Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?
Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Ich freue mich, dass heute Claudia Gehrke vom Tübinger konkursbuch Verlag Rede und Antwort steht. Vorgeschlagen hatte das Steffen Ille vom Verlag Ille & Riemer.
Seit wann existiert konkursbuch?

Claudia Gehrke © Anja Müller
In Tübingen, seit 1978. Der Verlag wurde am 1.4.1978 mit „konkursbuch 1“ gegründet. Entstanden ist die Idee eines Periodikums mit Essays, literarischen Texten, Notizen, Bildern zu unterschiedlichen Themen zwischen Alltag, Politik und Philosophie: „konkursbuch“ – in ironischer Anspielung an „Kursbuch“ – in einem „Salon“, den ich in meiner Studentinnenzeit in Tübingen veranstaltete. Immer mittwochs (passend haben wir jetzt einen Blog, an dem es immer mittwochs neue Beiträge gibt) trafen sich StudentInnen, Lehrende, KünstlerInnen, Freundinnen, aßen und debattierten. Keiner glaubte an die Realisierung der ersponnenen Kulturzeitschrift, Peter Pörtner und ich machten es einfach. Anders als „Kursbuch“ wollten wir keine „politische“ Kurse aufzeigen, nicht wie das „Kursbuch“ der Bahn aufgeschlagen werden, um einen Weg zu einem Ziel zu finden – unsere Gründungsidee war die Konfrontation von Theorie und Literatur, Bildern und Gedanken, Privatem und Theoretischem. Es waren Abschweifungen statt Kurse, Blicke in Zwischenwelten. Das ist unser Programm geblieben, daraus haben sich nach und nach die einzelnen Programmschwerpunkte entwickelt. Damals noch streng getrennte Bereiche von Theorie und Literatur und Bildern brachten wir bereits in den ersten Ausgaben des „konkursbuch“ zusammen, oder im erotischen Jahrbuch, das sich aus „konkursbuch Nummer 6“ entwickelte, agierten wir zwischen Kunst und sogenannter Pornografie (wobei damit nicht diese Mainstream-Heftchen oder Filme gemeint waren, sondern das „Pornografie“ Genannte bedeutete nur, dass Texte und Bilder das deutlich Sexuelle nicht ausgeschlossen haben), zwischen verschiedenen „Sexualitäten“.
Sie machen das nicht alles alleine…
Wir sind immer klein geblieben, zur Zeit arbeiten wir zu dritt, Babett Taenzer betreut von Berlin aus seit gut sieben Jahren die Pressearbeit und organisiert unsere Veranstaltungen, Berndt Milde betreut unseren kleinen Mailorderversand, ich, die Verlegerin, suche aus dem Vielen möglichen Büchern aus, mache die Programme und bastle Bücher, dazu kommt eine freie Lektorin, die zugleich Autorin ist , Regina Nössler. Und es gibt meistens eine Praktikantin. Die Arbeitsbereiche sind zwar getrennt, aber vieles machen wir zusammen und auch zusammen mit Autorinnen, von der Gestaltung bis zu den Überlegungen, wie wir die Bücher besser sichtbar machen könnten.
Die Programmschwerpunkte…
- Literarische Reisen zwischen die Kulturen, allgemeine Literatur.
- Literatur zum Liebesleben: Erotische Romane, Prosa, Bildbände, Jahrbücher. Es geht immer auch um die Ambivalenzen des Alltags und Abgründe zwischen Fantasie und Realität.
- Thrillerreihe: Kein blutiges Gemetzel; die Suspense-Spannung baut sich langsam auf, in den Psychen der Figuren, in dem, was sich alltäglich zwischen Menschen abspielt, den sozialen Spannungen, der Vergangenheit die sie einholt, Alltags-Situationen, die plötzlich umkippen.
- Und immer noch „konkursbuch“, unregelmäßig, zu unterschiedlichen Themen, zuletzt u.a. „Außenseiter“.
Mögen Sie das noch ein wenig erläutern?
Die „literarischen Reisen“ führen z.B. auf die Kanarischen Inseln, die vor allem als touristische Reiseziele bekannt sind, und nicht als Literaturlandschaft, die zwischen Europa, Südamerika und Afrika liegt. Emigration spielte auf den Inseln immer eine Rolle und ihre Literatur ist davon beeinflusst, von europäischen, südamerikanischen und afrikanischen Erzähltraditionen.
Und wir reisen nach Asien, vor allem nach Japan, auch nach Korea, und von dort zurück mit Blick auf Feinheiten der Sprache und Alltagskultur, den man so vielleicht nur werfen kann, wenn man Sprachgrenzen übertritt und aus der Mehrsprachigkeit heraus schreibt, wie es eine der bekanntesten Autorinnen unseres Verlages macht, Yoko Tawada.
Man kennt von uns manchmal nur diese eine Autorin, andere kennen uns nur mit der kanarischen Literatur. Und viele kennen nur die erotische Seite des Verlags, die erotischen Jahrbücher „Mein heimliches Auge“, die „multisexuell“ von zart bis deutlich rund um Erotik, Sex, Liebe Texte und Bilder versammeln und das seit Langem, im Herbst 2015 erscheint die Nummer 30.
„An Bruchstellen entsteht Neues“, das ist ein allgemeines Thema meines kleinen Verlages. „Glücklicherweise berühren sich alle Territorien an irgendeinem Rand; wir werden alle zu Grenzlandbewohnern … die Zwischenregionen, die Regionen des Übergangs, die Tore und Zwischenräume werden zu neuen Zentren … so wird die überwundene Grenze zur vibrierenden Membran …“ (Michel Butor in einer alten Ausgabe des konkursbuch, Nr. 23, „Reisen ans Ende der Sonne. Revolte, Revolution, Utopie“)
In der Kunst entspricht dem die Collage. Man schneidet Teile aus unterschiedlichen Vorlagen aus, fügt auch neu entstandene Teile hinzu und klebt sie in andere Zusammenhänge. Ränder und Brüche bleiben sichtbar, auf den ersten Blick einander widersprechende Teile fügen sich zusammen, Schnittmengen durch Übereinandergeklebtes entstehen, es entsteht ein Bild, das nicht verbirgt, dass es in seinen Einzelteilen aus unterschiedlichen Welten kommt, als Ganzes aber doch etwas „Neues“ darüber Hinausgehendes zeigen kann. So ließe sich auch unser Verlagsprogramm als ein Ganzes sehen, trotz der scheinbar disparaten Bereiche.
Warum musste es unbedingt ein Verlag sein?
Aus Lust daran, Bücher zu machen, aus Lust, aus vielen Einzelteilen ein Ganzes zu basteln, Texte und Themen, die mich mitrissen, in Objekte zum Blättern und Lesen zu verwandeln. Ähnliches sagt vielleicht jeder Verleger. Das „Geschäftliche“, sich anzustrengen, Leser für diese „Lustobjekte Buch“ zu finden, ist natürlich auch wichtig und eine mühsame Arbeit. Der Verlag ist langsam gewachsen, ich habe nicht darüber nachgedacht, warum Verlag oder ob Verlag und wie lange Verlag, auch nicht darüber, was für ein Programm dieser Verlag haben würde.
Wir machten konkursbuch. Der Verlag wuchs daraus wie ein Baum und verästelte sich. Anfangs planten wir – Mitherausgeber Peter Pörtner und ich – dass wenigstens sieben Ausgaben von „konkursbuch“ erscheinen sollten (ein Grund war, dass uns jemand sagte, wenn es sieben Ausgaben gibt, könne man über dieses Periodikum eine Doktorarbeit verfassen). Peter P. ging nach einem Jahr nach Japan. Die Zusammenarbeit Tokio – Tübingen gestaltete sich vor den Onlinezeiten schwierig, nur manchmal gab es eine rauschende Telefonverbindung dank der Connections einer befreundeten Postmitarbeiterin, andere Kommunikation dauerte Wochen. Das kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Konkursbuch 4, „Kunst. Archäologische Notizen zur Moderne“ entstand als Letztes soweit ich mich erinnere noch zwischen Tokio und Tübingen. Anschließend war ich alleine die Verlegerin.
Schon bevor Nummer 7 erschien (Thema „Müßiggang“, das hätte gut überleiten können zum Ausstieg), waren Texte eingegangen, die zu lang waren für „konkursbuch“ und die mich begeisterten, so entstanden die ersten literarischen und essayistischen Bücher. Aus „konkursbuch 6, Erotik“ (erschienen 1980) entwickelte sich die Reihe der erotischen Jahrbücher. Das von Anfang an und immer noch multisexuelle „Mein heimliches Auge“. Seit 1998 gibt es auch „Mein lesbisches Auge“ und seit 2003 „Mein schwules Auge“.
Ihre persönlichen Highlights im Bücherjahr?
Sicher zu viele!
Yoko Tawada, Etüden im Schnee, Roman. Der Roman erzählt Zeitgeschichte aus ungewöhnlicher Perspektive, aus der von drei Generationen Eisbären. Es geht um Ost und West, um Migration, das Leben als Autorin und um vieles mehr. Yoko Tawada hat genau recherchiert, ihre Geschichte erzählt unterhaltsam-bewegend auch aus dem wirklichen Leben von zwei der Bären, von Tosca und Knut – so wie diese es vielleicht wahrgenommen haben. Die Großmutter ist eine erfundene Eisbärin und der gesamte Roman ein „kunstvolles Geflecht verschiedener Ebenen, die leichtfüßig ineinander gleiten …“ (ekz, Beatrix Szolvik). Wie immer bei Texten Tawadas ist die „Handlung“ nicht leicht wiederzugeben. Die Leser, wenn sie sich auf die Geschichte einlassen, geraten in einen Sog mit vielen kleinen überraschenden Erkenntnissen, sehen die Welt mit „neuen“ Augen. „Man möchte den ‚Etüden im Schnee‘ immer weiter lauschen und von ihnen bezaubert werden“, hieß es in einer Rezension.
Regina Nössler, Wanderurlaub, Roman (Thrillerreihe). Eine Gruppe Urlauber, Ehepaare, Freundinnen, Einzelreisende, auf der Kanareninsel La Palma. Sie treffen sich im Hotel, dann gehen die geführten Wanderungen los. Der Wanderführer geht viel zu schnell. Die Natur zeigt sich von ihrer gefährlichen Seite. Doch die eigentliche Gefahr lauert nicht in der Natur. Sondern in dem , was diese Menschen an Alltagsproblemen mitbringen, was sich zwischen ihnen aufbaut. Alle eint eins, ohne dass sie es voneinander wissen: die Angst vor dem sozialem Abstieg. „Patricia Highsmith hat eine deutsche Erbin gefunden. Ein Feuerwerk an genauen Beobachtungen und stimmigen Details durchzieht die sich immer bedrohlicher aufschaukelnde Handlung …“ schrieb Alf Mayer über das Buch (Juror Deutscher Krimipreis / Krimibestenliste, in „Strandgut“).
Ines Dietrich, Geheimnisse der Insel La Palma. Ein Reiseführer durch 12 Monate. Dieses Buch habe ich in wochenlanger Nachtarbeit zusammen mit der Autorin gestaltet, mit vielen Bildern ist es eine Reise durch ein Jahr auf dieser kleinen kanarischen Insel, in jedem Monat finden sich Spaziergänge, Pflanzen, Tiere, die Feste des Monats, auch kleine Anekdoten aus der Vergangenheit und typische Rezepte. Man merkt dem Buch die Liebe der Autorin zur Insel an, es ist persönlich formuliert und, wie Leser es beschreiben, „liest man es in einem Sog, es zieht von Jahreszeit zu Jahreszeit mit vielen Kleinigkeiten, die sonst in keinem Reiseführer zu finden sind“, es ist „von der Seele weg geschrieben, die Begeisterung für die Insel steckt an.“ (Das mailte uns Juan M. Castro, der die Insel und ihre Pflanzen und Tiere inklusiver der Insekten gut kennt. Und er ergänzte, dass er sogar Neues im Buch gefunden habe).
Sigrun Casper, Unterbrochene Schienen. Erzählungen und Beobachtungen rund um das Thema Ost/West, Krieg, Mauerbau und Mauerfall, es sind autobiografische Geschichten, erzählt zuerst aus der Perspektive des Mädchens, dann aus der einer jungen Frau, die nach dem Mauerbau aus Ostberlin flieht, dann aus der einer Erwachsenen mit selbstironischem gebrochenem Westostwestblick. „Ihre sensiblen Beobachtungen kleidet die Autorin in klare schöne Sätze.“ (Tagesspiegel)
Mein heimliches Auge Nr. XXIX. Ein Highlight für jedes Bücherjahr, von mir persönlich „zusammengebastelt“, ausgewählt gemeinsam mit jungen „Augen“, denn fast immer macht eine Praktikantin an der Auswahl der Beiträge mit. Texte und Bilder, die sich wie ein Roman lesen lassen. Auch von jeder beliebigen Stelle im Buch aus lassen sich eigene „Romane“ bauen rund ums Liebesleben. Als wir vor Jahren Prozesse ums Heimliche Auge hatten, hieß es in dem Gutachten, dass detailliert nachvollzog, wieso das „heimliche Auge“ Kunst ist: „Das heimliche Auge ist ein dynamisches Kunstwerk, in dem jeder einzelne Beitrag in ein Netz von Interpretationen einbezogen wird. Bilder und Texte gehen Beziehungen miteinander ein, sie variieren einander, widersprechen einander, ergänzen, unterminieren oder extrapolieren einander. Abstrakte Kunst und realistische Fotografie, ernste Darstellungen und ironische Kritik reflektieren einander und eröffnen neue Horizonte, die über das Einzelne hinausweisen …
Dieses Verfahren potenziert sich, denn ein solches Jahrbuch wird im seltensten Fall von vorne bis hinten durchgelesen. Im Gegenteil, man kann bei jedem beliebigen Bild oder Text beginnen und dieses mit jedem anderen kombinieren, so dass eine Vielzahl von Argumentationsketten und Darstellungskombination entsteht. Ein solches Gebilde wird in der Postmoderne als Hypertext bezeichnet: die Summe der ästhetischen Erkenntnisse in Mein heimliches Auge sei somit um ein Vielfaches größer als die Anzahl der textuellen und visuellen Beiträge. Eine solche Verfahrensweise sei als absolutes Gegenteil zu pornografischen Verfahrensweisen zu betrachten, da diese, um ihres Zieles schnellstmöglicher Lustbefriedigung willen, auf Eindeutigkeit und Eindimensionalität beharren müssen, so dass im Falle der Pornografie die Summe der ästhetischen Erfahrungen um ein Vielfaches geringer sei als die Anzahl der Darstellungen, im schlechtesten Fall bliebe nur eine einzige Erfahrung, die der ‚Aufreizung‘ …“
Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?
Wenn wir Briefe und E-Mails von Lesern bekommen, die ihre Begeisterung ausdrücken. Reaktionen nach Veranstaltungen. Und wenn mich ein neues Buchprojekt begeistert. Wir ertrinken in Manuskripten und Projektvorschlägen, ich schaffe nicht, alles anzusehen. Aber manchmal springt mich auch etwas aus diesen Bergen an und nicht allein Neues von unseren „Hausautorinnen“.
Was hat sich infolge der Digitalisierung in Ihrer Arbeits-/Vorgehensweise verändert?
Wir machen E-Books der Romane und Erzählungen, nicht der erotischen Jahrbücher und Fotobücher, die gibt es weiterhin exklusiv in gedruckter Form. Wir nutzen Facebook etc., (das betreut Babett Taenzer), haben den oben erwähnten konkursbuch-Blog ins Leben gerufen (den betreut eine unserer Autorinnen, Regina Nössler, zusammen mit Babett Taenzer). Wir versuchen also wie andere Verlage auch, die Community, die vor allem online unterwegs ist und sich online informiert, zu erreichen. Das bedeutet natürlich Mehrarbeit. Aber wir bleiben als Verlag klein, arbeiten nur zu dritt in aufgeteilten Arbeitsbereichen und teils mit den Autorinnen zusammen und alles, was möglich wäre, können wir gar nicht schaffen. Unsere Homepage z.B. ist sehr altmodisch, der Plan, sie zu modernisieren, ist da, aber geschafft haben wir es noch nicht.
Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?
Schwer zu sagen, was wir anderes machen als alle anderen. Wir sind unseren Anfangsideen treu geblieben. Dem Blick zwischen Schubladen. Wir sind klein geblieben. Wir machen manchmal Bücher, die man aus „geschäftlichen“ Gründen nicht machen dürfte, die wir persönlich, mit Lesungen und größeren Veranstaltungen, zu den Lesern bringen, auch wenn das manchmal nicht viele sind. Wir positionieren uns vielleicht noch immer dadurch, dass wir den direkten Kontakt zum Publikum suchen, in Veranstaltungen, in Gesprächen. Wenn man uns anruft, erreicht man einen von uns Dreien persönlich.
Wir wären gerne präsenter im Buchhandel. Es gibt natürlich Buchhandlungen, die mehrere unserer Bücher sichtbar und vorrätig haben, denen möchte ich an dieser Stelle herzlich danken! Aber es sind weniger geworden als früher. Die Medienwellen der letzten Zeit, erotische Literatur betreffend, nutzten uns nichts. Der Hype z.B. um Shades of Grey oder frühere „Erotikbestseller“ geht über uns hinweg, führt aber natürlich dazu, dass viele Verlage sich des Themas annehmen, vielleicht in der Hoffnung, was vom „Kuchen“ abzubekommen, und diese machen sich dann mit Werbeetat im Hintergrund und auch in den Buchhandlungen breit, dazu kommen aktuell noch viele Neugründungen und Selbstverlegtes.
Wir verlegen seit Jahren, Jahrzehnten inzwischen, über die Wellen hinweg, zwischen den Wellen Vielschichtiges zum Thema. Da es aber immer mehr gibt, neue „Erotikverlage, „E-Book-Frauenerotikverlage“ und Reihen bei den Großen, manche von ihnen existierten noch nicht, als wir schon verlegt haben, aber kommen jetzt, wenn es zum Thema geht, eher zu Wort als wir.
In den Massen gibt es viel „Schrott“, darunter die „Perlen“ zu finden, wird schwerer, schwerer also, darin sichtbar zu bleiben. Das überfordert auch die Buchhändler, oft nehmen sie das, was sich bei ihnen am besten verkauft, es gibt aber auch hier tolle Ausnahmen, vor allem unter den kleineren gut sortierten Buchhandlungen, die ihre Kundinnen und Kunden kennen. Aber wir machen einfach immer weiter mit unseren unterschiedlichen Programmbereichen und arbeiten für kleineres Publikum.
So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?
Diese Frage habe ich mir so noch nicht gestellt. Wenn ich mit mehr Geld anfangen würde (wir hatten nie Geld im Hintergrund, lebten und leben sozusagen von Buch zu Buch ) – also wenn ich mit Geld im Hintergrund anfangen oder weitermachen könnte, würde ich mehr Geld für gezielte Werbung ausgeben und vor allem für MitarbeiterInnen, die sich dann mit je mehr Zeit um die einzelnen Arbeitsbereiche wie den Onlinebereich, Homepage etc., um Buchhaltung, Abrechnungen etc. kümmern könnten. Denn wir sind alle immer wieder einmal ziemlich überlastet, und das Gefühl, etwas, was man hätte unbedingt noch für ein Buch, eine Autorin hätte tun können, einfach zeitlich nicht geschafft zu haben, ist belastend. Aber die Freude über Reaktionen von Lesern entlastet und beglückt dann wieder.
Wie gewinnen Sie Autoren?
Sie finden uns. Es gibt zu den langjährigen AutorInnen im Verlag Geschichten, wie sie zum Verlag gekommen sind, über persönliche Kontakte, und andere über die Manuskripteinsendung direkt an uns. Die wenigen Bücher, zu denen uns Agenturen überredet haben, haben bei uns eher nicht „funktioniert“.
Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen? – Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Sortiment?
Wir haben Vertreter. Wir machen uns Mühe mit der Vorschau. Wir schicken auf Wunsch Leseexemplare. Für Buchhändler ist es wirklich schwer, in den Massen an auf sie einstürmenden Verlagsvorschauen Bücher auszuwählen, daher sind Verlagsvertreter, die ihnen Bücher mehrerer Verlage nahebringen, noch immer wichtig. Wir können natürlich keine großen monatlichen Garantievorschüsse zahlen, sondern nur die übliche Umsatzbeteiligung am Verkauf. Die Vertreter sollten unser Programm schätzen, sich aber nicht zu viel erwarten. Leider blocken Buchhändler unser Programm öfter ab als früher. Mit Argumenten wie: Wir seien bei der falschen Auslieferung, daher bestellen sie nicht, bzw. nur beim Barsortiment, wenn jemand nach unsren Büchern fragt. Damit unterstützen sie allerdings Amazon und schaden sich selbst.
Denn es gibt es noch immer viele Menschen, die sich im Buchhandel zu Büchern inspirieren lassen möchten, die das Gefühl haben, von den Onlinemassen „erschlagen“ zu werden. Daher sind Buchhändler, die persönlich beraten und Bücher empfehlen können, sehr wichtig. Auf jeder Buchmesse ist unser Stand oft überquellend voll, und es gibt viele, die fragen, wo unsere Bücher im Buchhandel zu finden sind. Ich wünsche uns also neue Fans unter Buchhändlerinnen und Buchhändlern!
Wie halten Sie es mit Amazon?
Unsere Titel sind bei Amazon, denn ohne Amazon könnten wir nicht existieren, da uns die breite Sichtbarkeit im stationären Buchhandel fehlt und man bei Amazon durch unsere Bücher blättern kann, auch alte Backlisttitel sind dort verfügbar. Das muss man in aller Offenheit und bei aller Kritik, die auch wir über diesen Konzern äußern, sagen können.
Wie halten Sie es mit dem Börsenverein für den deutschen Buchhandel?
Wir sind drin. Lesen das Börsenblatt gerne, rufen manchmal bei speziellen Rechtsfragen an und lassen uns beraten, schätzen den Service, aber aus Überlastung machen wir nicht weiter aktiv „mit“.
Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?
Für alle, die Lust an unseren Büchern haben. An Literatur, die eigenwillig, unangepasst und manchmal auch experimentell oder provokant ist. Menschen, die Bücher mögen, die sich nicht auf den Wegen der gängigen Muster bewegen. Inhaltlich sind sie so vielschichtig, dass sie keine einzelne Zielgruppe ansprechen. So hoffen wir, in jeder Sparte unsere Fans zu finden, und freuen uns, wenn neue hinzukommen und sie vielleicht auch mal in die anderen Programmteile unseres Verlags hineinblicken.
Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?
Wir haben kleine und unterschiedliche Fangruppen unserer Bücher. Es gibt Fans der Erotik, die in der ganzen Überfülle des Internets sich an unserer Auswahl im „Heimlichen Auge“, an der Authentizität und Qualität, erfreuen und an den Romanen der Reihe „Liebesleben“, die nicht versucht, den Stereotypen erotischer Literatur zu entsprechen, sondern auf literarisch gut geschriebene lebensnahe sowie eigenwillige Geschichten setzt und auch von den Ambivalenzen der Liebe erzählt.
Dann gibt es die Fans unserer Krimireihe, die das Grauen, was im Alltag steckt und sich manchmal fast unmerkbar entwickeln kann, zum Thema macht, die der Psychologie schräger und alltäglicher Charaktere folgt, ohne blutiges Gemetzel. Wichtig ist nicht der Mord, sonders das, was dahin führt, hat Agatha Christie einmal einer ihrer Figuren in den Mund gelegt: „Die Geschichte beginnt eigentlich vorher, manchmal viele Jahre vorher, mit all den Ursachen und Geschehnissen, die bestimmte Menschen an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Stunde an einem bestimmten Ort zusammenführen.“
Und es gibt Fans einzelner Autorinnen aus unserer Belletristik im Allgemeinen, hier bringen wir literarische Perlen jenseits der Reihen, die unsere Herzen und Geister berührt haben und denen wir viele LeserInnen wünschen.

Verlagssignet © konkursbuch
Es sind Nischen außerhalb des Mainstreams, das schubladenübergreifende Denken, das unseren Büchern zueigen ist. Dass ein erotischer Roman auch eine gut erzählte Geschichte sein kann. Dass Liebesromane nicht immer die Geschichte von „Boy meets Girl“ erzählen müssen, sondern auch in Beziehungen ansetzen können, wenn die Verliebtheit sich im Alltag zurechtfinden muss, wie geht es dann mit der Liebe weiter? So reisen wir durch literarische Welten von großen fantastischen Romanen, Literatur von Inseln hin zu kleinen Alltagsgeschichten, und alle mit Leidenschaft und ausgewählt.
Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?
Dass wir aufgrund der oben beschrieben Vielfältigkeit des Verlagsprogramms, das für andere nicht als „Ganzes“ erkennbar ist, zu wenig sichtbar sind, dass es Verlage mit kleinerem Programm und einheitlich modisch gestylten Büchern leichter haben als wir mit unserer nach wie vor in „Handarbeit“ und individuell unterschiedlich gestalteten Einzeltiteln und Reihen. Dass wir damit hinter den „gestylten“ Marken verschwinden. Heute sollten Cover „auffälliger“ sein, wie uns Vertreter sagten. Auf Buchmessen sieht man den „Stil“ unseres Verlages und er kommt an, aber so gebündelt sieht man unsere Bücher ja sonst nirgendwo.
Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?
Dass sie sich durch ein hohes kreatives Potenzial auszeichnet, sich auf die Suche nach neuen Themen und AutorInnen macht. Dass man sich untereinander austauscht und aushilft, und der Konkurrenzgedanke nicht vorherrschend ist. Das bei den Indiependent-Verlagen viele Bücher und AutorInnen eine Chance haben, die vermutlich sonst nicht alle einen Verlag gefunden hätten. Dass es um liebevoll gestaltete, gute und gut lektorierte Bücher geht. Dass sich die Indies leisten können, an AutorInnen zu glauben und ihnen einen Platz im Programm einräumen, weil sie die Arbeit der AutorIn gut finden, auch wenn das Buch sich nicht gut verkauft.
Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?
Glaubt an eure Idee. Tut euch mit guten Leuten zusammen, die ein gutes Lektorat, eine gute Gestaltung etc. machen. Viel Kraft und Durchhaltevermögen und so wenig Konkurrenzdenken wie möglich.
Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Empfehlen würden wir den Aviva Verlag (Berlin), Stroemfeld (Frankfurt), den Weidle Verlag, den Verbrecher Verlag (Berlin), den Jörg Sundermeier hier ja bereits vorgestellt hat, die Edition Nautilus (Hamburg), den Verlag Antje Kunstmann (München), den Argument/Ariadne Verlag (Hamburg), Grosskonzern – Der kleine Verlag (Berlin), und viele andere wunderbare Kolleginnen und Kollegen, die im Katalog der Kurt-Wolff-Stiftung „Es geht um das Buch“ vertreten sind.
Herzlichen Dank, Claudia Gehrke, für diesen Einblick!
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Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier
Der konkursbuch Verlag im Netz:
Facebook: Die Facebook-Verlagsseite bietet Neuigkeiten über unsere AutorInnen, Bücher, Veranstaltungen und den Verlag an sich. Unsere Fans können erfahren, wer wann wo liest, in den Alben zu den Buchmessen und Veranstaltungen blättern, wie es so war, auch die Cover unserer Bücher sind dort zu finden und Online-Rezensionen. Wir verweisen auf Neues zu AutorInnen und Verlag. – Natürlich kann man auch mit uns in Kontakt treten, längere Anfragen sollten jedoch per E-Mail gestellt werden.
Blog: In unserem Blog gibt es einen Blick hinter die Kulissen, jeden Mittwoch kommt ein neuer Beitrag. Autorinnen und Autoren, Mitarbeiterinnen und Verlegerinnen erzählen in Anekdoten oder Nachdenkenswertem aus dem Leben/Alltag von Menschen, die mit Büchern zu tun haben, es sind literarische, essayistische oder glossenhafte Beiträge. Es steht den AutorInnen frei, worüber sie schreiben möchten. Durch diese Blogeinträge kommen die Menschen hinter den Büchern zu Wort. Die Bandbreite der AutorInnen unseres Verlages lässt sich hier vorzustellen.
Über den Verlag:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.konkursbuch-verlag-aus-tuebingen-mit-waschkuechenpornografie-fing-alles-an.c6359133-70df-4e6c-a389-fb6fb9d3bbad.html
http://www.phenomenelle.de/informelle/lestory/35-jahre-konkursbuch-verlag-interview-mit-claudia-gehrke/
http://buechertisch.org/betwixt-und-between-konkursbuch/
http://www.buchbesprechung.de/konkursbuch-verlag
https://de.wikipedia.org/wiki/Konkursbuch_Verlag
http://www.tagblatt-anzeiger.de/Home/aus-der-region_artikel,-Der-Konkursbuch-Verlag-feiert-seine-Gruendung-vor-35-Jahren-_arid,216658.html
sehr alt: http://www.literaturhaus.at/index.php?id=8173