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Neuere Überlegungen zu Foucaults Frage: »Was ist Kritik?« Von Peter V. Brinkemper Es ist schockierend: In diesen medial-hysterischen Zeiten der tausend Kanäle und der einander heftig ausgrenzenden Teilgruppen fühlt man sich nirgends zu Hause. Zu Hause, im Sinne einer kritischen deliberierenden und gemeinsame Wirklichkeit gestaltenden Öffentlichkeit, die noch insgesamt wüsste und praktizierte, was reflexiver Diskurs, lebensweltlich-institutionelle Kommunikation, Sich-Verweigern, Differenzieren, Abwägen, Vermitteln, Prozessieren; »Prozedurieren« und Urteilen, Implementieren und Transformieren beinhalten könnte – und dies alles für einen kontinuierlichen und inklusiven Umgang mit Personen, Gruppen, Minder- und Mehrheiten, Ereignissen, Tatsachen und Hintergründen, Sprüchen und Widersprüchen, jenseits des flachen Formates einer vagen Sprunghaftigkeitshierarchie und Befindlichkeitsdemokratie, die im gruppenzentrierten Sekundentakt den Daumen hoch oder runter hält, bevor die Bild-Sprach-Gehirnwelle den nächsten mentalen Tsunami auslöst. »Was ist Kritik?« fragen sich zu Recht die Suhrkamp-Herausgeber Rahel Jaeggi und Tilo Wesche und lassen neben einer Einleitung in insgesamt vier thematischen Blöcken 16 Autoren und Autorinnen, einschließlich ihrer selbst, philosophisch und soziologisch zu Wort kommen. In gewisser Weise gibt sich das Buch, zum Teil ein Konferenzband, elitär, akademisch, postinnovativ und nachfolgerisch-eklektizistisch. Es gibt auch Anderes, durchaus Originelles. Aber es scheint vielfach darum zu gehen, klassische Typen der Kritik, der Gesellschaftskritik und der Ideologiekritik, von Marx bis Horkheimer und Adorno, Habermas, Foucault und Bourdieu aus der Perspektive der Adepten und sanften Kontrahenten einzuschätzen und methodologisch einzuzäumen. Auf diese Weise hat das Buch stellenweise, durch merkwürdige Parallelisierungen und Kontrastierungen, etwas von einer Ideenschrumpfung und Geschichtsklitterung, als sei es die Aufgabe der heutigen akademischen Generation, die vor gar nicht so langer Zeit verstorbenen oder bald dahinscheidenden Größen und ihre mehr oder weniger lebendigen Traditionen in geeignete theoretische Sarkophage einzuschließen. Luc Boltanski und Axel Honneth: Wie wirkungsvoll kann Soziologie noch als Praxis sein? Luc Boltanski bringt es in einem Interview auf den vagen wissenschaftspolitischen Punkt: »Bourdieus Werk ist die Last, an der wir zu tragen haben, genauso wie die Frankfurter Schule die Last der Frankfurter ist – wir können nicht einfach den vorgezeichneten Weg gehen, aber genauso wenig können wir diese Denktraditionen einfach beseiteschieben.« (S. 82) Zumal es, wie er weiter ausführt, in der Soziologie nie bloß um Theorie, sondern immer auch um Politik ginge. Wie wahr. Hinsichtlich Bourdieu macht Boltanski die Bemerkung, dass seine dialektische Vorgehensweise zwischen positivistischer Wissenschaftlichkeit und sozialer Empörung, einer Mischung aus Durkheim, Weber und angeblich nicht eingeholtem Marx, heute so nicht mehr gangbar sei. Das soziale Subjekt sei nicht weiter durch eine souveräne elitäre soziologische Diagnose darstellbar als Spaltprodukt: hier ein wildes Es unbewusster Regungen und dort ein computerisiertes positives Datenbündel unter den Gesetzen und Trends herrschender Strukturen. Die Zeit der naiven Annahme einer strikten Trennung zwischen Akteuren und Beobachtern sei längst vorbei. Mittlerweile müsse man bei akademisch gebildeten Führungskräften mit oft anspruchsvollen Kompetenzen rechnen, die mit der kognitiven Zurüstung der Soziologen mithalten könnten und die wissenschaftlichen Klassiker zumindest als Aushängeschild und Warenmarke zitierten. Sofort muss man dabei an Frédéric Beigbeders 39,90 (99 francs) denken. Boltanskis fast resignative Lesart dieser durchaus ideologischen Theorieaufladung der unternehmerischen Praxis in den Führungsetagen mutet geradezu hilflos an. Der Ausverkauf der Soziologie auf dem Managementmarkt als das Ende der substantiellen Kritik? Es kann doch nicht sein, dass allein das Namedropping und die Begriffsanspielungen von heutigen sozialen Aktanten mit hohem Gehaltsniveau deren oder die allgemeine soziale Praxiskompetenz schwieriger entschlüsselbar machten. Nicht das Reden, das Handeln und seine effektiven Folgen in analysierbaren Kontexten sollten doch zählen. Es könnte ja sein, dass diese Art von Soziologie-Name-Dropping eher ein Indiz dafür ist, dass die heutigen gesellschaftlichen Akteure sich gerade in Krisenzeiten mit akademischem Ornat schmücken, statt wirklich effektive unternehmerische, ökonomische und soziale Strategien zu entwickeln, die mit einem weiten Feld von Betroffenen abzustimmen und dann auch »sozial verträglich«, vielleicht sogar wieder progressiv wären. Axel Honneths Position klingt im selben Interview vielversprechender. Zwar ist auch seine Kritik an den Vorgängern ebenfalls etwas parasitär: Einerseits lobt er Habermas’ Kritik am Pessimismus von Horkheimers und Adornos Dialektik der Aufklärung sowie die potentielle Zuschreibung einer genuinen kommunikativen Kompetenz gegenüber den gesellschaftlichen Akteuren, andererseits parallelisiert er Habermas’ Schlusskapitel aus dessen Theorie des kommunikativen Handelns in Sachen Kolonialisierung der Lebenswelt mit dem Noir der älteren Kritischen Theorie. Die einseitige »Konzentration auf die linguistische Struktur der Kommunikation und die darin eingelassene Vernunft führt zu einer Ausblendung der damit verschränkten sozialen Erfahrungen.« (S. 88) Was nach Honneth fehlt, und das klingt im heutigen politisch-gesellschaftlichen Sinne recht stimmig, ist die Verschränkung von Habermas mit Foucault, die Verbindung von Kommunikation und Macht, also die Analyse des Kampfes um Anerkennung im Rahmen von sozialen Prozessen. Im Sinne des frühen Hegel müsse dieser Kampf um Anerkennung in der Analyse des gesellschaftlichen Alltags stärker als Modus eines friedlichen, zivilen, vielstufigen Konflikts, sich zunächst zu ignorieren, auszuschließen, zu übergehen, sodann aufeinander zu stoßen, sich aufeinander einzustellen und miteinander in Verhandlung zu treten, sich miteinander auseinander zu setzen, zur wechselseitigen Geltung gebracht werden, um das Streben nach normativer Relevanz von verschiedenen kommunikativen Parteien, Agenten und Akteure im normalen Streit- und im Krisenfall angemessen beschreiben und verfolgen zu können. Diese Art der konkret-alltäglichen Kommunikations-, Macht- und Diskursanalyse weiche erheblich von den kantischen normativ-philosophischen Überlegungen zu Staat und Gesellschaft des späten Habermas ab. Auf diese Weise ergäbe sich, so Honneth, eine Arbeitsteilung zwischen der Kritik sozialer Ungerechtigkeiten (auf der Basis moralischer Intuitionen wie Richtigkeit, Asymmetrie, Symmetrie und Gerechtigkeit) und der Kritik sozialer Pathologien (auf der Basis der Intuitionen des guten, gelungenen Lebens). Kritik verfolge weiterhin das Ziel, immanente und verdeckte Widersprüche aufzudecken, von denen bestimmte Akteure, Repräsentanten und Institutionen, wenn überhaupt, ideologisch so redeten, als ob sie gar nicht existierten. Es ist bezeichnend, dass sich Honneth selbst in aller Bescheidenheit als theoretischer Wegbereiter einer Soziologie versteht, die ein Interesse entwickelt, die ungleich verteilten sozialen Chancen der Akteure und ihren Kampf um die Einlösung von bisher aufgeschobenen und unterdrückten Erwartungen zu untersuchen und zu entbinden, im Hinblick darauf, inwiefern sich diese Dynamik in Lebenswelten und Institutionen für die Entwicklung der Gesellschaft gültig einschreibt. Um so bedauerlicher ist es, dass Honneths Auseinandersetzung mit Sloterdijks schönen neuen Thesen keineswegs mit jener publizistischen Brillanz und Relevanz stattfand, die man von Habermas und seinen Gegnern im Historikerstreit gewohnt war. Gerade Sloterdijks Bestandsaufnahme der »Lethargokratie« auch nach der Ära Kohl, der Krise der strukturellen Sozialdemokratie, jenseits der abgestürzten SPD, und ihres Konzeptes eines mit 1000 Milliarden finanzierten »Steuerstaat, als Infrastrukturstaat, als Rechtsstaat und nicht zuletzt als Sozialstaat und Therapiestaat« (Cicero, Nov. 2009) und seine Provokation, die Bürger in passive und aktive, nehmend-bedürftige und freiwillig gebende (Steuer-) Subjekte aufzuteilen, hätte im Sinne von Honneths Kampf-um-Anerkennungs-Perspektive eine eingehendere öffentliche polemisch-diskursive Behandlung verdient. Judith Butler: Die progressive Konvergenz von Theorie und Praxis
Überzeugend bezieht sich Judith Butler in ihrem Essay zu Foucaults gleichnamigen
Aufsatz »Was ist Kritik?« (1978) auf dessen Unterscheidung, sich im eigenen
Begehren Regeln und Gesetzen von außen zu unterwerfen, oder sich in der
Selbst-Transformation ein eigenes Regelwerk zuzulegen, dass die Ausbildung von
Handlungen und das Ausagieren von Begierden selbst zuließe. »Ich (Butler)
glaube, dass Foucaults Abgrenzung einer Ethik auf der Grundlage von Befehlen von
derjenigen ethischen Praxis, die vorrangig mit der Herausbildung des Selbst
befasst ist, auf bedeutende Weise den Unterschied zwischen Gehorsam und Tugend
erhellt, den er in seinem Essay Was ist Kritik? darlegt. Foucault stellt
dieses noch zu definierende Verständnis von >Tugend< dem Gehorsam gegenüber,
indem er zeigt, wie die Möglichkeit dieser Form von Tugend in ihrer Abgrenzung
zu einer unkritischen Unterwerfung unter die Autorität entsteht.«
(231, vgl.
auch Chomsky und Foucault) Entsprechend interessant ist Judith Butlers Nichtannahme des Zivilcourage-Preises beim Christopher Street Day Berlin 2010. Die CSD-Organisatoren verfehlten, so Butler den Politikmodus des »Queer«, wenn Bürgerinnen und Bürger sich zwischen Weiß und Farbig, zwischen Einheimisch und Zugewandert, zwischen Homophobie und Rassismus entscheiden müssten. Vielmehr ginge es in Zukunft um heterogene Cross-Over-Bündnisse, ein Signal Butlers, das Angela Davis nur unterstützt, da die früher auf Progressivität abonnierten Gruppen, wie die schwul-lesbische Bewegung sich öffnen müssten, um falsch gerasterte politische Alternativen zu überwinden. Adorno hätte Butler völlig Recht gegeben, wie seine Ausführungen über die Theorie des fremdenfeindlichen und die Gastfreundschaft verachtenden Gruppenverhaltens, auch bei Fußballspielen und anderen exzessiven öffentlichen Ereignissen, belegen.
Bittner und die Ungnade
der späten Geburt |
Rahel Jaeggi
&
Tilo Wesche
(Hrsg.)
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