Der König im elektrischen Königreich

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Poesie als Schleudersitz: In seinem Debüt Oh Schwerkraft katapultiert Linus Westheuser seine Leser in schwindelnde Höhen. Erstaunlicherweise wird dort die Luft nur selten dünn.

Ein weiteres Debüt aus dem Lyrikkollektiv G13 bringt dieser Herbst, diesmal bei Kookbooks: Linus Westheuser, 1989 in Berlin geboren, wo er auch studiert (Soziologie), hat bereits Gedichte in BELLA triste, Belletristik, poet, sowie einigen anderen Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Außerdem ist er bei Babelsprech, dem Netzwerk für junge Lyrik aktiv, wo er zusammen mit Joel Scott und Charlotte Warsen den Blog Hallo Präsident moderiert, der sich dem Themenkreis Politik und Lyrik widmet. Mit der Querverbindung zu Charlotte Warsen ist man auch direkt bei Linus Westheusers Debütband, dessen Umschlagillustration die sowohl als Malerin als auch als Dichterin aktiven Kollegin angefertigt hat – sie ist Teil einer Auseinandersetzung zwischen Poesie und bildender Kunst, die sich genauer einerseits auf Charlotte Warsens Webseite, andererseits aber auch im Linus Westheusers Band nachverfolgen lässt.

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Charlotte Warsen: „Mutti Genosse (für Linus Westheuser)“, Acryl auf Nessel, 2014, zu sehen auf charlottewarsen.de

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Von Pennälern und Matroschkas

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Es ist schon zu einer schönen Tradition geworden, dass sich jedes Jahr im November Literaturjournalisten aller großen Tages- und Wochenzeitungen in Berlin treffen, um über den Zustand der jungen Gegenwartsliteratur zu schreiben.

Auch dieses Jahr wieder konnte der Open-Mike-Literaturwettbewerb ein spannendes Rahmenprogramm für die angereisten Redakteurinnen und Redakteure bieten. Dabei ist eines festzustellen: Während der Literaturjournalismus in den letzten Jahren immer professioneller und wirklichkeitsnäher geworden ist, gelingt doch eine wirklich ausgewogene und objektive Berichterstattung nur selten. Schon im letzten Jahr konnte man von „farb- und willenlosen Charakteren“, „fehlender Tiefe“ und einem Mangel an Haltung lesen, dieses Jahr auch wieder: Professionalisierung, Inszenierung, schlimmer noch: „Schulmeisterlichkeit“ und „Marketingmentalität“, gepaart mit dem üblichen Verweis auf die Schreibschulen in Leipzig und Hildesheim.

Wollen wir solch einen Literaturjournalismus? Wo ist die Verve eines Joseph Roth, wo sind die Spitzen eines Kurt Tucholsky, wo ist das Poltern eines Jörg Fauser? Stattdessen werden hier „Kommas und Gedankenstriche wie Sofakissen drapiert“ und „schweißtreibend ermeißelte Syntax“ angekreidet – sprachliche Meisterleistungen!

Um es noch deutlicher zu machen: Ist es wirklich noch zeitgemäß, in einem literaturjournalistischen Artikel im Jahr 2014 von „Pennälern“ zu sprechen? Kann man eine Frage wirklich „wie eine Matroschka öffnen“, um ihr „weitere entschlüpfen zu lassen“? Und ist es wirklich notwendig, dann auch noch mit Kafka, Musil, Doderer und Ludwig Thomas Lausbubengeschichten (!) zu kontern?

Um das Leben mit mehr guten journalistischen Texten zu bereichern, auch darum wünscht man den Open-Mike-Journalisten für die Zukunft mehr Professionalität.

Digitized Literature ≠ Digital Literature ≠ Internet Literature

bajohr-wendekorpusAusschnitt aus Hannes Bajohr, „Wendekorpus“, Edit Nr. 65

Der Autor, Wissenschaftler und Herausgeber Hannes Bajohr beschäftigt sich schon seit einiger Zeit mit zwei sehr interessanten Themen: Dem konzeptuellen Schreiben und der digitalen Literatur.

So hat Bajohr in der Juli-Ausgabe des Merkur (dessen Blog im Übrigen unumwunden zu empfehlen ist) einen ausführlichen Artikel zur Gegenwartsliteratur und der Furcht vor dem Digitalen veröffentlicht; im Themenheft der Neuen Rundschau zur Zukunft der Literatur und der aktuellen Edit gibt es Textproben, in denen Bajohr selbst seinen Entwurf des konzeptuellen Schreibens, das anhand von genau definierten Textkorpora verfährt (vgl. dazu Swantje Lichtenstein: Vom Lesen, Schreiben und den Konzepten), vorstellt. Konnte man sich bislang über die Arbeit Bajohrs auf dessen Webseite informieren, hat er nun zusammen mit dem Kommunikationsdesigner und ebenfalls dem konzeptuellen Schreiben zugewandten Gregor Weichbrodt das Textkollektiv 0x0a – Eskaliertes Schreibenlassen gegründet, das beider bisherige Arbeitsschwerpunkte zusammenführt:

0x0a ist der Hexcode für den Zeilenumbruch. Es ist ein Zeichen, das es im Analogen nicht gibt, nicht gesprochen werden kann und nur als “Steuerzeichen” existiert – und damit ideales Symbol für den Versuch, genuin Digitale Literatur zu produzieren. 0x0a soll ein Workshop, Labor, Schaufenster und eine Anlaufstelle für digitale konzeptuelle Literatur werden und die Diskussion über diese Literaturform in Deutschland anregen.

Sehr lesenswert ist gleich der Eröffnungsartikel über eine Podiumsdiskussion in New York, die wohl zumindest bei einem der Zuhörer für etwas Ernüchterung gesorgt hat und genug Anlass bot, folgende Formel aufzustellen:

Digitized Literature ≠ Digital Literature ≠ Internet Literature

Daran anknüpfend noch eine erfreuliche Meldung der letzten Woche: Bei Luxbooks liegt jetzt die äußerst umfangreiche, von Annette Gilbert herausgegebene und von Shane Anderson und Uljana Wolf übersetzte Anthologie REPRINT vor, die sich dem Themenfeld der experimentellen Schreibweisen, insbesondere der Appropriation (Kenneth Goldsmith: „The New Sentence? The Old Sentence, reframed, is enough.“) seit den sechziger Jahren in seiner ganzen Bandbreite widmet.

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Foto: Luxbooks

Da tut sich doch etwas im Insektenstaat. Read on!