Der Blogpost „Statt Schriftsteller ist man Schreibmaschine“, in dem zwei Autorinnen über haarsträubende Erfahrungen mit Verlagen berichteten, treibt seit seinem Erscheinen im Juli vergangenen Jahres um. Immer wieder erreichen mich dazu Kommentare, Stellungnahmen und Erfahrungsberichte. So gestern von Barbara, deren Gedanken ich hier teilen möchte. – Ich danke Barbara für ihre offenen Worte.
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Du lieber Himmel – wenn man alle Kommentare nebst den beiden zugrunde liegenden Texten gelesen hat, könnte einem glatt die Lust am Schreiben vergehen…wenn, ja wenn… Wenn man, wenn man nicht schreiben müsste. Lust hat damit – zumindest bei mir – weniger zu tun: Ich muss.
Keine Angst. Ich halte mich nicht für BESONDERS BERUFEN.
Ich frage mich schon lange nicht mehr, warum ich schreiben muss, um leben zu können. Ist einfach so. Wie mein Wunsch, Kinder in die Welt zu setzen. Einfach da und bedarf keiner Begründung (mehr). Ich bin Diplom-Biologin – es fällt mir leicht, etwas als angeboren hinzunehmen. Ehrlich, so etwas kommt weltweit ziemlich häufig vor…
Ich schätze, dieses MUSS teile ich mit einer Menge anderer Menschen, denn abgesehen von unserem Fingerabdruck und unserem Genom sind wir Menschlein meist nicht halb so originell und einzigartig, wie wir vermuten oder das bisweilen gern hätten. Und genau da liegt das Problem: Überangebot. Es gibt ein Überangebot an Schriftstellern.
Denen ist meines Erachtens nach gleichzeitig mit dem Drang zur Feder ein weiteres Attribut angeboren: wahrgenommen, gehört, gelesen werden wollen. Verzeihlich, wenn man bedenkt, dass alle Weltreligionen von einem Gottes-/Götterbild ausgehen, das sich äußert und zwar nicht ins leere Weltall hinein, sondern um von Menschen gehört zu werden. Scheint das nächste fundamentale Phänomen zu sein: sich äußern wollen, sich äußern müssen, um gehört zu werden. Zwingend wie die Schwerkraft.
Ich kann mich der Schwerkraft nicht entziehen, sonst gibt’s blaue Flecke.
Ich kann mich dem Zwang zu schreiben nicht entziehen, sonst gibt’s Seelenverstopfung, was sich übel anfühlt.
Ich kann mich dem Drang nicht entziehen, dass ich mir wünsche, gehört & gelesen zu werden. (Und es gibt blaue Flecke, weil ich ständig auf die Fresse falle… aber wie soll ich mich über Naturgesetze hinwegsetzen?)
Falls ich mit dieser meiner Befindlichkeit bzw. dieser scheinbar grundlegenden Natur des Schriftstellers nicht allein bin – und ich bin sicher, ich bin es nicht!!! – führt das zum o.g. Überangebot: Viele Getriebene wollen bzw. müssen (ihrem Empfinden nach) veröffentlichen.
Was dann passiert, gehorcht den Gesetzen auf dem freien (Buch-)Markt: Dumping im ureigensten Sinn des Wortes mit allen Auswüchsen, denn es gibt ganz unterschiedliche Schmerzgrenzen – was dem einen Autor als Zumutung erscheint, nimmt der nächste nicht einmal als solche wahr. Das drückt die Standards, die Qualität im Umgang, im Produkt. Jeder Schriftsteller unterhalb der Millionenauflage ist durch eine bequemere Type ersetzbar. Das weiß die Branche. Der Leser bekommts nicht einmal mit.
(Manchmal habe ich sowieso den Eindruck, da wird im Sinne eines weltumspannenden Komplotts an der schleichenden Verblödung der Leser gearbeitet, bis Verlage ein Self-Write-Programm entwickeln können, in das man oben einen Titel + ein Cover stopft und unten kommt dann der fertige Roman heraus, samt Werbekampagne und Drehbuch: “Das Geheimnis des Latrinenreinigers” – sorry, ich bin nicht gut drauf, habe soeben mit meinem alten Verlag gebrochen und sehe mich auf eine massive Seelenverstopfung zuschlingern…)
Zu blöd, dass Schriftsteller an der Situation – als fast Reflexgesteuerte, die sie sind – so leiden.
Zu blöd, dass ihnen, wenn sie gut sind, das Zweifeln fest ans Schaffen gekoppelt ist, denn nur der Zweifel schafft es, den Blick aufzuweiten, mehr als einen Weg zu sehen, wirklich schöpferisch tätig zu sein – sonst wären Autoren ja mit der einen Wirklichkeit, wie sie existiert, zufrieden und müssten nicht daneben andere Realitäten erschaffen.
Zu blöd, dass Verlage sozusagen institutionell in ihrem eigentlichen Auftrag dazu da sind, mit den Zweifeln des Autors umzugehen, indem sie prüfen, fragen, hinterfragen, korrigieren und Schriftsteller sie deshalb gern als eine Art professionellen Gegenpol zu ihrem Selbst und Werk nutzten (Achtung: Konjunktiv!).
Und wirklich blöd ist, dass man sich als Schriftsteller in seinem Werk äußert, sich Buchstabe für Buchstabe buchstäblich nach außen wendet, bis man – egal wie man verschleiert – mehr oder weniger nackt dasteht mit seinem Ich, seinen Träumen und Ängsten, seiner Geschichte: so angreifbar, so verletzlich.
Ausweg? Sehe ich nicht. Für mich nicht.
An der Schwerkraft kann ich ebenso wenig etwas ändern wie an der Tatsache, dass Schreiben zu meinem Leben gehört, dass ich gelesen, veröffentlicht werden will, dass ich wegen meiner ständigen Zweifel (noch) einen Dialog mit einer professionellen Instanz brauche, die die nötige Distanz zu meinem Selbst hat und ich werde nix daran ändern, dass ich in einer Schlange Vieler stehe/untergehe/verschwinde, denen es ähnlich geht.
Bloß nicht frustieren lassen.
Fleiß hilft sicher.
Ich hoffe darauf, wie überall im Leben, Glück zu haben.
Es sind ja auch bisher alle Lastwagen an mir vorbeigefahren und keiner hat mich überrollt. So viel Glück hat nicht jeder!
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Zu Barbaras Blog, auf dem sie derzeit erste Gehversuche unternimmt, geht es hier
Pingback: Die Woche im Rückblick 22.03. bis 28.03.2013 | sevblog
Ich habe keine Waschmaschine Barbara, ich gehe in den Waschkeller…. 🙂 🙂 🙂
Du hast recht, Deutschland ist ein sehr reiches Land und es ist somit auch viel Kreativität möglich.
Ich bin mit Leib und Seele und Herz Zeichnerin auch mit den Entbehrungen, die es bringt.
Einen schönen Abend dir Susanne
liebe Barbara,
das ist kein guter Wunsch, denn dann hätten nur die Männer Zeit „kreativ“ zu sein.
Mit dem Schreiben ist es so wie mit dem Geigen.
Ohne Übung, nur ein Geschrammel.
Und dann kommt womöglich der Bammel: Was sagen die anderen dazu?
Der reine Fleiß wird es nicht richten. Gut so!
Die einen sind Arbeiter, die anderen Künstler.
Dann gibt es mindestens noch die dritte Gruppe, man nennt sie Dilettanten.
Na ja, der Markt regelt das schon, aber wie?
Der Zwang zum Schreiben bleibt zu hinterfragen und sollte
„bei Gott“ nicht unkorrigierbar sein.
Glück auf !
Das sehe ich nicht so, das heißt das mit dem Üben stimmt, wenn man es viel und regelmäßig tut, bekommt man seinen Stil und wenn man sich damit der Öffentlichkeit konfrontiert bekommt man auch heraus, was die so sagt.
80% ist Disziplin, der Rest ist Inspiration, hat einmal einer der Großen, die es wissen müßen, gesagt und ich denke, daß das stimmt.
Das zum reinen Fleiß, natürlich braucht man dann noch das, was man Glück nennt dazu, also das mit dem richtigen Ort und der richtigen Zeit und die geneigten Ohren, die einem wohlwollend interessiert entgegenkommen.
Das mit den Dilettanten würde ich in die Geniekiste werfen, die heute als eher überholt gilt, weiß man ja zum Beispiel, das die amerikanischen und auch englischen Universitäten schon lange das kreative Schreiben in ihre Lehrpläne integrieren und äußerst gut damit fahren, denn was spricht für kreative Bürger, die ihre Meinung auch einigermaßen zu äußern verstehen? Die Demokratie sollte sich doch solche wünschen.
So halte ich überhaupt nichts davon einen „Zwang zum Schreiben“, zu hinterfragen, sondern viel von einer Gesellschaft, die sich für das Lesen und das Schreiben interessiert.
Und die Leser wollen wir doch auch, rnägen unsere Kinder dazu, schicken ihnen Lesepaten und Lesomas in den Kindergarten und fürchten uns vor Pisa.
Also die gerne schreiben, weil sie etwas zu sagen haben und sich ausdrücken wollen, sollen es tun und es wird auch nicht jeder Geiger täglich in der Royal Albert Hall oder im Musikverein stehen, wenn er aber spielt, wenn ihm danach ist und dann ein paar Mal im Jahr vor seinen Freunden bei einem Hauskonzert antritt, ist das ein Gesellschaftsbild, das mir sehr sympathisch ist!
Ich weiß nicht, ob wir uns richtig verstanden haben,
aber jede Form von Zwanghaftigkeit wäre gut
und dienlich, hinterfragt zu werden.
Schon alleine das Wort – Zwang – impliziert Einschränkung,
Eingleisigkeit und somit Beschränkung,
was niemals auf die Person als solches reduziert bleibt.
Man denke nur an zwanghafte Gruppen- und Gesellschaftsformen,
wo sich Neurosen geradezu potenzieren.
Und das heißt im Klartext:
Ängste, Hemmungen und große Verunsicherungen…etc.,
also Leiden.
Schade, dass man hier keine Schreibfehler direkt im Text korrigieren kann.
Man denke nur an zwanghafte Gruppen- und Gesellschaftsformen,
wo sich Neurosen geradezu potenzieren…etc.
Vielleicht ist der Ausdruck Zwang auch falsch gewählt, ein Zwang ist etwas Krankhaftes, also nicht wünschenswert, der Drang dagegen das, was das Werk erst möglich m Eiacht.
Ein gutes Beispiel ist hier wieder das Klavier oder Geigenspielen ohne täglich ein paar Stunden üben, kommt man hier nicht weiter. Ist das jetzt Zwang oder nicht und ist das gut, wenn die Mutter oder der ehrgleizige Vater, das Kind auf das Klavierstockerl setzt?
Ich würde bezüglich schreiben das Wort Zwang nicht verwenden, aber natürlich muß ich es kontinulierlich tun, sonst komme ich nicht weiter, beim Drang denke ich dagegen an die Selbstverwirklichung und das ist etwas Positives.
Das Problem an der Sache ist, glaube ich, ein anderes. Da wollen tausend Leute schreiben und der Verlag bringt zehn neue Bücher heraus und ungefähr soviel liest der Durchschnittsleser auch. Was ist also mit denen, die keinen Vertrag bei Rowohlt etc bekommen?
Ich kenne das Problem auch und habe mir sehr lang sehr schwer damit getan, daß ich schreibe und schreibe und am Ende kommt ein selbstgemachtes Buch heraus, das keiner sehen will?
Ein bißchen pervers könnte man denken, trotzdem ist es wichtig für mich und die Kinder, die mit Zwang zum Klaviervirtuosen gedrillt werden, sind ihren Eltern am Ende dafür dankbar?
Ein schwiergies Problem, also nicht mit Zwang schreiben, üben, lernen, aber trotzdem seine Kreativität entfalten und Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Werschätzung kann bei alldem nicht schaden, dann geht es leichter mit der Selbstverwirklichung und der Kreativität
das übergeordnete Lektorat griff ein 😉
Dem kann ich mich nur anschließen, obwohl ich das mit dem Überangebot gelassener sehe und statt den biologischen offenbar den psychologischen Blick habe, der sich die Förderung der Kreativität für alle wünscht. Und da ist wahrscheinlich der Hund begraben, es wollen sehr viele Leute schreiben, um sich auszudrücken und zu verwirklichen. Früher hatten wir den sogenannten Geniebegriff, so daß ich wirklich einmal einen schreibenden Künstler sagen hörte, daß man das nicht tun soll, weil man damit den großen Goethe beleidigen würde, jetzt ist das scheinbar einfacher, es gibt Schreibwerkstätten und Autoren, die davon leben, anderen das Schreiben beizubringen, Internet und Blogs und seit kurzem das Selfpublishing.
Jetzt kann also jeder, der das will, seine Bücher relativ einfach und billig selber machen und steht vor einem Problem, denn irgendwie braucht er auch die Aufmerksamkeit der anderen, die wahrnehmen und wertschätzen was er oder sie so tut, denn sonst wird man depressiv, aber hier hapert es, denn wenn ich so auf mich und meine Bücher zentriert bin, habe ich keine Zeit mehr, die der anderen zu lesen, die Leser schreien immer noch „Selbstgemachtes wollen wir nicht, denn wir brauchen die Verlagsvorauswahl!“, was eigentlich genaugenommen, eine Selbstentmündigung des Lesers ist und so wurschteln wir dahin….
Ich bin fast sechzig, habe vor vierzig Jahren Matura gemacht und beschlossen, sowohl zu schreiben, als auch Psychologie zu studieren, was ein weiser Entschluß war, denn damit habe ich relativ schnell mein Grundgehalt und Zeit zum Schreiben. Die literarische Anerkennung habe ich nicht, denn offenbar schreibe ich zu linear, sozialkritisch, psychologisch realistisch, etc, so gibts viele Texte in Anthologien und in ein paar Literaturzeitschriften, ein Buch in einem Kleinstverlag, zwei Fach-und Sachbücher in großen, wie Orac und Fischer TB und nun schon fast schon dreißig selbstgemachte Bücher, die ich mir seit 2000 in einer jeweils fünfzig Stück Auflage drucken lassen und seit 2008 in meinen Blog „Literaturgeflüster“ selbst vermarkte, zwei habe ich immer in der Handtasche, um sie auf den Veranstaltungen zu denen ich gehe, herzuzeigen und versuche auch sie auf Lesungen zu präsentieren.
Eine Lösung in der immer schwieriger werdenen Verlagswelt mit ihren Umbrüchen und Veränderungen habe ich auch nicht, denke aber, daß es durch die Möglichkeiten des Internets besser geworden ist und, daß das Selfpublishing etwas Positives ist und natürlich wünsche ich mir nach wie vor mehr Wertschätzung und Interesse, weil ja nur so das Schreiben funktionieren kann! Für sich allein im Kammerl vor sich hinzuschreiben ist zu wenig und ich bin eigentlich an den Arbeiten der anderen sehr interessiert und lese und bespreche auch sehr viel!
Liebe Barbara,
ich kann deine Worte als Zeichnerin genauso unterschreiben!
Grüße und viel Erfolg und das kleine Stückchen Glück, was jeder braucht wünscht dir Susanne
Liebe Susanne!
So schrecklich es ist, schwarz auf weiß zu sehen, wie vielen Kreativen es ähnlich geht, so gut tut es, mit den nicht einfachen Erfahrungen eben nicht allein dazustehen, oder, wie durch deinen Kommentar, nicht allein damit gelassen zu werden.
In diesem Sinne: LIeben Gruß & herzlichen Dank!
P.S.: …wären doch Spül- und Waschmaschine nie erfunden worden, dann hätten einfach nicht so viele Personen Zeit, kreativ zu sein!