülsen. „Huhu, meine Lieben. Heute gibt es wieder etwas gaaaaanz… Besonderes!“

Umgekehrt lasse ich mich immer wieder von Vloggern begeistern, weil ich ihnen gerne zuhör: laute, energische, manchmal boshaft-überspitze Menschen. Energiebündel. Leute, mit denen ich gern Zeit verbringen würde. Es sind nicht die Inhalte/Bücher, die mich fesseln. Sondern immer das Charisma und Tempo der Sprechenden.

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BookTube wächst, weil es immer mehr und bessere Kameras gibt und wir uns alle z.B. durch Skype daran gewöhnen, vor Kameras zu sprechen. Doch Vlogs über Videospiele, Drogerieprodukte oder Comedy wie „Ich frage meine Oma, was ‚Sexting‘ und ‚Shitstorm‘ bedeutet“ können 200.000 Zuschauer erreichen. Buch-, Literatur- und Bestseller-Themen nicht.

Ich sehe wenig Wachstum: Einzelne BookTuber können Vertraute werden, glaubwürdige Empfehler, gefragte Testimonials. Falls ich Kossis Buchgeschmack liebe, liefert mir meine „Netz-Freundin“ Kossi regelmäßig Tipps. Das wissen Verlage. Und Andrea Koßman. Doch das ist keine Industrie, kein Massenphänomen – sondern Empfehlungen, geteilte Begeisterung zwischen ein paar wenigen, gut vernetzten Liebhabern und Buchfreaks.

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Die Feuilleton- und E-Literatur-Menschen, die mit größerem Produktionsaufwand oder redaktioneller Vorbereitung online über Bücher sprechen wollen, merken schnell: Auf 3sat etc. erreicht das mehr Zuschauer. Aufwand und Ergebnis stehen in keinem Verhältnis: Warum „Kulturzeit“-ähnliche Fomate für Youtube produzieren… so lange es noch „Kulturzeit“ gibt?

Ein „mutiges“ Verlagsprojekt? „S. – Das Schiff des Theseus“ (J.J. Abrams & Doug Dorst)

Schiff des Theseus, Henri Vogel

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„S.“ hat mich mitgerissen, begeistert, überzeugt.

Im November 2013, für ca. 4 Minuten – als ich in der Buchhandlung stand, durch diesen bibliophilen, liebevoll gestalteten Rätsel-/Mystery-Thriller blätterte. Und sofort 17 Euro zahlte.

Gelesen habe ich seitdem keine 50 Seiten.

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Ich habe oft Mühe/Probleme mit Büchern, die auf mehr als drei verschiedenen Zeit- und Handlungs-Ebenen spielen. Mit vielen Fußnoten, Registern arbeiten. Sich nicht mehr linear lesen lassen. Alle paar Minuten zum Vor- und Zurückblättern zwingen:

  • Mark Z. Danielewskis „House of Leaves“ machte mir kurz Spaß… doch nach über 300 Seiten legte ich es fort: Mir kam es vor wie ein unnötig verschwurbelter, zu träger/langsamer Stephen-King-Roman ohne besonderen Anspruch/Tiefgang.
  • David Foster Wallaces „Infinite Jest“ hatte den Vorteil, dass es – anders als „S.“ und „House of Leaves“ – von Langeweile, Unzufriedenheit, Frustration erzählt. Die langweiligen, frustrierenden Fußnoten passen zum Ton des Romans und zur Psyche der Figuren. Keine spannende oder unterhaltsame Lektüre – aber konsequent.
  • Vladimir Nabokos „Fahles Feuer“ ist voller Fußnoten, Binnen- und Rahmen-Erzählungen… und eins meiner Lieblingsbücher: Ein eitler, inkompetenter Literaturwissenschaftler verschlimmbessert ein langes, klagendes Gedicht eines Nachbarn/Kollegen und stellt dabei absurde Bezüge zu seinem eigenen Leben her. Auch hier hilft, dass nicht Spannung zählt, sondern absurde Parallelen, Brüche, Querverweise.

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Spannungsliteratur nutzt oft zwei parallele Handlungsstränge: Am spannendsten Punkt der A-Handlung wird in den B-Strang gewechselt… und umgekehrt. Zwei Storylines schaukeln sich gegenseitig hoch. „Two Lines, no Waiting“. Drei Stränge brauchen etwas länger, um Schwung aufzunehmen – doch als Fan von Ensemble-Serien und Seifenopern funktioniert auch das für mich oft gut: „Three Lines, some Waiting“.

„S.“ ist Opfer von „Four Lines, all Waiting“: Jede Erzählebene kommt nur häppchenweise, mühsam voran. Mit vielen Cuts und Wechseln bremsen sich die Storylines gegenseitig aus.

Das ist kein Konstruktionsfehler: Man kann auch dabei gute Geschichten erzählen. Doch ich musste während „S.“ zu oft – im Schlechten! – an die zweite, dritte Staffel „Lost“ denken: immer neue Fragen, immer hilflosere, frustrierte Figuren. Ein Schritt vorwärts. Ein Schritt zurück..

Von vielen deutschsprachigen Literaturblogs wurde „S.“ gefeiert. Oft vor allem als Buchkunst/Objekt. Über die Geschichte, Erzählung schrieben nur wenige Plattformen. Viele zeigten sogar NUR die liebevoll gestalteten Seiten, Fußnoten und merkten an: „Gelesen habe ich das Buch noch nicht. Aber ich freue mich so!“

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dorst s konzept

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2013 kaufte ich die US-Ausgabe für 16.95 EUR. Erst zwei Jahre später erscheint das Buch auf Deutsch – für 45 Euro.

In Blogs kommentieren Fans: „Mein Respekt an Autor, Verlag, Lektoren, Übersetzer und Druckereien für den Löwenmut diese Mammutaufgabe in Angriff zu nehmen und mit solcher Bravour zu bewältigen!!! Eine bibiliophile begeisterte Leserin, die sich auf jede weitere Seite freut…“

[leider typisch für das Buch – auch hier lobt jemand, bevor er „S.“ zu Ende las.]

Für diesen „Mut“ wird Kiepenheuer & Witsch seit Monaten gelobt. Mich macht das ratlos: Ist ein zwei Jahre alter US-Bestseller – als Co-Autor: der Regisseur von „Star Wars VII“ – tatsächlich ein verlegerisches Wagnis/Risiko?

„Mutig“ an „S.“ finde ich tatsächlich – ähnlich wie bei „Lost“ – dass es auf Spannung und Mystery setzt, aber sich erlaubt, immer wieder zu bremsen, zu frustrieren, Fragen nicht zu beantworten. Ein Buch, das Mühe, Fleiß, Geduld fordert. Mehr Mühe, Fleiß, Geduld, als Genre/Zielgruppe von Mystery-Thrillern in der Regel tolerieren. Mehr Mühe/Fleiß/Geduld auch, als ich selbst für einen – nicht besonders literarischen, gehaltvollen, originellen – Schwurbel-Thriller aufbringen will.

Anspruchsvoll scheint mir „S.“ dabei nicht.

Ich will keinen der Beteiligten für besonderen „Mut“ loben.

Aber…

Freund Henri Vogel hat das Buch gelesen. Mit Gewinn und Begeisterung.

Und nahm sich Zeit für eine Gastrezension.

Mir ist der „S.-Hype weiterhin suspekt. Doch ich freue mich, wie mir Henri das Buch plausibler/sympathischer macht, seine Lese-Erfahrung präziser in Worte fasst als die vielen „Schöööön! Sooo toll gestaltet!“-Texte der letzten Monate: 

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Henri Vogel Rezension S Abrams Dorst

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Update:

Karla Paul merkt auf Facebook an: „Du bist offiziell Journalist. Dein Posting lässt den Verlag erst einmal schlecht dastehen, geldgierig. Das macht mich ziemlich wütend, weil es damit auch mich angreift – denn ja, solche Projekte sind ein riesiges Wagnis, finanziell und personell. Warum fragst Du nicht erst beim Verlag direkt nach […], bevor Du es so in den Raum stellst?“

Das stimmt.

Auf Bücherwurmloch.de hat Mareike Fallwickl fünf Blogposts über „S.“ veröffentlicht: 1 2 3 4 5

Im Interview erklärt Monika König, Herstellungsleiterin bei Kiepenheuer & Witsch:

„Zum Beispiel habe ich erst ganz zum Ende der Produktionszeit gesehen, dass die Schließe, die außen an der Kassette ist, nicht nur auf beiden zu öffnenden Seiten perforiert ist, sondern dass der abgelöste Teil auch noch gummiert ist und als Sticker verwendet werden kann…“

[…] „Auch jedes Einzelteil musste perfekt der Originalausgabe nachgeahmt werden – dafür mussten wir auf dem gesamten europäischen Markt die richtigen Materialien suchen und finden – dahinter musste immer eine schnelle Lieferbarkeit stehen.“

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Schiff des Theseus 2

gelesen 2015: meine 20 besten Bücher des Jahres

Stefan Mesch, Bücher 2015 - Foto von Achim Reibach

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Die 20 Bücher, die ich möglichst vielen Menschen empfehlen kann:

meine Entdeckungen 2015.

Favoriten 2014 | Favoriten 2013 | Favoriten 2012 | Favoriten 2011

Lieblingscomics 2015 hier (Link), weitere Buchtipps hier (Link).

Und: Songs 2015 (Link)!

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lieblingsbücher 2015 7

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20: KOU YAGINUMA, „Twin Spica“, Manga-Reihe, 2001 bis 2009.

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Twin Spica, Volume: 01[mehr] Asumis Mutter starb 2010 – als die Lion, das erste Space-Shuttle Japans, auf ihre Heimatstadt stürzte. Trotzdem will Asumi Astronautin werden; unterstützt von ihrem depressiven Vater – und dem Geist eines verglühten Lion-Astronauten.

„Twin Spica“ wirkt simpel und süßlich. Die kleine, kindliche Asumi sieht aus wie Heidi, jede Figur hat ein rührseliges Trauma, kurz dachte ich: für Zehnjährige, höchstens – oder Fans vom „kleinen Prinz“. Doch Leitmotive, Bildsprache, Psychologie und Stimmungen werden so geschickt verwebt… mit jedem Band (ich kenne sechs von 16) wird diese zarte Coming-of-Age-Geschichte trauriger, ernster, klüger, subtiler.

Mut zum Melodrama: das Kitschig-Schönste, das ich seit Jahren las. Hach!

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19: CHRISTOPH SCHMITZ, „Das Wiesenhaus“, deutscher Roman, 2012

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Das WiesenhausEin einfacher, recht passiver Kleinstadt-Junge im Rheinland der 60er, 70er… und die Lebenslügen, Rituale, Versäumnisse und rührenden Gesten von Großvater, Mutter und einem entfernteren Hallodri-Verwandten – erzählt in ruhiger, simpel-aber-kunstvoller Sprache und mit genauem Blick auf Alltäglichkeiten, kleine Abgründe.

Andreas Maier schreibt autobiografische Romane über die Wetterau bei Frankfurt – doch richtig gepackt hat er mich bisher nicht. Schmitz‘ kurzer Roman ist sanfter, weniger verbissen: ein gediegenes, kluges, konventionelles Stück Provinz- und Zeitgeschichte. Schenkt das dem Onkel, Vater, Freund, der in den 50ern geboren wurde und „eigentlich keine Romane liest“.

Einfach, aber authentisch, sympathisch, entspannt: ein Suhrkamp-Underdog/-Geheimtipp.

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18: WARREN ELLIS, „Injection“, Sci-Fi-Graphic-Novel, bisher ein Band, USA 2015 (britischer Autor).

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Injection, Vol. 1[mehr] Ein ambitioniertes Sci-Fi- und Mystery-Comic für Fans von „Akte X“, von dem bisher erst 5 kurze Hefte erschienen. Wie immer bei Warren Ellis wird viel geschossen und gestorben, geflucht, gesoffen und geblutet. Noch mehr aber geht es ums Altern und Beten, Wandern und Meditieren, Hoffen und Resignieren: Fünf Wissenschaftler*innen haben die Welt verändert, mit einer geheimen „Injektion“. Jetzt, Jahre später, zahlt die Welt den Preis – und ein Dana-Scully-Lookalike über 50 humpelt und flucht durch eine mystische Regierungsverschwörung.

Tolle Figuren, verquaste Esoterik: Bisher überzeugen mich Stil, Atmosphäre, Psychologie. Könnte aber schlimmer Märchen- und Pagan-Kitsch sein.

[Eine weitere aktuelle Reihe von Ellis, die ich mochte: „Trees“ – über einen missglückten ersten Kontakt mit Aliens und die geopolitischen und identitären Krisen, die Staaten und Menschen erschüttern, sobald klar ist: Wir sind nicht die Krone der Schöpfung.]

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lieblingsbücher 2015 5

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17: TONY KUSHNER, „Angels in America, Pt. 1: Millennium Approaches“, US-Theaterstück, 1992.

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Angels in America, Part One: Millennium Approaches2005 lief die HBO-Verfilmung dieses schwulen New Yorker Theater-Klassiker über die AIDS-Krise und mehrere Mormonen und jüdische Männer in Glaubens- und Beziehungskrisen im ARD-Programm: Ich sah Al Pacino als feisten Politiker, Sarah Jessica Parker als schwülstigen Engel (…es war Emma Thompson: Ich bin gesichtsblind), mir schien das unbeholfen, prätenziös, konservativ, möchtegern-crazy – nicht frecher oder mutiger als „Will & Grace“.

Im Sommer 2015 las ich endlich den ersten Teil, „Millennium Approaches“ – und war begeistert: keine große Literatur… doch so wendungs- und bezugsreich, clever, wütend und mit Pointen, Jahrzehnte ihrer Zeit voraus – mich hat das überraschend oft zum Lachen gebracht, begeistert. Leider braucht man beide Teile; und Band 2, „Perestroika“, wiederholt nur alle Tricks und Kniffe: Was auf 150 Seiten Spaß machte, wird auf 300 Seiten dünn, bemüht, banal.

5 Sterne für Teil 1 – doch dramaturgisch klappt hier nichts: kein kluger Bogen. Sondern Ideen, Schwung, Figuren, die sich tot laufen.

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16: JILLIAN TAMAKI, MARIKO TAMAKI, „This one Summer“, Young-Adult-Graphic-Novel, Kanada 2014.

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This One SummerRund um Toronto liegen Hunderte kleiner Seen; und über den Sommer ziehen reichere Familien oft wochenlang in ihre simplen Ferienhäuser. Ich mochte „Skim“ (2008), eine sperrige, oft unbeholfene, unbequeme Graphic Novel der Tamaki-Schwestern über ein Schulmädchen, das ihren Körper hasst – und bin überrascht, wie viel heller, softer, zugänglicher (und trotzdem: gelungener und reifer) diese neuen 300 Seiten über ähnliche Teenager sind (Deutsch: „Ein Sommer am See“, Reprodukt):

Zwei Freundinnen und Feriendorf-Nachbarinnen – eine Siebt- und eine Achtklässlerin – leihen sich Horrorfilme, belauschen die älteren Kiffer und müssen neu austarieren, wofür sie noch zu jung sind – und wofür langsam zu alt. Detailverliebte, aber still-uneitle Zeichnungen. Schöne Charakter-Momente. Kaum Plot. Zu lapidar, um mich besonders zu rühren oder zu erschüttern – aber ein toller Zwischenschritt zweier Erzählerinnen, die besser und besser werden.

Wenn ich jetzt einen „Dirty Dancing“-Vergleich mache, weckt es falsche Erwartungen: ein ruhiges, kluges, kanadisch-unspektakuläres I’m-not-a-girl-not-yet-a-woman-Sommerbuch.

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15: ED BRUBAKER, „The Fade Out“, Noir-/Krimi-Graphic-Novel, 2 von 3 Bänden sind erschienen, USA ab 2014.

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The Fade Out, Vol. 1: Act One[mehr] Charlie Parish ist Drehbuchautor – heimlich: Er macht den Job, für den sein Alkoholiker-Kumpel Gil bezahlt wird. Bei einer Party stirbt Hauptdarstellerin Valeria Summers. Charlie verliebt sich in Maya Silver – den jungen Star, der sie ersetzen soll. Während viele Szenen neu gedreht, das Drehbuch ständig ausgebessert wird, versucht er, sich an die Mordnacht zu erinnern.

Ich liebe Ed Brubaker seit „Gotham Central“. Seit 15 Jahren erzählt er immer wieder gefeierte historische Noir-Dramen um Detektive und Killer. „Fatale“ brach ich schnell ab: Was als Krimi begann, wurde zu schnell von trashigen Lovecraft-Tentakeln erwürgt. „The Fade Out“ bleibt den klassischen Farben, Motiven, Tricks des Krimi-Genres treu: Hollywood 1948. Kaputte Stars, Auf-, Absteiger. Bittere Geheimnisse. Verrat und Sünde. Ein glänzend recherchierter, toll gezeichneter Comic zweier Profis.

Nicht bahnbrechend, ambitioniert – aber stimmig, fesselnd, smart, detailverliebt… und wunderbar traurig.

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lieblingsbücher 2015 6

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14: YUKI KODAMA, „Sakamichi no Apollon“, Manga-Reihe, 2008 bis 2012.

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Sakamichi No Apollon: 10 (Bonus Track)[mehr] Im August las ich die ersten Seiten von über 150 Mangas – und merkte: Oft brauchen sie viel länger, um Stimmung und Ton zu treffen. Die Eröffnung bleibt meist unbeholfen. Überfrachtet.

Bei „Kids on the Slope“ (englischer Titel der Anime-Adaption) war ich nicht sicher, ob ich in einer schwulen Romanze stecke, einer Pennäler-Komödie im Retro-Look oder mitten im Kampf zweier ungleicher Schüler – ein verzärtelter Nerd, ein bettelarmer Raufbold – um das selbe Mädchen. Alle (männlichen) Figuren spielen in einer Jazzband. Doch Jazz-Exkurse bleiben nebensächlich.

Nein. „Sakamichi no Apollon“ (nur als Fan-Übersetzung online lesbar) ist die Geschichte einer (lebenslangen?) Freundschaft. Die späten 60er Jahre in der japanischen Provinz. Enge Rollenbilder. Armut. Der Mut, von etwas zu träumen. Zu jemandem zu stehen – behutsam inszeniert im simplen Retro-Zeichenstil.

Ein langsames, zärtliches, schlichtes Coming-of-Age – oft witzig und zum Heulen schön. Ohne große Abgründe, Effekte, Pomp.

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13: JASON FRY: Band 3 und 4 von „Star Wars: Rebels – Servants of the Empire“, Young-Adult-Sci-Fi-Romane, USA 2015.

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The Secret Academy (Star Wars Rebels: Servants of the Empire, #4)Im Oktober, sechs Wochen vor der Premiere von „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ [Text von mir], las ich für Deutschlandradio Kultur durch neue „Star Wars“-Comics und -Romane. Mich überraschte die Qualität zweier kurzer Middle-Grade-Novels (Kurzromane für 11- bis 14jährige) zur Kinder-Serie „Star Wars: Rebels“. „Servants of the Empire“ erzählt von Zare, Kadett einer Nachwuchs-Akademie des Imperiums, dessen Heimatplanet langsam zum Überwachungsstaat wird. Als zweite Hauptfigur versucht seine Freundin, eine Schülerin und Hackerin („Slicerin“), durch Deals mit Schmugglern und Gangstern ihre digitalen Fußabdrücke zu verwischen.

Ich liebe Cory Doctorows Datenschutz-Jugend-Thriller „Little Brother“ (2008, leider ist die Fortsetzung „Homeland“ geschwätzig und fad)… und bin überrascht, dass der zweitklügste, -schmissigste, -komplexeste Roman über Whistleblower, digitalen Widerstand und Bügerrechte ausgerechnet ein „Star Wars“-Jugendbuch ist. Band 1 und 2 habe ich übersprungen – und für Leser über 16 sind die Figuren und Aciton-Szenen teils zu holzschnittartig. Trotzdem: Seit „Harry Potter“ hatte ich nicht mehr so viel klugen Jugendbuch-Action-Spaß.

Warmherzig, mitreißend, politisch: ein unerwartet subversives Kleinod. 

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12: JAMES BALDWIN, „100 Jahre Freiheit ohne Gleichberechtigung“, Essay, USA 1963.

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The Fire Next Time2015 schrieb Ta-Nehisi Coates ein elegisches Essay übers Schwarzsein in den USA, „Between the World and me“. Starke Thesen – aber stilistisch so schwülstig, polemisch und religiös-predigthaft-überdreht… ich warte auf die deutsche Übersetzung. Das Original liest sich wie Sirup-voller-Rasierklingen.

Eine schöne Überraschung: Wie zeitlos, packend, relevant dagegen James Baldwins biografisches, politisches Essay über missglückte Anpassung und schwarze Unterdrückung bleibt – auch noch nach 52 Jahren. Ich las eine deutsche Ausgabe (Achtung: das N-Wort wird durchgängig benutzt), und würde das kurze Buch am liebsten zur Schullektüre machen. Black Lives Matter, Identity Politics, die großen Debatten des Jahres 2015… Baldwin nimmt große Fragen vorweg, und gibt kluge Antworten.

[Ich mochte auch Harper Lees „Geh hin, stelle einen Wächter“: literarisch oft unbeholfen, viele Längen und schlechtes Timing – doch in Zeiten von PEGIDA und Donald Trump extrem relevant.]

Rhetorischer Volltreffer: zwei Stunden Lesen – mit angehaltenem Atem. Wichtige Debatte, wichtige Impulse und Thesen. Großer Gewinn!

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lieblingsbücher 2015 4

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11: HANS MAGNUS ENZENSBERGER (Hg.), „Europa in Trümmern“ (Taschenbuch-Titel: „Europa in Ruinen“), Augenzeugenberichte 1944-1948. Reportage-Reader, Deutschland 1990.

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Europa in Ruinen: Augenzeugenberichte aus den Jahren 1944 bis 1948Für die Andere Bibliothek sammelte Hans Magnus Enzensberger Reportagen über das Leben in den Städten Europas in der Endphase des zweiten Weltkriegs bis 1948. Literaten, Reporter, Diplomaten berichten (meist aus Ländern, in denen sie nur Besucher sind) über Zerstörung, Wiederaufbau, Unmenschlichkeit und nationale Wunden und Neurosen.

Eine langsame, packende, abwechslungsreiche Textcollage mit Stig Dagerman, Alfred Döblin, Janet Flanner, Max Frisch, Martha Gellhorn, John Gunther, Norman Lewis, A.J. Liebling, Robert Thompson Pell und Edmund Wilson. [Gellhorn, Dagerman und Janet Flanner sind am besten/eindringlichsten.]

Ausführlicher journalistischer Reader – tolle Auswahl, viel gelernt. Aber: ein paar Beiträge sind eitel, effekthascherisch.

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11b: NICHOLSON BAKER, „Human Smoke. The Beginnings of World War II, the End of Civilization“, Textcollage (20er Jahre bis 1941), USA 2008.

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Human Smoke: The Beginnings of World War II, the End of Civilization„Europa in Trümmern“ ist literarischer: längere Texte, mehr Raum, um Atmosphären, Stimmung festzuhalten. Doch „Human Smoke“ riss mich mit: flüssig, kühn und oft überraschend sammelt Baker Textschnipsel, diplomatische und kulturgeschichtliche Anekdoten, Zitate über die politischen, weltanschaulichen und demagogischen Weichen, die in Deutschland, England, den USA, Japan, Italien, Frankreich etc. zwischen den 20er Jahren und 1941 gestellt wurden: ein Mosaik aus Tagebuch- und Presseschnipseln über den Verfall der Zivilsation, totalen Krieg und Holocaust, Waffenhandel, Brandbomen und nationalen Hass. Ich habe unglaublich viel gelernt – und hätte das 500-Seiten-Buch noch genossen, wäre es dreimal so lang.

Walter Kempowskis WW2-Textcollage „Das Echolot“ steht noch ungelesen im Regal: Ich glaube, mir geht es dort zu viel um hilflose kleine Leute und ihre schlichten, kaum politischen Kartoffel-, Tornister- und Bombenkeller-Sorgen. Ich liebe die postmodernen Collageromane von David Markson – doch die Schnipsel sind meist zu kurz, und man braucht zu viele Bildungsbürger-Vorkenntnisse, um Marksons schnelle, oft arrogante Pointen zu verstehen. Bakers Riesen-Textcollage ist die bisher beste Lösung, Mentalitätsgeschichte in Schnipseln zu erzählen: ein Kulturtagebuch der Entmenschlichung. Bittere, faszinierende, oft zynische Häppchen Zeitgeschichte, ideal pointiert, ideal gehaltvoll.

Fefes Blog… im zweiten Weltkrieg? SO viele Zusammenhänge und Konflikte, die ich zum ersten Mal verstehe. Großer Gewinn, großes, trauriges Lese-Vergnügen.

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10: MASUJI IBUSE, „Schwarzer Regen“, dokumentarischer Roman, Japan 1965.

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Schwarzer RegenSolide deutsche Übersetzung: Ibuse interviewte Überlebende des Atombombenabwurfs auf Hiroshima 1945 für einen sehr langen, gemächlichen Dokumentarroman über höfliche, anständige, kontrollierte Kleinbürger – vor denen sich die Hölle auftut. Ein hartes, aber ruhiges Buch voller Alltagskultur, Contenance, Stolz und Angst, ohne große Effekthascherei:

Die Manga-Reihe „Barfuß durch Hiroshima“ begann solide, wurde aber ab Band 3 und 4 immer rührseliger, kalkulierter, dumm-didaktisch-seichter. Deshalb bin ich froh, noch einmal aus anderer Perspektive über die zwei Wochen nach dem Abwurf (und, in der Rahmenhandlung: die frühen 50er Jahre) zu lesen – literarisch kunstvoll, faktensatt, humanistisch, intelligent.

Eine literarische Reportage zeigt, was nur eine Reportage zeigen kann: kluger, empathischer Bericht über Alltag und Vernichtung.

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lieblingsbücher 2015 3

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09: FRANK WITZEL, „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“, deutscher Roman, 2015.

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Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969[längerer Text hier] Wie gesagt: Ich kenne nur zwei, drei Menschen, denen ich empfehlen kann, alle 817 Seiten zu lesen. Wie bei David Foster Wallaces „Unendlicher Spaß“ wächst hier kein Spannungsbogen – sondern ein Thema, ein paar Leitmotive werden umkreist, in immer neuen Schlaufen. Das könnte 200 Seiten dauern – oder 2000. Egal. Die Einzelteile (bei Witzel: 98 Kapitel in wechselnden Tonlagen, Perspektiven) ergeben kein geschlossenes Bild.

Wer sich daran nicht stört, findet hier verspielte, beißend kluge, immer wieder überraschende Splitter, Tonlagen, Verdrängtes und Nie-Vergessenes zur BRD der späten 60er: Ein entspannter, selbstbewusster Zeit- und Generationenroman, der seitenweise Sprach-, Gedanken-, Unterdrückungs-Müll, TV-, Religions- und Pop-Rhetorik zu köstlich-hässlichen, bitteren kleinen Angstpralinen quetscht.

Toll, dass ein so sperriger Roman den deutschen Buchpreis gewinnt: ein ambitioniertes, überbordendes Archiv.

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08: GERTRAUD KLEMM, „Muttergehäuse“, österreichische Memoir/literarisch-biografische Textcollage, erscheint am 1. Februar 2016.

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MuttergehäuseIch habe „Herzmilch“ und „Aberland“, zwei sehr gut besprochene Romane Gertraud Klemms über unzufriedene Frauen/Mütter, angelesen… und mir ein drittes Buch von ihr (erscheint im Februar 2016) im Blog vorgemerkt (Link). Kremayr & Scherlau schickte mir ungefragt ein Leseexemplar. Vielleicht das Beste, was mir die Post 2015 zustellte:

In „Mütter auf Papier“ (2010) schrieb Klemm über den boshaften, herablassenden, sexistischen, gehässigen Quatsch, den sich eine Frau mit Mutterwunsch anhören muss, die immer wieder Kinder in der Schwangerschaft verliert. Eine autobiografische Textcollage: Kurzprosa, Fragmente, viel Wut, Intimität, kluger Furor. „Muttergehäuse“ ist die überarbeitete Version dieses „Mütter auf Papier“-Berichts – ein kurzes, luzid formuliertes, wunderbar konkretes Buch über Frustrationen, schlechte Freunde, Angst, Druck… und Auswege.

Ich bin jetzt Klemm-Fan: feministisch, literarisch, spitz, ehrlich, reflektiert.

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08b: ANN HOOD, „Comfort. A Journey through Grief“, Memoir, USA 2008.

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Comfort: A Journey Through GriefSchlechter (weil sprachlich konventioneller, erwartbarer, weniger politisch) als Gertraud Klemm – aber genauso ehrlich, persönlich, mitreißend: 2002 stirbt Ann Hoods fünfjährige Tochter Grace. In fast einem Dutzend Essays für Zeitschriften und Anthologien zeichnet sie eine Landkarte ihres Verlusts und aller Konsequenzen für ihre Ehe, ihren Sohn, ihr Selbstbild, ihren Lebenshunger und -willen. Das beste Buch über US-Mutterschaft, das ich kenne – doch an vielen Stellen sehr amerikanisch: eine Frau der Oberschicht – mit Kindermädchen, Kirchengemeinde, Karriere als Romanautorin, Haus mit 13 Zimmern… Privilegien.

Punktuell wiederholen und überschneiden sich die einzelnen Essays. Schlechter als „Das Jahr magischen Denkens“, besser als „Blue Nights“, „Bad Mother“, „An Exact Replica of a Figment of my Imagination“. Gern und mit Gewinn gelesen – doch nur als Bonus hier auf der Liste, weil es so gut zu Gertraud Klemm passt. Im Zweifel: Klemm!

Abschied nehmen von einem Kind: Ein etwas eitles, angeberisches Buch – das trotzdem Seite für Seite neu erschüttert… und begeistert.

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lieblingsbücher 2015 2

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07: SLAVENKA DRAKULIC, „Als gäbe es mich nicht“, kroatischer Roman, 1999.

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Als gäbe es mich nichtKitschiger Anfang, kitschiges Ende. Dazwischen: luzid, erschütternd, mitreißend – und psychologisch brillant: Eine junge bosnische Lehrerin zieht 1992 von der Stadt aufs Land, aus Angst vor Pogromen. Als der Bürgerkrieg ihr Dorf erreicht, braucht es nur wenige Tage, bis eine Gruppe entführter muslimischer Bauersfrauen jeder Sorte männlicher Gewalt ausgeliefert ist.

Mich überzeugt die geradlinige Handlung – und eine Ich-Erzählerin, die sich noch in der Zivilisation glaubt, während schon jede Grenze, Hemmschwelle, Kontrollinstanz verschwunden ist. Die Rahmenhandlung (über eine kitschige Geburt und ein Asylverfahren) hat größere literarische Schwächen – aber wie sich Frauen/Geflüchtete abschotten, Traumata verstecken, sexuelle Gewalt verarbeiten… wird hier auf einem psychologischen Niveau beschrieben, das mich begeistert und beglückt.

Ein kluges, hartes Buch, überzeugend recherchiert – in Deutschland leider vergriffen.

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06: CHRISTOPH KUCKLICK, „Die granulare Gesellschaft“, deutsches Sachbuch, 2014.

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Die granulare Gesellschaft: Wie das Digitale unsere Wirklichkeit auflöstDas Buchcover suggeriert: Alles zerstäubt. Verweht. Ein alarmistisches, FAZ-iges Angstmänner-Sachbuch über digitale Beschleunigung und Verfall? Nein.

„Granular“ meint hier: Technik macht Unterschiede sichtbar. Vermisst Welt, Bürger, Kunden so feinkörnig, dass die alten, groben Raster und Kategorien in Politik, Statistik, Recht nicht mehr gut greifen: Schubladendenken, Standard-Abfertigung, One Sitze Fits All.

Alles wird feiner… überwacht. Beziffert. Personalisiert. Maschinen stellen sich neu auf Menschen ein – und Menschen auf Maschinen. Zwei Sorten Intelligenz. Überraschende Wechselwirkungen, ethische Fragen, Konflikte. GEO-Chefredakteur Kucklick hopst recht simpel, kunstlos, hastig-aber-anschaulich durch alle größeren „Wie wirken Bürger, Staat und Programme auf- und gegeneinander?“-Baustellen der Gegenwart. Ein anekdotisches, an vielen Stellen flapsig-unentschiedenes Buch, das große Themen anreißt und verständlich macht… aber nicht immer klug zu Ende denkt. Trotzdem: 5 von 5 Sternen – ich wünschte, JEDER würde das lesen.

„Granular“ ist der nützlichste, beste neue Begriff für mich seit… demisexuell. Ich wünschte, Technik- und Fortschrittsdebatten würden auch im Feuilleton auf (mindestens) DIESEM Niveau geführt.

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05: ANNA WIMSCHNEIDER, „Herbstmilch. Lebenserinnerungen einer Bäuerin“, deutsche Memoir, 1989.

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HerbstmilchEine Briefmarke kaufen? Einen Teller abspülen? Hunde ausführen? Blumen gießen? Sobald ich Energie mit kleinen Handgriffen verliere, die meine Schreib- und Lesezeit einschränken, werde ich wütend: Das Leben auf einem Bauernhof wäre für mich Folter.

Für Anna Wimschneider auch: Statt zu lernen, zu sprechen, sich zu bilden und zu wachsen, statt JEMALS ihren Kopf einsetzen zu dürfen, muss die Halbwaisin, geboren 1919, zuerst ihre Geschwister wickeln, füttern, bedienen – und später die gebrechlichen Verwandten ihres Soldaten-Ehemannes. Eine triste, geistlose, verrohte, furchtbar stupide Hof-Welt, von Wimschneider nüchtern-aber-effektvoll beschrieben – in ihrer ganzen Armseligkeit, Langeweile, Gehässigkeit, Tristesse. Move over, Thomas Bernhard: SO überzeugt mich Anti-Heimatliteratur!

Nicht-sehr-kluge Gedanken und Anekdoten über gar-nicht-kluge Konflikte, Einschränkungen, Klassismus: 150 dumpfe, aber eindringliche Seiten Bauern-Horror.

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lieblingsbücher 2015

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04: DANIEL KEYES, „Flowers for Algernon“, Science-Fiction-Roman, USA 1966.

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Flowers for AlgernonIch hatte eine seichte, lapidare „Wie gewonnen, so zerronnen“-Science-Fiction-Parabel erwartet… und freue mich, mit wie viel literarischer, psychologischer und philosophischer Sorgfalt dieser US-Klassiker stattdessen arbeitet: Ein Bäckereigehilfe mit sehr geringem IQ wird durch eine experimentelle Enzym-Therapie zum Hochbegabten. In Tagebuch-Protokollen beschreibt er, wie sich seine Welt weitet… und das Verhältnis zu seinen „Rettern“ und Beobachtern immer problematischer wird.

Toll geschrieben, toll gedacht – und stets auf Augenhöhe mit dem Leser: Bei vielen Sci-Fi-Texten habe ich Einwände, Fragen, Probleme, auf die der Text nicht eingehen kann oder will. Daniel Keyes hat WIRKLICH gründlich über die Konsequenzen, moralischen Fragen, Fallstricke seines Szenarios nachgedacht. An keiner Stelle musste ich meine Erwartungen zügeln, ein Auge zudrücken.

Fast 50 Jahre alt – doch bis heute plausibel, zeitgemäß, unterhaltend, relevant.

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03: JENNY ERPENBECK, „Gehen, ging, gegangen“, deutscher Roman, 2015.

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Gehen, ging, gegangenKein aktuelles Buch passt besser zu 2015 – und keinem wünsche ich mehr Leserinnen und Leser: Jenny Erpenbeck erzählt recht kunstlos, didaktisch, trocken und reportagehaft von einem Professor in Rente, der spontan beschließt, sich über Geflüchtete zu informieren. Er führt Gespräche, knüpft vorsichtig erste Kontakte, begreift nur langsam das paradoxe, oft menschenunwürdige Asyl-System Deutschlands.

Als Roman hat „Gehen, ging, gegangen“ große Schwächen: eine blasse Hauptfigur, kaum literarischer Gestaltungswille, seitenweise Fakten- und Reportage-Bla, recht kunstlos und dozierend. Doch diese Asyl-Fakten sind SO interessant, gut aufgearbeitet, leicht verständlich… dass ich das Buch am liebsten stapelweise verschenken würde.

Lest das! Und schenkt es euren Angst- und Wutbürger-Freunden und -Verwandten: 300 Seiten, die mir mehr brachten als drei Wochen Tageszeitungs-Lesen.

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02: JOSEF HASLINGER, „Phi Phi Island – ein Bericht“, deutscher Roman, 2015.

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Phi Phi Island: Ein Bericht2004 flog Haslinger, Leiter des deutschen Literaturinstituts in Leipzig, mit seiner Frau und seinen 18jährigen Kindern nach Thailand. Am Morgen nach der Ankunft wird Phi Phi Island von einem Tsunami getroffen – und Haslinger erinnert die großen und kleinen Ängste, Verluste und Konsequenzen der nächsten Tage und Stunden.

„Er schreibt ständig über Leichen und verzweifelte Einheimische – aber ohne Mitleid oder besonderes Interesse“, klagte Freund M.. Das stimmt: Haslinger bleibt ein reicher, oft verständnisloser westlicher Tourist, der sich im Lauf der Katastrophe an seine Rolle als Ehemann und Vater klammert. „Kalt“? Oder ehrlich? Ich las hier eine mutige, konsequente, gestochen scharfe Selbst-Beobachtung. Ein Protokoll ohne Eitelkeiten, in dem jeder Satz sitzt.

Unvergessliches Buch – geradlinig und ohne Survival-Kitsch. Aber es stimmt: Thailand bleibt eine Kulisse, die Thailänder Fremde, die Haslinger nicht versteht.

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I am a Hero

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01: KENGO HANAZAWA, „I am a Hero“, Manga-Reihe, seit 2009.

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I am a Hero, Bd. 2[mehr] Die ersten 200 Seiten sind hart: Ein misogyner, phlegmatischer, recht dumpfer Manga-Assistent steckt im Alltag fest – und redet unsympathischen Stuss. Die nächsten 200 Seiten, Band 2, sind wirr: Passanten beißen sich gegenseitig, Zombies überrennen Tokio, alles bricht zusammen. Noch in Band 3 war mir nicht klar, ob ich einen Zombie-Thriller lese, über eine Zombie-Komödie und -Parodie lachen soll oder nur die Fehler einer verpeilten, passiven, selbstmitleidigen Hauptfigur zählen: eine Art „Girls“ oder „Louie“, ein Woody-Allen-Film… mit Zombies?

„I am a Hero“ ist langsam. Oft hässlich, unsympathisch, grotesk. Alle Figuren sind überfordert und distanziert. Nichts gelingt. Man schwimmt bis zu 800 Seiten am Stück mit neurotischen, fremden Menschen in stillen, bedrohlichen, verwirrenden Szenen – in denen jederzeit alles eskalieren kann.

Fotorealistisch gezeichnet. An vielen Stellen zum Schreien spannend. Ein toller Blick auf Alltagskultur, Moral, Ethos, Sexismus, Twenty- und Thirtysomething-Defekte, Versagensängste in Japan. Ein Freund las die ersten Bände und sagte: „Ich sehe da nichts als Trash.“

Ich sehe: eine unerträgliche Figur in einer unerträglichen Geschichte – die mich begeistert, überfordert, angeekelt und beglückt hat wie keine andere Erzählung seit Jahren. Vergleichbar vielleicht mit „Geister“ von Lars von Trier. Aber eben: schleppend, langsam, viel richtungsloser.

Ich bin in Band 16. Ein Ende/Finale ist langsam absehbar (noch zwei, drei Jahre?).

Wenn es auf diesem Niveau endet, ist es ein Meisterwerk.

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I am a Hero.

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Meine Comic-Entdeckungen 2015 rezensierte/empfahl ich hier (Link). Seit ca. 2008 lese ich vor allem DC-Superheldencomics (Superman, Batman, Wonder Woman, Green Lantern etc.); 2013 und 2014 übersetzte ich ein Marvel-Superheldenlexikon in Deutsche (Link). Leider gibt es aktuell kaum DC-Reihen, die mich überzeugen (2016 bin ich gespannt auf „Black Canary“, „Omega Men“, „Superman: American Alien“ und vielleicht „Superman: Lois & Clark“ und „Prez“).

Marvel hat zu viele „X-Men“- und „Avengers“-Reihen mit zu vielen Figuren. Ich mag die Charakterzeichnung, Liebe zum Detail in vielen kleineren Reihen: „Ms. Marvel“, „She-Hulk“, „Silk“ und, mit Abstrichen, „Storm“ und „Squirrel Girl“. 2016 probiere ich „The Vision“, „Hellcat“, „Silver Surfer“ und „Moon Girl & Devil Dinosaur“.

Weitere Favoriten 2015: „Saga“ und „Lazarus“ (beide Reihen werden immer besser) und (deutlich schwächer) „Gotham Academy“, „Planetes“, „High Crimes“.

Der Manga „A Bride’s Story“ – über Ehe-Rituale, Jagd und Brauchtum entlang der Seidenstraße im 19. Jahrhundert – hat unsympathische Schlenker: Band 1 bis 3 waren wunderbar; doch hin und wieder fehlen die Hauptfiguren, der Fokus liegt 400 Seiten am Stück auf neuen, flacheren Frauen/Eheleuten.

Eine Collage der meisten (gelungenen) Graphic Novels, die ich 2015 las – kein Ranking:

graphic novels 2015

Frohes 2016. Bald mehr!

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mehr unter:

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lieblingsbücher 2015 stefan mesch