bluenotes
Die blue notes sind lyrische Zwiesprache, die eine Brücke zur Musik schlägt, zwischen Barcelona und Berlin, zwischen Kathrin Schadt und Christian Ingenlath. Alle paar Wochen schickt eine/r der beiden ein Gedicht, Gedanken, Notizen - und die/der andere textet dort mitten hinein. Das Besondere dabei ist, dass hierbei drei Texte gleichzeitig in einem entstehen. Heute schreibt Kathrin Schadt kursiv und Christian Ingenlath antwortet. Ganz oben steht immer der aktuelle Text. Im Anschluss dann das gesamte Projekt, das fortlaufende Langgedicht (Kathrin Schadt immer kursiv). Via Smartphone im Querformat lesen. Illustration: Johanna Hansen.
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blue notes #4
© Johanna Hansen
ich stell mir vor wir wärn ein wunder
gestrandet auf einem heimatlosen boot spiegeln sich
um einen anfang zu finden teilchen oder welle
nenn ich uns deukalion und pyrrha, einverstanden in kurzatmigen blicken
stell ich mir vor, wir hätten unsre ganze habe verschenkt bis auf die seeligkeiten
und redeten in den sprachen der menschen wie heimgekehrte weltraumflieger
und könnten prophezeien mit der weiten sicht von draußen
alle geheimnisse statt koffer trügen wir bei uns
und darin alle erkenntnisse
mit denen wir berge versetzen könnten
wer würde uns so empfangen? alle die gehen wollen mussten
uns an der „lifeline“ an land ziehen alle die kommen wollen sollten
aufnehmen mit „open arms“ alle die bleiben wollen konnten
isn´t this the dawning of the age of aquarius? o tempora o moria!
das wassermannzeitalter wirft uns im sturm richtungsseile zu zappelnde enden
so lange wird noch kein hafen in sicht sein denn die schläfer in den städten
wo unsere anker auf grund sinken dürfen haben sich erfolgreich verpuppt
wo endlich ufer in reichweite liegen bis die wütenden sie prügeln wie piñatas
und vertäut wird was auf der flucht war und angst sich auf straßen ergießt
erst dann werden wir die sintflut überlebt haben, am parnass leinen werfen stille
und steine - die alte last - hinter uns in mosaiken verewigt
aus denen endlich neue menschen entstehen werden
langmütige, gütige menschen
die sich nicht ereifern, nicht prahlen, nicht aufblähen in gefühlten gewissheiten
die nicht ungehörig handeln, nicht nach ihrem vorteil suchen
die sich nicht zum zorn reizen lassen
sich nicht über das unrecht freuen, sondern an der wahrheit wachsen
stell ich mir vor seh ich dir an
dass sie alles ertragen, alles hoffen, allem stand
halten werden
blue notes #4
Das Hohelied der Liebe, 1.Korinther 13
Aquarius, Hair 1968
Kommen und Gehen, Gundermann 1997
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blue notes - fortlaufendes langgedicht
#1
© Johanna Hansen
wo sind sie bloß? ich weiß es jetzt nicht mehr genau, nur
barcelona, brüssel, lapislazuli eines tages frau geworden oder
dort wo sie mal waren was auch immer das bedeuten mag
auf dem berg oder im gemenge ich auch ich auch ich auch ich liebe
einen separatisten geliebt gespalten soviel steht zwischen den zeilen
vielleicht zwischen ihren jahren zwischen trümmern fiestas
auf den avenidas sind schauprozesse zu erwarten gefeiert wie gefallen
schwimme ich durchs berliner blau im gang der wellen folge ich als rand notiz
betonwerte von freiheit lose blätter die auf spiegeln keinen weg mehr suchen
den riss durch die gesellschaft golden ausgegossen fällt der schnee im negativ
king of pain : an einem kalten grauen tag öffnen sich innwendig hungrige mäuler
geht die liebe grausam um reicht das futter mit sicherheit nicht und
mit denen die feinfühlig sind ist es einfach feuer zu legen
bleibt jede liebesgeschichte kreisrund verbrannte erde und
eine geistergeschichte gespenster die ihre laken im flug verlieren
wenn selbst bienen nicht mehr zurück finden schwarze flecken
It's my soul up there auf einer gebrandtmarkten karte die irgendwo hin führt wo
#2
© Johanna Hansen
das land nicht mehr noch nicht vermessen wurde
halten zwei blindstiche zusammen auf verschossenen gardinen
habe ich heute nacht herbert gelesen in flüssiger brailleschrift
auf dem fahrrad verfolgt wie der sinn für solidarität zerfasert
obwohl ich wusste wenn er aus der mode kommt
sich umdreht wird er ausflippen während ich noch auf liebe warte
zur gleichen zeit berührt eine frau die wortlose erkenntnis
die narbe eines mannes zwischen orakel und erinnerung
dasein und hiersein die distanz bleibt gleich
sollten wir alle was davon zusammen halten
nicht nur in unserer sprache bleiben sondern was zusammen davon halten
etwas zwischen dem falz finden davon zusammen was halten
zwei fältige zwiebelfische vielleicht könnten zusammen davon was halten
die übersetzung an der nahtstelle sein und davon was zusammen halten
#3
© Johanna Hansen
zusammen was davon halten
bis neuer grund entsteht suche ich grund um einen zu legen
wate ich durch gezeitenschlick oder nehme ich mir gleich einen strick
und verliere meine schuhe nach dem sprung in das nichts
ist das herz gut vertaut ist alles in überseekoffern und kammern verstaut
sail on silver girl you're like the young bird that hasn't sung
mein schmerz flieht in die gischt ein wildtier
unser glück liegt auf der hand bleibt nur wenn es von fern gekonnt ignoriert wird
ich sehe schwindend zuversicht und niedergeschlagene wimpernreihen
über blaue handyflächen fingern leergeaugte glieder auf anschluss suche
gewöhnt an diese schlierenbildung zerspringen wir spiegel dennoch
scheinen augen weniger geladen und brauchen seh hilfe in not
es sei denn es geht um unser land einer für alle oder alle für einen?
um demokratisch abzuschotten wer schoten quer zerschneidet erntet blumen
von welcher seite aus wir auch diese säen statt verwehren und
die luft ziehen nährstoff zufügen - dort
entsteht am ende vakuum bei mir entsteht ein garten that´s bursting into life
wie seiner zeit in magdeburg // bis heute ungesehen
#4
© Johanna Hansen
ich stell mir vor wir wärn ein wunder
gestrandet auf einem heimatlosen boot spiegeln sich
um einen anfang zu finden teilchen oder welle
nenn ich uns deukalion und pyrrha, einverstanden in kurzatmigen blicken
stell ich mir vor, wir hätten unsre ganze habe verschenkt bis auf die seeligkeiten
und redeten in den sprachen der menschen wie heimgekehrte weltraumflieger
und könnten prophezeien mit der weiten sicht von draußen
alle geheimnisse statt koffer trügen wir bei uns
und darin alle erkenntnisse
mit denen wir berge versetzen könnten
wer würde uns so empfangen? alle die gehen wollen mussten
uns an der „lifeline“ an land ziehen alle die kommen wollen sollten
aufnehmen mit „open arms“ alle die bleiben wollen konnten
isn´t this the dawning of the age of aquarius? o tempora o moria!
das wassermannzeitalter wirft uns im sturm richtungsseile zu zappelnde enden
so lange wird noch kein hafen in sicht sein denn die schläfer in den städten
wo unsere anker auf grund sinken dürfen haben sich erfolgreich verpuppt
wo endlich ufer in reichweite liegen bis die wütenden sie prügeln wie piñatas
und vertäut wird was auf der flucht war und angst sich auf straßen ergießt
erst dann werden wir die sintflut überlebt haben, am parnass leinen werfen stille
und steine - die alte last - hinter uns in mosaiken verewigt
aus denen endlich neue menschen entstehen werden
langmütige, gütige menschen
die sich nicht ereifern, nicht prahlen, nicht aufblähen in gefühlten gewissheiten
die nicht ungehörig handeln, nicht nach ihrem vorteil suchen
die sich nicht zum zorn reizen lassen
sich nicht über das unrecht freuen, sondern an der wahrheit wachsen
stell ich mir vor seh ich dir an
dass sie alles ertragen, alles hoffen, allem stand
halten werden
blue notes #1
der moment, rosenstolz 1996
king of pain, the police 1983
in the ghetto, elvis 1969
cruel to the sensitive kind, tina dico 2007
blue notes #2
true love waits, radiohead 2016
blue notes #3
bridge over troubled water, simon&garfunkel 1970
hindue blues, kevin johansen 2010
chasing cars, snow patrol 2006
uhlala, mia 2006
blue notes #4
Das Hohelied der Liebe, 1.Korinther 13
Aquarius, Hair 1968
Kommen und Gehen, Gundermann 1997
Fixpoetry 2018
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