Vulkanischer Antiroman
Wiederaufgelegt bei Suhrkamp:
Paul Nizon nennt für sich zwei Geburtsdaten: das Jahr, in dem er in Bern zur Welt gekommen ist, und das Jahr, in dem er sich mit dem Canto selber zur Welt gebracht habe. 1929 und 1963. Canto – dieser wilde, vulkanische Antiroman, dieses Kultbuch, das seiner Zeit um Jahrzehnte voraus war und nach über fünfzig Jahren jung ist wie je, ist nun anlässlich des 90. Geburtstags Paul Nizons in der klassisch schönen, von Willy Fleckhaus gestalteten Ausgabe neu zu entdecken.
Wovon handelt dieses Buch? Hiervon: »Einer will auf die Welt, lebenssüchtig und frauensüchtig streunt er durch die Straßen Roms, mit allen Sinnen saugt er den Lärm, den Geruch, die Stimmungen der Großstadt in sich auf (er ist einer, der aus der Kleinstadt Bern als Stipendiat in die Römer Großräumigkeit, Großzügigkeit gespült worden ist), und emphatisch, hymnisch besingt er das Leben, das Rausch ist und Hingabe und auch Erinnerung, Wehmut, Trauer, doch letztlich immer wieder Gegenwart, Versinken in Glut, singende Lust. Canto.« Charles Cornu
„Mein Halt ist die Verneinung. Beispielsweise: im Institut hier, beispielsweise: der anderen Mitglieder Ansichten über Stadterlebnisse, Tagbewegendes: Für mich immer Magermilch, was da herauskommt, saure Brötchen. Zwergenmagen, Zwergenmund meinen Walfisch zu schlingen, und drehen artig Bonbon rund. Ich breche jede Solidarität, ich habe ein vernichtendes Wort für all das gefunden, das wende ich an: Vorkriegserotik. Ebbe und Flirt. Und weise Unzuständige auf ihren Platz. Was mir von diesen ›membri maschi e femmine‹ dieses Quasi-Hauses entgegenkommt, ist doch nur Sonntagsschulmeinung, vom Lebensgewicht vollständig unbeschwertes Papperlapapp, um schön zu tun. Natürlich nehmen sie mir die Negation nachsichtig ab. Zu Unrecht. Ich leide es nicht, wenn mir das Ding in Kleinstverpackung aus dem Munde unbetroffener Blaßjungbürger entgegenrückt, leide nicht solche Blasphemie bei Tisch.“
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